Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungswidrigkeit des Kinderfreibetrags
Leitsatz (amtlich)
Der III.Senat hält § 32 Abs.6 EStG i.d.F. des StSenkG 1986/ 1988 insoweit für unvereinbar mit Art.3 Abs.1 i.V.m. Art.6 Abs.1 GG, als danach Eltern mit einem Kind nur einen Kinderfreibetrag von (zusammen) 2 484 DM beanspruchen können (Folgerung aus den Beschlüssen des BVerfG in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653 und BVerfGE 82, 198, BStBl II 1990, 664).
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; EStG § 32 Abs. 6 Fassung: 1985-06-26
Nachgehend
Tatbestand
A. Die Vorlage betrifft die Verfassungsmäßigkeit des Kinderlastenausgleichs für ein Kind im Jahre 1987.
I. Im Jahre 1987 (Streitjahr) wurden für ein Kind folgende Kinderfreibeträge und Kindergeldbeträge gewährt:
1. Nach § 32 Abs.6 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes 1986/1988 (StSenkG 1986/ 1988) vom 26.Juni 1985 (BGBl I, 1153, BStBl I, 391) wurde für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Kinderfreibetrag von 1 242 DM gewährt. Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, betrug der Kinderfreibetrag nach Satz 2 derselben Vorschrift 2 484 DM, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis stand. Ein Kinderfreibetrag in der gleichen Höhe wurde u.a. auch dann gewährt, wenn bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs.1 Satz 1 EStG nicht vorlagen, ein Elternteil die Übertragung des Kinderfreibetrages des anderen Elternteils auf sich beantragt und der andere Elternteil diesem Antrag zugestimmt hatte (§ 32 Abs.6 Satz 4 letzte Alternative EStG i.d.F. des StSenkG 1986/1988).
2. Das Kindergeld für das erste Kind betrug nach § 10 Abs.1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 21.Januar 1986 50 DM.
II. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde für das Streitjahr (1987) einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte dabei einen Kinderfreibetrag in Höhe von 2 484 DM. Nach den Angaben in der Einkommensteuererklärung war dieser Freibetrag für den Sohn C des Klägers zu gewähren. Der Kläger hatte den vollen Kinderfreibetrag beantragt, weil der andere Elternteil der Übertragung zugestimmt hatte.
Das FA änderte den zunächst erlassenen Einkommensteuerbescheid aufgrund eines Einspruchs des Klägers, mit dem dieser den Ansatz eines Haushaltsfreibetrages begehrt hatte. Der Änderungsbescheid vom 30.Januar 1989 weist ein zu versteuerndes Einkommen des Klägers von 44 659 DM aus. Die nach der Grundtabelle festzusetzende Einkommensteuer beträgt 12 135 DM; die Einkommensspitze wird demnach mit 44,44 v.H. besteuert.
Der erneute Einspruch des Klägers, mit dem dieser die Berücksichtigung eines höheren Kinderfreibetrages begehrte, blieb erfolglos.
2. Das Hessische Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger zusätzlich die Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrages (§ 32a Abs.1 Satz 2 EStG) geltend gemacht hatte, als unbegründet ab. Es führte zum Kinderfreibetrag im wesentlichen aus:
Der Kläger beziehe sich zu Unrecht auf den Vorlagebeschluß des FG Baden-Württemberg vom 2.September 1986 1 K 337/85 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1987, 33). Dieser Beschluß betreffe die frühere Gesetzeslage, nach der der Kinderfreibetrag lediglich 432 DM betragen habe. Folge man im übrigen aber den allgemeinen Erwägungen des Vorlagebeschlusses, so werde der Kläger durch den nunmehrigen Kinderfreibetrag von 2 484 DM hinreichend entlastet. In die Prüfung, ob zwingende Unterhaltsverpflichtungen steuerlich angemessen berücksichtigt werden, seien nämlich alle kindbedingten Entlastungen einzubeziehen. Jedenfalls müsse das Kindergeld in einen fiktiven Kinderfreibetrag umgerechnet und so ein steuerliches Gesamtentlastungsvolumen ermittelt werden. Schon das niedrigste Kindergeld von 50 DM monatlich entspreche, auf der Grundlage eines Steuersatzes von 22 v.H. hochgerechnet, einem fiktiven Kinderfreibetrag von 2 727 DM. Zusammen mit der Entlastung durch § 32 Abs.6 EStG (i.d.F. des StSenkG 1986/1988) ergebe sich somit ein steuerliches Entlastungsvolumen von insgesamt 5 211 DM. Auch bei einer höheren Steuerprogression würde die fiktive steuerliche Entlastung nicht geringer, weil in diesem Falle zwar der fiktive Kinderfreibetrag niedriger werde, dieser sich aber steuerlich stärker auswirke.
Bereits der so ermittelte Gesamtentlastungsbetrag könne, ohne daß weitere kindbedingte Steuerentlastungen einzubeziehen wären, nicht mehr als realitätsfremd im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) angesehen werden. Denn der für Hessen festgesetzte Sozialhilferegelsatz für haushaltsangehörige Kinder habe 1987 4 348 DM betragen. Der steuerliche Gesamtentlastungsbetrag liege deutlich darüber.
