Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird die Rücklage für Ersatzbeschaffung, der Schadenersatzleistungen bei Freigabe eines beschlagnahmten Teilbetriebes zugewiesen worden sind, in einem der folgenden Jahre wegen der endgültigen Aufgabe der Absicht, den Teilbetrieb wieder zu eröffnen, zugunsten des Betriebsergebnisses aufgelöst, so erhöht sich der laufende tarifbesteuerte Gewinn.
Normenkette
EStG § § 16, 24 Ziff. 1, § 34 Abs. 2 Ziff. 1, § 34 Abs. 2 Ziff. 2
Tatbestand
Streitig ist bei der gesonderten Gewinnfeststellung 1954, ob die Voraussetzungen für den ermäßigten Steuersatz des § 34 EStG bei einer aufgelösten Rücklage für Ersatzbeschaffung gegeben sind.
Das Verfahren betraf ursprünglich die gesonderte Gewinnfeststellung 1954 des Alleininhabers der A-Werke. Dieser starb während des Verfahrens. Seine Alleinerbin war seine Ehefrau, die im Verlauf des Rechtsbeschwerde (jetzt Revisions-) Verfahren ebenfalls starb. Der Rechtsstreit wurde durch ihre Testamentsvollstrecker fortgesetzt.
Das Unternehmen umfaßte drei betrieblich selbständige Werke (Werk I, II und III), von denen das Werk II die amerikanische Besatzungsmacht beschlagnahmt hatte. Für die in der Zeit der Beschlagnahme entstandenen Schäden wurde im April 1952 eine Entschädigung von X DM gezahlt, die das Unternehmen zunächst einer Rücklage für Ersatzbeschaffung zuführte. Ein Teil der Rücklage wurde in den Jahren 1952 bis 1954 nach näheren Angaben in Betriebsprüfungsberichten für bauliche Maßnahmen sowie für die Neuanschaffung von Maschinen im Interesse der Werke I und III verwendet. Da an einer erneuten Inbetriebnahme des Werkes II kein Interesse bestand, wurde der Rest der Rücklage im Streitjahr mit Y DM zugunsten des Betriebsergebnisses dieses Jahres, das im übrigen aus einem laufenden Verlust von Z DM bestand, aufgelöst. Für den Betrag von Y DM begehrte das Unternehmen den Steuersatz aus § 34 Abs. 2 Ziff. 1 EStG in Verbindung mit § 16 EStG (Aufgabe eines Teilbetriebs), später aus § 34 Abs. 2 Ziff. 3 EStG in Verbindung mit § 24 Ziff. 1 EStG (Erhalt einer Entschädigung). Das Finanzamt (FA) lehnte das ab.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Finanzgericht (FG) aus: Eine Aufgabe eines Gewerbebetriebs im Sinn des § 16 Abs. 3 EStG könne nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) IV 351/59 vom 23. Februar 1961 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK - , Einkommensteuergesetz, § 16, Rechtsspruch 21) nur angenommen werden, wenn ein Betrieb durch Veräußerung seiner wesentlichen Betriebsgrundlagen oder durch deren endgültige übernahme in das Privatvermögen als ein selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufgehört hat. Wenn das Werk II auch nach der im Urteil des BFH I 206/61 U vom 18. September 1962 (BStBl 1962 III S. 468, Slg. Bd. 75 S. 547) gegebenen Definition als ein Teilbetrieb im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden könne, so seien doch die ihm zugehörigen Wirtschaftsgüter weder an Dritte veräußert noch aus dem Betriebsvermögen entnommen und in das Privatvermögen überführt worden. Aber auch dann hätte die Entscheidung nicht anders ausfallen können, da die Auflösung der bezeichneten Rücklage stets den laufenden Gewinn erhöhe und ein Veräußerungs- oder Aufgabegewinn nur durch die Aufdeckung der stillen Reserven durch Veräußerung oder Entnahme der dem Betrieb gewidmeten Wirtschaftsgüter entstehen könne (vgl. BFH-Urteil IV 40/62 U vom 20. August 1964, BStBl 1964 III S. 504 Slg. Bd. 80 S. 83).
