Leitsatz (amtlich)
Die Kosten, die beim Einkauf von Rohstoffen dadurch entstehen, daß die Rohstoffe nach ihrem Eintreffen am Betriebsgrundstück des Kaufmanns auf andere Fahrzeuge umgeladen, zum Lagerplatz verbracht und dort erstmalig eingelagert werden, gehören nur dann zu den aktivierungspflichtigen Anschaffungskosten, wenn sie zu den Einzelkosten und nicht zu den Gemeinkosten des Beschaffungsbereichs zu rechnen sind.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1; EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Stpfl.), eine Aktiengesellschaft, betreibt eine Baumwollbleicherei und Papierfabrik. Sie führt Holz, Linters (Baumwollfaserabfälle) und Zellstoff ein. Diese Rohstoffe, die die Stpfl. zur Herstellung von Papier verwendet, kommen auf dem Schiff im Hafen am Sitz der Stpfl. an. Dort werden sie von Arbeitskräften der Stpfl. mittels eines ortsfesten, betriebseigenen Krans auf betriebseigene Schienenfahrzeuge umgeladen und zu den jeweiligen Stapel- und Lagerplätzen der Stpfl. gebracht. Die dadurch entstehenden Kosten aktivierte die Stpfl. nicht. Der Betriebsprüfer beanstandete dies, weil es sich um Anschaffungsnebenkosten handele.
Bei der endgültigen Veranlagung der Stpfl. zur Körperschaftsteuer für das Streitjahr 1959 folgte der Revisionskläger (FA) der Auffassung des Betriebsprüfers.
Die Sprungberufung hatte Erfolg.
Das FG hat in seiner Entscheidung, die in EFG 1963, 571 veröffentlicht ist, unter Berufung auf das Gutachten des BFH I D 1/58 S vom 26. Januar 1960 (BFH 70, 508, BStBl III 1960, 191) die Auffassung vertreten, die Kosten der Entladung und der Lagerung seien keine Anschaffungsnebenkosten, sondern Gemeinkosten, die Betriebsausgaben darstellten und nicht als Anschaffungskosten zu aktivieren seien. Die Beförderung, deren Kosten noch zu den Anschaffungskosten zählten, habe ihr Ende erreicht, sobald die Ware in das Betriebsgrundstück gelangt sei. Die dann folgende Entladung und Lagerung auf eigenem Betriebsgrundstück falle nicht mehr unter den Begriff der Beförderung. Im Streitfall sei der Bezugsvorgang für die Rohstoffe mit der Ankunft der Schiffe am Kai als abgeschlossen zu betrachten.
Dieser rechtlichen Beurteilung entsprechend hat das FG die Körperschaftsteuer neu berechnet.
Die Rb. (Revision) des FA rügt falsche Anwendung des geltenden Rechts.
Das FA steht auf dem Standpunkt, die Rohstoffe seien in das Betriebsvermögen der Stpfl. erst dann benutzbar eingegliedert, wenn sie den Lagerplatz erreicht hätten, daher zählten die vorher entstandenen Kosten des Entladens und der Einlagerung selbst (erstmaliges Stapeln) zu den Anschaffungskosten.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die streitigen Kosten in Höhe von 73 150 DM als aktivierungspflichtigen Anschaffungsaufwand zu behandeln.
Der BdF ist dem Verfahren beigetreten. Der Senat hat außerdem den Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) und das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IdW) um gutachtliche Äußerung gebeten.
Der BdF hat die Auffassung vertreten, daß die Kosten des Transports der Rohstoffe bis zum Betriebsgrundstück des Unternehmers, aber auch die Kosten des Umladens auf andere Fahrzeuge, des Verbringens auf den Lagerplatz und des ordnungsmäßigen Einlagerns zu den aktivierungspflichtigen Anschaffungsnebenkosten zählten, gleichgültig, ob diese Kosten durch den Einsatz eigener Fahrzeuge, Maschinen und Arbeitskräfte oder durch die Inanspruchnahme fremder Unternehmer entstanden seien.
Der DIHT betrachtet die Kosten des Transports der Rohstoffe bis zum Betriebsgrundstück des Kaufmanns als Anschaffungskosten, wenn der Verkäufer den Transport durchführt, als Anschaffungsnebenkosten, wenn ein fremder Unternehmer den Transport durchführt, in der Regel aber als nicht aktivierungsfähige Gemeinkosten des Anschaffungsbereichs, in Ausnahmefällen zum Teil als aktivierungsfähige, aber nicht aktivierungspflichtige Einzelkosten des Anschaffungsbereichs, wenn der Transport durch den Einsatz eigener Fahrzeuge und Arbeitskräfte ausgeführt wird. Dieser Auffassung entspreche auch die überwiegend kaufmännische Praxis. Die Kosten des Umladens auf andere Fahrzeuge, des Verbringens auf die einzelnen Lagerplätze des Kaufmanns und des erstmaligen Einlagerns hält der DIHT für sofort abzugsfähige Betriebsausgaben, weil sie weder dem Anschaffungsbereich noch dem Herstellungsbereich zuzuordnen oder aber - der überwiegenden kaufmännischen Praxis entsprechend - zu den Gemeinkosten des Anschaffungsbereichs zu rechnen seien.
