Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung steuerlicher Auswirkungen bei Schadensersatzansprüchen
Leitsatz (redaktionell)
Als Schadensersatz aufgrund Kapitalanlageverlust bei Beteiligung an einer Filmfondsgesellschaft ist der Betrag zuzuerkennen – unter Berücksichtigung der erhaltenen Ausschüttung und der Leistung aufgrund des geschlossenen Vergleichs – den der Geschädigte für den Erwerb der Beteiligung aufgewendet hat. Ein Vorteil, der sich aus der Verminderung des Spitzensteuersatzes zwischen dem Zeitpunkt der Beteiligung und demjenigen der Versteuerung der Ersatzleistung ergibt, begründet für sich genommen keine außergewöhnlichen Steuervorteile, die auf den Schadensersatzanspruch angerechnet werden müssten. Eine nähere Berechnung von Vor- und Nachteilen kann unterbleiben, wenn der Geschädigte keine Verlustzuweisungen erhalten hat, die über seine Einlageleistungen hinausgehen und ihn wegen derselben Beträge auch die Pflicht zur Versteuerung trifft.
Normenkette
BGB §§ 249, 276; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 14.12.2009; Aktenzeichen 19 U 2131/06) |
LG München I (Entscheidung vom 19.01.2006; Aktenzeichen 4 O 20121/04) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 14. Dezember 2009 – 19 U 2131/06 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert: 53.694,98 EUR.
Gründe
Rz. 1
Das Berufungsgericht hat unter Heranziehung der Grundsätze des in dieser Sache ergangenen Senatsurteils vom 6. März 2008 (III ZR 118/06, juris und BeckRS 2008, 05036) und des in ihm in Bezug genommenen Senatsurteils vom 14. Juni 2007 (III ZR 125/06, WM 2007, 1503, 1505 f Rn. 17-22) die erhobenen Beweise dahin gewürdigt, dass die Beklagte im Hinblick auf die Herstellung des Verkaufsprospekts und die wirtschaftliche Initiierung des Projekts einen – sich aus dem Prospekt und bei der Vermittlung der Anleger nicht unmittelbar ergebenden – bestimmenden Einfluss genommen hat, der ihre Prospektverantwortlichkeit und, da der Prospekt nur unzureichende Hinweise auf ein Totalverlustrisiko enthält, eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Kläger nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinn begründet.
Rz. 2
Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet, weil die Zulassungsvoraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Rz. 3
1. Die Beschwerde hält die Zulassung der Revision zur Rechtsfortbildung für erforderlich, weil es an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe fehle, unter welchen Voraussetzungen eine Prospektverantwortlichkeit wegen einer sogenannten Hintermanneigenschaft zu bejahen sei, wenn zwischen der Fondsgesellschaft und dem angeblichen Hintermann keine gesellschaftsrechtlichen Verbindungen bestünden und der angebliche Hintermann auch keine Geschäftsführerstellung bei der Fondsgesellschaft innehabe, sondern ausschließlich auf der Grundlage von Dienstleistungsverträgen für die Fondsgesellschaft und die – eigentliche – Prospektherausgeberin tätig werde.
Rz. 4
Diese Frage entzieht sich einer abstrakten Klärung. Ob jemandem bei der Initiierung eines in Frage stehenden Projekts wegen der von ihm wahrgenommenen Schlüsselfunktionen die Stellung eines Hintermannes oder eines – für bestimmte Bereiche des Projekts verantwortlichen – Mitinitiators zukommt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, die der Tatrichter festzustellen und zu gewichten hat (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 2007 – III ZR 125/06, aaO S. 1505 Rn. 19). Fehlt es – wie hier – an gesellschaftsrechtlichen Verbindungen, kann eine entsprechende Einflussnahme auch auf tatsächlichen Verhältnissen beruhen, wobei der Tatrichter zu prüfen hat, welche Schlüsse er aufgrund einer Regelung wechselseitiger Pflichten aus Dienstleistungsverträgen zu ziehen hat. Hierfür lassen sich in einem Revisionsverfahren keine allgemein gültigen Kriterien formulieren.
