Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Für die Bewertung von Betriebsvermögen hält der Bundesfinanzhof hinsichtlich des Abzugs für Pensionsanwartschaften daran fest, daß das sogenannte Gesetz der großen Zahl entfällt (vgl. Urteil III 125/61 S vom 8. September 1961, BStBl 1962 III S. 19).
Bei einer Pensionszusage an den Gesellschafter-Geschäftsführer ist die Frage der Ernstlichkeit zu prüfen.
Normenkette
BewG §§ 6, 62/2, § 103/2
Tatbestand
Die Vorinstanzen haben bei der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens der Bfin. auf den 1. Januar 1957 den Abzug für eine Pensionszusage an den an ihr beteiligten Geschäftsführer nicht zugelassen. Andererseits haben sie auf der Aktivseite des Betriebsvermögens den Rückkaufswert für eine von der Bfin. auf sein Leben abgeschlossene Kapitalversicherung aus dem Jahre 1951 in Höhe von 70.000 DM aktiviert. Sie haben zur Begründung der Ablehnung des Abzugs für die Pensionsanwartschaft auf das Urteil des erkennenden Senats III 161/54 S vom 26. Juli 1957 (BStBl 1957 III S. 314, Slg. Bd. 65 S. 206) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Mit der Rb. wird begehrt, den Ansatz der Lebensversicherung unter den aktiven Werten zu streichen.
I. - Der Ansatz des Rückkaufswertes der Lebensversicherung unter den Aktiven des Betriebsvermögens ist nicht zu beanstanden. Er entspricht der Sondervorschrift des § 14 Abs. 4 BewG. Hiernach sind noch nicht fällige Ansprüche aus Lebensversicherungen bewertungsrechtlich mit deren Rückkaufswert anzusetzen, wenn der Steuerpflichtige, wie hier, den Rückkaufswert nachweist, andernfalls mit zwei Dritteln der eingezahlten Prämien oder Kapitalbeiträge.
Die Tatsache, daß die Versicherung zu einem Betriebsvermögen gehört und hierfür grundsätzlich der Teilwert der einzelnen Wirtschaftsgüter anzusetzen ist, rechtfertigt es nicht, von der ausdrücklichen Vorschrift des § 14 Abs. 4 BewG abzuweichen; denn wie der erkennende Senat in dem Urteil III 133 und 134/55 S vom 26. August 1955 (BStBl 1955 III S. 278, Slg. Bd. 61 S. 207) ausgesprochen hat, ist der Ansatz des Teilwertes nicht bei solchen Wirtschaftsgütern sinnvoll, die, wie Geld, Bankguthaben und sonstige Geldforderungen, denselben Wert besitzen, gleichviel ob sie zu einem Betriebsvermögen gehören oder nicht.
Der Ansatz des Rückkaufswertes ist auch dann geboten, wenn die Pensionszusage, zu deren Deckung die Versicherung abgeschlossen sein mag, bewertungsrechtlich nicht passiviert werden kann. Etwas Abweichendes ist auch nicht in dem Erlaß des Finanzministers von Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 1958 (BStBl 1958 II S. 161) gesagt. Wie im Falle des Urteils des Reichsfinanzhofs III 91/43 vom 9. März 1944 (Steuer und Wirtschaft 1944 Nr. 169) besteht der Versicherungsanspruch der Bfin. unabhängig von dem Eintritt der Pensionsverpflichtung.
II. - Was den Abzug für die Pensionsanwartschaft betrifft, so hat der Bundesfinanzhof in dem vom Finanzgericht angeführten Urteil den Abzug für Pensionsanwartschaften schlechthin für den Fall abgelehnt, daß die Anzahl der Pensionszusagen hinter der Zahl 100, der sogenannten großen Zahl, zurückbleibt. Die Nichtzulassung des Abzugs hat die Bfin. zwar nicht gerügt; ihre Rechtmäßigkeit ist aber von Amts wegen zu prüfen.
