Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlaß von Kreditgewinnabgabe
Leitsatz (NV)
1. Ein Erlaß von Kreditgewinnabgabe nach den Verwaltungsanordnungen des BMF kommt nur ausnahmsweise, und zwar dann in Betracht, wenn sich das Vermögen und die Leistungsfähigkeit des abgabepflichtigen Betriebs nach dem Währungsstichtag wesentlich verringert haben. Beim Erlaß von Kreditabgabe ist zu berücksichtigen, daß es sich bei dieser Lastenausgleichsabgabe wirtschaftlich nicht um eine neue Belastung des Betriebs, sondern um den bloßen Fortbestand bereits vorhandener - abgewerteter - Schuldverpflichtungen handelt. Die Erhebung der Kreditgewinnabgabe kann deshalb im Grundsatz nicht unbillig sein.
2. Ein Erlaß von Kreditgewinnabgabe aus sachlichen Billigkeitsgründen kann ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abgeholfen werden soll. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn ein bestandskräftiger Kreditgewinnabgabe-Bescheid offensichtlich und eindeutig fehlerhaft ist und es dem Abgabepflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit der Veranlagung rechtzeitig zu wenden.
3. Ein Teilerlaß der Kreditgewinnabgabe kommt nicht allein deshalb in Frage, weil die abgabepflichtige Gesellschaft an Kreditgewinnabgabe insgesamt einen höheren Betrag erbringen muß als ihre Gesellschafter - im Falle der Rückzahlung der Schulden noch vor dem Währungsstichtag bei einer fiktiven Veranlagung zur Vermögensabgabe - an Vermögensabgabe hätten entrichten müssen.
Normenkette
AO 1977 §§ 227, 5; LAG § 203 Abs. 5
Tatbestand
Die Klägerin war Eigentümerin des X-Hotels. Dieses war während des Krieges beschädigt und anschließend durch die Besatzungsmacht beschlagnahmt worden. Es wurde nach der Freigabe im März 1954 wiedereröffnet.
Das Finanzamt - FA - hat die Klägerin mit Bescheid vom 22. April 1955 zur Kreditgewinnabgabe (KGA) bestandskräftig veranlagt. Die Abgabeschuld wurde auf 1 208 300 DM festgesetzt. Die daraus errechneten Vierteljahrsbeträge beliefen sich vom 1. Januar 1952 bis 30. Juni 1960 auf je 27 186,75 DM und vom 1. Juli 1960 bis 31. Dezember 1973 auf je 21 145,25 DM zuzüglich eines am 1. Januar 1974 zu leistenden Spitzenbetrages in Höhe von 8 132,50 DM. Nachdem laufend Teilbeträge erlassen worden waren, wurde der Klägerin zuletzt durch Schreiben vom 17. Mai 1968 der zum 31. Dezember 1966 rückständige Betrag in Höhe von 71 305,20 DM erlassen. Gleichzeitig wurde hinsichtlich der ab 1967 fälligen Vierteljahrsbeträge von je 21 145,25 DM ein Teilbetrag von je 7 500 DM mit dem Ziel des späteren Erlasses gestundet. Aufgrund der bisherigen Erlaßmaßnahmen errechnen sich die Rückstände wie folgt:
Zeitraum Sollbeträge Erlasse Zahlungen Rückstände
DM DM DM DM
bis 31. 12. 1960 912 265,00 548 593,00 363 672,00 0,00
1961 bis 1966 507 486,00 233 626,70 273 859,30 0,00
1967 bis 1973 592 067,00 0,00 368 421,75 223 645,25
1974 8 132,50 0,00 0,00 8 132,50
Stand am 31. 12. 1979 2 019 950,50 782 219,70 1 005 953,05 231 777,75
Diese setzen sich wie folgt zusammen:
Gestundete Teilbeträge von jährlich 30 000 DM für die Jahre 1967
bis einschließlich 1973 (7 x 30 000 DM): 210 000,00 DM
Restbetrag der Rate 1 (21 145,25 DM ./. 7 500 DM): 13 645,25 DM
Spitzenbetrag 8 132,50 DM
231 777,75 DM
Den Antrag der Klägerin, die Rückstände zu erlassen, lehnte das FA durch Verfügung vom 4. Oktober 1976 ab.
Dieser Entscheidung waren zahlreiche Eingaben an und Besprechungen bei den Finanzverwaltungsbehörden des Landes und beim Bundesminister der Finanzen (BMF) vorausgegangen.
