Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 16.06.2011) |
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten Y. T. wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 16. Juni 2011 aufgehoben,
- soweit es sie und die Mitangeklagten Al. und A. M. betrifft,
den Mitangeklagten M. T. betreffend,
aa) soweit er in den Fällen II. 7. der Urteilsgründe wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen verurteilt worden ist,
bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
die jeweiligen Feststellungen werden jedoch aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagte Y. T. wegen banden-mäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen (II. 7. der Urteilsgründe) und wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (II. 9. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ihre auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg; allerdings bleiben die durch die Gesetzesverletzung nicht betroffenen bisherigen Feststellungen aufrecht erhalten (§ 349 Abs. 2, § 353 Abs. 2 StPO). Das Rechtsmittel führt auch zugunsten der nicht revidierenden Mitangeklagten M. T. sowie Al. und A. M. zur Aufhebung und Zurückverweisung, soweit das Landgericht diese Angeklagten in den Fällen II. 7. der Urteilsgründe wegen fünffachen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Mitangeklagter T.) bzw. fünffacher Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Mitangeklagte M.) verurteilt hat.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen zu den Taten II. 7. der Urteilsgründe lagerte der Mitangeklagte T. in Absprache mit den Mitangeklagten M. im Zeitraum zwischen August und Oktober 2010 vier mal 100 Gramm eines Heroingemisches mit einem Wirkstoffgehalt von 20 % Heroinhydrochlorid und einmal ein Kilogramm eines Gemisches mit Amphetamin (Wirkstoffgehalt 3 %) in deren Keller ein. Die Angeklagte, der Mitangeklagte T. und ein B. portionierten die Betäubungsmittel zum gewinnbringenden Weiterverkauf, den der Mitangeklagte T., B. und ein weiterer „Läufer” besorgten.
Rz. 3
Damit ist nicht belegt, dass die vier Angeklagten diese fünf Taten bandenmäßig begangen haben.
Rz. 4
Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich nach der deliktischen Vereinbarung, der sogenannten Bandenabrede. Die Begründung der Mitgliedschaft folgt nicht aus der Bandentat, sondern geht dieser regelmäßig voraus. Beides – Mitgliedschaft in einer Bande einerseits und bandenmäßige Begehung andererseits – ist begrifflich voneinander zu trennen. Entsprechend handelt es sich bei dem Tatbestandsmerkmal „als Mitglied einer Bande” – im Unterschied zum tatbezogenen Mitwirkungserfordernis – um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2002 – 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 216).
Rz. 5
In den Fällen II. 7. der Urteilsgründe fehlen Feststellungen zu einer derartigen vorgelagerten Bandenabrede. Sie muss zwar nicht ausdrücklich getroffen werden; es genügt vielmehr jede Form einer stillschweigenden Vereinbarung, die aus dem wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden kann (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2002 – 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 219 f.). Die bloße Schilderung eines wiederholten deliktischen Zusammenwirkens ist für sich aber nicht ausreichend, um das Zustandekommen einer Bandenabrede zu belegen. Insbesondere trägt die Erwägung des Landgerichts nicht, an einer „bandenmäßigen Begehungsweise” bestünden keine Zweifel, da „neben den Eheleuten T. und den Eheleuten M. noch die gesondert verfolgten R., E. und B. am Betäubungsmittelhandel beteiligt” gewesen seien. Damit bezeichnete das Landgericht nur tatbezogene Mitwirkungserfordernisse, aber nicht die für das besondere persönliche Merkmal der Mitgliedschaft in einer Bande konstitutive Vereinbarung, künftig zur Begehung einer Mehrzahl im Einzelnen noch unbestimmter einschlägiger Delikte zusammenzuwirken.
Rz. 6
Der Schuldspruch der Revisionsführerin hat deshalb in den Fällen II. 7. der Urteilsgründe keinen Bestand. Da der aufgezeigte Rechtsfehler auch die drei Mitangeklagten betrifft, ist die Aufhebung des Urteils gemäß § 357 Satz 1 StPO insoweit auf sie zu erstrecken.
Rz. 7
2. Das Urteil unterliegt weiter der Aufhebung, soweit die Angeklagte im Fall II. 9. der Urteilsgründe (Tat vom 4. Januar 2011) wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist.
Rz. 8
a) Nach den Feststellungen erwarb der Mitangeklagte T., den die Angeklagte begleitete, am 4. Januar 2011 in den Niederlanden 25 Gramm eines Heroingemisches mit einem Wirkstoffgehalt von 26,2 % Heroinhydrochlorid. Die Angeklagte versteckte die Betäubungsmittel in ihrer Hose. Anschließend führten sie und der Mitangeklagte T. die Betäubungsmittel in die Bundesrepublik ein.
