Entscheidungsstichwort (Thema)
InvZulG 1999: Entgeltliche Überlassung zu Wohnzwecken
Leitsatz (NV)
Ein Gebäude dient der unentgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken i.S. des § 3 Abs. 1 InvZulG 1999, wenn nach der der Nutzungsüberlassung zugrunde liegenden Vereinbarung für die Überlassung eine Gegenleistung zu erbringen ist und diese auch tatsächlich erbracht wird. Unerheblich ist, ob die Nutzungsvereinbarung die ertragsteuerlichen Anforderungen an die Anerkennung von Mietverhältnissen zwischen nahen Angehörigen erfüllt.
Normenkette
InvZulG 1999 § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 27. Mai 1997 ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück von ihren Eltern und bewilligte ihnen ein lebenslanges Wohnrecht für die von den Eltern bereits zuvor genutzte Wohnung in diesem Haus. Schuldrechtlich wurde eine Mietzahlungspflicht der Eltern vereinbart. Der Kaufpreis war in Raten nach Maßgabe einer Kreditvereinbarung zu zahlen; die danach vierteljährlich zu zahlenden Raten in Höhe von 3.300 DM sollten mit den Miet- und Nebenkosten verrechnet werden. Nach dem ebenfalls vom 27. Mai 1997 datierenden Mietvertrag sollten die Eltern vierteljährlich einen Mietzins in Höhe von 1.950 DM zuzüglich einer festen Pauschale für "Nebenabgaben" in Höhe von 1.350 DM entrichten. Der Nettomietzins entsprach nach Angaben der Klägerin der ortsüblichen Miete.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gewährte auf entsprechenden Antrag der Klägerin mit unter Nachprüfungsvorbehalt stehendem Bescheid vom 26. November 2001 eine Investitionszulage nach § 3 des Investitionszulagengesetzes 1999 (InvZulG 1999) in Höhe von 1.184 DM für Modernisierungsmaßnahmen an dem von den Eltern der Klägerin bewohnten Teil des Hauses. Nach Durchführung einer Außenprüfung hob das FA diesen Bescheid im April 2003 auf, da das Mietverhältnis mit den Eltern steuerrechtlich nicht anzuerkennen sei. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht wies die Klage ab. Es war der Auffassung, das Mietverhältnis zwischen der Klägerin und ihren Eltern sei einkommensteuerrechtlich nicht anzuerkennen. Daher habe die Wohnung nicht i.S. des § 3 InvZulG 1999 der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken gedient.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 3 InvZulG 1999. Da nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die für die Gewährung einer Investitionszulage notwendigen Voraussetzungen unabhängig von der ertragsteuerlichen Behandlung zu ermitteln und zu würdigen seien, komme es nicht darauf an, ob der Mietvertrag zwischen ihr und ihren Eltern den Grundsätzen über die ertragsteuerliche Anerkennung von Mietverhältnissen unter nahen Angehörigen entspreche. Entscheidend sei allein, ob die Wohnung entgeltlich zu Wohnzwecken überlassen werde. Das sei hier der Fall, denn sie habe ihren Eltern bereits in dem notariell beurkundeten Kaufvertrag ein lebenslanges, entgeltliches Wohnrecht eingeräumt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, den Aufhebungsbescheid vom 16. April 2003 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 29. September 2003 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, des Aufhebungsbescheids und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klägerin hat nach §§ 1, 3 InvZulG 1999 einen Anspruch auf Festsetzung einer Investitionszulage in dem Umfang, in dem sie in dem Bescheid vom 26. November 2001 zunächst festgesetzt war. Denn die von ihr an ihre Eltern vermietete Wohnung diente der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999.
