Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufteilung des negativen Einheitswerts des Betriebsvermögens einer KG: außergesellschaftsrechtliche Haftung des Kommanditisten, Kapitalkonten als Ausgangsgröße, Aufdeckung aller stillen Reserven, Kommanditist als wirtschaftlicher Geschäftsinhaber
Leitsatz (amtlich)
Eine außergesellschaftsrechtliche Haftung des Kommanditisten für Schulden der KG, z.B. aufgrund einer (selbstschuldnerischen) Bürgschaft oder einer Schuldmitübernahme, rechtfertigt es nicht, dem betreffenden Kommanditisten einen Anteil am negativen Einheitswert des Betriebsvermögens der KG zuzurechnen.
Orientierungssatz
1. Den Ausgangspunkt für die Aufteilung des Einheitswerts einer Personengesellschaft bilden die Kapitalkonten der Gesellschafter in der Handelsbilanz. Um einen brauchbaren Aufteilungsmaßstab zu gewinnen, müssen diese dergestalt verändert (berichtigt) werden, daß sie die nach den gesellschaftsrechtlichen Regeln auf die einzelnen Gesellschafter entfallenden Anteile am tatsächlichen Wert des Gesellschaftsvermögens zutreffend beziffern. Dazu muß die Höhe sämtlicher stiller Reserven einschließlich eines originären Geschäftswerts (Firmenwerts) ermittelt und grundsätzlich nach dem maßgeblichen Gewinnverteilungsschlüssel auf die einzelnen Gesellschafter verteilt und deren Kapitalkonten hinzuaddiert werden.
2. Einem Kommanditisten kann bei der Aufteilung des negativen Einheitswerts des Betriebsvermögens der KG grundsätzlich kein Anteil zugewiesen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Kommanditist wirtschaftlich gesehen der alleinige Inhaber des Handelsgeschäfts der KG ist und der Komplementär nahezu mittellos ist (vgl. Rechtsprechung).
3. Parallelentscheidung: BFH, 31.1.1996, II R 5/93, NV.
Normenkette
BewG 1974 §§ 3, 97 Abs. 1 Nr. 5; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 2; HGB § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 1, 4
Tatbestand
I. An der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer KG, waren zunächst die A-GmbH (Beigeladene zu 1) als Komplementärin sowie die Kommanditisten MA (Beigeladener zu 2), EA (Beigeladene zu 3) und GA beteiligt. GA schied im September 1980 aus der KG aus.
Die Klägerin hatte an den beiden streitigen Feststellungszeitpunkten (1. Januar 1981 und 1. Januar 1982) erhebliche Bankschulden. Zu deren Absicherung gewährte der Beigeladene zu 2 der F-Sparkasse im Januar 1977 und früher Grundschulden in Höhe von insgesamt 415 000 DM, die auf verschiedenen Grundstücken des Beigeladenen zu 2 lasteten. Zur weiteren Absicherung dieser Verbindlichkeiten hatte der Beigeladene zu 2 außerdem gegenüber der F-Sparkasse mit Vereinbarung vom 27. Januar 1975 die persönliche Haftung in Höhe von 300 000 DM übernommen.
Ferner hatte sich die Beigeladene zu 3 am 18. November 1981 für Bankschulden der Klägerin selbstschuldnerisch gegenüber der Raiffeisenbank H e.G. über 450 000 DM verbürgt.
Mit den angefochtenen Änderungsbescheiden vom 2. Juli 1984 und 13. Juni 1984 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Einheitswerte des Betriebsvermögens der Klägerin auf die streitigen Stichtage wie folgt fest:
1. Januar 1981
Einheitswert ./. 1 056 000 DM
Aufteilung:
Beigeladene zu 1 (GmbH) ./. 981 445 DM
Beigeladener zu 2 ./. 74 555 DM
Beigeladene zu 3 0 DM
1. Januar 1982
Einheitswert ./. 1 191 000 DM
Aufteilung:
Beigeladene zu 1 (GmbH) ./. 1 118 281 DM
Beigeladener zu 2 ./. 72 719 DM
Beigeladene zu 3 0 DM
Dabei rechnete das FA den Kommanditisten --abgesehen von den negativen Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen zu 2-- Anteile an den negativen Einheitswerten nicht zu.