Das FG hat im Hinblick auf den BVerfG-Beschluß vom 12.Juni 1990 1 BvL 72/86 (BVerfGE 82, 198, BStBl II 1990, 664) --nachträglich mit Beschluß vom 29.August 1990-- die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
3. Der Kläger verfolgt mit der Revision sein Klagebegehren weiter. Er rügt, im Streitjahr reichten weder der Grundfreibetrag noch der Kinderfreibetrag aus, um sein und seines Sohnes Existenzminimum steuerfrei zu belassen.
Die ungenügende Entlastung durch den Kinderfreibetrag ergebe sich aus den BVerfG-Beschlüssen vom 29.Mai 1990 1 BvL 20/84 u.a. (BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653) und in BVerfGE 82, 198, BStBl II 1990, 664. Die dort --für die Jahre 1983 bis 1985-- aufgestellten Grundsätze seien auch für spätere Jahre anzuwenden. Dies ergebe sich u.a. aus dem sog. Sachstandbericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vom Oktober 1990. Danach müsse der Familienlastenausgleich nach Ansicht des Bundesfinanzministeriums aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG voraussichtlich nicht nur für die Jahre 1983 bis 1985, sondern auch für die Jahre ab 1986 neu geregelt werden (Hinweis auf Handelsblatt vom 24.Oktober 1990, S.4). Nach derselben Quelle sei das Existenzminimum eines Kindes mit etwa 6 000 DM im Jahr anzusetzen.
Das FG sei in seinem Urteil insoweit zu Unrecht davon ausgegangen, daß für die Bemessung des Existenzminimums lediglich auf die Sozialhilferegelsätze abzustellen sei. Zum Grundbedarf eines jeden Bürgers müßten vielmehr auch die Aufwendungen für die Wohnung, die Bekleidung, die Heizung und sonstige unabwendbare Bedürfnisse gerechnet werden.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidungen aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1987 dahingehend zu ändern, daß ein Grundfreibetrag von 9 000 DM und ein Kinderfreibetrag von 6 000 DM berücksichtigt wird.
Er hat außerdem beantragt, das Revisionsverfahren entsprechend § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) solange auszusetzen, bis das BVerfG in den bei ihm zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages anhängigen Verfahren entschieden habe.
Das FA ist der Auffassung, § 32 Abs.6 EStG i.d.F. des StSenkG 1986/1988 sei trotz der BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653, und in BVerfGE 82, 198, BStBl II 1990, 664 weiterhin anwendbar. Es war bereit, mit Zustimmung des Klägers einen Änderungsbescheid zu erlassen und diesen hinsichtlich der Höhe des Kinderfreibetrages für vorläufig zu erklären. Diese Zustimmung hat der Kläger jedoch nicht erteilt.
Entscheidungsgründe
B. I. Der Senat ist an einer Entscheidung in der Sache nicht mehr durch § 74 FGO gehindert. Für eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf anhängige Musterverfahren vor dem BVerfG wegen der Höhe des Grundfreibetrags besteht seit Ergehen des Beschlusses des BVerfG vom 25.September 1992 2 BvL 5/91 u.a. (BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413, Betriebs-Berater --BB-- 1992, 2124, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1993, 33) keine Veranlassung mehr.
Diese Entscheidung betraf ihrem Verfahrensgegenstand nach zwar nicht das hier maßgebende Streitjahr 1987. Doch sind ihre Grundsätze auch auf die Verhältnisse dieses Jahres übertragbar. Der Grundfreibetrag betrug 1987 --wie auch im Jahre 1986, einem von der genannten BVerfG-Entscheidung erfaßten Streitjahr-- 4 536 DM (§ 32a Abs.1 Satz 2 EStG i.d.F. des StSenkG 1986/1988).
II. Damit kommt es entscheidend nur noch auf das Begehren des Klägers an, einen höheren Kinderfreibetrag zu berücksichtigen.
Der Senat hält --anders als das FG-- § 32 Abs.6 EStG i.d.F. des StSenkG 1986/1988 insoweit für unvereinbar mit Art.3 Abs.1 i.V.m. Art.6 Abs.1 des Grundgesetzes (GG), als danach Eltern mit einem Kind nur einen Kinderfreibetrag von (zusammen) 2 484 DM beanspruchen können. Er kann daher über die Revision nicht entscheiden.
1. Zu dieser Beurteilung führen in entscheidendem Maße bereits die Grundsätze, die das BVerfG in seinen Beschlüssen in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653, und BVerfGE 82, 198, BStBl II 1990, 664 aufgestellt hat.
Danach ist Ausgangspunkt für die Prüfung der Grundsatz, daß der Staat dem Steuerpflichtigen sein Einkommen insoweit steuerfrei belassen muß, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein, d.h. zur Sicherung seines Existenzminimums benötigt wird (Art.1 Abs.1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsgrundsatz des Art.20 Abs.1 GG). Dabei folgt aus Art.6 Abs.1 GG, daß bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben muß (BVerfG-Beschluß in BVerfGE 82, 198, BStBl II 1990, 664, Abschn.C I Nr.2).
