Leitsatz (amtlich)
1. Ein Kommanditist ist nur dann nicht Mitunternehmer im Sinne des § 15 Nr. 2 EStG, wenn seine Stellung nach dem Gesellschaftsvertrag und der tatsächlichen Handhabung wesentlich hinter dem zurückbleibt, was handelsrechtlich das Bild des Kommanditisten bestimmt.
2. Für die Mitunternehmerinitiative eines Kommanditisten reicht es aus, daß er seine Rechte als Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung und durch Kontrollrechte, wie sie etwa § 166 HGB dem Kommanditisten einräumt, zur Geltung bringen kann.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2
Tatbestand
Die Sache befindet sich im II. Rechtsgang. Im I. Rechtsgang hatte der erkennende Senat das Urteil des FG aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.
In den Jahren 1962 bis 1965 wurde die W-KG (Klägerin und Revisionsklägerin zu 1.) von W als persönlich haftendem Gesellschafter und seinen beiden Enkelkindern als Kommanditisten betrieben. Mit Vertrag vom 11. Februar 1965 schlossen die Gesellschafter mit ihrem bisherigen Angestellten E B (Kläger und Revisionskläger zu 2.) sowie den Beigeladenen K, A und H (im folgenden Neugesellschafter) zum 1. Januar 1966 einen Gesellschaftsvertrag. Danach traten der Kläger zu 2. als persönlich haftender Gesellschafter, die übrigen Neugesellschafter als Kommanditisten in das Unternehmen ein. Zugleich wurde die Stellung des W in die eines Kommanditisten umgewandelt. Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung der KG für das Jahr 1966, ob die Neugesellschafter - wie die Kläger vortragen - nur formal Gesellschafter geworden sind, einkommensteuerrechtlich dagegen als Arbeitnehmer behandelt werden müssen.
Nach dem Gesellschaftsvertrag brachten die Neugesellschafter ihre Arbeitskraft ein und verpflichteten sich, diese ausschließlich und in vollem Umfang der Gesellschaft zu widmen. Ferner hatten sie eine Einlage in Geld zu leisten. W verpflichtete sich, die Neugesellschafter von jeder Haftung für Gesellschaftsschulden freizustellen, solange er selbst an der Gesellschaft beteiligt wäre. Die Freistellungspflicht erstreckte sich nicht auf Gesellschaftsschulden, die nach seinem Ausscheiden oder nach dem 31. Dezember 1970 Begründet würden. Die Gesellschaft wurde auf die Dauer von fünf Jahren, also bis zum 31. Dezember 1970, verabredet. Sie sollte sich um ein weiteres Jahr verlängern, wenn sie nicht unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem halben Jahr zum Ende eines Geschäftsjahres gekündigt würde. Die Gesellschafter unterwarfen sich einem Wettbewerbsverbot. Die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft oblag dem Kläger zu 2. W erhielt Einzelprokura und war in deren Rahmen allein zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt. Er konnte Prokuristen bestellen, Grundstücke erwerben, belasten und veräußern und Wechselverbindlichkeiten eingehen. Diese Befugnisse sollten am 31. Dezember 1970 oder - im Fall des Todes oder Ausscheidens des W aus der Gesellschaft - vor diesem Zeitpunkt auf die Gesellschafterversammlung übergehen. In bestimmten Fällen waren Gesellschafterbeschlüsse erforderlich. Der sich aus der Steuerbilanz ergebende Gewinn war in der Weise zu verteilen, daß zunächst ein Gewinnvoraus im Hinblick auf die Tätigkeit der Gesellschafter und eine Kapitalverzinsung zu gewähren und der weitere Gewinn nach bestimmten Vomhundertsätzen auf die Gesellschafter aufzuteilen war. Der Gehaltsvoraus der Gesellschafter und die Zinsen für die Kapitalanleihe und Kapitaldarlehen sollten auch dann berechnet werden, wenn die Gesellschaft mit Verlust arbeiten würde. Der alsdann verbleibende Verlust war von W zu tragen und seinem Konto zu belasten. Diese Bestimmungen sollten indes nur solange gelten, als W Gesellschafter war, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 1970. Im Falle des Todes des W war die Gesellschaft mit seiner Witwe fortzusetzen. Diese sollte die Stellung einer Kommanditistin erhalten und am Verlust der Gesellschaft nicht beteiligt sein. Gegenüber W und seiner Ehefrau wurde eine Kündigung ausgeschlossen. Für den Fall, daß die Neugesellschafter vor dem Ausscheiden des W oder vor dem 31. Dezember 1970 aus der Gesellschaft ausscheiden würden, sollten der Auseinandersetzungsbilanz nur die Buchwerte zugrunde gelegt werden. Stille Reserven waren in diesem Fall nicht aufzulösen. Im Falle des Ausscheidens der Neugesellschafter nach diesem Zeitpunkt sollten sie den auf sie entfallenden Anteil an den stillen Reserven des Anlagevermögens erhalten. Ein Firmenwert war in der Auseinandersetzungsbilanz nicht anzusetzen.