Mit ihrer nach erfolglosen Einsprüchen erhobenen Klage begehrte die Klägerin, die negativen Einheitswerte entsprechend dem Verhältnis der Beteiligungsquoten allen Gesellschaftern zuzurechnen. Ihre Kommanditisten hätten den Banken gegenüber aufgrund von Sicherheiten für die Schulden der KG haften müssen. Die Beigeladene zu 1 (Komplementär-GmbH) habe an den streitigen Stichtagen nur über ein geringes Vermögen verfügt und sei daher zu einer Schuldenregulierung nicht in der Lage gewesen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die angefochtenen Einheitswertbescheide mit der Maßgabe zu ändern, daß die Einheitswerte des Betriebsvermögens wie folgt ihren Gesellschaftern zuzurechnen seien:
1. Januar 1981
Beigeladene zu 1 (GmbH) 0 DM
Beigeladener zu 2 ./. 792 558 DM
Beigeladene zu 3 ./. 263 442 DM
----------------
Summe: ./. 1 056 000 DM
================
1. Januar 1982
Beigeladene zu 1 (GmbH) 0 DM
Beigeladener zu 2 ./. 785 000 DM
Beigeladene zu 3 ./. 406 000 DM
----------------
Summe: ./. 1 191 000 DM.
=================
Während des Revisionsverfahrens ist die Beigeladene zu 3 verstorben; sie wurde von dem Beigeladenen zu 2 als Alleinerbe beerbt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
1. Nach § 97 Abs.1 Nr.5 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der für die streitigen Stichtage maßgebenden Fassung bilden einen gewerblichen Betrieb und daher Betriebsvermögen u.a. alle Wirtschaftsgüter, die inländischen Kommanditgesellschaften gehören. Da die Wirtschaftsgüter des Personengesellschaftsvermögens mehreren Personen (zur gesamten Hand) zustehen, ist ihr Wert gemäß § 3 BewG i.V.m. § 39 Abs.2 Nr.2 der Abgabenordnung (AO 1977) auf die Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Anteile zu verteilen. Dabei erfolgt diese Verteilung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), an der der erkennende Senat festhält, grundsätzlich nach dem Verhältnis, in dem die Mitgliedschaftsrechte der einzelnen Beteiligten in allen ihren vermögensmäßigen Beziehungen zu den Mitgliedschaftsrechten der anderen Beteiligten stehen (grundlegend: BFH-Urteil vom 24. Juni 1981 III R 49/78, BFHE 134, 157, BStBl II 1982, 2; vgl. ferner Senatsurteile vom 11. März 1992 II R 157/87, BFHE 167, 174, BStBl II 1992, 543, und vom 3. November 1993 II R 96/91, BFHE 172, 523, BStBl II 1994, 88).
Den Ausgangspunkt für die Aufteilung des Einheitswerts der Personengesellschaft bilden die Kapitalkonten der Gesellschafter in der Handelsbilanz. Diese Kapitalkonten spiegeln die wertmäßige Beteiligung der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) allerdings nur dann zutreffend wider, wenn --was nur selten vorkommen wird-- die Summe aller Kapitalkonten dem wirklichen Wert des Unternehmens entspricht, wenn also im bilanziell ausgewiesenen Betriebsvermögen der Gesellschaft weder stille Reserven noch ein nicht bilanzierter (originärer) Geschäftswert enthalten sind. Um einen brauchbaren Aufteilungsmaßstab zu gewinnen, müssen deshalb die Kapitalkonten der Gesellschafter in der Handelsbilanz dergestalt verändert (berichtigt) werden, daß sie die nach den gesellschaftsrechtlichen Regeln auf die einzelnen Gesellschafter entfallenden Anteile am tatsächlichen Wert des Gesellschaftsvermögens zutreffend beziffern. Zu diesem Zweck muß die Höhe sämtlicher stiller Reserven einschließlich eines vorhandenen originären Geschäftswerts (Firmenwerts) ermittelt und grundsätzlich nach dem maßgeblichen Gewinnverteilungsschlüssel auf die einzelnen Gesellschafter verteilt und deren Kapitalkonten hinzuaddiert werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 134, 157, BStBl II 1982, 2).