Die Steuerfreiheit des Familienexistenzminimums wirkt sich auch auf die Besteuerung eines Einkommens aus, das dieses Existenzminimum übersteigt. Das zur Sicherung des Existenzminimums der Kinder erforderliche Einkommen muß grundsätzlich auch in solchen Fällen steuerfrei bleiben, weil andernfalls Familien mit unterhaltsbedürftigen Kindern gegenüber den sonstigen Familien, gegenüber kinderlosen Ehepaaren und gegenüber kinderlosen Alleinstehenden benachteiligt würden (Art.3 Abs.1 GG, sog. horizontale Gleichheit; s. auch BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653, Abschn.C III Nr.3, und in BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413, BB 1992, 2124, HFR 1993, 33, Abschn.C I Nr.2 am Ende).
Der Höhe nach muß der Staat bei der Beurteilung der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Eltern den Unterhaltsanspruch der Kinder in dem Umfang als besteuerbares Einkommen außer Betracht lassen, in dem die Unterhaltsaufwendungen zur Gewährleistung des Existenzminimums der Kinder erforderlich sind (BVerfG-Beschluß in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653, Abschn.C III Nr.3 b).
Bei der Beurteilung der Frage, ob der Staat diesen Anforderungen gerecht wird, müssen die steuerlichen Kinderfreibeträge und das Kindergeld in ihrem Zusammenwirken berücksichtigt werden. Das in einen fiktiven Kinderfreibetrag umzurechnende Kindergeld und der im Einkommensteuerrecht vorgesehene Kinderfreibetrag sind dem Betrag des Existenzminimums gegenüberzustellen (BVerfG-Beschluß in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653, Abschn.C III Nr.4 a). Diese kombinierte Betrachtung von Kindergeld und Kinderfreibetrag ist auch im Streitfall --nach Anhebung des Kinderfreibetrages durch das StSenkG 1986/1988-- anzustellen. Nach Auffassung des BVerfG in seinem Beschluß in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653 (Abschn.C I) wollte der Gesetzgeber mit der Wiedereinführung des Kinderfreibetrages durch das Haushaltsbegleitgesetz (HBeglG) 1983 die steuerliche Entlastungsfunktion des Kindergeldes nicht voll beseitigen, sondern lediglich die Rückkehr zu einem dualen System des Familienlastenausgleichs einleiten. Auf diesem Weg ist der Gesetzgeber mit dem Erlaß des StSenkG 1986/1988 weitergegangen. Nach der Begründung zu diesem Gesetz könne der steuerliche Familienlastenausgleich am besten in einem dualen System verwirklicht werden; die weitere Stärkung des steuerlichen Familienlastenausgleichs (durch die Anhebung des Kinderfreibetrags) bedeute einen Ausbau des dualen Systems der Kinderentlastung (BTDrucks 10/2884, S.95 und 96). Diesem Ziel entspricht auch die gleichzeitige Einfügung des § 11a in das BKGG, wonach Eltern, die den ihnen nach dem EStG zustehenden Kinderfreibetrag nicht oder nicht voll ausschöpfen können, einen Zuschlag zum Kindergeld erhalten.
Für die Bemessung des steuerfrei zu belassenden Existenzminimums von Kindern kommt entscheidende Bedeutung den Leistungen der Sozialhilfe zu, die gerade dieses Existenzminimum gewährleisten sollen und die verbrauchsbezogen ermittelt und regelmäßig den steigenden Lebenshaltungskosten angepaßt werden. Für die vergleichende Übersicht, die bundeseinheitlich vorzunehmen ist, muß dabei aus den in den Ländern verschiedenen und altersgestaffelten Regelsätzen der Sozialhilfe ein Durchschnittssatz gebildet werden; zusätzlich ist ein Zuschlag für die durchschnittlich gewährten Sonderleistungen anzusetzen (BVerfG-Beschluß in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653, Abschn.C III Nr.4 c).
2. Bei Beachtung dieser Grundsätze, ihrer Weiterentwicklung und ihrer Fortschreibung, insbesondere auf die Verhältnisse des Streitjahres, gelangt der Senat zu dem Ergebnis, daß der steuerliche Gesamtentlastungsbetrag (*= Kinderfreibetrag zuzüglich des in einen fiktiven Kinderfreibetrag umgerechneten Kindergeldes) im Jahre 1987 in einer großen Zahl von Fällen nicht ausreichte, um Eltern mit einem Kind einen dem Existenzminimum dieses Kindes entsprechenden Einkommensbetrag steuerfrei zu belassen.
a) Durchschnittliche Sozialhilfeleistungen für ein Kind im Jahre 1987
aa) Das BVerfG hat in seiner Kindergeldentscheidung in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653 maßgeblich auf die Berechnungen im Bericht der Besoldungskommission Bund/Länder über besoldungsrechtliche Folgerungen aus der am 1.Januar 1983 in Kraft getretenen einkommensabhängigen Kürzung des Kindergeldes vom 30.Januar 1984 (BLK-Bericht) abgestellt (s. Abschn.C III Nr.4 c).
