Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrug
Tenor
I. Auf Antrag des Angeklagten wird der Beschluß des Landgerichts Magdeburg vom 7. September 1998, durch den die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 25. Mai 1998 als unzulässig verworfen worden ist, aufgehoben.
II. Das Verfahren wird auf Antrag des Generalbundesanwalts in den Fällen II. 1b, 8 und 15 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
Insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last.
III.
Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil
- im Schuldspruch dahin berichtigt, daß der Angeklagte des Betruges in 19 Fällen und des versuchten Betruges in zwei Fällen schuldig ist,
- im gesamten Strafausspruch, auch soweit im Fall II. 18 der Urteilsgründe eine Einzelstrafe nicht festgesetzt worden ist, mit den Feststellungen aufgehoben.
- Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten „unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil der 2. Strafkammer des Landgerichts Magdeburg vom 27. Januar 1997 - 22 Kls 30 Js 3841/92 (16/96) – wegen Betruges in 31 Fällen und wegen versuchten Betruges in 5 Fällen” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten und ferner wegen Betruges in sieben Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt sowie verschiedene Unterlagen eingezogen; im übrigen hat es ihn freigesprochen. Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im übrigen ist es – nach Beschränkung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO – unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Auf den als „Gegenvorstellung” bezeichneten Antrag des Beschwerdeführers auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 StPO) ist der Beschluß des Landgerichts, durch den die Revision des Angeklagten gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen worden ist, aufzuheben. Auch wenn die eigenhändige Revisionseinlegung durch den Angeklagten selbst verspätet bei Gericht eingegangen ist, stand deren Verwerfung angesichts der Einheitlichkeit des Rechtsmittels entgegen, daß die Revision durch die Verteidiger frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden ist.
2. Der Senat stellt auf Antrag des Generalbundesanwalts das Verfahren in den Fällen II. 1b (R.), 8 (Si.) und 15 (O.) gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, in denen der Angeklagte nach den Feststellungen von den Geschädigten keine Zahlungen, sondern nur verbriefte Grundschulden erlangt hat. Die bisher getroffenen Feststellungen ermöglichen nicht die Prüfung, ob die Grundschulden überhaupt einen wirtschaftlichen Wert verkörperten, der in diesen Fällen die Verurteilung wegen vollendeten Betruges tragen könnte. Auch eine schadensgleiche Vermögensgefährdung, von der das Landgericht im Ansatz zutreffend ausgeht, würde voraussetzen, daß unter Berücksichtigung des jeweiligen Grundstückswerts und vorrangiger Grundpfandrechte für den Angeklagten überhaupt eine Aussicht bestand, durch Verwertung der Grundschulden Befriedigung aus den Grundstücken zu erlangen. Das versteht sich angesichts der Verschuldung der Geschädigten, die den Angeklagten gerade wegen ihrer „Insolvenz” mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hatten, keineswegs von selbst. Eine Zurückverweisung der Sache zu weiterer Aufklärung insoweit erscheint dem Senat aus den in § 154 Abs. 1 StPO genannten Gründen nicht geboten.
3. Die Verfahrensrügen greifen sämtlich nicht durch, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 1. Dezember 1998 zutreffend ausgeführt hat. Zur Rüge des „Verstoß(es) gegen § 258 StPO” (Revisionsbegründung Rechtsanwalt Dr. Z. vom 15. Oktober 1998, RB 2 ff.) läßt der Senat offen, ob die der Urteilsverkündung unmittelbar vorangehende Verkündung des Einstellungsbeschlusses nach §§ 154 Abs. 2, 154 a Abs. 2 StPO überhaupt eine Wiedereröffnung des Verfahrens bedeutete mit der Folge, daß dem Angeklagten das letzte Wort nochmal hätte gewährt werden müssen (verneinend BGH, Beschluß vom 21. Februar 1979 - 2 StR 473/78; vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 258 Rdn. 29 m.w.N.). Jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen beruht – wie der Generalbundesanwalt dargelegt hat – das Urteil nicht darauf, daß dem Angeklagten das letzte Wort nicht ein drittes Mal gewährt wurde (vgl. BGH NJW 1985, 1479, 1480; BGH bei Miebach NStZ 1990, 228 Nr. 15).
4. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Sachbeschwerde hat – nach Beschränkung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO – zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Daß das Urteil auch in den übrigen Fällen, in denen der Angeklagte betrügerisch Briefgrundschulden erlangt hat (Fälle II. 3, 6, 12 - 14, 16 - 21 und 23 der Urteilsgründe), keine ausreichenden Feststellungen zu deren Werthaltigkeit enthält (s.o. 2.), berührt – da in diesen Fällen schon die von den Geschädigten (teilweise im Wege der Abtretung) erlangten Zahlungen die Verurteilung wegen vollendeten Betruges tragen – nicht den Schuldspruch, sondern lediglich den Schuldumfang.
Der Schuldspruch ist aber zu berichtigen, weil darin nur die Verurteilung wegen derjenigen Straftaten aufzunehmen ist, die Gegenstand dieses Verfahrens sind. Dies gilt auch bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB; denn hiernach werden – im Unterschied zu § 31 Abs. 2 JGG – nur Strafen, nicht aber Urteile einbezogen (Tröndle StGB 48. Aufl. § 55 Rdn. 1 m.N.). Der Schuldspruch des früheren Urteils, dessen Einzelstrafen das Landgericht zu Recht zur Bildung der (ersten) Gesamtstrafe herangezogen hat, bleibt dagegen im Schuldspruch des neuen Urteils außer Betracht. Der neue Tatrichter hat hier deshalb – nach Aufhebung des Strafausspruchs (s.u. 5.) – gegen den Angeklagten „wegen Betruges in 13 Fällen und versuchten Betruges in zwei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem früheren Urteil nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe” eine – neue – Gesamtstrafe und „wegen Betruges in sechs Fällen” eine weitere Gesamtstrafe zu verhängen.
5. Der Strafausspruch kann insgesamt nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat in allen Fällen das Vorliegen eines besonders schweren Falles des Betruges bejaht und die Strafen dem (in den Fällen II. 2 und 22 nach §§ 23, 49 Abs. 1 StGB gemilderten) Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB n.F. entnommen, der gegenüber der vor dem 1. April 1998 geltenden Fassung eine niedrigere Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe (statt bisher ein Jahr) hat (§ 2 Abs. 3 StGB). Sodann hat es „gemäß § 2 Abs. 1 StGB … des weiteren” gleichwohl § 263 Abs. 3 StGB a.F. angewendet und ist jeweils von einem „unbenannten” besonders schweren Fall, „nämlich der gewerbsmäßigen Begehung von Betrügereien” ausgegangen (UA 120). Dies berücksichtigt zwar nicht, daß die Anwendung des § 2 Abs. 3 StGB nach dem Grundsatz strikter Alternativität (vgl. Tröndle aaO § 2 Rdn. 9, 10) die des Absatzes 1 der Vorschrift „verdrängt”; doch ist der Angeklagte hierdurch nicht beschwert. Gleichwohl hält der Strafausspruch insgesamt rechtlicher Prüfung nicht Stand, weil das Landgericht die Anwendung des für besonders schwere Fälle des Betruges vorgesehenen Ausnahmestrafrahmens des § 263 Abs. 3 StGB nicht rechtsfehlerfrei begründet hat.
a) Allerdings hat das Landgericht zutreffend in allen Fällen eine gewerbsmäßige Begehung des Betruges durch den Angeklagten bejaht, die nach der Neufassung des § 263 Abs. 3 StGB durch das 6. StrRG das Regelbeispiel eines besondes schweren Falles bildet (Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 der Vorschrift; BTDrs. 13/8587 S. 64, 84 f. und BTDrs. 13/9064 S. 18). Doch reicht dies allein hier für die Anwendung des Strafrahmens des § 263 Abs. 3 StGB nicht aus (vgl. BGH wistra 1995, 312).
