Leitsatz (amtlich)
1. § 2 des Bayer. Gesetzes Nr. 109 betrifft nur die subjektive Steuerpflicht bei der Gewerbebesteuerung, nicht die Ermittlung des Gewerbeertrags und des Gewerbekapitals.
2. Verluste aus Betriebstätten in der Sowjetzone mindern den Gewerbeertrag. Die Grundsätze des Gutachtens des Obersten Finanzgerichtshofs I D 6/49 S vom 27. August 1949 (Bay. FMBl. 1949 S. 383) finden entsprechende Anwendung.
3. Fehlbeträge infolge von Verlusten in der Sowjetzone sind bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 19 Dritte GewStDV kürzungsfähig.
Tatbestand
Die steuerpflichtige Aktiengesellschaft beansprucht bei der Ermittlung des Gewerbesteuermeßbetrages für I/1948 den Abzug der in ihrer Betriebstätte in Thüringen in den Wirtschaftsjahren 1946 und 1947 entstandenen Verluste. Das Finanzamt hat den Abzug bei der Gewerbesteuer versagt. Im Gegensatz dazu wurden bei der Körperschaftsteuerveranlagung für I/1948 die Verluste entsprechend dem Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs I D 6/49 S vom 27. August 1949 (Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen -- Bay. FMBl. -- 1949 S. 383) zum Abzug zugelassen. Die Berufung blieb erfolglos.
Das Finanzgericht begründet seine Auffassung damit, daß die Vorschrift des § 19 der Dritten Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (Dritte GewStDV) über die Berücksichtigung von Gewerbeverlusten aus den beiden vorangegangenen Wirtschaftsjahren auf Verluste nicht anwendbar sei, die in der sowjetischen Zone entstanden sind. Aus § 2 des Bayerischen Gesetzes Nr. 109 über die Rückübertragung der Gewerbesteuer auf die Gemeinden vom 31. März 1948 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt -- Bay. GVBl. -- 1948 S. 53, Bay. FMBl. 1948 S. 65) sei zu folgern, daß nur das in Bayern erzielte Betriebsergebnis und nur das in Bayern befindliche Betriebskapital für die Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags in Betracht kämen. Das genannte Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs I D 6/49 S gelte nur für die einkommensteuerliche Behandlung solcher Verluste. Für die Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags nach dem Gewerbeertrag sei zwar von dem Gewinn oder Verlust aus Gewerbebetrieb auszugehen, der sich nach den einkommensteuerlichen Vorschriften ergebe. Es griffen aber auch die Vorschriften des Gesetzes Nr. 109 ein, die einem Abzug der in der sowjetischen Zone entstandenen Verluste, einschließlich der aus den beiden vorangegangenen Wirtschaftsjahren herrührenden, bei der Ermittlung des für die Gewerbesteuer in Betracht kommenden Gewerbeertrags entgegenständen. Ein Ausgleich dafür, daß die Verluste bei den Veranlagungen 1946 und 1947 nicht berücksichtigt sind, sei nicht vorgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist begründet.
Die zur Zeit des Zusammenbruchs 1945 gültigen gewerbesteuerlichen Vorschriften haben grundsätzlich weiter gegolten. Auch durch die Besatzungsmächte sind die gewerbesteuerlichen Vorschriften nicht aufgehoben worden. Durch Ländergesetzgebung ist die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer, die durch die Gewerbesteuer-Vereinfachungsverordnung (GewStVV) vom 1. April 1943 ab auf die Finanzämter übergegangen waren, zumeist auf die Gemeinden zurückübertragen worden. Diesem Zweck hat das Gesetz Nr. 109 gedient. § 2 des Gesetzes lautet:
§ 2
(1) Der Gewerbesteuer unterliegt in Bayern jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er in Bayern betrieben wird. In Bayern wird ein Gewerbebetrieb betrieben, soweit für ihn in Bayern eine Betriebstätte unterhalten wird.
(2) ...........
