Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwalt als Gesellschafter einer OHG
Leitsatz (amtlich)
Mit dem Beruf des Rechtsanwalts vereinbar ist die Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft, welche die Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft hat.
Leitsatz (redaktionell)
Eine kaufmännische Tätigkeit ist mit dem Berufsbild eines Rechtsanwalts dann unvereinbar, wenn er mit dem Streben nach Gewinnerzielung nach außen in Erscheinung tritt.
Normenkette
BRAO § 7 Nr. 8; StBerG § 32 Abs. 2, § 57 Abs. 4 Nr. 1, § 72
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des 1. Senats des Ehrengerichtshofs für Rechtsanwälte des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24. August 1984 aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß der im Gutachten des Vorstandes der Antragsgegnerin vom 14. März 1984 geltend gemachte Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO nicht besteht.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen und dem Antragsteller die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I. Der Antragsteller hat am 25. Januar 1972 die zweite juristische Staatsprüfung bestanden. Am … trat er als Finanzassessor in den Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Aus diesem wurde er, nachdem er zwischenzeitlich zum Oberregierungsrat befördert worden war, auf seinen Antrag mit Ablauf des 31. Dezember 1983 entlassen. Er ist zur Zeit Steuerberater.
Mit Schreiben vom 30. Dezember 1983 hat er beantragt, ihn zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht und dem Landgericht zuzulassen. Mit seinem Antrag hat er den Entwurf eines Gesellschaftsvertrages vorgelegt, dessen Verbindlichkeit an seine Zulassung als Rechtsanwalt geknüpft ist. Der Vertragsentwurf sieht die Gründung einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) vor. Diese soll den Namen „Dr. B Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft” tragen. Die Gesellschafter – der Antragsteller und der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dr. Hans Dieter B – haben sich über Gesellschaftszweck, Geschäftsführung, Vertretung, Beteiligungsverhältnis und Gewinnverteilung wie folgt geeinigt:
§ 1 Gesellschaftszweck
1. Gegenstand des Unternehmens sind die für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bzw. Steuerberatungsgesellschaften gesetzlich und berufsrechtlich zulässigen Tätigkeiten gemäß § 2 WPO in Verbindung mit § 43 WPO sowie § 33 StBerG in Verbindung mit § 57 Abs. 3 StBerG.
2. Die Gesellschaft kann sich an Gesellschaften ähnlicher Art beteiligen oder gleichartige Unternehmen erwerben. Sie kann Zweigniederlassungen errichten, soweit die berufsrechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind (§ 47 WPO, § 34 StBerG).
§ 5 Geschäftsführung
Zur Geschäftsführung ist jeder Gesellschafter berechtigt und verpflichtet.
§ 6 Vertretung
Zur Vertretung der Gesellschaft ist jeder Gesellschafter befugt, der auch zur Geschäftsführung befugt ist.
§ 7 Beteiligungsverhältnisse
…
4. Demgemäß ergibt sich folgendes Beteiligungsverhältnis:
Dr. B |
DM (95 %) |
R |
DM (5 %) |
Gesamt |
DM (100 %) |
Neben diesen Festkapitalkonten wird für jeden Gesellschafter ein Darlehenskonto geführt.
§ 8 Gewinnverteilung
1. Herr Dr. B erhält eine Tätigkeitsvergütung von DM 180.000 pro Jahr.
Herr R erhält im 1. Jahr eine Tätigkeitsvergütung von DM 120.000. Diese erhöht sich in den folgenden Jahren um jeweils DM 12.000, bis die Tätigkeitsvergütungen der Gesellschafter ab 6. Jahr gleich hoch sind.
2. Der Restgewinn wird im Verhältnis der Festkapitalkonten gemäß § 7 Abs. 4 dieses Vertrages verteilt.
Der Vorstand der Antragsgegnerin hat in seinem Gutachten vom 14. März 1984 geltend gemacht, daß der Antragsteller gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 BRAO nicht als Rechtsanwalt in … zugelassen werden könne. Außerdem hat er sich auf den Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO berufen. Der Präsident des Oberlandesgerichts in Hamm hat dem Antragsteller daraufhin mit Schreiben vom 21. März 1984 mitgeteilt, daß er keine Handhabe sehe, die lokale Zulassung als Rechtsanwalt aus den Gründen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 BRAO zu versagen. Im Hinblick auf den vom Vorstand der Antragsgegnerin geltend gemachten Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO setze er aber die Entscheidung über den Zulassungsantrag einstweilen aus.
Den vom Antragsteller gemäß § 9 Abs. 2 BRAO fristgerecht gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Ehrengerichtshof zurückgewiesen. Er hat festgestellt, daß der von der Antragsgegnerin geltend gemachte Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO gegeben ist.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
Entscheidungsgründe
II. Das nach § 42 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 BRAO zulässige Rechtsmittel ist begründet.
1. Nach § 7 Nr. 8 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn ein Bewerber eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf eines Rechtsanwalts unvereinbar ist. Die Annahme des Ehrengerichtshofs, diese Voraussetzungen lägen hier vor, kann nicht mit der Erwägung in Frage gestellt werden, daß der Antragsteller die der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach Auffassung der Antragsgegnerin entgegenstehende Tätigkeit derzeit nicht ausübt, sie vielmehr erst aufnehmen will, sobald er zur Rechtsanwaltschaft zugelassen ist (vgl. BGHZ 49, 244, 245).