Nach erfolgloser Beschwerde gab das Finanzgericht (FG) der Klage zum Teil statt. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Ein Erlaß nach den zur KGA erlassenen Richtlinien (vgl. die Verwaltungsanordnungen - VAO - des BMF vom 2. März 1956, Nachschlagekartei zu den Lastenausgleichsabgaben - LA-Kartei -, § 203 Abs. 5 Karte 12, und vom 15. Januar 1958, LA-Kartei, § 203 Abs. 5 Karte 18) komme nicht in Betracht. Billigkeitsmaßnahmen nach den allgemeinen Grundsätzen des § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) kämen ebenfalls nicht in Betracht. Die Voraussetzungen für einen Erlaß der KGA aus sachlichen Gründen lägen nicht vor. In der Entscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) sei eingehend begründet, daß gegen die Richtigkeit des KGA-Bescheids keine Bedenken beständen. Unbegründet sei insbesondere der Haupteinwand der Klägerin, sie habe gemäß § 161 Abs. 2 Nr. 4 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) nicht der KGA unterlegen, weil der Hauptzweck des Unternehmens am 21. Juni 1948 in der Vermietung des eigenen Grundbesitzes an die Besatzungsmacht bestanden habe. Durch die Beschlagnahme habe sich die Art des Unternehmens nicht geändert. In der Ablehnung des Erlasses aus persönlichen Billigkeitsgründen liege weder ein Ermessensverstoß noch eine Ermessensüberschreitung. Denn im Streitfall habe nicht davon ausgegangen werden können, daß die wirtschaftliche Existenz der Klägerin im Falle der Versagung des Billigkeitserlasses gefährdet gewesen wäre. Der Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1975 habe sich auf 3 105 000 DM belaufen. Es sei jedoch ermessensfehlerhaft, daß die Verwaltungsbehörden nicht geprüft haben, ob ein Teilerlaß deshalb in Frage komme, weil die Klägerin an KGA insgesamt einen höheren Betrag erbringen müsse, als ihre Gesellschafter für den Fall der Veranlagung zur Vermögensabgabe an Vermögensabgabe hätten entrichten müssen. Eine solche Prüfung sei im Hinblick auf das Schreiben des BMF vom 3. Dezember 1973 IV A 5 - LA 2099 - 1389 angezeigt gewesen. Dort sei ausgeführt, daß die Zustimmung zu einem weiteren Billigkeitserlaß der KGA grundsätzlich nicht in Aussicht gestellt werden könne, solange die Klägerin nicht nachweise, daß ohne Vorliegen einer KGA ein Teilerlaß einer entsprechend höheren Vermögensabgabe zu gewähren gewesen wäre. Diesen Nachweis habe die Klägerin zwar nicht erbringen können. Nach dem bisherigen unbestrittenen Vorbringen der Klägerin, das sich in etwa mit den letzten Berechnungen der Verwaltungsbehörden decke, stehe jedoch fest, daß auch dann, wenn ein Erlaß der fiktiven Vermögensabgabe nicht möglich gewesen wäre, einem fiktiven Vermögensabgabe-Soll von rd. 1 105 000 DM ein KGA-Soll von 1 237 730 DM gegenüberstehe. Hierauf habe die Klägerin bisher rd. 1 057 000 DM entrichtet. Nach Zahlung eines weiteren Betrages von rd. 48 000 DM auf den KGA-Rückstand von rd. 180 000 DM entsprächen die auf die KGA erbrachten Leistungen dem fiktiven Vermögensabgabe-Soll. Hinsichtlich des verbleibenden Rückstandes von rd. 132 000 DM, der das fiktive Vermögensabgabe-Soll übersteigt, sei die Möglichkeit eines Erlasses bereits jetzt zu überprüfen. Dabei sei die vom Gesetzgeber mit der KGA bezweckte Mehrbelastung in gewissem Maße zu berücksichtigen. Daher komme lediglich ein Teilerlaß des verbleibenden Rückstandes (132 000 DM) in Frage.
