Leitsatz (amtlich)
Die durch Bauten auf fremdem Grund und Boden geschaffenen Nutzungsmöglichkeiten sind wie materielle Wirtschaftsgüter mit den Herstellungskosten zu aktivieren. Die AfA richten sich nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes, es sei denn, daß die Dauer des Nutzungsverhältnisses kürzer ist.
Normenkette
EStG §§ 4-5, 7 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) errichtete in den Jahren 1962/1963 auf dem Grundstück seines Vaters ein Gebäude, in welchem er eine Tanzbar betrieb. Die von ihm getragenen Baukosten beliefen sich auf ca. 150 000 DM. In den Streitjahren 1969 bis 1971 investierte er weitere 50 000 DM in die Erweiterung des Betriebsgebäudes. Außerdem errichtete er für rd. 25 000 DM eine Hofbefestigung. Ein schriftlicher Vertrag über die Nutzung des Grundstücks wurde nicht geschlossen. Nach dem im Jahre 1972 errichteten notariellen Testament des inzwischen verstorbenen Vaters war die Mutter als Vorerbin, der Kläger und seine Schwester als Nacherben eingesetzt. Das Grundstück, auf dem sich das Betriebsgebäude befand, war dem Kläger als Vorausvermächtnis zugedacht, ein anderes wertvolleres Grundstück seiner Schwester vermacht. Der Erblasser ordnete an, daß ein Wertausgleich insoweit nicht stattfinden solle, weil der Kläger die Tanzbar auf seinem, des Erblassers Grundstück, habe errichten dürfen. Weiterhin war bestimmt, daß im Falle der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen durch einen Nacherben dieser auf den Pflichtteil gesetzt sein und das ihm zugedachte Vorausvermächtnis entfallen solle.
Der Kläger machte ab 1969 jährliche Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 20 v. H. der Gesamtaufwendungen mit der Begründung geltend, daß angesichts der nur mündlichen, jederzeit widerruflichen Vereinbarung über die Nutzungsberechtigung eine langfristige Nutzung des ohne Zustimmung des Vaters errichteten Gebäudes nicht gesichert sei. Die Herstellungskosten seien demzufolge als verlorener Pachtzuschuß zu behandeln und auf eine angemessene, im Streitfall mit fünf Jahren zu schätzende Nutzungsdauer zu verteilen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gewährte lediglich AfA in Höhe von jeweils 2 v. H. der Herstellungskosten des Gebäudes und 10 v. H. der Aufwendungen für die Platzbefestigung.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Das FA sei zutreffend von einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 50 Jahren für das Gebäude und von zehn Jahren für die Platzbefestigung ausgegangen. Die Errichtung der Anlagen auf dem Grundstück des Vaters und das Fehlen einer förmlichen Vereinbarung rechtfertigten nicht die Annahme einer kürzeren Nutzungsdauer. Es könne dahinstehen, ob der Vater der Herstellung des Betriebsgebäudes im Jahre 1962 zugestimmt habe. Der vom Kläger beantragten Vernehmung des Notars bedürfe es nicht. Denn der Vater habe zumindest nachträglich sein Einverständnis erteilt. Dies ergebe sich daraus, daß er sämtliche Baumaßnahmen zumindest geduldet, die Nutzung seit mehr als zehn Jahren gestattet und auch im Testament ausdrücklich erklärt habe, daß der Kläger die Tanzbar auf seinem, des Vaters Grundstück, habe errichten dürfen. Es sei nicht ersichtlich, daß der Kläger mit einer Meinungsänderung seines Vaters habe rechnen müssen. Eine nur entfernte Möglichkeit, daß die Entwicklung der Verhältnisse sich ändern könne, reiche für die Annahme einer kürzeren Nutzungsdauer nicht aus. Aber selbst in einem solchen Falle sei davon auszugehen, daß dem Kläger ein Ersatzanspruch erwachse, der wirtschaftlich an die Stelle seines Nutzungsrechts trete.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts (Art. 103 des Grundgesetzes - GG -; § 7 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Er macht im wesentlichen geltend: Er sei weder rechtlicher noch wirtschaftlicher Eigentümer der von ihm errichteten Anlagen. Er habe sich stets als Fremdbesitzer gefühlt, was sich auch daraus ergebe, daß er an seinen Vater Miete bezahlt habe. Der im Testament wiedergegebene Satz, er habe die Tanzbar auf dem Grundstück des Vaters errichten dürfen, gebe nicht den tatsächlichen Willen des Vaters wieder. Die Unterlassung der beantragten Vernehmung des Notars verletze den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Nach Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche gegenüber seiner Mutter im Jahre 1976 könne er nunmehr auch nicht mehr Eigentümer des Grundstücks werden. Im Falle der vorzeitigen Beendigung des Nutzungsverhältnisses stünden ihm keine Entschädigungsansprüche zu, weil eine dem Eigentümer gegen seinen Willen aufgedrängte Bereicherung nach der Rechtsprechung nicht ausgleichspflichtig sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer unter Zugrundelegung einer AfA von 20 v. H. der Herstellungskosten zu errechnen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs greift nicht durch. Das Recht auf Gehör besteht im wesentlichen darin, daß den Beteiligten Gelegenheit gegeben werden muß, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, Anträge und Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 11, 218 [220]; 14, 320 [323]); 18, 380 [383]). Dies ist im Streitfall nach dem Inhalt der Akten und ausweislich des Sitzungsprotokolls geschehen. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Gericht hat die Parteien angehört und insbesondere auch, wie die Urteilsgründe erkennen lassen, den Antrag des Klägers, den Notar als Zeugen zu vernehmen, zur Kenntnis genommen und in seine Entscheidungsfindung einbezogen.
