Entscheidungsstichwort (Thema)
Einziehung des Wertes von Taterträgen bei Umsatzsteuerhinterziehung des Kommittenten
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Kommissionsgeschäften bemisst sich das umsatzsteuerrechtliche Entgelt für die Lieferung des Kommittenten nach dem Entgelt für die Lieferung des Kommissionärs, von dem die mit dem Kommissionär zivilrechtlich vereinbarte Provision abzuziehen ist.
2. Die Verkäufe waren (hier) keine Scheingeschäfte, weil die Mittelsmänner in eigenem Namen handelten und die Erwerber davon ausgingen, rechtsgeschäftliche Beziehungen mit den Mittelsmännern zu begründen. Die Mittelsmänner waren insofern keine nur „vorgeschobene” Strohleute; der Angeklagte trat auch nicht nach außen auf.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 3, § 10; AO § 41 Abs. 2; StGB § 73 Abs. 1 Alt. 1, § 73c S. 1
Verfahrensgang
LG Dresden (Entscheidung vom 01.06.2023; Aktenzeichen 5 KLs 115 Js 20396/19) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 1. Juni 2023 dahin abgeändert, dass gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.289.422,73 € angeordnet wird; die weitergehende Einziehung entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.323.508,73 € angeordnet. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel bleibt überwiegend erfolglos.
I.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte von Oktober 2015 bis April 2020 insgesamt 598 ursprünglich aus den USA stammende Unfallfahrzeuge, die in Litauen vordergründig instandgesetzt worden waren und anschließend von im Inland ansässigen Mittelsmännern weiterverkauft wurden. Der Angeklagte trat nicht selbst als Verkäufer nach außen auf, um sich so den Finanzbehörden und anderen Gläubigern zu entziehen. Die Mittelsmänner handelten gegenüber den Erwerbern in eigenem Namen, allerdings - ohne dass die Erwerber dies wussten - nach Weisung und auf Rechnung des Angeklagten. Dieser gab ihnen die Verkaufspreise für die Fahrzeuge vor. Nach der jeweiligen Veräußerung mussten die Mittelsmänner die vereinnahmten Entgelte an den Angeklagten abführen und erhielten zumeist eine Provision von 200 € bis 250 € pro verkauftem Fahrzeug. Teilweise handelte der Angeklagte selbst mit Einverständnis der Mittelsmänner unter deren Namen oder schaltete zusätzlich Vermittler ein, die im Namen von des Deutschen nicht mächtigen Mittelsmännern mit den Erwerbern verhandelten. Die Bruttoerlöse aus den Verkäufen betrugen insgesamt 14.552.502,06 €. Der Angeklagte gab weder Umsatzsteuervoranmeldungen für die Voranmeldungszeiträume von Januar 2019 bis April 2020 noch Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Besteuerungszeiträume 2015 bis 2018 ab. Anfang Juni 2020 wurde ihm im Rahmen einer Durchsuchung die Einleitung des Steuerstrafverfahrens bekanntgegeben.
Rz. 3
2. Das Landgericht geht davon aus, dass der Angeklagte für die Lieferungen an die Erwerber Umsatzsteuer schuldete, da die Mittelsmänner nur zum Schein eingeschaltet waren (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO) und der Angeklagte zudem für die Mittelsmänner verfügungsberechtigt gewesen sei (§ 35 AO). Da er gleichwohl keine Umsatzsteuererklärungen abgab, hat es ihn wegen Hinterziehung der Jahresumsatzsteuer 2015 bis 2018 und der Umsatzsteuervorauszahlungen Januar 2019 bis April 2020 verurteilt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) und die Einziehung eines Betrages in Höhe der verkürzten Steuer angeordnet, die es anhand der Gesamtbruttoerlöse errechnet hat.
II.
Rz. 4
Den Verfahrensrügen bleibt aus den zutreffenden Erwägungen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt. Auch der sachlich-rechtlichen Überprüfung hält das Urteil weitgehend stand.
Rz. 5
1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts belegen, dass der Angeklagte Unternehmer (§ 2 UStG) war und aufgrund der Verkäufe von den Mittelsmännern an die Erwerber Umsatzsteuer schuldete (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG).
