Leitsatz (amtlich)
Versagungsanträge können alle Gläubiger stellen, die Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet haben; dass die angemeldete Forderung bestritten worden ist oder der Schuldner ihr widersprochen hat, hindert die Antragsbefugnis nicht (Ergänzung zu BGH, Beschl. v. 8.10.2009 - IX ZB 257/08, WM 2009, 2234).
Normenkette
InsO § 290 Abs. 1 a.F.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Flensburg vom 31.10.2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der sofortigen Beschwerde des Schuldners stattgegeben worden ist.
Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des AG Flensburg vom 28.2.2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde werden wie folgt verteilt: Die Gerichtskosten tragen der Schuldner und die weitere Beteiligte zu 2) zu je 1/2. Die außergerichtlichen Kosten des Schuldners trägt die weitere Beteiligte zu 2) zu 1/2. Die außergerichtlichen Kosten der weiteren Beteiligten zu 1) trägt der Schuldner. Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Kosten des Verfahrens der Rechtsbeschwerde trägt der Schuldner.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Am 23.5.2006 beantragte der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung. Mit Beschluss vom 20.6.2006 wurde das Verfahren eröffnet. Am 10.2.2009 meldete die weitere Beteiligte zu 1) eine Forderung zur Insolvenztabelle nachträglich an und benannte als Rechtsgrund eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung. Der Schuldner widersprach der Forderung insgesamt; vom Insolvenzverwalter wurde sie in voller Höhe bestritten. Mit Strafbefehl vom 15.6.2010 verhängte das AG Flensburg gegen den Schuldner eine Gesamtgeldstrafe i.H.v. 100 Tagessätzen wegen Bankrotts in zwei Fällen (§ 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b StGB) und Insolvenzverschleppung. Der Strafbefehl, der für die Straftaten nach § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b StGB Einzelstrafen von 15 und 30 Tagessätzen festsetzte, wurde am 2.7.2010 rechtskräftig.
Rz. 2
Nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung, aber noch vor Abschluss des Insolvenzverfahrens beabsichtigte das Insolvenzgericht, über den Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners zu entscheiden, und gab dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern Gelegenheit zur Stellungnahme. Die weitere Beteiligte zu 1) beantragte, die Restschuldbefreiung zu versagen, und berief sich auf die strafrechtliche Verurteilung wegen Bankrotts. Die gerichtliche Feststellung der von ihr angemeldeten Forderung betrieb sie zu diesem Zeitpunkt und auch in der Folge nicht.
Rz. 3
Auf den Antrag der weiteren Beteiligten zu 1) hat das Insolvenzgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Einen Versagungsantrag der weiteren Beteiligten zu 2) hat es als unzulässig behandelt. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht den Versagungsantrag der weiteren Beteiligten zu 1) als unzulässig verworfen, die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2) hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will die weitere Beteiligte zu 1) die Wiederherstellung der insolvenzgerichtlichen Entscheidung erreichen.
II.
Rz. 4
Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit der sofortigen Beschwerde des Schuldners stattgegeben worden ist, und zur Wiederherstellung der Entscheidung des Insolvenzgerichts.
Rz. 5
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die weitere Beteiligte zu 1) sei nicht antragsbefugt. Versagungsanträge könnten nur die Gläubiger stellen, die Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet hätten und deren Forderungen zur Tabelle festgestellt seien. Im Fall des Bestreitens einer nicht titulierten Forderung müsse zumindest die Erhebung der Feststellungsklage nach § 189 Abs. 1 InsO nachgewiesen werden können. Andernfalls könnte jeder eine nicht titulierte Forderung Anmeldende das Verfahrensziel der Restschuldbefreiung zum Scheitern bringen, auch wenn die Forderung vom Insolvenzverwalter zur Tabelle nicht anerkannt worden sei.