Der Wortlaut stimmt mit den Sätzen 1 und 3 des § 2 Absatz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) 1936 überein; nur ist an Stelle von "Inland" in Absatz 1 Satz 1 und 3 GewStG 1936 das Wort "Bayern" getreten. Die Beschränkung auf die Regelung in Bayern war erforderlich, weil dem Land Bayern keine gesetzgebende Gewalt über außerbayerische Betriebstätten zusteht. Eine Änderung des seitherigen Systems der Gewerbebesteuerung war nicht beabsichtigt und ist nicht erfolgt. Das Gesetz betrifft nur die subjektive Steuerpflicht. Dies ergibt sich bereits aus § 1 des Gesetzes Nr. 109, wo bestimmt ist, daß in Bayern das GewStG vom 1. Dezember 1936, die GewStVV vom 31. März 1943 (Reichsgesetzblatt -- RGBl. -- I S. 237) und die Zweite GewStVV vom 16. November 1943 (RGBl. I S. 684) weiterhin Anwendung finden, soweit sich nicht aus den §§ 2 bis 7 etwas anderes ergibt. Es sind demnach auch in Bayern weiterhin Besteuerungsgrundlagen für die Gewerbesteuer der Gewerbeertrag und das Gewerbekapital (§ 6 Absatz 1 GewStG). Gewerbeertrag ist unverändert nach § 7 GewStG der Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder des Körperschaftsteuergesetzes (KörpStG) zu ermitteln ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Nach wie vor wird gemäß § 19 Dritte GewStDV der Gewerbeertrag bei buchführenden Gewerbetreibenden um die Gewerbeverluste der beiden vorangegangenen Wirtschaftsjahre gekürzt. Zu den Verlusten des Gesamtunternehmens gehören die aus der Sowjetzone. Es besteht keine gesetzliche Grundlage für die Annahme des Finanzgerichts, daß infolge des Gesetzes Nr. 109 die Bestimmungen des § 19 Dritte GewStDV über den Abzug der Verluste in den beiden vorangegangenen Wirtschaftsjahren auf die in der Sowjetzone entstandenen Verluste nicht anwendbar seien. Der Senat hält demnach die Grundsätze des Gutachtens des Obersten Finanzgerichtshofs I D 6/49 vom 27. August 1949 (Bay. FMBl. 1949 S. 383) auch auf die Gewerbesteuer für anwendbar und ist der Auffassung, daß bei Ermittlung des Gewerbeertrags die Verluste aus den Betriebstätten in der sowjetischen Zone den Gewerbeertrag im Sinne des § 7 GewStG mindern; daraus folgt, daß diese Verluste auch die Höhe der nach § 19 Dritte GewStDV vortragsfähigen Fehlbeträge beeinflussen können.
Nach § 12 GewStG gilt als Gewerbekapital der Einheitswert des gewerblichen Betriebs im Sinne des Reichsbewertungsgesetzes (RBewG). Daß der Einheitswert der Betriebstätten in der Sowjetzone aus dem Gewerbekapital des Gesamtunternehmens auszugliedern sei, bevor der Meßbetrag für das Gewerbekapital ermittelt ist, wie das Finanzgericht meint, kann ebenfalls keine gesetzliche Stütze finden. Ob in den Einheitswert des Gesamtunternehmens die sowjetzonalen Betriebstätten aufzunehmen waren, richtet sich nach den Verhältnissen im Feststellungszeitpunkt (§ 63 RBewG).
Die Unterhaltung von Betriebstätten in Gemeinden der vier Besatzungszonen außerhalb Bayerns durch Unternehmen, die ihren Sitz oder ihre Leitung in Bayern haben, findet erst bei der Zerlegung des einheitlichen Steuermeßbetrags in die Zerlegungsanteile der einzelnen Betriebstätten-Gemeinden nach § 28 GewStG Berücksichtigung.
Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Sache zur neuerlichen, die vorstehenden Ausführungen berücksichtigenden Festsetzung des einheitlichen Steuermeßbetrags an das Finanzamt zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 407229 |
BStBl III 1951, 131 |
BFHE 1952, 338 |