Ob der angebotene Beweis auch hätte erhoben werden müssen, ist dagegen keine Frage der Gewährung rechtlichen Gehörs, sondern eine Frage des Umfangs der dem Gericht nach § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) obliegenden Aufklärungspflicht. Soweit man die Rüge des Klägers unter diesem Gesichtspunkt auch als Aufklärungsrüge ansieht, ist sie jedoch gleichfalls nicht begründet. Denn das Gericht hat den Vortrag des Klägers, er habe das Betriebsgebäude im Jahre 1962/1963 ohne Zustimmung seines Vaters errichtet, als nicht entscheidungserheblich angesehen, weil sich der Vater zumindest durch sein späteres Verhalten mit dem Bau auf seinem Grundstück einverstanden erklärt habe. Bei Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung kam es auf die vom Kläger unter Beweis gestellte Behauptung nicht mehr an.
2. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die durch die Baumaßnahmen auf fremdem Grund und Boden geschaffenen Nutzungsmöglichkeiten wie materielle Wirtschaftsgüter mit den Herstellungskosten zu aktivieren sind (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Oktober 1978 VIII R 182/75, BFHE 127, 163, BStBl II 1979, 399; vom 26. Februar 1975 I R 32/73, BFHE 115, 238, BStBl II 1975, 443; BFH-Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132; vom 22. Juni 1967 IV 172/63, BFHE 90, 116, BStBl II 1968, 5).
Die Vorentscheidung geht weiterhin zutreffend davon aus, daß sich in diesen Fällen die AfA nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts oder wenn die Dauer des Nutzungsverhältnisses kürzer ist nach dieser richtet (§ 7 Abs. 1 EStG). Maßgebend für die mutmaßliche Nutzungsdauer ist, wie lange der Nutzende nach dem gewöhnlichen Ablauf der Dinge mit einer Nutzung der von ihm geschaffenen Wirtschaftsgüter rechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für eine über die formelle Vertragsdauer hinausgehende wahrscheinliche Nutzungsdauer sprechen (BFH-Urteile VIII R 182/75 und IV 172/63; Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 7 EStG Anm. 7 b Stichwort Pächter; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., 1977, § 7 IV 2 d [S. 15]). Diese Würdigung hat das FG als Tatsacheninstanz vorzunehmen. An seine Würdigung ist das Revisionsgericht gebunden, sofern sie nicht gegen die Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verstößt (§ 118 Abs. 2 FGO).
Im Streitfall konnte das FG zur Feststellung gelangen, daß die voraussichtliche Nutzungsdauer der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer entspricht. Es ist nicht rechtsfehlerhaft, wenn das FG dem Fehlen eines schriftlichen Vertrags und der sich hieraus ergebenden rechtlichen Möglichkeit einer kurzfristigen Beendigung des Nutzungsverhältnisses keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat. Für die von ihm angenommene Nutzungsüberlassung auf Dauer sprach, daß der Vater zumindest im- nachhinein mit der Errichtung des Bauwerks einverstanden war, dem Kläger bereits seit zehn Jahren die Nutzung des Grundstücks gestattete, die Erweiterungsinvestitionen erlaubte und darüber hinaus, wie auch durch den Inhalt des Testaments bestätigt wurde, beabsichtigte, dem Kläger das bürgerlich-rechtliche Eigentum am Grundstück zu verschaffen. Demgegenüber hat der Kläger keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluß zuließen, daß er trotz der von ihm auch im Streitzeitraum getätigten umfangreichen Investitionen mit einer kürzeren als der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer rechnen müßte.
Er kann sich auch nicht darauf berufen, daß er durch die spätere Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen die Dauer seines Nutzungsrechts gefährdet hat. Denn es handelt sich hierbei um einen Umstand, der erst nach dem Streitzeitraum eingetreten ist. Es kommt hinzu, daß dem Kläger selbst im Falle einer kurzfristigen Beendigung des Nutzungsverhältnisses Ausgleichsansprüche gegen den Eigentümer oder dessen Erben nach § 951 BGB zustehen, die den Eintritt einer außergewöhnlichen Aufwendung (durch Wegfall des Nutzungsrechts) ausgleichen. Für das Vorliegen einer dem Vater gegen seinen Willen aufgedrängten nicht ausgleichspflichtigen Bereicherung bietet der festgestellte Sachverhalt keine ausreichenden Anhaltspunkte (zum Begriff der aufgedrängten Bereicherung vgl. insbesondere Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 21. Dezember 1956 V ZR 110/56, BGHZ 23, 61; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 38. Aufl., 1979, § 951 2 c dd und Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl., 1975, § 951 Rdnr. 16 f.).
Fundstellen
Haufe-Index 73151 |
BStBl II 1979, 507 |
BFHE 1979, 501 |