1. Nach dieser Vorschrift sind nachträgliche Herstellungs- oder Erhaltungsarbeiten an Gebäuden --unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen-- begünstigt, soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der Maßnahmen der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen.
a) Aus dem Einkommensteuerrecht übernommene Begriffe sind auch im Investitionszulagenrecht grundsätzlich nach den für die Einkommensbesteuerung maßgebenden Grundsätzen auszulegen, soweit sich nicht aus dem InvZulG 1999, seinem Zweck und seiner Entstehungsgeschichte etwas anderes ergibt (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 28. November 2006 III R 17/05, BFH/NV 2007, 975, m.w.N.).
b) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind zwar Vertragsverhältnisse zwischen nahen Angehörigen ertragsteuerrechtlich u.a. nur anzuerkennen, wenn sie in Gestaltung und Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (z.B. BFH-Urteil vom 19. August 2008 IX R 78/07, BFHE 222, 489, BStBl II 2009, 299, m.w.N.). Das gilt insbesondere für Mietverhältnisse, d.h. für die entgeltliche Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken (vgl. § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Die besonderen Anforderungen der Rechtsprechung bilden Indizien bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Erzielen von Einkünften stehen oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich (§ 12 EStG) zuzuordnen sind (z.B. BFH-Urteil in BFHE 222, 489, BStBl II 2009, 299).
Um eine solche Zuordnungsentscheidung geht es bei der Frage, ob eine entgeltliche Überlassung zu Wohnzwecken i.S. des § 3 InvZulG 1999 gegeben ist, jedoch nicht. Der Zweck der §§ 3 und 4 InvZulG 1999 besteht vielmehr darin, angesichts des großen Sanierungsbedarfs im Bereich des Wohnungswesens im Fördergebiet die Modernisierung und Sanierung des Bestands von Mietwohnungen und von selbstgenutztem Wohneigentum zu fördern (vgl. BTDrucks 13/7792, S. 7; BTDrucks 13/8059, S. 1 f., 21).
Das Merkmal der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken in § 3 InvZulG 1999 dient daher der Abgrenzung zu § 4 InvZulG 1999, der unter den dort genannten Voraussetzungen Modernisierungsmaßnahmen an selbstgenutztem Wohneigentum und an einer Wohnung begünstigt, die unentgeltlich an einen Angehörigen i.S. des § 15 der Abgabenordnung zu Wohnzwecken überlassen wird (ebenso Masuch in Bordewin/Brandt, § 3 InvZulG 1999 Rz 19; Kaligin in Lademann, EStG, § 3 InvZulG 1999 Rz 26; ferner Blümich/Stuhrmann, § 3 InvZulG 1999 Rz 27). Dementsprechend ist es für den Anspruch auf Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 auch ohne Bedeutung, ob der Anspruchsberechtigte mit der entgeltlichen Nutzungsüberlassung steuerlich zu berücksichtigende Einkünfte erzielt (ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. Februar 2003, BStBl I 2003, 218 Rz 17; Masuch in Bordewin/Brandt, a.a.O., Rz 19; Kaligin in Lademann, a.a.O., Rz 26; Rosarius in Jasper/ Sönksen/Rosarius, Investitionsförderung, Handbuch, § 3 InvZulG 1999 Rz 2; ferner Blümich/Stuhrmann, a.a.O., Rz 27). Entscheidend ist lediglich, ob nach der der Nutzungsüberlassung zugrunde liegenden Vereinbarung für die Überlassung eine Gegenleistung zu erbringen ist und diese auch tatsächlich erbracht wird.
2. Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin ihren Eltern den von ihnen bewohnten Gebäudeteil i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 entgeltlich zu Wohnzwecken überlassen. Nach dem Mietvertrag hatten die Eltern vierteljährlich eine Pauschale für "Nebenabgaben" in Höhe von 1.350 DM sowie einen Nettomietzins in Höhe von 1.950 DM zu zahlen, der nach den vom FA nicht bestrittenen Angaben der Klägerin der ortsüblichen Marktmiete entsprach. Dass die Miete und die "Nebenabgaben" im Wege der Aufrechnung gegen Forderungen der Eltern aus dem Kaufvertrag und der Kreditvereinbarung gezahlt worden sind, steht der Annahme der tatsächlichen Durchführung des Mietvertrags nicht entgegen.
Fundstellen
Haufe-Index 2249027 |
BFH/NV 2010, 65 |
HFR 2010, 64 |