Besondere Umstände, die die Strafrahmenwahl der Strafkammer in Frage stellen können, ergeben sich schon aus der psychopathischen Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten, auf deren Hintergrund das abgeurteilte Tatgeschehen zu sehen ist; daß die Persönlichkeitsstörung nicht den Schweregrad des § 21 StGB erreicht, steht dem nicht entgegen (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 3 Gesamtwürdigung 1; BGH wistra 1995, 188, 189). Zwar hat das Landgericht die die Tatbegehung begünstigende Persönlichkeitsstörung des Angeklagten im Rahmen der Gesamtwürdigung zu seinen Gunsten berücksichtigt. Andererseits hat sie ihm erschwerend angelastet, er habe „nie eine eigene Verantwortung für das von ihm begangene Unrecht übernommen”, er habe „keinerlei Hemmung, sich über geltendes Recht hinwegzusetzen” (UA 123). Diese Wertung des Gewichts der Persönlichkeitsstörung für die Schuldschwerebeurteilung ist widersprüchlich (vgl. BGHR § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 11 und § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 4). Davon abgesehen, stellt es keinen zulässigen Strafschärfungsgrund dar, daß der den Betrugsvorwurf bestreitende Angeklagte sich nicht zu seiner Schuld bekennt (st. Rspr.; BGHR § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 2, 4, 5, 6, 17); auch begegnet die Erwägung, der Angeklagte setze sich ohne Hemmung über geltendes Recht hinweg, unter dem Gesichtspunkt des § 46 Abs. 3 StGB Bedenken.
b) Darüber hinaus hat das Landgericht in den Fällen, in denen Grundschulden bestellt wurden, das Vorliegen besonders schwerer Fälle des Betruges „schon wegen des hohen Schadens” bejaht (UA 121). Das ist im Ansatz insofern richtig, als ein hoher Schaden in erster Linie geeignet ist, die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens des § 263 Abs. 3 StGB zu begründen (st. Rspr.; BGH NStZ 1982, 465; BGHR StGB § 263 Abs. 3 Gesamtwürdigung 3, 4). Doch hätte das Landgericht bei der Gewichtung der Schadenshöhe berücksichtigen müssen, daß es in keinem Fall zu einer Verwertung der Grundschulden und damit insoweit zu einem tatsächlichen Schaden gekommen ist. Im übrigen ergeben – wie bereits oben zu 2. ausgeführt – die Feststellungen nicht, daß die Grundschulden – worauf es für den Betrugsschaden ankommt – bei wirtschaftlicher Betrachtung überhaupt werthaltig waren, jedenfalls aber nicht, daß der von dem Landgericht angenommene Gefährdungsschaden dem Nennwert der Grundschulden entspricht. An dem Nennwert hat sich das Landgericht aber für seine Gewichtung des Schadens ersichtlich orientiert. Das ist fehlerhaft. Zwar darf der Tatrichter die betrügerisch erlangte Bestellung der Grundschulden auch dann bei der Strafzumessung berücksichtigen, wenn sie sich im Ergebnis als wirtschaftlich nicht oder weniger werthaltig erweisen, doch rechtfertigt dies insoweit nicht die Annahme des Eintritts eines „hohen” Schadens.
c) Einer Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es daneben auch, soweit das Landgericht es versäumt hat, im Fall II. 18 der Urteilsgründe (S.) eine Einzelstrafe zu verhängen. Die Festsetzung der Einzelstrafe muß nachgeholt werden. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO steht dem nicht entgegen (st. Rspr.; BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 1 Einzelstrafe, fehlende 1 und 2).
6. Die Einstellung des Verfahrens in den Fällen II. 1b, 8 und 15 der Urteilsgründe sowie die Aufhebung der übrigen Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafen nach sich. Davon abgesehen, könnten die Gesamtstrafen auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Urteil nicht erkennen läßt, daß sich das Landgericht des Nachteils bewußt gewesen ist, der sich hier für den Angeklagten aus einem möglicherweise zu hohen Gesamtstrafübel ergibt. Einer Erörterung bedarf es insoweit immer dann, wenn – wie hier – die Zäsurwirkung einer früheren Verurteilung zur Bildung mehrerer Gesamtstrafen nötigt (BGHSt 41, 310, 313; BGHR StGB § 55 Bemessung 1). Das gilt insbesondere dann, wenn gleichartige Taten wegen der Zäsur nicht mit einer Gesamtstrafe belegt werden können.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute]
Fundstellen
Haufe-Index 540861 |
NStZ 1999, 244 |
wistra 1999, 185 |
StV 1999, 251 |