Nach dem BLK-Bericht betrugen die Gesamtleistungen der Sozialhilfe für ein Kind (bis zum 18.Lebensjahr) im Jahre 1982 durchschnittlich 318 DM im Monat, jährlich also 3 816 DM. Der Monatsbetrag setzt sich zusammen aus dem Durchschnittsregelsatz, einem durchschnittlichen Zuschlag (für Einmalbeihilfen) von 20 v.H. des Durchschnittsregelsatzes und einem Betrag für Wohnbedarf. Letzterem ist eine Wohnfläche von 10 qm pro Kind zugrunde gelegt; die Miete ist mit 5,50 DM pro Quadratmeter für das Jahr 1980 angenommen und mit Hilfe des Mietpreisindexes bis zum Jahre 1982 fortgeschrieben worden.
Eine Position für Heizkosten ist nicht enthalten (s. hierzu z.B. auch Schemmel, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1991, 481, 487, Abschn.4.3 am Ende). Die Heizkosten würden --sollten sie im Quadratmeter-Grundpreis von 5,50 DM enthalten gewesen sein-- durch die Fortschreibung mit dem Mietpreisindex jedenfalls nicht mehr zutreffend berücksichtigt; denn sie gehen nicht in den Mietindex ein (s. z.B. Tz.42 des Wohngeld- und Mietenberichtes 1989 der Bundesregierung, BTDrucks 11/6483, S.15).
bb) Die Heizkosten rechnet jedoch das BVerfG später, in seiner Grundfreibetragsentscheidung in BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413, BB 1992, 2124, HFR 1993, 33 --ausdrücklich-- zum Mindestbedarf eines jeden Bürgers. Es führt unter Abschn.C I Nr.3 a dieser Entscheidung aus, daß der notwendige Grundbedarf neben dem Regelsatz auch Leistungen für die Unterkunft und die Heizung sowie einmalige Hilfen, die einen zusätzlichen Grundbedarf berücksichtigen, umfasse.
Nach den Berechnungen der Bundesregierung, die dem BVerfG in dem der oben genannten Entscheidung zugrunde liegenden Verfahren vorgelegt wurden, betragen die Aufwendungen für die Heizung 25 v.H. der Mietkosten (s. die Tabelle unter Abschn.C II Nr.2 des Beschlusses in BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413, BB 1992, 2124, HFR 1993, 33).
Bei den Angaben zu den Mietkosten selbst orientierte sich die Bundesregierung (im oben genannten Verfahren) --ebenfalls abweichend vom BLK-Bericht-- an Wohngeldstichproben.
cc) Der erkennende Senat geht im folgenden auch für die Ermittlung des Grundbedarfs eines Kindes von dieser Vierteilung der Gesamtleistungen der Sozialhilfe aus.
(a) Der Ermittlung des durchschnittlichen Sozialhilferegelsatzes für ein Kind (im Jahre 1987) legt der Senat die bei Oestreicher/Schelter/Kunz, Bundessozialhilfegesetz (EL 19, April 1987 und EL 20, Juni 1987), wiedergegebenen Verzeichnisse der Regelsätze nach § 22 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) für die Zeit vom 1.Juli 1986 bis zum 30.Juni 1987 und vom 1.Juli 1987 bis zum 30.Juni 1988 zugrunde. Er berücksichtigt dabei die vier Altersstufen bis zur Vollendung des 21.Lebensjahres und setzt die jeweils gewährten Mindestbeträge an. Danach ergibt sich ein durchschnittlicher Regelsatz von 274 DM pro Monat.
(b) Der Zuschlag in Höhe von 20 v.H. des Regelsatzes für sog. Einmalbeihilfen beträgt im Streitjahr 55 DM pro Monat.
(c) Für die Ermittlung des Zuschlags für den Wohnbedarf geht der Senat zunächst --wie auch der vom BVerfG in seinem Beschluß in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653 in Bezug genommene BLK-Bericht-- von einem durchschnittlichen Wohnflächenbedarf eines Kindes von 10 qm aus (ebenso z.B. Karl- Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Steuern in Deutschland, Heft 72 der Schriftenreihe des Instituts, 1991, S.178, Fußnote 4).
Die dafür aufzubringenden Kosten ermittelt der Senat jedoch auf der Grundlage der durchschnittlichen Quadratmeter-Belastung bei Wohngeldempfängern (ebenso Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, a.a.O., S.178, Fußnote 4). Dieser Vorgehensweise liegen folgende Überlegungen zugrunde:
Die Quelle für die Annahme des Quadratmeterpreises mit 5,50 DM im Jahre 1980 im BLK-Bericht ist in diesem Bericht nicht angegeben; sie ist auch sonst nicht ersichtlich (s. auch Schemmel, a.a.O., Abschn.4.1, Fußnote 32). Der Mietpreisindex, auf den der BLK-Bericht sodann für seine weiteren Berechnungen zurückgreift, gibt die Mietentwicklung nur unzureichend wieder; bei seiner Anwendung kann es insbesondere auch zu Unterzeichnungen der tatsächlichen Mietentwicklung kommen (so auch Tz.33 des Wohngeld- und Mietenberichtes 1989 der Bundesregierung, BTDrucks 11/6483, S.12).