Das IdW zählt die Kosten des Transports der Rohstoffe bis zum Betriebsgrundstück des Kaufmanns gleich, ob der Transport eine eigene Leistung oder eine Leistung Dritter darstellt, zu den Anschaffungskosten, die jedoch Gemeinkostencharakter hätten, soweit sie den einzelnen Anschaffungskosten nicht direkt zurechenbar seien. Die weiteren Kosten des innerbetrieblichen Transports der Rohstoffe und die Kosten der Lagerung rechnet das IdW zu den Materialgemeinkosten im Rahmen der Herstellungskosten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Die Rohstoffe sind in der Bilanz mit den Anschaffungskosten anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG, §§ 5, 6 Abs. 1 KStG, § 15 Nr. 1 KStDV). Zu den Anschaffungskosten zählen nach allgemeiner handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Auffassung neben dem Anschaffungspreis auch die Anschaffungsnebenkosten (Passow, Die Bilanzen der privaten und öffentlichen Unternehmungen, 2. Aufl., Bd. 1 S. 142; Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 3. Aufl., § 133 Anm. 52; Schlegelberger-Quassowski, Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., § 133 Anm. 7; v. Godin-Wilhelmi, Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., § 133 Anm. 2a; Mirre-Dreutter, Das Körperschaftsteuergesetz, § 6 Anm. 97). Andererseits erfährt der Begriff der Anschaffungskosten eine nicht unerhebliche Einschränkung durch den handelsrechtlich allgemein anerkannten und auch steuerrechtlich gültigen Satz, daß die Gemeinkosten zwar in die Herstellungskosten, aber nicht in die Anschaffungskosten einzurechnen sind (Adler-Düring-Schmaltz, a. a. O., § 133 Anm. 64 f., Schlegelberger-Quassowski, a. a. O., v. Godin-Wilhelmi, a. a. O.; Gutachten des RFH Gr. S. D 7/38 vom 4. Februar 1939, RFH 46, 150, RStBl 1939, 321; BFH-Gutachten I D 1/58 S vom 26. Januar 1960, a. a. O.). An diesem Satz halten auch der BdF und der DIHT fest.
Voraussetzung für den Ansatz von Anschaffungskosten ist somit im Streitfall, daß die Kosten durch die Anschaffung der Rohstoffe bedingt sind und daß es sich nicht um Gemeinkosten, sondern um Einzelkosten der Anschaffung handelt.
1. Anschaffungskosten, auch Anschaffungsnebenkosten, sind die Kosten, die der Kaufmann aufwendet, um ein Wirtschaftsgut von der fremden in die eigene wirtschaftliche Verfügungsgewalt zu überführen (BFH-Beschluß Gr. S. 2/66 vom 22. August 1966, BFH 86, 792, BStBl III 1966, 672). Danach ist weniger nach rechtlichen als nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden, welche Vorgänge im einzelnen zur Anschaffung gehören. Bei Fertigungsbetrieben gilt es insbesondere, den Beschaffungsbereich und den Herstellungsbereich voneinander abzugrenzen (vgl. Schneider, Industrielles Rechnungswesen, 2. Aufl., S. 3, 41; Kosiol, Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, S. 115, 120 ff.). Der Senat ist entgegen dem FG und mit dem BdF und mit der überwiegenden kaufmännischen Praxis der Meinung, daß der Beschaffungsbereich nicht schon endet, wenn die Rohstoffe am Betriebsgrundstück des Kaufmanns angekommen sind, sondern erst dann, wenn die Rohstoffe das Lager erreicht haben und erstmals eingelagert worden sind. Die Kosten des Transports bis zum Betriebsgrundstück, ferner die Kosten des Umladens und des weiteren Transports bis zum Lagerplatz und die Kosten des erstmaligen Einlagerns fallen somit im Beschaffungsbereich an und sind daher Einzelkosten oder Gemeinkosten der Anschaffung. Die weiteren Lagerkosten gehören bereits zum Herstellungsbereich und sind daher Gemeinkosten der Herstellung. Das dürfte im wesentlichen auch der im Schrifttum vertretenen Auffassung entsprechen, daß zwar Provisionen, Eingangsfrachten, Ablade- und Abfuhrkosten, dagegen grundsätzlich nicht mehr die Lagerkosten zu den Anschaffungsnebenkosten zählen (Adler-Düring-Schmaltz, a. a. O., § 133 Anm. 53, 54; Schlegelberger-Quassowski, a. a. O.; v. Godin-Wilhelmi, a. a. O.; Mirre-Dreutter, a. a. O.).