Rz. 5
2. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Rz. 6
a) Zu Unrecht sieht die Beschwerde einen symptomatischen Fehler des Berufungsgerichts darin, dass es im Rahmen seiner Beweiswürdigung besonderes Gewicht auf den maßgeblichen Einfluss der Beklagten auf die Erstellung des Prospektinhalts gelegt hat. Vielmehr befasst sich das Berufungsgericht insoweit, ohne sich mit dem in dieser Sache ergangenen Senatsurteil in Widerspruch zu setzen, mit einem wesentlichen Gesichtspunkt, der im Rahmen einer Mitinitiatoreneigenschaft für den vom Senat für erforderlich gehaltenen bestimmenden Einfluss auf die Initiierung des Projekts von Bedeutung ist. Dass den Arbeiten der Beklagten ein Dienstleistungsvertrag mit der V. M. … – … GmbH zugrunde lag, hat das Berufungsgericht gesehen. Wenn es aufgrund einer – willkürfreien und die Rechte der Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG wahrenden – Würdigung der Aussagen der von ihm vernommenen Zeugen zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagte habe bestimmenden Einfluss gehabt, ist dies revisionsrechtlich hinzunehmen. Dass die Beklagte eine andere Würdigung der Beweisaufnahme für richtig hält und dass die Beweise möglicherweise auch in anderer Weise hätten gewürdigt werden können, ist zulassungsrechtlich nicht beachtlich.
Rz. 7
b) Die Revision ist auch nicht im Hinblick auf den Umstand zuzulassen, dass das Berufungsgericht den Zeugen, die bereits in mehreren Parallelverfahren von anderen Senaten vernommen waren, zu Beginn ihrer Vernehmung die Protokolle vorgelesen und sie dann dazu befragt hat, ob diese Aussagen richtig gewesen seien. Da die entsprechenden Vernehmungsniederschriften vorlagen, war eine förmliche Beiziehung der betreffenden Gerichtsakten nicht erforderlich. Die Verlesung dieser Niederschriften war auch nicht von einer Zustimmung der Beklagten abhängig. Darüber hinaus hat sich das Berufungsgericht nicht darauf beschränkt, eine Genehmigung der verlesenen früheren Aussagen herbeizuführen, sondern es hat die Zeugen, wie sich aus den Zeitangaben und dem protokollierten Inhalt der Sitzungsniederschriften vom 19. Oktober und 23. November 2009 ergibt, eingehend und zeitaufwendig vernommen, so dass die Parteien die Gelegenheit hatten, sie im Einzelnen zu befragen und ihnen Vorhalte zu machen. Das ist unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nicht zu beanstanden.
Rz. 8
3. Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Kläger den Betrag – unter Berücksichtigung der erhaltenen Ausschüttung und der Leistung aufgrund des geschlossenen Vergleichs – als Schadensersatz zuerkannt, den er für den Erwerb der Beteiligung aufgewendet hat. Wie der Senat mit Urteil vom 15. Juli 2010 entschieden hat, begründet ein Vorteil, der sich – wie hier – aus der Verminderung des Spitzensteuersatzes zwischen dem Zeitpunkt der Beteiligung und demjenigen der Versteuerung der Ersatzleistung ergibt, für sich genommen keine außergewöhnlichen Steuervorteile, die auf den Schadensersatzanspruch angerechnet werden müssten (III ZR 336/08, WM 2010, 1641, 1650 f Rn. 53; vorgesehen für BGHZ). Da die Beschwerde nichts dafür anführt, dass der Kläger Verlustzuweisungen erhalten hat, die über seine Einlageleistungen hinausgehen, trifft ihn wegen derselben Beträge auch die Pflicht zur Versteuerung. Dann kann aber eine nähere Berechnung von Vor- und Nachteilen unterbleiben (Senatsurteil vom 15. Juli 2010 – III ZR 336/08, aaO S. 1648, 1650 f Rn. 36, 50, 55).
Rz. 9
4. Auch im Übrigen sind keine zulassungsrelevanten Rechtsfehler erkennbar. Von einer näheren Begründung wird insoweit nach § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.
Unterschriften
Schlick, Dörr, Wöstmann, Seiters, Tombrink
Fundstellen