Das FA rügt mit der Revision einen Verstoß der Vorentscheidung gegen die §§ 227, 5 AO 1977. Es beantragt, die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als der Klage stattgegeben worden ist, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. a) Der Senat folgt der Auffassung des FG, daß im Streitfall ein Erlaß nach den für die KGA ergangenen Erlaßrichtlinien des BMF vom 2. März 1956 IV C/5 - LA 2831 - 13/56 (LA-Kartei, § 203 Abs. 5 Karte 12) und vom 15. Januar 1958 IV C/5 - LA 2831 - 8/58 (LA-Kartei, § 203 Abs. 5 Karte 18) nicht in Betracht kommt. Bei einem Erlaß aufgrund dieser Verwaltungsanordnungen handelt es sich, wie das FG zutreffend entschieden hat, um eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörden. Diese dürfen Steuergerichte nur darauf überprüfen, ob ein Ermessensfehlgebrauch oder eine Ermessensüberschreitung vorliegt. Dabei haben die Steuergerichte nach der Rechtsprechung des Senats zunächst zu prüfen, ob sich die in den Verwaltungsanordnungen getroffenen Regelungen innerhalb der Grenzen halten, die das Gesetz der Ausübung des Ermessens gezogen hat. Ist das zu bejahen, muß geprüft werden, ob die Verwaltung ihr Ermessen in Übereinstimmung mit diesen Regelungen ohne Ermessensverstoß ausgeübt hat (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Oktober 1977 III R 2/74, BFHE 124, 117, BStBl II 1978, 283). Bei der letzteren Prüfung ist, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung abzustellen (vgl. BFHE 124, 117, BStBl II 1978, 283).
b) Das FG ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß sich die im Streitfall einschlägigen Verwaltungsanordnungen des BMF vom 2. März 1956 (a.a.O.) und vom 15. Januar 1958 (a.a.O.) innerhalb der Grenzen halten, die das Gesetz bei der Ausübung des Ermessens gezogen hat. Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, soll bei der KGA ein Erlaß nur in besonders dringenden Fällen ausgesprochen werden, weil die KGA - wirtschaftlich gesehen - nichts anderes bedeutet, als die Tilgung und Verzinsung bereits vor der Währungsreform entstandener Verbindlichkeiten, die ohne Währungsreform oder bei einer Umstellung der Reichsmark auf DM im Verhältnis 1:1 ebenfalls vom Schuldner hätten erfüllt werden müssen (vgl. Tz. 1 VAO vom 2. März 1956). Ein Erlaß fälliger Leistungen oder eines Teils der noch nicht getilgten Abgabeschuld kommt danach grundsätzlich nur in Betracht, wenn sich das Vermögen und die Leistungsfähigkeit des abgabepflichtigen Betriebs nach dem Währungsstichtag wesentlich verringert hat (vgl. Tz. 3 VAO vom 2. März 1956 und Urteil des Senats vom 17. April 1964 III 144/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964, 383). Beide Voraussetzungen haben im Streitfall nicht vorgelegen. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das FG bei Gewinnen von rd. 100 000 DM im Jahr 1975, 57 000 DM im Jahr 1976 und 88 000 DM im Jahr 1977 eine wesentliche Minderung der Leistungsfähigkeit im Hinblick darauf verneint hat, daß die Jahre II/1948 und 1949 mit Verlust abgeschlossen hatten. Entsprechendes gilt für die Feststellung des FG, daß eine Überschuldung jedenfalls im Hinblick darauf abzulehnen sei, daß die Vermögenswerte der Klägerin, insbesondere die vorhandenen Grundstücke, mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind.
2. Der Senat folgt dem FG auch darin, daß im Streitfall Billigkeitsmaßnahmen nach den allgemeinen Grundsätzen des § 227 AO 1977 nicht zum Zuge kommen.
a) Ein Erlaß aus sachlichen Billigkeitsgründen kommt nach der Rechtsprechung des BFH dann in Betracht, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft (Urteil vom 22. April 1975 VII R 54/72, BFHE 116, 87, BStBl II 1975, 727), wenn einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestands abgeholfen werden soll (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 5. April 1978 1 BvR 117/73, BStBl II 1978, 441).
aa) Ein Erlaß aus sachlichen Gründen wäre, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, insbesondere dann geboten, wenn der bestandskräftige KGA-Bescheid offensichtlich und eindeutig fehlerhaft wäre und es der Klägerin nicht möglich und nicht zumutbar gewesen wäre, sich gegen die Fehlerhaftigkeit der Veranlagung rechtzeitig zu wenden. Das Vorliegen solcher Billigkeitsgründe hat die Vorinstanz im Anschluß an die Entscheidungen von FA und OFD ohne Rechtsfehler verneint.