2. Verbleibt einem Kommanditisten, der seine Pflichteinlage geleistet hat, auch nach Hinzurechnung der auf ihn entfallenden Anteile an den stillen Reserven und an einem evtl. vorhandenen nicht bilanzierten Geschäftswert ein negatives Kapitalkonto, so kann ihm grundsätzlich kein Anteil am (negativen) Einheitswert des Betriebsvermögens der KG zugerechnet werden. Denn ein Kommanditist, der seine Pflichteinlage geleistet hat und dessen Hafteinlage die Pflichteinlage nicht übersteigt, kann weder von den Gläubigern der Gesellschaft noch (grundsätzlich) von den Mitgesellschaftern in Anspruch genommen werden. An dieser Lage ändert nichts, daß der Kommanditist mit negativem Kapitalkonto verpflichtet ist, den Negativsaldo mit künftigen Gewinnanteilen zu begleichen. Denn diese "Verlusthaftung" des Kommanditisten mit künftigen Gewinnanteilen beruht entscheidend auf der künftigen (mehr oder minder ungewissen) Ertragsentwicklung und kann wegen des bewertungsrechtlichen Stichtagsprinzips nicht berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 134, 157, BStBl II 1982, 2, 6).
3. Wie dargelegt, bestimmt sich der Maßstab der Aufteilung des für das (Gesamthands-)Vermögen festgestellten Einheitswerts des Betriebsvermögens nach den vermögensmäßigen Beziehungen der Gesellschafter zueinander, wie sie sich aus den gesellschaftsrechtlichen Regeln ergebe. Das bedeutet, daß die außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffenen Haftungsvereinbarungen zwischen einem Kommanditisten und einem Gläubiger der KG zur Absicherung von der KG gewährten Krediten nichts daran ändern können, daß der Kommanditist, der seine Einlage geleistet hat, gemäß § 171 Abs.1 des Handelsgesetzbuches (HGB) weder von der KG noch von den Mitgesellschaftern in Anspruch genommen werden kann. Dies gilt nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. März 1966 II ZR 262/63 (BGHZ 45, 204) auch dann, wenn der Kommanditist wirtschaftlich gesehen der alleinige Inhaber des Handelsgeschäfts ist und der persönlich haftende Gesellschafter --wie im Streitfall-- nahezu mittellos ist. Denn das negative Kapitalkonto des Kommanditisten hat nur Auswirkungen auf die künftige Gewinnverteilung (§§ 167 ff. HGB); es hat jedoch keine Relevanz für den Vermögensstand am Stichtag (siehe Senatsurteil in BFHE 167, 174, 177, BStBl II 1992, 543, 545). Der Umstand, daß ein Kommanditist --wie im Streitfall die Beigeladenen zu 2 und 3-- auf seinem Grundbesitz lastende Grundschulden dem kreditgewährenden Institut als Sicherheit für der KG gewährte Darlehen übertragen und für den Kredit der KG die persönliche Haftung (Mithaft) oder eine (selbstschuldnerische) Bürgschaft übernommen hat, begründet keine persönliche Primärschuld des Kommanditisten, die sich ihrer Natur nach aus der gesellschaftsrechtlichen Stellung dieses Kommanditisten ergibt.
Da es um die Aufteilung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf die Gesellschafter als Gesamthandseigentümer des Gesellschaftsvermögens geht, können auch nur die Maßstäbe berücksichtigt werden, die sich aus dem Gesellschaftsverhältnis als solchem ergeben und die entweder durch den Gesellschaftsvertrag oder durch das HGB festgelegt sind. Nur hieraus können die Mitgliedschaftsrechte abgeleitet werden, deren Verhältnis zueinander nach der Rechtsprechung des Senats für die Aufteilung des Einheitswerts des Betriebsvermögens einer KG maßgebend ist.
Soweit die Klägerin meint, unter dem Aspekt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit oder aus dem Grundsatz des Nichtansatzes von Forderungen und Schulden im Verhältnis zwischen der Personengesellschaft und den Gesellschaftern (vgl. Vermögensteuer-Richtlinien 1980 Abschn.16; § 97 Abs.1 Nr.5 Satz 3 BewG n.F.) ein anderes Aufteilungsergebnis ableiten zu können, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
Fundstellen
Haufe-Index 66037 |
BStBl II 1996, 181 |
BFHE 179, 439 |
BB 1996, 680-681 (LT) |
DB 1996, 815-816 (LT) |
DStR 1996, 499-500 (KT) |
DStZ 1996, 317 (KT) |
HFR 1996, 320-321 (L) |
StE 1996, 216 (K) |