Andererseits orientierte sich die Bundesregierung bei den Angaben, die sie dem BVerfG im Grundfreibetragsverfahren (BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413, BB 1992, 2124, HFR 1993, 33) mitgeteilt hat, auch schon an Wohngeldstichproben.
Für Hauptmieter als Wohngeldempfänger betrug im Jahre 1987 die durchschnittliche Quadratmeterbelastung --vor Bezug des Wohngeldes-- ohne Berücksichtigung von Heizkosten 6,46 DM (s. Statistisches Jahrbuch 1989 für die Bundesrepublik, Tabelle 19.15.4, Empfänger von Wohngeld nach Ausstattung der Wohnung, Bezugsfertigkeit und Miete/Belastung je Quadratmeter, S.420). Der monatliche Zuschlag für den Wohnbedarf eines Kindes belief sich demnach im Jahre 1987 (bei einem Flächenbedarf von 10 qm) auf 64,60 DM.
(d) Die Aufwendungen für die Heizung hat die Bundesregierung im Grundfreibetragsverfahren (BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413, BB 1992, 2124, HFR 1993, 33, Abschn.C II Nr.2) mit 25 v.H. der jeweiligen Mietkosten eines Alleinstehenden im betreffenden Jahr angegeben. Auch der wissenschaftliche Beirat für Familienfragen setzt den Heizkostenzuschlag für ein Kind in seinen "Erläuterungen und Ergänzungen zur Stellungnahme vom 9.Mai 1992 zur Berechnung des steuerfreien Existenzminimums für den Lebensunterhalt eines Kindes" (in Band 15 der Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie und Senioren, Tz.10, S.13) offensichtlich mit 25 v.H. der für ein Kind im jeweiligen Jahr ermittelten Mietkosten an.
Gegen diese (pauschale) Orientierung an den Mietkosten des jeweiligen Jahres wird eingewendet, daß dadurch zu hohe Heizungskosten berücksichtigt würden; denn diese stiegen nicht im gleichen Umfang wie die Kaltmieten (s. Schemmel, a.a.O., Tz.4.3, S.487). Außerdem ergäbe sich bei der Ermittlung des Existenzminimums einer Familie dadurch eine ungerechtfertigte Kürzung des Grundbedarfs der Eltern (s. ebenfalls Schemmel, a.a.O., Tz.7.3, S.490 ff.).
Der Senat folgt daher für das vorliegende Verfahren der Berechnungsmethode des Karl-Bräuer-Instituts des Bundes der Steuerzahler (a.a.O., S.178, Fußnote 5), das die durchschnittlichen Heizkosten des Jahres 1983 (damals 25 v.H. der Kaltmiete) mit dem Preisindex für die Lebenshaltung, Hauptgruppe Energie (ohne Treibstoffe), fortgeschrieben hat. Danach ist im Jahre 1987 für die Heizungskosten ein Monatsbetrag von 12 DM anzusetzen.
(e) Die Gesamtleistungen der Sozialhilfe betrugen sonach für ein Kind bis zur Vollendung des 21.Lebensjahres im Jahre 1987 (aufgerundet) 4 872 DM.
b) Steuerlicher Gesamtentlastungsbetrag für Eltern mit einem Kind im Jahre 1987
aa) Entsprechend den Vorgaben des BVerfG in dessen Kindergeldentscheidung in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653 und den Ausführungen des erkennenden Senats in Abschn.B.II.1. ist zunächst das jährliche Kindergeld in Höhe von 600 DM in einen fiktiven Steuerfreibetrag umzurechnen.
bb) Entscheidende Bedeutung kommt dabei dem Steuersatz zu, mit dem das Kindergeld hochzurechnen ist.
(a) Das BVerfG hat in seinem Beschluß in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653 Berechnungen für Grenzsteuersätze in Höhe von 30, 40 und 56 v.H. angestellt. Es hat dabei darauf hingewiesen, daß ein Spitzensteuersatz von 40 v.H. (noch) von einer großen Zahl der Steuerpflichtigen erreicht werde. Weiter hat es dazu ausgeführt, daß die Ungleichbehandlung eines wesentlichen Teils der betroffenen Steuerpflichtigen nicht damit gerechtfertigt werden könne, daß bei der Ordnung von Massenerscheinungen generalisierende Regelungen notwendig sein könnten und dabei in Einzelfällen entstehende Härten oder Ungerechtigkeiten hingenommen werden müßten (s. Abschn.C III Nr.4 d).
Der erkennende Senat hat diese Ausführungen in seinem Beschluß vom 20.Mai 1992 III B 100/91 (BFHE 168, 174, BStBl II 1992, 729) dahin verstanden, daß für die fiktive Umrechnung (Kindergeld/Kinderfreibetrag) auf eine durchschnittliche von vielen Steuerpflichtigen noch erreichte Besteuerung der Einkommensspitze abzustellen sei, und hat für das Jahr 1989 einen Steuersatz von 40 v.H. zugrunde gelegt.
Von einer Umrechnung des Kindergeldes mit 40 v.H. ging --allerdings wohl für das Jahr 1993-- auch das Bundesministerium der Finanzen in der Antwort vom 11.Mai 1993 auf eine parlamentarische Anfrage hinsichtlich der Steuermindereinnahmen aus, die durch eine Steuerfreistellung des Existenzminimums von Kindern entstünden (s. S.4 der Finanznachrichten des Bundesministeriums der Finanzen 39/93 vom 24.Mai 1993).
