Leitsatz (amtlich)
Auch wenn ein Rechnungspreis dem von der Einfuhr- und Vorratstelle für Getreide und Futtermittel für eine Ware festgesetzten Einfuhrpreis (Übernahmepreis) entspricht, kann er nur dann als Normalpreis gelten, wenn er den Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 und 4 sowie des § 53 a ZG 1939 entspricht.
Normenkette
ZG 1939: §§ 53, 53 a, 53 b; WertZO 1957: § 1 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin führte in den Jahren 1954, 1955 und 1959 aus den Niederlanden getrocknete Futtergarnelen ein. Bei der Abfertigung zum freien Verkehr wurden der Zollwertfeststellung die Rechnungspreise des holländischen Lieferers zugrunde gelegt, die ihrer Höhe nach den von der Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel damals festgesetzten Einfuhrpreisen entsprachen. Das Hauptzollamt (HZA) forderte mit Bescheid vom 30. Dezember 1960 Eingangsabgaben nach, weil Ermittlungen der Zollfahndungsstelle ergeben hätten, daß die Klägerin für den Erwerb der Ware einen höheren Preis aufgewendet habe als in den Rechnungen angegeben gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Nach § 53 Abs. 2 ZG 1939 in der Fassung des Dritten Zolländerungsgesetzes vom 9. August 1956 (BGBl I, 735) ist Zollwert der normale Preis, der für die eingeführte Ware in dem für die Anwendung der Zollvorschriften maßgebenden Zeitpunkt (§§ 58 Abs. 1 und 2, 60 ZG) bei einem Verkauf unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs zwischen unabhängigen Verkäufern und Käufern erzielt werden kann (Normalpreis). Das besagt nicht, daß für gleiche Waren immer der gleiche Preis erzielt werden müßte, mag es sich um die gleichen oder um verschiedene Geschäftspartner handeln. Im Geschäftsleben werden vielfach gleiche Waren unterschiedliche Preise aufweisen. Da es auf die Umstände des einzelnen Falles ankommt, kann die Höhe der jeweils als Normalpreis anzuerkennenden Preise schwanken. Sie darf dabei vom üblichen Wettbewerbspreis nur nicht so stark abweichen, daß der Preis nicht mehr als normaler Preis gelten kann, sondern als außergewöhnlicher Preis angesehen werden muß (vgl. auch § 36 der Wertzollordnung – WertZO – 1957 und Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – VII 57/60 vom 5. Oktober 1960, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1961 S. 47 – HFR 1961, 47 –, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1961 S. 79 – ZfZ 1961, 79 –, und Steuerrechtsprechung in Karteiform – StRK –, Zollgesetz, § 53, Rechtsspruch 12).
Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat die Klägerin für eine Bearbeitung (Absieben und Vorreinigen) der Ware in Holland neben dem Rechnungspreis weitere 3 hfl./100 kg entrichten müssen. Nach § 53 a Abs. 1 Nr. 1 ZG setzt aber ein Verkauf unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs voraus, daß „die Zahlung des Preises die einzige Leistung des Käufers darstellt” (vgl. Urteil des BFH VII 102, 114, 115/58 S vom 25. Februar 1959, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 68 S. 483 – BFH 68, 483 –, BStBl III 1959, 183). Daraus ergibt sich, worauf die Vorinstanz zutreffend hingewiesen hat, daß ein Preis nur dann als Normalpreis anzusehen ist, wenn er sämtliche Leistungen des Käufers umfaßt, die dieser für den Erwerb der Ware machen mußte.
Nach § 53 b ZG 1939 soll der Rechnungspreis vorbehaltlich der nach § 53 (a. a. O.) erforderlichen Berichtigungen als Bemessungsgrundlage gelten. In § 1 Abs. 2 WertZO 1957 ist dazu gesagt, daß der Rechnungspreis unter den Voraussetzungen der §§ 35 bis 47 WertZO als Zollwert anerkannt werden soll, d. h. wenn er dem im maßgebenden Bewertungszeitpunkt oder dem im Zeitpunkt des Kaufabschlusses oder der Preisvereinbarung bei gleichen Lieferungsbedingungen erzielbaren üblichen Wettbewerbspreis (dem Normalpreis) entspricht oder entsprechend berichtigt worden ist.
Daß die Rechnungspreise ihrer Höhe nach mit den von der EVSt damals festgesetzten Einfuhrpreisen (Übernahmepreisen) übereinstimmten, besagt nicht, daß sie dem Normalpreis entsprechen. Staatlich gelenkte Preise können den Normalpreis darstellen, brauchen es aber nicht (vgl. Urteile des BFH VII 102/54 U vom 29. April 1959, BFH 69, 45, BStBl III 1959, 277, und VII 8/61 U vom 8. Mai 1962, BFH 75, 210, BStBl III 1962, 343). Auf jeden Fall muß ein Preis, auch wenn er einem solchen festgesetzten Preis entspricht, die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 und 4 und des § 53 a ZG erfüllen, um als Normalpreis gelten zu können. Im Streitfalle kann daher ein Preis in Höhe des von der EVSt festgesetzten Einfuhrpreises deshalb nicht als Normalpreis gelten, weil er nicht sämtliche Leistungen umfaßt, die die Klägerin für den Erwerb der Ware erbracht hat. Das HZA hat daher mit Recht den Rechnungspreisen die Kosten der Sonderbehandlung der Ware zugerechnet, um durch diese Berichtigung den Normalpreis zu erhalten.
Richtig ist in der Vorentscheidung auch ausgeführt, daß die Klägerin nach Übergang des Zollgutes in den freien Verkehr nicht mehr den Antrag stellen konnte, der Abgabenberechnung den bei der Zollwertgruppe zu erfragenden „Tagespreis” als Normalpreis zugrunde zu legen; denn ein derartiger Antrag gehört zum Zollantrag und kann daher nach Übergang des Zollguts in den freien Verkehr nicht mehr gestellt werden (vgl. § 74 Abs. 3 ZG 1939). Da die Klägerin nach den Zollbelegen bei der Zollabfertigung einen solchen Antrag nicht gestellt hat, waren ihre darauf gerichteten Beweisanträge, daß sie ihn später nachgeholt habe, nicht erheblich. Es ergab sich also auch nicht nachträglich irgendein Anlaß, einen anderen als den durch Berichtigung der Rechnungspreise erhaltenen Preis bei der Verzollung zugrunde zu legen.
Fundstellen
Haufe-Index 514608 |
BFHE 1968, 540 |