Rz. 6
2. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Rz. 7
a) Auf den Streitfall finden die Vorschriften der Insolvenzordnung in der bis zum 1.7.2014 geltenden Fassung Anwendung (Art. 103h EGInsO). Danach ist über den Antrag auf Restschuldbefreiung nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung von Amts wegen zu entscheiden, auch wenn das Insolvenzverfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen werden kann. Den Beteiligten muss wie bei einem Schlusstermin Gelegenheit zu Versagungsanträgen nach § 290 InsO und zur Stellungnahme gegeben werden (BGH, Beschl. v. 3.12.2009 - IX ZB 247/08, BGHZ 183, 258 Rz. 28; v. 22.4.2010 - IX ZB 196/09, WM 2010, 1082 Rz. 9; v. 11.10.2012 - IX ZB 230/09, WM 2012, 2161 Rz. 8).
Rz. 8
b) Nach § 290 Abs. 1 InsO in der bis zum 1.7.2014 geltenden Fassung ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn dies im Schlusstermin von einem Insolvenzgläubiger beantragt worden ist und ein Versagungsgrund vorliegt. Wer "Insolvenzgläubiger" ist, regelt die Vorschrift nicht näher.
Rz. 9
aa) Das Insolvenzgericht hat nicht darüber zu befinden, ob dem Gläubiger die angemeldete Forderung zusteht. Diese Aufgabe obliegt vielmehr dem Insolvenzverwalter und den übrigen Gläubigern (§§ 176, 178 f InsO) und dem für die Feststellung der Forderung zuständigen Prozessgericht (§ 180 InsO; BGH, Beschluss 14.10.2004 - IX ZB 114/04, WM 2004, 2446, 2447; v. 7.12.2006 - IX ZB 1/04, NZI 2007, 241 Rz. 7). Die Prüfung der Antragsbefugnis durch das Insolvenzgericht erstreckt sich deshalb nur auf die formale Gläubigerstellung und nicht auf die materielle Berechtigung. Dem entspricht § 290 Abs. 1 InsO n.F., der mit Blick auf das Antragsrecht die bisherige Senatsrechtsprechung nachzeichnen soll (BT-Drucks. 17/11268, 26). Nach dieser Rechtsprechung können Versagungsanträge von Gläubigern gestellt werden, die ihre Forderung angemeldet haben (BGH, Beschl. v. 22.2.2007 - IX ZB 120/05, WM 2007, 839 Rz. 2 f.; v. 8.10.2009 - IX ZB 257/08, WM 2009, 2234 Rz. 3; vom 11.10.2012, a.a.O., Rz. 10). Ob die Forderung nach Prüfung im Schlusstermin an den Verteilungen teilnimmt, ist für die Antragsbefugnis unerheblich (BGH, Beschl. v. 8.10.2009, a.a.O.).
Rz. 10
bb) Dies gilt auch für bestrittene Forderungen. Es gibt keinen Grund, die zur Stellung eines Versagungsantrags berechtigende formale Gläubigerstellung in diesem Fall von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts bedarf es nicht des Nachweises der Klageerhebung nach § 189 Abs. 1 InsO (so aber AG Hamburg, ZInsO 2005, 1060; HmbKomm-InsO/Streck, 5. Aufl., § 290 Rz. 2; Schmidt/Henning, InsO, 18. Aufl., § 290 Rz. 17). Erst Recht nicht erforderlich ist der Erfolg der Feststellungsklage oder der Nachweis der Beseitigung des Widerspruchs des Schuldners (so aber Ahrens in FK/InsO, 8. Aufl., § 290 Rz. 189 f.; vgl. auch LG Hamburg, ZInsO 2009, 2163, 2164 f.).