(b) Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß ein Umrechnungssteuersatz von 40 v.H. auch im Streitjahr 1987 anzuwenden ist. Er läßt sich dabei von folgenden Überlegungen leiten:
(aa) In diesem Jahr betrug der Grenzsteuersatz für nach der Splitting-Tabelle zu versteuernde Einkommen --aufgrund der Tabelle errechnet-- bis 58 535 DM höchstens 33,33 v.H.; im Bereich zwischen 58 536 DM und 63 611 DM lag er zwischen 33,33 v.H. und 35,19 v.H. Ab zu versteuernden Einkommen in Höhe von 63 612 DM stieg der Grenzsteuersatz auf 37,04 v.H. an; im Bereich zwischen 68 256 DM und 73 115 DM lag er (regelmäßig) bei 38,89 v.H.; 40,74 v.H. erreichte er erstmals bei (nach der Splitting-Tabelle) zu versteuernden Einkommen von 73 116 DM und betrug er --nach verschiedentlichem Absinken auf die zuvor genannten 38,89 v.H.-- auch noch bei zu versteuernden Einkommen von 80 028 DM; bei zu versteuernden Einkommen von 80 352 DM stieg der Grenzsteuersatz erstmals auf 42,59 v.H. an.
Für nach der Grundtabelle zu besteuernde Steuerpflichtige ergaben sich die gleichen Sätze bereits bei jeweils halbiertem zu versteuerndem Einkommen.
(bb) Nach Ermittlungen des Statistischen Bundesamtes (wiedergegeben in "Finanzen und Steuern", Fachserie 14, Reihe 7.1, Einkommensteuer 1986, S.24) bezogen im Jahre 1986 52,3 v.H. von 11 529 156 gemäß der Splitting-Tabelle veranlagten Einkommensteuerpflichtigen zu versteuernde Einkommen zwischen 16 308 DM und 48 060 DM (mit einem Grenzsteuersatz zwischen 22 v.H. und 27,78 v.H.). Bei weiteren 15,7 v.H. betrug das zu versteuernde Einkommen zwischen 48 060 DM und 64 044 DM; der Grenzsteuersatz stieg hier von 27,78 v.H. über 35,19 v.H. (noch bei zu versteuernden Einkommen in Höhe von 63 611 DM) auf 37,04 v.H. an. Zu versteuernde Einkommen im Bereich zwischen 64 044 DM und 80 028 DM (mit Grenzsteuersätzen zwischen 37,04 v.H. und 40,74 v.H.) bezogen 7,4 v.H.; solche von mehr als 80 028 DM noch 9 v.H. des o.g. Personenkreises.
Entsprechend war --was die Anzahl der Steuerpflichtigen mit höheren Grenzsteuersätzen angeht-- die Situation auch bei den im Jahre 1986 nach der Grundtabelle veranlagten Steuerpflichtigen. Von ihnen haben nach der gleichen Quelle des Statistischen Bundesamtes noch 10,2 v.H. höhere zu versteuernde Einkommen als 40 040 DM bezogen. Bei 40 014 DM betrug der Grenzsteuersatz 40,74 v.H.
Wieviele dieser Steuerpflichtigen Anspruch auf einen Kinderfreibetrag hatten, ließ sich nicht exakt feststellen. Das Statistische Bundesamt (a.a.O., S.92 ff.) hat die Angaben zu Steuerpflichtigen, bei denen Kinderfreibeträge zu berücksichtigen waren, lediglich nach der Höhe des Gesamtbetrages der Einkünfte geordnet. Ausgehend von dieser Bezugsgröße lag z.B. bei ca. 6 620 000 (von insgesamt ca. 9 180 000) Steuerpflichtigen, die Anspruch auf einen oder mehrere volle Kinderfreibeträge hatten, der Gesamtbetrag der Einkünfte zwischen 30 000 DM und 100 000 DM; er betrug bei ca. 4 239 000 dieser Steuerpflichtigen zwischen 40 000 DM und 75 000 DM.
(cc) Für das hier maßgebende Jahr 1987 standen dem Senat keine entsprechenden Unterlagen zur Verfügung. Doch geht er davon aus, daß aufgrund der allgemeinen Einkommenssteigerungen eher noch mehr Steuerpflichtige Grenzsteuersätze von 40 v.H. und darüber erreichten als im Jahr zuvor.
(dd) Danach erreichten im Streitjahr 1987 mindestens 9 v.H. der nach der Splitting-Tabelle und mindestens 10,2 v.H. der nach der Grundtabelle veranlagten Steuerpflichtigen Grenzsteuersätze von über 40 v.H.
Diese Gruppe ist nach Auffassung des Senats noch nicht so groß, daß weitere (Unter-)Gruppen mit signifikant gleich hohen Einkommen und Grenzsteuersätzen, die die Umrechnung des Kindergeldes mit einem höheren Steuersatz (als 40 v.H.) rechtfertigen würden, gebildet werden müßten.