bb) Abgesehen davon folgt der Senat der Auffassung des FG, daß die Klägerin wegen des hier streitbefangenen Vermögens zu Recht nicht zur Hypothekengewinnabgabe (HGA), sondern zur KGA herangezogen wurde. Die Vorinstanz ist in Übereinstimmung mit FA und OFD zu Recht davon ausgegangen, daß sich durch die Beschlagnahme die Art des Unternehmens auch nicht zeitweise geändert hat. Insbesondere kann das Unternehmen der Klägerin auch nicht für den Zeitraum der Beschlagnahme als ein einem Wohnungsunternehmen ähnlicher Betrieb angesehen und behandelt werden. Dem Einwand der Klägerin, daß ihre Heranziehung zur HGA möglicherweise zu einer geringeren Abgabenbelastung geführt hätte, hat das FG zu Recht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats keine entscheidende Bedeutung beigemessen (vgl. Urt. des BFH vom 7. August 1959 III 175/58 U, BFHE 69, 467, BStBl III 1959, 434).
cc) Der Umstand, daß das FA mit Zustimmung der vorgesetzten Dienststellen von den im Jahr 1967 fällig gewordenen und den in der Zukunft fällig werdenden Vierteljahresbeträgen einen Teilbetrag in Höhe von jeweils 7 500 DM mit dem Ziel des späteren Erlasses gestundet hat, vermag einen Erlaß ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Das FG hat in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt, daß der Bayerische Staatsminister der Finanzen den Antrag der Klägerin auf einen Erlaß der 1967 und künftig fällig werdenden Vierteljahrsbeträge ausdrücklich abgelehnt und das FA mit Schreiben vom 10. Januar 1968 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß sich ein Teilerlaß der laufenden Leistungen ausschließlich nach der VAO vom 2. März 1956 (a.a.O.) richtet. Damit war für alle Beteiligten eindeutig erkennbar klargestellt, daß ein Erlaß der seinerzeit und der künftig fällig werdenden KGA-Vierteljahrsbeträge nicht schon dann in Betracht kommt, wenn sich die Verhältnisse nicht ändern, sondern nur dann, wenn die Voraussetzungen für einen Erlaß nach der VAO 2. März 1956 (a.a.O.) erfüllt sind.
b) Es ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, daß das FG in der Ablehnung eines Erlasses aus persönlichen Billigkeitsgründen einen Ermessensverstoß oder eine Ermessensüberschreitung nicht gesehen hat. Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf das Vermögen der Klägerin überzeugend dargelegt, daß die wirtschaftliche Existenz der Klägerin durch das Weiterbestehen der KGA-Schuld von rd. 180 000 DM an dem für die hier zu treffende Entscheidung maßgebenden Zeitpunkt in keiner Weise gefährdet war.
3. a) Der erkennende Senat folgt nicht der Auffassung des FG, daß die Ablehnung des Erlaßantrags insoweit ermessensfehlerhaft sei, als die Verwaltungsbehörden nicht geprüft haben, ob ein Teilerlaß deshalb in Frage komme, weil die Klägerin an KGA insgesamt einen höheren Betrag erbringen muß, als ihre Gesellschafter für den Fall der Veranlagung zur Vermögensabgabe an Vermögensabgabe hätten entrichten müssen. Die Vorentscheidung läßt nicht erkennen, ob das FG die Ermessensentscheidung der Finanzbehörde deshalb als ermessensfehlerhaft ansieht, weil die Frage des Erlasses gemäß § 227 AO 1977 i. V. m. den VAOen zu § 203 Abs. 5 LAG bzw. aufgrund des § 227 AO 1977 allein als nicht abschließend geprüft ansieht oder ob das FG den vorangegangenen Schreiben der Finanzverwaltung - insbesondere dem Schreiben des BMF vom 3. Dezember 1973 (a.a.O.) - den Charakter einer Zusage des Inhalts beimißt, zu prüfen, ob ein Teilerlaß des das fiktive Vermögensabgabe-Soll übersteigenden Betrags der KGA in Betracht kommt.