Mit ihrer Rb. machen die Testamentsvollstrecker geltend, daß schon die Unmöglichkeit, das Werk II wegen Fehlens abbaufähiger Lehmvorkommen wieder in Betrieb zu nehmen auch ohne die überführung der abgebauten Flächen in das Privatvermögen eine Betriebsaufgabe beinhalte. Im übrigen sei in jedem Fall die Tarifvergünstigung aus § 34 Abs. 2 Ziff. 2 EStG in Verbindung mit § 24 Ziff 1 EStG zu gewähren.
Entscheidungsgründe
Das jetzt als Revision zu behandelnde (§ 184 Abs. 2 Ziff 1 Satz 1 FGO) Rechtsmittel der Testamentsvollstrecker ist nicht begründet.
Es handelt sich um eine gesonderte Feststellung nach § 6 der Verordnung über die Zuständigkeit im Besteuerungsverfahren vom 3. Januar 1944 (RGBl 1944 I S. 11). In diesem Verfahren wird nicht über die Anwendung von Vergünstigungsvorschriften entschieden, wohl aber über das Vorliegen der Voraussetzungen ihrer Anwendbarkeit. Das gilt auch, soweit es sich um den laufenden Gewinn nicht zuzurechnenden Entschädigungsleistungen handelt. (BFH-Urteil I 294/56 U vom 10. September 1957, BStBl 1957 III S. 414, Slg. Bd. 65 S. 468; IV 141/58 U vom 1. Oktober 1959 BStBl 1960 III S, 23 Slg. Bd. 70 S. 57). Das FG prüfte deshalb zu Recht, ob ein Aufgabengewinn vorlag. Es hätte auch zur Frage der Anwendbarkeit des § 34 Abs. 2 Ziff. 2 EStG in Verbindung mit § 24 Ziff. 1 EStG Stellung nehmen müssen.
Wie das FG zutreffend feststellte, fehlt es für das Vorliegen eines Aufgabengewinns sowohl an einer Veräußerung der den Teilbetrieb bildenden Wirtschaftsgüter an Dritte wie auch an einer Entnahme dieser Wirtschaftsgüter durch den Betriebsinhaber. Sie dienten nach wie vor, wenn auch zum Teil unter anderer Verwendung, dem Unternehmen oder standen doch wenigstens zur Benutzung zur Verfügung. Damit sind bereits begrifflich die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 EStG nicht erfüllt. Aber selbst bei Vorliegen dieser Voraussetzungen wäre der Gewinn, der sich aus der Auflösung einer steuerfrei gebildeten, aber vor Aufgabe des Betriebes nicht zweckentsprechend verwendeten Rücklage für Ersatzbeschaffung ergibt, dem laufenden Gewinn zuzurechnen. Denn die Unterlassung der Ersatzbeschaffung in Höhe der Auflösung der Rücklage beruhte auf einem freien Willensentschluß des Betriebsinhabers (BFH-Urteil IV 40/62 U).
Obwohl das FG die Voraussetzungen für die Tarifvergünstigung nach § 34 Abs. 2 Ziff. 2 EStG in Verbindung mit § 24 Ziff. 1 EStG nicht prüfte, bedarf es keiner Zurückverweisung; der Senat entscheidet selbst (§ 126 Abs. 3 Ziff. 1 FGO). Es liegt keine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (§ 24 Ziff 1 Buchstabe a EStG) oder für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit (§ 24 Ziff. 1 Buchstabe b EStG) vor. Die Einnahmen flossen dem Unternehmen nicht im Streitjahr, sondern bereits im Jahr 1952 als Ersatz für die während der Zeit der Beschlagnahme des Werkes II verursachten Schäden. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Einnahmen im Jahr 1952 tarifbegünstigt gewesen wären. Denn das Unternehmen führte sie im Jahr 1952 einer steuerfreien Rücklage für Ersatzbeschaffung zu, die in den folgenden Jahren zum Teil eine zweckentsprechend Verwendung im Betrieb fand. Die Auflösung des Restbetrages kann keine tarifbegünstigte Entschädigung sein.
Fundstellen
Haufe-Index 412072 |
BStBl III 1966, 353 |
BFHE 1966, 83 |
BFHE 86, 83 |