Andererseits hält der Senat diese Gruppe (von jedenfalls über 9 v.H. aller veranlagten Steuerpflichtigen) zusammen mit der Gruppe der Steuerpflichtigen, bei denen der Grenzsteuersatz etwa 40 v.H. betrug, für einen "wesentlichen" Teil der betroffenen Steuerpflichtigen i.S. des Abschn.C III Nr.4 d der BVerfG-Entscheidung in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653. Er läßt sich dabei auch davon leiten, daß einem Vomhundertsatz von 10 im Steuerrecht auch sonst eine entscheidende Bedeutung beigemessen wird. Zu nennen sind hier z.B. Beteiligungen an Kapitalgesellschaften von mindestens 10 v.H. (s. dazu u.a. § 138 Abs.2 Nr.3 der Abgabenordnung --AO 1977--, § 121 Abs.2 Nr.4 des Bewertungsgesetzes --BewG--, auch § 9 Nrn.2 a, 7 und 8 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--); weiter können etwa Wirtschaftsgüter bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nur dann in vollem Umfang als gewillkürtes Betriebsvermögen ausgewiesen werden, wenn sie wenigstens zu 10 v.H. betrieblich genutzt werden (Abschn.14 a Abs.1 Satz 7 der Einkommensteuer- Richtlinien --EStR-- 1990); andererseits ist z.B. schon eine mehr als zehnprozentige private Nutzung eines Wirtschaftsgutes schädlich für die Gewährung von Investitionszulagen (§ 2 Satz 1 Nr.3 des Investitionszulagengesetzes --InvZulG-- 1991).
(ee) Demnach entspricht das Kindergeld für ein Kind im Streitjahr (1987) einem fiktiven Steuerfreibetrag von 1 500 DM (*= 600 DM : 40 x 100). Dies führt --bei Berücksichtigung des Kinderfreibetrages nach § 32 Abs.6 EStG i.d.F. des StSenkG 1986/1988 in voller Höhe von 2 484 DM (s. hierzu jedoch auch unten, Abschn.B II Nr.3)-- zu einer steuerlichen Gesamtentlastung in Höhe von 3 984 DM.
c) Vergleich der steuerlichen Gesamtentlastung mit den Gesamtleistungen der Sozialhilfe
aa) Gegenüber dem in Abschn.B II Nr.2 a ermittelten Betrag der durchschnittlichen Gesamtleistungen der Sozialhilfe für ein Kind in Höhe von 4 872 DM bleibt die steuerliche Entlastung (von 3 984 DM) mithin um 888 DM (*= über 18 v.H.) hinter den Sozialhilfeleistungen zurück.
bb) Dieses Ergebnis wird nach Auffassung des Senats selbst bei einer bloßen Evidenzkontrolle --wie sie das BVerfG in seinem Beschluß in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653, Abschn.C III Nr.4, für erforderlich, aber auch ausreichend gehalten hat-- den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen ausreichenden Kinderlastenausgleich nicht mehr gerecht.
Dabei stellt der Senat nicht auf den absoluten Betrag von 888 DM ab, obwohl das Einkommensteuerrecht sogar Freibeträge von lediglich 600 DM kennt (s. insbesondere den sog. Besucher-Freibetrag in § 33a Abs.1 a EStG in den für die Jahre 1978 bis 1989 geltenden Fassungen oder auch den besonderen Freibetrag in § 32 Abs.8 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes --StÄndG-- 1991 vom 24.Juni 1991, BGBl I, 1322, BStBl I, 665). Der Senat mißt vielmehr auch hier der Relation, in der die beiden Beträge zueinander stehen, entscheidende Bedeutung bei. Wie zuvor bei der Ermittlung des Umrechnungssteuersatzes für das Kindergeld hält er dabei bereits einen Vomhundertsatz von 10 für grundsätzlich erheblich. Doch neigt der Senat dazu, daß hier auch noch Abweichungen bis zu 15 v.H. zu tolerieren sind. Denn der Gesetzgeber muß in diesem Bereich --soll der Kinderlastenausgleich nicht jährlich angepaßt werden-- in großem Umfang von Annahmen ausgehen, deren Richtig- oder Unrichtigkeit sich erst in der Zukunft herausstellt. Die hier maßgebenden Leistungen der Sozialhilfe bestehen allein aus drei derartigen ungewissen Komponenten.
Im Streitfall bleibt die steuerliche Gesamtentlastung jedoch mit über 18 v.H. der Sozialhilfeleistungen auch noch hinter dieser "Toleranz" von 15 v.H. zurück.
3. Bei dieser Rechts- und Sachlage kann offenbleiben, ob der Kinderfreibetrag überhaupt in voller Höhe (von 2 484 DM) in die Berechnung der steuerlichen Gesamtentlastung einbezogen werden durfte (verneinend wohl Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Steuerbefreiung für das Existenzminimum], in Analysen, Argumente, Anstöße, Sonderinformation 12, Oktober 1991, S.22 ff.).