b) Wie oben (vgl. Abschn. 2) im einzelnen dargelegt wurde, haben die Verwaltungsbehörden die Voraussetzungen für einen Erlaß nach § 227 AO 1977 i. V. m. den Verwaltungsanweisungen zu § 203 Abs. 5 LAG im Streitfall zu Recht als nicht erfüllt angesehen. Entsprechendes gilt für Billigkeitsmaßnahmen aufgrund der allgemeinen Erlaßvorschrift des § 227 AO 1977, und zwar auch im Zusammenhang mit der Vorausstundung künftiger Vierteljahrsbeträge mit dem Ziel eines späteren Erlasses. Damit haben die Verwaltungsbehörden die Frage des Erlasses hinsichtlich aller auch nur irgendwie in Betracht kommender Rechtsgrundlagen überprüft. Es ist nicht zu beanstanden, daß die Finanzbehörden im Hinblick auf den rein hypothetischen Fall, daß bei Rückzahlung der RM-Verbindlichkeiten noch vor dem Währungsstichtag keine KGA-Schuld entstanden und das fiktive Vermögensabgabe-Soll möglicherweise unter der festgesetzten oder sogar unter der bereits eingezahlten KGA gelegen hätte, einen Teilerlaß nicht geprüft haben. Bei der Entscheidung über den Erlaß von Lastenausgleichsabgaben ist der Sachverhalt maßgebend, wie er tatsächlich verwirklicht ist. Dies ist im Hinblick darauf von Bedeutung, daß für den Erlaß der einzelnen Lastenausgleichsabgaben wegen deren unterschiedlichen Charakters nicht in jeder Beziehung die gleichen Grundsätze gelten (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1969 III 240/65, BFHE 98, 287, BStBl II 1970, 402). Beim Erlaß von KGA ist nämlich zu berücksichtigen, daß es sich bei dieser Lastenausgleichsabgabe nicht um eine Neubelastung des Betriebs, sondern um den bloßen Fortbestand bereits vorhandener Schuldverpflichtungen handelt. Die Erhebung der KGA kann deshalb im Grundsatz nicht unbillig sein. Denn durch sie wird lediglich die ungerechtfertigte Bereicherung, die sich aus der Umstellung von Reichsmark- auf DM-Verbindlichkeiten im Verhältnis 10:1 ergeben hat, wieder beseitigt. Die KGA ist mithin - wirtschaftlich gesehen - nichts anderes als die Tilgung und Verzinsung von bereits vor der Währungsreform entstandenen Verbindlichkeiten, die ohne Währungsreform oder bei einer Umstellung von RM auf DM im Verhältnis 1:1 vom Schuldner ebenfalls hätten geleistet werden müssen. Deshalb war im Streitfall die Prüfung, ob ein Teilerlaß der noch nicht getilgten Vierteljahrsbeträge an KGA in Betracht kam, nicht allein deshalb veranlaßt, weil die KGA-Schuld möglicherweise höher ist als die Belastung, die sich bei fehlender Voraussetzung für KGA durch eine dann erhöhte Vermögensabgabe ergeben würde. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, wonach ein Erlaß oder Teilerlaß der KGA-Schuld allein deshalb geboten sein kann, weil ein Betrieb an KGA insgesamt einen höheren Betrag erbringen muß, als ein Inhaber für den Fall der ausschließlichen Veranlagung zur Vermögensabgabe an Vermögensabgabe hätte entrichten müssen. Die gegenteilige Auffassung verkennt, daß der Lastenausgleichs-Gesetzgeber vorrangig die Abschöpfung der durch die Währungsreform erzielten Schuldnergewinne durch die HGA und KGA sicherstellen wollte und daneben die Vermögensabgabe als eine das Reinvermögen belastende echte Lastenausgleichsabgabe ansah. Daraus folgt, daß ein durch Währungsgewinnabgaben belasteter Abgabeschuldner insgesamt regelmäßig höhere Leistungen zu erbringen hat, als ein nur durch Vermögensabgabe belasteter Abgabeschuldner. Deshalb kann auch dann, wenn die Belastung durch KGA höher ist als das fiktive Vermögensabgabe-Soll, die Erhebung der KGA nicht ohne weiteres als unbillig angesehen werden. Es muß vielmehr stets hinzukommen, daß sich Vermögen und Leistungsfähigkeit des abgabepflichtigen Betriebs nach dem für die Bemessung der KGA maßgeblichen Stichtag (in der Regel Währungsstichtag) wesentlich verringert haben. Diese Voraussetzungen hat das FG im Streitfall jedoch nicht festgestellt.