Rz. 9
b) Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung der Angeklagten (auch) wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht.
Rz. 10
Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten im Betäubungsmittelstrafrecht die allgemeinen Grundsätze. Beschränkt sich die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, hier auf den Transport, so kommt es bei der Bestimmung der Beteiligungsform darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 – 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 221 ff.; Urteil vom 5. Mai 2011 – 3 StR 445/10, StraFo 2011, 332, 333 mwN). Bedeutsam sind insoweit insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, ob also Durchführung und Ausgang der Haupttat zumindest nach der Vorstellung des Tatbeteiligten maßgeblich auch von seinem Beitrag abhängen sollen.
Rz. 11
Danach kommt einer Tätigkeit, die sich im bloßen Transport von Betäubungsmitteln erschöpft, in der Regel keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit zu; auch bei faktischen Handlungsspielräumen hinsichtlich der Art und Weise des Transports wird sie zumeist nur eine untergeordnete Hilfstätigkeit darstellen und deshalb als Beihilfe zu werten sein (BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 – 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 223; Urteil vom 5. Mai 2011 – 3 StR 445/10, StraFo 2011, 332, 333 mwN). Anderes kann gelten, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf der Betäubungsmittel unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll. Auch eine Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts spricht für die Annahme von Mittäterschaft, selbst wenn seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die Beförderung der Betäubungsmittel, von finanziellen Mitteln für den Erwerb oder den Verkaufserlös beschränkt ist. Im Einzelfall kann auch eine weitgehende Einflussmöglichkeit des Transporteurs auf Art und Menge der zu transportierenden Betäubungsmittel sowie auf die Gestaltung des Transports für eine über das übliche Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am Gesamtgeschäft sprechen (BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 – 3 StR 445/10, StraFo 2011, 332, 333 mwN).
Rz. 12
Solche den Vorwurf eines täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tragenden Umstände hat das Landgericht indessen nicht festgestellt. Seine Schilderung des Tatablaufs beschränkt sich, soweit es die Angeklagte betrifft, im Wesentlichen auf den Transport des Heroingemischs. Die Feststellungen ergeben daher eine täterschaftliche Mitwirkung der Angeklagten lediglich hinsichtlich der Betäubungsmitteleinfuhr, nicht jedoch bezüglich des Betäubungsmittelhandels.
Rz. 13
3. Die bisherigen Feststellungen in den Fällen II. 7. und II. 9. der Urteilsgründe können bestehen bleiben, weil sie rechtsfehlerfrei getroffen worden sind und es in der neuen Hauptverhandlung lediglich um die Klärung der Frage gehen wird, ob darüber hinaus eine Bandenabrede bzw. mittäterschaftliches Handeln der Angeklagten im Fall II. 9. nachweisbar ist. Entsprechende ergänzende Feststellungen dürfen zu den bisherigen aber nicht in Widerspruch treten.
Rz. 14
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Rz. 15
a) In den Fällen II. 7. der Urteilsgründe wird der neue Tatrichter zu prüfen haben, ob die Angeklagte, die lediglich Betäubungsmittel portionierte, tatsächlich Mittäterin und nicht bloß Gehilfin eines Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist. Für ihre Beteiligung als Gehilfin spricht, dass das Landgericht bei der Strafzumessung von einer lediglich „untergeordnete[n] Tatbeteiligung” der Angeklagten ausgegangen ist.
Rz. 16
b) Bei der Strafzumessung wird sich der neue Tatrichter damit zu befassen haben, ob die Vorverurteilung der Angeklagten durch das Amtsgericht Mönchengladbach, die in den vom Landgericht angegebenen Tatzeitraum fällt und möglicherweise nach Begehung von einer der unter II. 7. der Urteilsgründe bezeichneten Taten erging, Zäsurwirkung mit der Folge entfaltet, dass zwei Gesamtstrafen zu bilden sein werden. Dabei wird er zu beachten haben, dass nach Aufhebung einer Gesamtstrafe in der erneuten Verhandlung eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Verhandlung vorzunehmen ist (BGH, Beschluss vom 7. April 2006 – 2 StR 63/06, NStZ-RR 2006, 232; Beschluss vom 13. November 2007 – 3 StR 415/07, NStZ-RR 2008, 72); sie entscheidet über die Zäsurwirkung. Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis gelangen, dass zwei Gesamtstrafen zu bilden sein werden, darf die Summe der beiden Gesamtstrafen wegen § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht höher sein als die hier ursprünglich verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
Unterschriften
Becker, Pfister, Hubert, Mayer, Menges
Fundstellen
Haufe-Index 2857285 |
NStZ 2012, 518 |
NStZ-RR 2012, 90 |