Nach der Begründung zum StSenkG 1986/1988 hatte die Anhebung des Kinderfreibetrages (ab dem Jahre 1986) nicht nur die Aufgabe, das allgemeine Existenzminimum eines Kindes abzudecken, sondern auch zusätzlich --anstelle der durch dasselbe Gesetz gestrichenen §§ 10 Abs.3 Nr.1 Satz 2 Buchst.a (i.V.m. Nr.3) und 10c Abs.3 Nrn.1 und 2 EStG a.F.-- sog. kindbedingte Vorsorgeaufwendungen bis zu 900 DM von der Steuer freizustellen (s. BTDrucks 10/2884, S.96 und 100). Ob dies zulässig war, ist aber möglicherweise in einem anderen Zusammenhang zu entscheiden. Die Gesetzesänderung kann nämlich auch daran zu messen sein, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der steuermindernde Abzug von Vorsorgeaufwendungen von Verfassungs wegen geboten ist (s. hierzu z.B. die beim BVerfG anhängige Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1220/88; auch Schmidt/ Heinicke, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 12.Aufl., § 10 Anm.30 b).
C. Der Senat hat das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen, da es für die Entscheidung des Streitfalles auf die Rechtsgültigkeit des § 32 Abs.6 EStG i.d.F. des StSenkG 1986/1988 ankommt (Art.100 Abs.1 GG; § 80 Abs.1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht --BVerfGG--).
I. Erweist sich der Kinderlastenausgleich bei Eltern mit nur einem Kind im Streitjahr (1987) als ausreichend und damit als mit dem GG vereinbar, so wäre die Revision des Klägers auch insoweit --neben seinem Begehren auf Berücksichtigung eines höheren Grundfreibetrages-- unbegründet. Hält das BVerfG hingegen den Kinderlastenausgleich in der "Einkindfamilie" im Jahre 1987 für verfassungswidrig und erklärt es den § 32 Abs.6 EStG i.d.F. des StSenkG 1986/1988 insoweit für mit dem GG unvereinbar, so muß der Gesetzgeber eine Neuregelung treffen. Für den Kläger besteht dann die Chance, auch persönlich in den Genuß einer für ihn günstigen Regelung zu gelangen. Dies gilt jedenfalls für den Fall, daß der Gesetzgeber --vergleichbar der Regelung in § 54 EStG i.d.F. des StÄndG 1991-- den steuerlichen Kinderfreibetrag anhebt.
II. Der Kläger ist von dem nach Auffassung des Senats unzureichenden Kinderlastenausgleich auch persönlich und unmittelbar betroffen. Er wird in der Einkommensspitze mit einem Steuersatz von 44,44 v.H. besteuert. Damit entlastet ihn das Kindergeld --nach Umrechnung in einen Steuerfreibetrag-- steuerlich nur in Höhe von 1 350 DM; das hat weiter zur Folge, daß die steuerliche Gesamtentlastung für sein Kind sogar um 1 038 DM hinter den durchschnittlichen Gesamtleistungen der Sozialhilfe für ein Kind zurückbleibt.
Daran ändert nach Auffassung des Senats nichts, daß dem Kläger auch ein sog. Haushaltsfreibetrag nach § 32 Abs.7 EStG i.d.F. des StSenkG 1986/1988 gewährt wurde. Dieser Freibetrag, der im Streitjahr der Höhe nach dem Grundfreibetrag entsprach, soll einen Ausgleich für die Verdoppelung der tariflichen Nullzone durch das Splitting-Verfahren schaffen (s. z.B. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20.Aufl., § 32 EStG Anm.202). Durch ihn wird den Halbfamilien ein Teil der sich aus der Anwendung des Splittingtarifs ergebenden Vergünstigungen zuteil (BVerfG-Urteil vom 3.November 1982 1 BvR 620/78 u.a., BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717, Abschn.A I Nr.3).
Aus diesem Grunde sieht der Senat in dem Haushaltsfreibetrag, auch wenn er wie im Streitfall kindbezogen gewährt wurde, keinen zusätzlichen --auch nicht teilweise quantifizierbaren-- Kinderfreibetrag. Dies folgt weiter auch daraus, daß der Haushaltsfreibetrag in der Höhe nicht nach der Anzahl der Kinder gestaffelt ist (ebenso Herrmann/Heuer/ Raupach, a.a.O., § 32 EStG Anm.202, mit weiteren Hinweisen).
Im übrigen erschiene es dem Senat kaum praktikabel, aus dem Haushaltsfreibetrag etwa Teile herauszurechnen, bestimmten Positionen des Grundbedarfs des Sohnes des Klägers (wie z.B. dem Wohnbedarf) zuzuordnen und damit die steuerliche Gesamtentlastung des Klägers für seinen Sohn --im Vergleich zu den Leistungen der Sozialhilfe-- zu erhöhen. Völlig unpraktikabel würde dieser Versuch beim Vorhandensein mehrerer Kinder.
III. Nach alldem hält der Senat die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfrage nach Art.100 Abs.1 GG für gegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 64699 |
BStBl II 1993, 755 |
BFHE 171, 534 |
BB 1993, 1922-1926 (LT) |
DB 1993, 2062 (LT) |
DStR 1993, 1476 (KT) |
DStZ 1993, 662 (KT) |
HFR 1994, 15 (LT) |
StE 1993, 522 (K) |