c) Äußerungen der Finanzverwaltung, aufgrund deren der Klägerin ausdrücklich die Überprüfung eines Erlasses des das fiktive Vermögensabgabe-Soll übersteigenden Betrags der KGA-Schuld in Aussicht gestellt wurde und die die Finanzverwaltungsbehörden bei der Ablehnung des Erlaßantrags ermessensfehlerhaft außer acht gelassen haben könnten, liegen nicht vor. Insbesondere ergeben sich hierfür keine ausreichenden Anhaltspunkte aus dem BMF-Schreiben vom 3. Dezember 1973 (a.a.O.). In diesem Schreiben wird vielmehr einleitend ausdrücklich festgestellt, daß ein weiterer Billigkeitserlaß bei der KGA nicht gerechtfertigt sei. Zur Begründung dieser Auffassung ist u. a. ausgeführt, daß die aus Vermögensabgabe und KGA zusammen sich ergebende Lastenausgleichs-Belastung höher sein muß, als wenn eine KGA-Schuld nicht bestand. Billigkeitsmaßnahmen bei der KGA dürften deshalb, wie der BMF in seinem Schreiben vom 3. Dezember 1973 (a.a.O.) betont hat, nicht zu dem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen, daß durch sie die gesamte Lastenausgleichs-Belastung letzten Endes geringer wird, als wenn eine KGA nicht geschuldet würde. Für die abweichende Auffassung des FG ergibt sich auch nichts aus den weiteren Ausführungen des BMF-Schreibens vom 3. Dezember 1973 (a.a.O.), wonach die Zustimmung zu einem weiteren Billigkeitserlaß der KGA grundsätzlich nicht in Aussicht gestellt werden könne, solange die Klägerin nicht nachweise, daß ohne Vorliegen einer KGA ein Teilerlaß einer entsprechend höheren Vermögensabgabe nach der Verwaltungsanordnung über den Erlaß von Vermögensabgabe bei außerordentlichem Vermögensverfall vom 19. November 1963 IV C/4 - LA 2831 - 65/63 (BStBl I 1963, 798) zu gewähren gewesen wäre. Den vom BMF für erforderlich gehaltenen Nachweis eines außerordentlichen Vermögensverfalls hat die Klägerin unstreitig nicht erbracht. Abgesehen davon ergibt sich aus dem Sinnzusammenhang, in dem diese Ausführungen des BMF stehen, daß die Bewilligung eines weiteren Erlasses an KGA jedenfalls insoweit nicht in Betracht kommt, als ein solcher Erlaß bewirken würde, daß im Ergebnis nicht mehr gezahlt würde, als im Falle einer fiktiven Vermögensabgabe zu zahlen wäre. Aus diesen Ausführungen läßt sich dagegen nicht folgern, daß der BMF im Streitfall auf die Erfüllung der weiteren Voraussetzungen - wesentliche Verringerung des Vermögens und der Leistungsfähigkeit des abgabepflichtigen Betriebs -, die einen Erlaß der KGA im Hinblick auf ihre Zweckbestimmung nur ganz ausnahmsweise zulassen, hätte verzichten wollen. Vielmehr ging der BMF, wie sich aus den einleitenden Ausführungen seines Schreibens vom 3. Dezember 1973 (a.a.O.) ergibt, davon aus, daß ein Erlaß der KGA aus anderen Gründen gerechtfertigt sein müsse. Dies folgt auch aus der Tatsache der seinerzeitigen Ablehnung selbst eines Teilerlasses.
Nichts anderes ergibt sich daraus, daß das BMF-Schreiben vom 3. Dezember 1973 (a.a.O.) im Zusammenhang mit dem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen an die OFD Nürnberg vom 20. September 1971 zu sehen ist. Auch dort wurde die Herabsetzung der KGA ebenso wie ein Teilerlaß von jährlich 30 000 DM der in den Jahren 1967 bis 1970 fällig gewordenen Leistungen ausdrücklich abgelehnt.
Schließlich kann auch aus dem Umstand, daß von den bis 1966 insgesamt fällig gewordenen Leistungen an KGA in Höhe von insgesamt 1 419 751 DM ein Betrag von 782 220 DM erlassen worden ist, eine Verpflichtung der Verwaltung zu weiteren Billigkeitsmaßnahmen nicht hergeleitet werden.
4. Die Vorentscheidung war aufzuheben, da sie auf einer anderen Rechtsauffassung beruht. Die Sache ist entscheidungsreif. Da die Entscheidungen von FA und OFD über den Erlaßantrag der Klägerin Ermessensfehler nicht erkennen lassen, war die Klage als unbegründet abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Fundstellen
Haufe-Index 414086 |
BFH/NV 1986, 141 |