2. Die vom Antragsteller in Aussicht genommene Zusammenarbeit mit einem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer steht der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht entgegen. Er ist berechtigt, Gesellschafter der Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu werden, deren Gründung beabsichtigt ist. Hierbei erstreckt sich die Prüfung des Senats nur darauf, ob die in Aussicht genommene Tätigkeit den Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts entspricht, nicht darauf, ob die Gesellschaft nach dem vorliegenden Vertragsentwurf als Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft anerkannt werden kann (vgl. dazu § 1 Abs. 3 WPO; § 3 StBerG).
a) Gemäß § 30 der nach § 177 Abs. 2 Nr. 2 BRAO von der Bundesrechtsanwaltskammer aufgestellten Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts (Ausgabe 1982: im folgenden Grundsätze) darf ein Rechtsanwalt mit (u.a.) Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, die nicht als Rechtsbeistand zugelassen sind, eine Sozietät oder eine Bürogemeinschaft eingehen. Diese Grundsätze stehen einer gesetzlichen Regelung zwar nicht gleich. Sie sind aber eine wichtige Erkenntnisquelle dafür, welches Verhalten dem Berufsbild des Rechtsanwalts entspricht (BGH MDR 1983, 312, 313), und geben hier das Standesrecht des Rechtsanwalts zutreffend wieder, wie der Rechtsprechung des Senats, von der abzuweichen kein Anlaß besteht, zu entnehmen ist. Der Senat hat den Beruf eines Rechtsanwalts als vereinbar mit dem eines Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters angesehen (BGHZ 35, 385); er hat ausgesprochen, daß die Zulassung als Rechtsanwalt nicht versagt werden darf, weil der Bewerber unabhängig von seiner zu errichtenden Anwaltspraxis weiterhin Sozius einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bleiben will (BGHZ 35, 385), und erkannt, daß die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht allein deswegen versagt werden darf, weil der Bewerber seine Anwaltspraxis in Bürogemeinschaft mit einer Steuerberatersozietät ausüben will (BGHZ 49, 244). Dem entsprechen die sonst in § 30 der Grundsätze genannten Formen der Zusammenarbeit (Sozietät oder Bürogemeinschaft) zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern.
b) Der Antragsteller erstrebt aber nicht eine Sozietät oder Bürogemeinschaft mit einem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats zugelassen werden könnte und – im Falle der Sozietät – zu einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zwischen den Beteiligten führen würde. Er beabsichtigt vielmehr, Gesellschafter einer Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (OHG) zu werden. Aber auch dies ist hier nicht zu beanstanden.
aa) Eine Offene Handelsgesellschaft ist von Rechts wegen Kaufmann (§ 6 HGB). Ihr Zweck ist auf den „Betrieb eines Handelsgewerbes” ausgerichtet (§ 105 Abs. 1 HGB). Daraus leitet der Ehrengerichtshof ab, daß der Antragsteller eine kaufmännische Tätigkeit aufnehmen will. Eine solche ist mit dem Berufsbild eines Rechtsanwalts dann unvereinbar, wenn der Bewerber mit dem Streben nach Gewinnerzielung nach außen in Erscheinung tritt (BGHZ 72, 282, 283; Senatsbeschlüsse vom 12. Juli 1971 – AnwZ (B) 2/71 = NJW 1971, 2074; vom 10. November 1975 – AnwZ (B) 19/75 = EGE XIII, 78, 79; vom 3. März 1980 – AnwZ (B) 19/79; vom 28. Februar 1983 – AnwZ (B) 33/82; vom 27. Juni 1983 – AnwZ (B) 9/83 und vom 26. März 1984 – AnwZ (B) 22/83). Ein solches nach außen in Erscheinung tretendes Verhalten ist mit bestimmten Tätigkeiten zwangsläufig verbunden (Senatsbeschluß vom 28. Februar 1983 – AnwZ (B) 33/82). So können, wenn die Gesellschaften erwerbswirtschaftlich tätig sind, der alleinige Vorstand einer Aktiengesellschaft (BGHZ 68, 397) und der alleinige Geschäftsführer einer GmbH (BGHZ 72, 282; Senatsbeschluß vom 26. März 1984 – AnwZ (B) 22/83) sowie die Gesellschafter einer OHG (BGH NJW 1971, 2074) und die persönlich haftenden Gesellschafter einer KG (Senatsbeschluß vom 27. Juni 1983 – AnwZ (B) 9/83), die sich nicht praktisch jeder Geschäftsführung und Vertretung enthalten (Senatsbeschluß vom 10. November 1975 – AnwZ (B) 19/75 – EGE XIII, 78), nicht Rechtsanwalt sein.