Der Kläger zu 2. erteilte dem Kommanditisten W notarielle Generalvollmacht, "die genannte Kommanditgesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten, Rechtsgeschäfte jeder Art für die genannte Gesellschaft abzuschließen, rechtsverbindliche Erklärungen für die Gesellschaft gegenüber Gerichten und Behörden, insbesondere auch gegenüber dem Grundbuchamt und dem Registergericht abzugeben". W sollte berechtigt sein, die Vollmacht im Einzelfall auf andere zu übertragen. Von den Beschränkungen des § 181 BGB war er befreit.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat sämtliche Gesellschafter als Mitunternehmer behandelt und ihre Gewinnanteile einschließlich der Gehälter als Gewinn aus Gewerbebetrieb in die einheitliche Gewinnfeststellung für das Jahr 1966 einbezogen. Mit ihrer unmittelbar zum FG erhobenen Klage vertraten die Kläger demgegenüber die Ansicht, lediglich der Gesellschafter W und die Enkelkinder seien als Mitunternehmer anzusehen. Dagegen ergebe sich aus den bis 31. Dezember 1970 geltenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags, daß die Neugesellschafter nur formal Gesellschafter seien, da sie im Falle des Ausscheidens vor dem 31. Dezember 1970 nicht an den stillen Reserven und in keinem Fall am Firmenwert beteiligt gewesen wären, W sie von jeder Haftung für Gesellschaftsschulden freigestellt habe und ein Verlust, der sich nach Ausschüttung des Gehaltsvoraus und der Zinsen ergebe, von W allein zu tragen gewesen wäre. W seien auch besondere Rechte eingeräumt worden, so durch die Erteilung der Generalvollmacht seitens des Klägers zu 2., durch seine Befugnisse als Prokurist, durch unterschiedliche Bestimmungen über den Einsatz der Arbeitskraft und durch den Ausschluß einer Kündigung ihm gegenüber.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG betrachtete auch die Neugesellschafter als Mitunternehmer.
Mit ihrer Revision beantragen die Kläger, das Urteil des FG aufzuheben und die Neugesellschafter nicht als Mitunternehmer anzusehen. Sie machen geltend, die nach dem Urteil des BFH vom 8. September 1971 I R 191/69 (BFHE 103, 175, BStBl II 1972, 12) für eine Mitunternehmereigenschaft geforderten Voraussetzungen lägen im Streitfall nicht vor.
Das FA verbleibt bei seiner bisherigen Rechtsauffassung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Eine Mitunternehmerschaft (§ 15 Nr. 2 EStG) ist zu bejahen, wenn jemand - ohne Rücksicht darauf, ob er zivilrechtlich Gesellschafter ist - eine gewisse Unternehmerinitiative entfaltet und ein Unternehmerrisiko trägt (BFH-Urteil vom 28. November 1974 I R 232/72, BFHE 114, 418, BStBl II 1975, 498). Steht die Mitunternehmereigenschaft eines Kommanditisten in Frage, so hat sich die Prüfung, welche Anforderungen an Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko einkommensteuerrechtlich zu stellen sind, an den handelsrechtlichen Vorschriften über die Rechtsverhältnisse der Kommanditisten auszurichten (§§ 161 f. HGB). Weitergehende Anforderungen, als sie das Handelsrecht für die Anerkennung eines Kommanditisten stellt, können auch einkommensteuerrechtlich für die Mitunternehmereigenschaft nicht gestellt werden (BFH-Urteil vom 22. Januar 1970 IV R 178/68, BFHE 98, 405, BStBl II 1970, 416). Der Kommanditist hat schon handelsrechtlich eine schwache Stellung. Er haftet über seine Einlage hinaus nicht persönlich für Schulden der Gesellschaft (§§ 171, 172 HGB). Von der Ausübung einer eigenen Unternehmerfunktion ist er weithin ausgeschlossen (§ 164 HGB). Außer im Falle der Liquidation braucht er nicht an den stillen Reserven beteiligt zu sein; ein vorzeitiges Ausscheiden aus der Gesellschaft nur mit dem seinem Buchwert entsprechenden Kapital ist nicht unüblich (BFH-Urteil IV R 178/68). Ein Kommanditist ist nur dann nicht Mitunternehmer im Sinne des § 15 Nr. 2 EStG, wenn seine Stellung nach den vertraglichen Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag und der tatsächlichen Handhabung wesentlich hinter dem zurückbleibt, was handelsrechtlich das Bild des Kommanditisten bestimmt. Entscheidend sind die gesamten Umstände des einzelnen Falles.
