Leitsatz (amtlich)
Wermutwein ist Wein im Sinne der Freiliste 2.
Normenkette
UStG 1951 § 4 Ziff. 2b; UStDB 1951 §§ 20-21
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) begehrt für Einfuhranschlußlieferungen von Wermutwein Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 2b des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Das Finanzamt hat die Steuerfreiheit im streitigen Veranlagungszeitraum 1954 versagt, weil Wermutwein kein Gegenstand der Freiliste 2 (Anlage 1 zu §§ 20, 21 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz -- UStDB -- 1951) sei; es hat sich zur Begründung im wesentlichen auf den Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 6. Januar 1954 IV S 4116--36/53 (Umsatzsteuer-Kartei S 4116 Karte 54) bezogen.
Entscheidungsgründe
Im Berufungsverfahren hatte die Stpfl. Erfolg.
Die gegen die Zubilligung der Steuerfreiheit für die streitigen Lieferungen gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.
Die in der Freiliste 2 enthaltene Bezeichnung "Wein" bestimmt diesen Warenbegriff nicht so eindeutig, daß Zweifel ausgeschlossen wären. Der Begriff ist deshalb auslegungsfähig. Solchenfalls kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auf den Sprachgebrauch und die Verkehrsauffassung an. Daß der Sprachgebrauch der Zuordnung von Wermutwein unter den Begriff "Wein" nicht entgegensteht, liegt auf der Hand. Die Verkehrsauffassung kann sich in der zolltariflichen Einordnung der Ware widerspiegeln; der Zolltarif ist deshalb in geeigneten Fällen auch für die Umsatzsteuer maßgeblich. Demgemäß hat die Vorentscheidung mit Recht den hier anzuwendenden Zolltarif von 1951 herangezogen. Die in ihr gezogene Folgerung, Wermutwein sei als Wein auch im Sinne der Freiliste 2 anzusehen, läßt im Ergebnis einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Der Umstand, daß unter Tarifnr. 2205 nur "Wein aus frischen Trauben" fällt, während "Wermutwein und andere ... Weine" der Tarifnr. 2206 unterfallen, ist kein Beweisanzeichen dafür, daß im Sinne der Freiliste 2 nur Wein nach der Tarifnr. 2205 zu verstehen ist; denn es kommt insbesondere wegen des für den Zolltarif vorrangigen Bedürfnisses nach verschiedenen Zollsätzen mehrfach vor, daß Waren der gleichen Gattung unter verschiedene Zolltarifnrn. fallen (vgl. das Urteil des erkennenden Senats V 211/55 U vom 30. Januar 1958 -- BStBl 1958 III S. 139 --). Die Vorinstanz hat das Zolltarifschema des ganzen Kapitels 22 untersucht und dabei feststellen können, daß in Tarifnr. 2206 Wermutwein auch als Wein bezeichnet wird, während die Fassungen der Tarifnrn. 2207 und 2209: "Apfelwein, Birnenwein usw. und andere vergorene Getränke", sowie: "Trinkbranntwein, Likör und andere alkoholische Flüssigkeiten" lauten. Es kann dahingestellt bleiben, ob die daraus gezogene Folgerung, daß nach der im Zolltarif zum Ausdruck gekommenen Verkehrsauffassung Wermutwein noch zur Gattung "Wein" rechnet, gerechtfertigt ist; es ist jedoch zu beachten, daß der Zolltarif selbst keine Begriffsbestimmung für Wein gibt, so daß nach Ziff. 2 der Allgemeinen Tarifierungsvorschriften der Warenbegriff durch Auslegung, insbesondere durch die Verkehrsauffassung, festzustellen ist. Etwas anderes ist auch nicht aus den -- für den streitigen Veranlagungszeitraum auch nicht verbindlichen -- Erläuterungen zum Deutschen Zolltarif (Nachdruck 1954) zu entnehmen. Wenn dort eine Begriffsbestimmung für Wein der Tarifnr. 2205 gegeben ist, und Wermutwein als "weinhaltiges Getränk" bezeichnet ist, ein Begriff, den der Zolltarif selbst nicht kennt, so ist damit noch nichts dafür dargetan, daß Wermutwein der Tarifnr. 2206 aus der Gattung "Wein" auszuscheiden hat.
Die Vorinstanz hat sich jedoch zur Unterstützung ihrer Auffassung auf das Gutachten eines Wirtschaftsverbandes bezogen. Dieses hebt hervor, daß Wermutwein nach dem Weingesetz verkehrsfähigen Wein in einem solchen Maß enthält, daß er zum Gepräge der Gesamterscheinung wesentlich beiträgt, und daß der Verbraucher nach dem ihm gemachten Angebot, der äußeren Aufmachung im Handel und seinen subjektiven Erwartungen den Wermutwein noch als Wein ansieht, nämlich als einen Wein mit einem Zusatz von Wermutkraut oder Auszügen daraus, der ihm eine ähnliche alkoholische Anregung bietet wie etwa Wein der Tarifnr. 2205. Die von dem Gutachten hiernach angenommene Verkehrsanschauung gründet sich demnach auf tatsächliche Feststellungen, die durch die Rb. nicht widerlegt sind.
Daß schließlich aus dem Weingesetz vom 25. Juli 1930 gegenteilige Schlüsse nicht gezogen werden können, wird von den Beteiligten nicht bezweifelt; denn auch Schaumwein fällt wegen der besonderen Zielsetzung dieses Gesetzes nicht unter das Weingesetz (vgl. § 1 a. a. O.), gehört aber andererseits zur Tarifnr. 2205. Dagegen läßt die Verordnung über Wermutwein und Kräuterwein vom 20. März 1936 (Reichsgesetzblatt 1936 I S. 196) erkennen, daß auch der Verordnungsgeber Wermutwein noch zu der Gattung "Wein" rechnet.
Bei dieser Rechtslage hätte der Bundesminister der Finanzen, wenn er entgegen der bisherigen Verwaltungsübung auch unter dem zeitlichen Geltungsbereich des Zolltarifs von 1951 nunmehr ab 1. Januar 1954 Wein im Sinne der Freiliste 2 auf Wein der Tarifnr. 2205 beschränkt wissen wollte, die Bundesregierung nach § 4 Ziff. 2 Abs. 2 UStG zu einer beschränkenden Klarstellung bei der Position "Wein" der Freiliste 2 veranlassen müssen.
Hiernach war die Rb. des Vorstehers des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 309 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
BStBl III 1958, 214 |
BFHE 1958, 561 |