Rz. 6
a) Nach § 3 Abs. 3 UStG, der unionsrechtlich auf Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuersystemrichtlinie beruht, ist bei Kommissionsgeschäften (vgl. §§ 383 ff. HGB) von einer Lieferung vom Kommittenten an den Kommissionär auszugehen (vgl. BFH, Urteile vom 12. Mai 2011 - V R 25/10 Rn. 18 ff. und vom 12. Februar 2020 - XI R 24/18, BFHE 268, 351 Rn. 37 ff.; Beschluss vom 23. August 2023 - XI R 10/20, zur Veröffentlichung in BFHE vorgesehen, Rn. 66). Daher lieferten sowohl die Mittelsmänner an die Erwerber als auch der Angeklagte an die Mittelsmänner, weil diese zwar im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Angeklagten die Kaufverträge abschlossen und erfüllten. Dies gilt auch, soweit der Angeklagte unter fremdem Namen auftrat (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 18. April 2023 - 2 K 345/20, EFG 2023, 1179 Rn. 23 ff. mwN) oder zusätzliche Vermittler einschaltete, da auch insofern die Mittelsmänner gegenüber den Erwerbern berechtigt und verpflichtet wurden, die Geschäfte aber auf Rechnung des Angeklagten ausführten.
Rz. 7
b) Eine Steuerschuld des Angeklagten ergab sich hingegen nicht daraus, dass insofern Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 AO) anzunehmen wären. Die Verkäufe waren keine Scheingeschäfte, weil die Mittelsmänner in eigenem Namen handelten und die Erwerber davon ausgingen, rechtsgeschäftliche Beziehungen mit den Mittelsmännern zu begründen. Die Mittelsmänner waren insofern keine nur „vorgeschobene“ Strohleute; der Angeklagte trat auch nicht nach außen auf (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 StR 373/15, BGHSt 61, 28 Rn. 18; Beschluss vom 20. April 2023 - 1 StR 83/20 Rn. 3; jeweils mwN). Aus dem gleichen Grund sind die Voraussetzungen des § 35 AO (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27. Juni 2023 - 1 StR 374/22 Rn. 7 f. mwN) nicht erfüllt.
Rz. 8
2. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1 Alternative 1, 73c Satz 1 StGB) bedarf aber der aus der Beschlussformel ersichtlichen Korrektur; das Landgericht hat die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer fehlerhaft ermittelt.
Rz. 9
Das Entgelt (§ 10 UStG) für die Lieferung des Kommittenten richtet sich nach dem Entgelt für die Lieferung des Kommissionärs, von dem die mit dem Kommissionär zivilrechtlich vereinbarte Provision abzuziehen ist (BFH, Urteil vom 12. Mai 2011 - V R 25/10 Rn. 18). Letzteres hat das Landgericht unterlassen. Das Landgericht hat zwar für einzelne Lieferungen und Mittelsmänner Provisionen in Höhe von 200 € oder 250 € festgestellt, nicht aber die jeweilige Gesamthöhe der Provisionen in den einzelnen Besteuerungszeiträumen. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass in einem weiteren Rechtsgang nähere Feststellungen zu den Vereinbarungen zwischen dem Angeklagten und den Mittelsmännern in allen Einzelfällen getroffen werden könnten. Um verbleibenden Unsicherheiten zugunsten des Angeklagten Rechnung zu tragen und um jegliche Beschwer auszuschließen, setzt der Senat daher die Bemessungsgrundlage für jede Lieferung des Angeklagten um 300 € niedriger an als das von den Erwerbern gezahlte Entgelt. Da sich der Verkürzungsumfang dadurch nur geringfügig reduziert, schließt der Senat aus, dass das Landgericht niedrigere Einzelstrafen oder eine niedrigere Gesamtstrafe verhängt hätte. Allerdings ist die Einziehungsanordnung entsprechend abzuändern.
Rz. 10
3. Angesichts des geringen Teilerfolgs ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Jäger |
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Wimmer |
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Fundstellen
wistra 2024, 2 |
Umsatzsteuer direkt digital 2024, 16 |
NZWiSt 2024, 368 |