Der erkennende Senat hat die vom Finanzgericht angeführte Rechtsprechung mit dem Urteil III 125/61 S vom 8. September 1961 (BStBl 1962 III S. 19) aufgegeben. Mit der Begründung allein, daß die Zahl der Pensionszusagen die Anzahl von 100 unterschreitet, kann der Abzug demnach nicht versagt werden. Wie allerdings in der letztgenannten Entscheidung ausgeführt ist, müssen die Pensionszusagen ernstlich vereinbart sein; insbesondere ist in dem Urteil auf die Rechtsprechung des I. Senats des Bundesfinanzhofs zu den Fällen von Pensionszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer von Einmann- oder Familiengesellschaften Bezug genommen. Im vorliegenden Falle hat das Finanzamt bereits für den 31. Dezember 1948 bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung des gemeinen Wertes der Geschäftsanteile der Bfin. eine Liste der Gesellschafter empfangen, nach der von den sieben Gesellschaftern sechs der Familie A. angehörten. Seit 1950 ist eine Erhöhung des Stammkapitals von 100.000 DM auf 500.000 DM durchgeführt. Die zusätzlichen 400.000 DM hat die B. & Co. GmbH übernommen, deren Stammkapital sich ganz in den Händen der Familie A. befindet. Es sind deshalb die erforderlichen Feststellungen über die Beteiligungsverhältnisse für den Stichtag vom 1. Januar 1957 zu treffen.
Liegt eine Familiengesellschaft vor, so ist die Ernstlichkeit der Pensionszusage zu prüfen. Ob und inwieweit die von der Rechtsprechung bei Anwendung des § 6 a EStG für die Klarstellung der Ernstlichkeit erarbeiteten Grundsätze auf die bewertungsrechtliche Zulassung des Abzugs der Pensionszusagen im vorliegenden Falle anzuwenden sind, ist festzustellen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 347/56 U vom 8. Oktober 1957, BStBl 1957 III S. 440, Slg. Bd. 65 S. 535, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, EStG, § 5 Rechtsspruch 144; I 128/57 U vom 15. April 1958, BStBl 1958 III S. 428, Slg. Bd. 67 S. 407, StRK, EStG, § 5 Rechtsspruch 169; I 59/58 vom 30. September 1958, StRK, EStG, § 5 Rechtsspruch 178; I 11/58 S vom 5. Mai 1959, BStBl 1959 III S. 369, Slg. Bd. 69 S. 286, StRK, EStG, § 5 Rechtsspruch 192; I 4/59 S vom 4. August 1959, BStBl 1959 III S. 374, Slg. Bd. 69 S. 299, StRK, EStG, § 5 Rechtsspruch 194; I 136/58 vom 28. Juli 1959, StRK, EStG, § 5 Rechtsspruch 205; I 66/59 vom 24. November 1959, StRK, EStG, § 5 Rechtsspruch 214; I 156/59 vom 29. März 1960, StRK, EStG, § 5 Rechtsspruch 225, und I 69/60 vom 9. August 1960, StRK, EStG, § 5 Rechtsspruch 245). In Fällen dieser Art kann es für die Frage der Ernstlichkeit der Zusagen und als Prüfstein für die Anwendung des in dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 125/61 S vom 8. September 1961 als maßgebend hervorgehobenen sozialen Versorgungsgedankens bedeutsam sein, ob außer dem Gesellschafter-Geschäftsführer noch fremde Betriebsangehörige Pensionszusagen empfangen haben, und ob die Höhe der dem Geschäftsführer von zwei Prokuristen des Unternehmens zugesagten Pension in einem wirtschaftlich verständigen Verhältnis zu der Arbeitsleistung und den Gehaltsbezügen des Geschäftsführers steht und so bemessen ist, wie sie auch einem fremden Arbeitnehmer unter sonst gleichen Umständen üblicherweise bewilligt werden würde.
Da das Finanzgericht die Ablehnung des Abzugs der Pensionsanwartschaft lediglich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 161/54 S vom 26. Juli 1957 gestützt hat, dessen Standpunkt der erkennende Senat inzwischen fallengelassen hat, und da die angefochtene Entscheidung nicht erkennen läßt, daß das Finanzgericht die vorstehend dargetanen anderweitigen Bedenken gegen die Zulassung des Abzugs der einzelnen Pensionsanwartschaft des Gesellschafter-Geschäftsführers geprüft hat, unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung. Die Sache geht zur Feststellung, ob nicht der vorerwähnte Abzug aus anderen Gründen als dem sogenannten Gesetz der großen Zahl abzulehnen ist, und zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 410425 |
BStBl III 1962, 232 |
BFHE 1962, 624 |
BFHE 74, 624 |