Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 11.04.2003) |
Tenor
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 11. April 2003 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Die Einwendungen der Revisionen gegen die steuerlichen Berechnungsgrundlagen greifen nicht durch.
1. Die Bestimmung des Zollwerts der jeweils eingeschmuggelten Zigarettenpartien hat das Landgericht entsprechend Art. 31 Abs. 1 ZK vorgenommen, nachdem es zunächst zutreffend die Möglichkeit einer Zollwertbestimmung nach Art. 29 und Art. 30 ZK ausgeschlossen hat. Die auf der Basis der entsprechenden Erlasse des Bundesministers der Finanzen ermittelten Zollwerte sind zollrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Krüger in Dorsch, Zollrecht 84. Erg.-Lfg. Art. 31 ZK Rdn. 6). Allerdings dürfen solche Wertansätze in das Steuerstrafverfahren nicht ungeprüft übernommen werden (BGHSt 48, 108; BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 10; BGH wistra 2001, 308, 309). Sofern die Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt werden können, sind sie unter Beachtung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO) vom Tatrichter selbst zu schätzen. Auch die Übernahme einer Schätzung der Finanzbehörden im Einzelfall kommt nur in Betracht, wenn der Tatrichter diese eigenverantwortlich nachgeprüft hat und von ihrer Richtigkeit auch bei Zugrundelegung der strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze überzeugt ist (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 48, 108 m.w.N.). Diese Grundsätze hat das Landgericht ausdrücklich bedacht, indem es den für die Angeklagten günstigsten Zollwert ermittelt und diesen jeweils der Berechnung der Eingangsabgaben zugrunde gelegt hat. Ein noch niedrigerer Zollwert der Zigaretten als angenommen, kam nicht in Betracht.
2. Die Berechnung der hinterzogenen Tabaksteuer ist frei von Rechtsfehlern. Bei der Tabaksteuer handelt es sich um eine teilharmonisierte Verbrauchsteuer, deren gemeinschaftsrechtliche Grundlagen in der Richtlinie (EWG) Nr. 92/12 des Rates über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (Systemrichtlinie), der Richtlinie (EG) Nr. 95/59 des Rates über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer (Tabaksteuer-Struktur-Richtlinie) und der Richtlinie (EWG) Nr. 92/79 des Rates zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf Zigaretten geregelt sind. Gemäß Art. 8 Abs. 1 Tabaksteuer-Struktur-Richtlinie unterliegen in der Gemeinschaft hergestellte und aus Drittländern eingeführte Zigaretten einer nach dem Kleinverkaufshöchstpreis einschließlich Zölle berechneten proportionalen Verbrauchsteuer sowie einer nach Erzeugungseinheit berechneten spezifischen Verbrauchsteuer. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten gemäß Art. 16 Abs. 5 der Tabaksteuer-Struktur-Richtlinie, der seit Beginn der zweiten Harmonisierungsstufe zum 1. Juli 1978 anwendbar ist, auf Zigaretten, die zu einem Preis verkauft werden, der unter dem Kleinverkaufspreis von Zigaretten der gängigsten Preisklasse liegt, eine Mindestverbrauchsteuer erheben, sofern diese die Verbrauchsteuer auf Zigaretten der gängigsten Preisklasse nicht übersteigt.
In Umsetzung der Tabaksteuer-Struktur-Richtlinie hat die Bundesrepublik Deutschland in § 4 TabStG einen nach Erzeugungseinheit berechneten spezifischen Verbrauchsteuersatz und einen proportionalen Steuersatz festgelegt. Diese betrugen gemäß § 32 Abs. 6 TabStG 9,97 Pfennig pro Stück und 21,6 vom Hundert des Kleinverkaufspreises (Taten 1 und 2) bzw. 5,59 Cent je Stück und 23,31 vom Hundert des Kleinverkaufspreises (übrige Taten).
Rechtsfehlerfrei hat sich das Landgericht bei der Bestimmung des Kleinverkaufspreises in den Fällen, in denen Zigaretten der Marke „West” geschmuggelt wurde, an dem von der Firma R bestimmten Kleinverkaufspreis orientiert und bei den übrigen Zigarettenmarken den Kleinverkaufspreis von „Billigmarken” zugrunde gelegt. Ohne Erfolg beanstanden die Revisionen insoweit, daß der Tatrichter nicht den Schwarzmarktpreis für eine geschmuggelte Zigarette berücksichtigt und deshalb entsprechende Beweisanträge zur Bestimmung des Schwarzmarktpreises abgelehnt hat. Maßstab für die Berechnung der hinterzogenen Abgaben ist in Fällen des Schmuggels und der Steuerhehlerei gemäß §§ 373, 374 AO die legale Einfuhr entsprechender Waren. Dies ergibt sich im Hinblick auf die Tabaksteuer schon aus einer systematischen Interpretation der Richtlinien und des deutschen Tabaksteuergesetzes, die neben der Regelbesteuerung zugleich auch eine Mindestbesteuerung vorsehen (vgl. Art. 16 Abs. 5 Tabaksteuer-Struktur-Richtlinie bzw. § 4 Abs. 1a TabStG in der jeweils zur Tatzeit geltenden Fassung; vgl. jetzt § 4 Abs. 1 Nr. 5 TabStG). Dem beim abgabenfreien Verkauf zoll- und verbrauchsteuerpflichtiger Waren jeweils erzielten „Schwarzmarktpreis” kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Anderenfalls würde der illegale Einführer steuerlich besser gestellt und gerade deshalb gegenüber dem legalen Einführer begünstigt, weil er sich regelwidrig verhält, die Waren ohne Gestellung und Anmeldung abgabenfrei in das Gemeinschaftsgebiet verbringt und infolgedessen entsprechend billiger verkaufen kann. Der Tatrichter hat daher auch insoweit die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Daß er sich dabei an dem die steuerlichen Belastungen umfassenden Kleinverkaufspreis (§ 5 Abs. 1 TabStG) entsprechender, d.h. legal gehandelter Tabakwaren orientiert, ist steuerstrafrechtlich nicht zu beanstanden und entspricht dem Rechtsgedanken des § 5 Abs. 4 Satz 2 TabStG.
Entgegen der Rechtsauffassung der Revisionen berechnet sich die Tabaksteuer auch nicht über § 21 TabStG nach Art. 28 ff. ZK. Nach § 21 TabStG gelten die Vorschriften für Zölle sinngemäß bei der Einfuhr von Zigaretten aus Drittländern nur für die Entstehung und das Erlöschen der Steuer, den maßgeblichen Zeitpunkt der Bemessung, für die Person des Steuerschuldners und einiger Einzelheiten des Steuerverfahrens. Die Berechnung der Tabaksteuer hingegen erfolgt nach dem nationalen Tabaksteuergesetz und den EG-rechtlichen Verbrauchsteuer-Richtlinien.
3. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 Abs. 3 EGV im Rahmen des Revisionsverfahrens ist hier nicht veranlaßt, da die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen im Blick auf die EG-rechtlichen Vorgaben keinen Zweifeln unterliegt.
Unterschriften
Harms, Basdorf, Raum, Brause, Schaal
Fundstellen
Haufe-Index 2558435 |
HFR 2005, 66 |
NWB 2006, 399 |
wistra 2004, 348 |