bb) Eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft ist jedoch nicht kaufmännisch tätig. Sowohl Wirtschaftsprüfer als auch Steuerberater üben kein Gewerbe aus (§ 1 Abs. 2 WPO; § 32 Abs. 2 StBerG); ihnen ist es verboten, neben ihrem Beruf gewerblich tätig zu sein (§ 43 Abs. 3 Nr. 1 WPO; § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG). Dies gilt auch für Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften. Voraussetzung für ihre Anerkennung ist zwar, daß sie „wegen ihrer Treuhandtätigkeit” im Handelsregister eingetragen worden sind (§ 27 Abs. 2 WPO; § 49 Abs. 2 StBerG). Dies könnte zu der Annahme führen, daß ihr Zweck der Betrieb des Gewerbes (§ 105 Abs. 1 HGB) der Treuhandtätigkeit ist. Daß dies nicht so ist, ergibt sich aus den §§ 56 Abs. 1 WPO, 72 Abs. 1 StBerG. Danach gelten die Vorschriften, in denen die Berufspflichten für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater festgelegt sind, auch für Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften, die deshalb alles zu unterlassen haben, was mit den Berufen des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters unvereinbar wäre, wie die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit (Gehre, Steuerberatungsgesetz § 72 Rdn. 3). Die Treuhandtätigkeit, wegen der die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister erfolgt ist, darf deshalb nicht kaufmännisch erwerbswirtschaftlich geprägt sein (dazu Senatsbeschluß vom 26. März 1984 – AnwZ (B) 22/83), sondern nur eine solche sein, die zur Berufstätigkeit von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern gehört (vgl. dazu Nrn. 6 und 7 der Richtlinien für die Berufsausübung der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten, Ausgabe 1983, und VII der Richtlinien für die Berufsausübung der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer, Ausgabe 1977). Dabei handelt es sich, wie bei Treuhandtätigkeiten, die zum Berufsbild des Rechtsanwalts gehören (§ 44 der Grundsätze), nicht um kaufmännische Tätigkeiten.
c) Dies wird bestätigt durch § 50 Abs. 2 StBerG und § 28 Abs. 2 WPO. Nach § 50 Abs. 2 StBerG können Rechtsanwälte Mitglieder des Vorstandes, Geschäftsführer oder persönlich haftende Gesellschafter von Steuerberatungsgesellschaften sein. Entsprechendes gilt gemäß § 28 Abs. 2 WPO für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Danach können „besonders befähigte Kräfte anderer Fachrichtungen, die nicht Wirtschaftsprüfer” – also auch Rechtsanwälte – sind, Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder persönlich haftende Gesellschafter von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften werden. Diesen Vorschriften kann zwar nicht entnommen werden, daß jede der in den genannten Vorschriften bezeichneten Tätigkeiten für Rechtsanwälte ohne weiteres zugelassen ist. Sie regeln, was der Senat bereits für § 50 Abs. 2 StBerG entschieden hat (BGHZ 72, 322, 326 f), ausschließlich die Voraussetzungen, unter denen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften anerkannt werden können und ändern nicht das anwaltliche Standesrecht. Sie ergeben aber, daß der Gesetzgeber es nicht grundsätzlich mit dem Berufsbild eines Rechtsanwalts für unvereinbar hält, wenn ein solcher Gesellschafter oder Organ einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder Steuerberatungsgesellschaft ist. Maßgebend ist vielmehr eine Einzelfallprüfung, bei der die Gestaltung der Gesellschaft, in welcher der Rechtsanwalt tätig zu werden wünscht, zu berücksichtigen ist.
d) Der Senat hat bisher offengelassen, wie Gesellschaften ausgestaltet sein müssen, damit die Tätigkeit als Vertretungsorgan mit dem Beruf eines Rechtsanwalts vereinbar ist (BGHZ 72, 322, 327, 328; Senatsbeschluß vom 26. März 1984 – AnwZ (B) 22/83). Die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Gesellschafter in einer Offenen Handelsgesellschaft, bei der sich – anders als bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Aktiengesellschaften – die Frage einer gesetzlichen Haftungsbeschränkung auf das Vermögen der Gesellschaft nicht stellt, ist dann standesrechtlich unbedenklich, wenn der Rechtsanwalt den Schein vermeidet, daß er seinen Beruf als Rechtsanwalt – also als der unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs. 1 BRAO) – in der Gesellschaft und durch die Gesellschaft betreibt. Einen solchen Schein würde er etwa hervorrufen, wenn seine Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt” Eingang in den Namen der Offenen Handelsgesellschaft fände, weil auf diese Weise der Eindruck hervorgerufen werden könnte, daß die Gesellschaft die Tätigkeit eines Rechtsanwalts ausübt. Ein solcher Fall liegt hier nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen nicht vor. Deshalb steht die vom Antragsteller beabsichtigte Gesellschaftertätigkeit seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht entgegen.
Fundstellen
Haufe-Index 2024679 |
BGHZ, 65 |
NJW 1985, 1844 |