2. Das FG hat ein Mitunternehmerrisiko der Neugesellschafter zu Recht bejaht. Ein solches äußert sich in der Regel in der (allerdings nur beschränkten) Haftung für Schulden der Gesellschaft, in der Beteiligung am Verlust und an den stillen Reserven (BFH-Urteile vom 14. Februar 1956 I 84/55 U, BFHE 62, 277, BStBl III 1956, 103; vom 4. August 1971 I R 209/69, BFHE 103, 156, BStBl II 1972, 10), kann aber auch durch Umstände anderer Art begründet werden (BFH-Urteil vom 9. Oktober 1969 IV 294/64, BFHE 98, 21, BStBl II 1970, 320).
a) Der Annahme eines Mitunternehmerrisikos steht nicht entgegen, daß die Neugesellschafter im Falle ihres Ausscheidens vor dem 31. Dezember 1970 nicht an den stillen Reserven des Unternehmens beteiligt waren. Wie bereits dargelegt, ist es nicht unüblich, wenn Gesellschafter bei ihrem vorzeitigen Ausscheiden mit den Buchwerten ihres Kapitalkontos abgefunden werden. Für den Fall des Ausscheidens der Neugesellschafter auf den 31. Dezember 1970 oder einen späteren Zeitpunkt war ihre Beteiligung an den stillen Reserven des Anlagevermögens ausdrücklich verabredet. Eine Beteiligung am Firmenwert ist nicht erforderlich (BFH-Urteil IV 294/64).
b) Eine gewisse Einschränkung des Mitunternehmerrisikos hatte die Freistellung der Neugesellschafter von der Haftung für Schulden der Gesellschaft zur Folge. Dies betrifft nicht nur den Kläger zu 2., sondern sämtliche Neugesellschafter. Was die Kommanditisten anbelangt, so verkennt das FG offenbar die Bedeutung der Haftungsübernahme durch W im Innenverhältnis, wenn es ausführt, die Haftung sei ohnedies ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet sei (§ 171 Abs. 1 HGB), was bereits bis 30. Juni 1966 habe geschehen müssen. Gemeint ist mit der Haftungsübernahme nach dem Gesellschaftsvertrag offensichtlich nicht nur die unmittelbare persönliche Haftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB. Vielmehr sollte auch vermieden werden, daß die Einlagen der Neugesellschafter nach ihrer Einzahlung durch einen Zugriff der Gläubiger geschmälert würden. Einer solchen Vertragsvereinbarung kann die wirtschaftliche Bedeutung nicht abgesprochen werden. Eine weitere Einschränkung des Mitunternehmerrisikos folgt aus der Vereinbarung, daß im Innenverhältnis etwaige Verluste allein von W getragen werden sollten. Indessen ist weder der Ausschluß der Haftung im Innenverhältnis noch der Ausschluß der Verlustbeteiligung notwendige Voraussetzung für die Anerkennung einer Mitunternehmerschaft (vgl. BFH-Urteil IV 294/64).
c) Im Streitfall folgt ein (wenn auch abgeschwächtes) Mitunternehmerrisiko aus anderen Gründen. Zum einen ergibt es sich aus der Interessenlage der Neugesellschafter. Sie sollten den Fortbestand des Unternehmens sichern und waren dadurch in besonderem Maße mit dem Geschick des Unternehmens verbunden. Hinzu treten indes noch weitere Umstände. Die Einschränkungen des Mitunternehmerrisikos durch die Übernahme der Haftung im Innenverhältnis und der Verlusttragung durch W galten nur unter der Voraussetzung, daß W nicht aus der KG ausscheide. Im Falle seines Ausscheidens hätte die Neugesellschafter das volle Unternehmerrisiko getroffen. Der im Falle seines Todes an seiner Stelle als Kommanditistin eintretenden Ehefrau hätte nicht gekündigt werden dürfen. Sie wäre am Verlust der Gesellschaft nicht beteiligt gewesen. Andererseits hätte den Neugesellschaftern gegenüber gekündigt werden können, und dies unter Gefährdung ihrer privaten Existenz. Wenn sich die Neugesellschafter auf eine solche, mit Unsicherheiten belastete vertragliche Regelung eingelassen haben, so haben sie bereits mit dem Abschluß des Gesellschaftsvertrags ein gewisses Mitunternehmerrisiko übernommen.
3. Soweit die Annahme einer Mitunternehmerschaft eine Mitunternehmerinitiative voraussetzt, ist diese jedenfalls im Sinne der für Kommanditisten geltenden Mindesterfordernisse ebenfalls erfüllt. Für die Mitunternehmerinitiative eines Kommanditisten reicht es aus, daß er seine Rechte als Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung und durch Kontrollrechte, wie sie etwa § 166 HGB dem Kommanditisten einräumt, allein oder im Zusammenwirken mit anderen Kommanditisten zur Geltung bringen kann. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall vor. Was den Kläger zu 2. betrifft, so mag seine Stellung als Geschäftsführer durch die Erteilung der Generalvollmacht an W wesentlich beschränkt worden sein. Sie ist dadurch aber nicht so stark verkümmert, daß er nicht mehr als Mitunternehmer anzusehen wäre.
Fundstellen
Haufe-Index 71534 |
BStBl II 1975, 818 |
BFHE 1976, 497 |