2. Die weitere Frage, welche Kosten des Anschaffungsbereichs als Gemeinkosten oder als Einzelkosten anzusehen sind, ist nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen, wie sie für die Unterscheidung zwischen Einzelkosten und Gemeinkosten im Herstellungsbereich entwickelt wurden. Einzelkosten sind danach die Kosten, deren Maßeinheiten (Zeit, Menge) für das einzelne Erzeugnis direkt bewertet werden können, Gemeinkosten sind die Kosten, deren Maßeinheiten nur indirekt, auf Grund einer Annahme bewertet werden können (Schneider, a. a. O., S. 71, 84, 90). Typische Einzelkosten des Herstellungsbereichs sind die Fertigungslöhne. Die auf das einzelne Erzeugnis entfallenden Lohnstunden und damit auch die für dieses Stück angefallenen Löhne können genau festgestellt werden. Typische Gemeinkosten sind die Abschreibungen auf Fertigungsmaschinen. Sie können auf das einzelne Erzeugnis immer nur auf Grund bestimmter Annahmen verteilt werden. Das Aktienrecht rechnet sie daher von jeher zu den Gemeinkosten, die bei der Berechnung der Herstellungskosten in angemessenem Umfang eingerechnet werden dürfen (§ 153 Abs. 2, § 155 Abs. 1 Satz 2 AktG 1965; § 133 Nr. 1 Abs. 3, Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 AktG 1937; § 261 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2, Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 HGB in der Fassung der Verordnung über Aktienrecht vom 19. September 1931).
Wendet man diese Grundsätze auf den Anschaffungsbereich an, so zeigt sich, daß die Antwort auf die Frage, welche Kosten hier Einzelkosten oder Gemeinkosten sind, für die einzelnen Kostenarten verschieden ausfallen kann. Entgegen der Auffassung des BdF sind im Streitfall die Abschreibungen auf den Kran und auf die Schienenfahrzeuge sicher nicht zu den Einzelkosten der Anschaffung zu rechnen. Die Löhne der bei dem Entladen und Umladen, beim Transport zum Lagerplatz und beim erstmaligen Einlagern beschäftigten Arbeiter können dagegen Einzelkosten sein. Voraussetzung ist, daß für eine bestimmte Menge angeschaffter Rohstoffe festgestellt werden kann, wieviel Lohnstunden bei den aufgeführten Anschaffungsvorgängen angefallen sind. Diese Feststellung wird möglich sein, wenn die betreffenden Arbeiter in einem bestimmten Zeitraum ausschließlich bei den angegebenen Anschaffungsvorgängen mitgewirkt haben. Sie ist dagegen, wie der DIHT zutreffend ausgeführt hat, nicht möglich, wenn die Arbeiter in der gleichen Zeit auch andere Arbeiten ausgeführt haben. Ähnliches gilt für den Verbrauch von Betriebsstoffen (Öl, Benzin und dergleichen). Kann der Verbrauch für eine bestimmte angeschaffte Rohstoffmenge direkt bewertet werden, etwa nach der Zeit des Einsatzes des Krans oder nach der von den Schienenfahrzeugen zurückgelegten Strecke, so handelt es sich um Einzelkosten, sonst aber um Gemeinkosten.
Danach wird, wie dem DIHT zuzugeben ist, für die Annahme von Einzelkosten im Beschaffungsbereich im allgemeinen wenig Raum sein, wenn - wie im Streitfall - das Umladen der angeschafften Güter, das Verbringen auf den Lagerplatz und das erstmalige Einlagern durch den Einsatz eigener Fahrzeuge, Maschinen und Arbeitskräfte bewältigt werden. Dagegen werden die Kosten ohne weiteres dem einzelnen angeschafften Stück - bei der Lieferung bestimmter Mengen gegebenenfalls im Wege der Division - zurechenbar und damit Einzelkosten sein, wenn sie durch Inanspruchnahme fremder Unternehmer entstehen.
Da die tatsächlichen Feststellungen des FG nichts darüber enthalten, welche Arten von Kosten im Streitfall durch die Anschaffung entstanden und vom FA zu den Anschaffungskosten hinzugerechnet worden sind, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Die Sache geht daher an das FG zurück, das unter Berücksichtigung der Rechtsausführungen dieses Urteils den Streitfall nach der tatsächlichen Seite hin erneut untersuchen und dann über ihn erneut entscheiden muß.
Fundstellen
Haufe-Index 412699 |
BStBl II 1968, 22 |
BFHE 1968, 128 |