Rz. 11
(1) Nach § 1 Satz 2 InsO soll der redliche Schuldner Gelegenheit erhalten, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Daraus folgt zweierlei: Einerseits darf nur der redliche Schuldner auf die Erlangung der Restschuldbefreiung vertrauen. Andererseits bedarf es zum Schutz der von einer Restschuldbefreiung betroffenen Gläubiger eines wirkungsvollen Verfahrens, in dem die Unredlichkeit des Schuldners geltend gemacht werden kann. Beschränkungen dieses Gläubigerschutzes dienen der Verfahrensökonomie, nicht aber dem Schutz des Schuldners. Dieser ist nur mittelbar in seinem Vertrauen auf ein gesetzmäßiges Verfahren geschützt. Das Erfordernis des Versagungsantrags ist deshalb nicht nur Ausdruck der Gläubigerautonomie, sondern führt auch zu einer Entlastung des Insolvenzgerichts, das anderenfalls auch ohne Antrag zur Amtsermittlung verpflichtet wäre (§ 5 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die nach § 290 Abs. 2 InsO erforderliche Glaubhaftmachung soll verhindern, dass durch das Insolvenzgericht aufwendige Ermittlungen geführt werden müssen, die auf bloße Vermutungen gestützt sind (BGH, Beschl. v. 14.5.2009 - IX ZB 33/07, NZI 2009, 523 Rz. 5). Der Beschleunigung des Verfahrens dient schließlich, dass nach der hier maßgeblichen Rechtslage die Geltendmachung eines Versagungsantrags nach § 290 InsO (BGH, Beschl. v. 23.10.2008 - IX ZB 53/08, NZI 2009, 64 Rz. 9 ff.) oder auch nur dessen Glaubhaftmachung (BGH, Beschl. v. 14.5.2009, a.a.O.) nach dem Schlusstermin nicht mehr möglich sind.
Rz. 12
(2) Ob die zur Stellung eines Versagungsantrags berechtigende formale Gläubigerstellung schon aus der Forderungsanmeldung folgt oder von weiteren Voraussetzungen abhängig ist, beurteilt sich demnach nicht nach dem Interesse des Schuldners an der Erlangung der Restschuldbefreiung. Maßgeblich ist vielmehr, ob weitere Voraussetzungen notwendig sind, um eine schnelle und zugleich wirkungsvolle Überprüfung der Redlichkeit des Schuldners herbeizuführen, ohne die Gerichte übermäßig zu belasten. Dies ist auch für bestrittene Forderungen nicht der Fall.
Rz. 13
Anhand der Forderungsanmeldung lässt sich die Befugnis zur Stellung eines Versagungsantrags für das Insolvenzgericht einfach und sicher beurteilen. Die Beschränkung des Antragsrechts auf die am Verfahren teilnehmenden Gläubiger trägt dazu bei, dass die im Restschuldbefreiungsverfahren erforderlichen Entscheidungen zeitnah getroffen werden können, ohne den Schutz der von der Restschuldbefreiung betroffenen Gläubiger übermäßig zurückzudrängen. Eine schnelle und zugleich wirkungsvolle Überprüfung der Redlichkeit des Schuldners ist hingegen nicht möglich, wenn der Nachweis der Beseitigung des Widerspruchs für erforderlich gehalten wird. Der rechtskräftige Abschluss des Feststellungsprozesses müsste jeweils abgewartet werden. Insbesondere in massearmen Verfahren ist es dem Gläubiger auch nicht zumutbar, die gerichtliche Feststellung der bestrittenen Forderung unter Kostenaufwand zu betreiben, wenn und solange es noch zur Restschuldbefreiung kommen kann. Letzteres gilt auch für den vom Beschwerdegericht geforderten Nachweis der Klageerhebung nach § 189 Abs. 1 InsO.
III.
Rz. 14
Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 577 Abs. 3 ZPO). Für eine rechtsmissbräuchliche Antragstellung, etwa der Fall einer offensichtlich bereits erfüllten oder frei erfundenen Forderung, gibt es hier keinen zureichenden Anhaltspunkt. Der vom Insolvenzgericht mit Recht festgestellte Versagungsgrund folgt aus § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
Fundstellen
Haufe-Index 7752176 |
DB 2015, 6 |
WM 2015, 972 |
WuB 2015, 594 |
ZIP 2015, 39 |
DZWir 2015, 431 |
JZ 2015, 372 |
MDR 2015, 733 |
NZI 2015, 516 |
Rpfleger 2015, 590 |
ZInsO 2015, 947 |
InsbürO 2015, 313 |
NJW-Spezial 2015, 373 |
StX 2015, 335 |
ZVI 2015, 233 |
FMP 2015, 104 |
VIA 2015, 45 |