Leitsatz (amtlich)
Zur Ausgangskontrolle bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax.
Normenkette
ZPO § 233
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 30.07.1997) |
LG Frankfurt am Main |
Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juli 1997 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 9.276,19 DM.
Tatbestand
I.
Der Beklagte ist durch Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. April 1997 zur Rückzahlung einer Provisionsvorauszahlung von 9.276,19 DM nebst Zinsen verurteilt worden. Gegen dieses am 20. Mai 1997 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 25. Juni 1997 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Rechtsanwalts- und Notargehilfin M. seines Prozeßbevollmächtigten sei beauftragt gewesen, die unterschriebene Berufungsschrift fristwahrend zum Oberlandesgericht zu faxen. Noch am 20. Juni 1997 (Freitag) habe sich der sachbearbeitende Rechtsanwalt Sch.-L. telefonisch aus B. nach der Berufung erkundigt. … Frau M. habe berichtet, der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte Rechtsanwalt D. habe die Berufung unterschrieben und einer Übersendung stehe nichts mehr im Wege. Frau M. habe sodann die Berufung in das Faxgerät gelegt und die gemeinsame Telefaxnummer des Oberlandesgerichts eingegeben; die Nummer sei jedoch vermutlich besetzt gewesen, so daß sich die automatische Wahlwiederholung eingeschaltet habe. Frau M. habe in der Zwischenzeit andere Arbeiten verrichtet, so daß sie nicht bemerkt habe, daß das Telefax nicht abgesandt worden sei. Mach zweimaliger Wahlwiederholung habe sich das Faxgerät automatisch abgeschaltet. Frau M. habe anschließend die restliche Post fertiggemacht und danach das Büro verlassen, ohne zu bemerken, daß das Telefax nicht abgesandt worden sei. Erst nach einem weiteren Telefonat mit Rechtsanwalt Sch.-L. am 22. Juni 1997 habe sie nach Überprüfung im Büro festgestellt, daß das Fax noch unversandt auf dem Telefaxgerät gelegen habe.
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und ausgeführt, der Beklagte müsse sich das Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten anrechnen lassen, der es unterlassen habe, in seiner Kanzlei für eine wirksame Ausgangskontrolle bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax zu sorgen; darin liege ein Organisationsverschulden des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten.
Entscheidungsgründe
II. Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 238 Abs. 2, 519 b Abs. 2, 567 Abs. 4 Satz 2 ZPO zulässig (BGHZ 21, 142, 147; Senatsbeschluß vom 26. November 1957 – VIII ZB 14/57 = NJW 1958, 183), kann in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.
1. Mach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Anwalt gehalten, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen. Dazu gehört, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, insbesondere eine wirksame Ausgangskontrolle, die vor allem erfordert, daß Notfristen erst dann im Fristenkalender gelöscht werden, wenn das fristwahrende Schriftstück tatsächlich abgesandt worden ist oder zumindest sichere Vorsorge dafür getroffen ist, daß es tatsächlich rechtzeitig hinausgeht. Für die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax bedeutet dies, daß die Pflicht des Anwalts zur Ausgangskontrolle erst dann endet, wenn feststeht, daß der Schriftsatz wirklich übermittelt worden ist. Mit Rücksicht auf die Risiken beim Einsatz eines Telefaxgerätes kommt der Rechtsanwalt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nur dann nach, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (Senatsbeschluß vom 8. Dezember 1993 – VIII ZB 40/93 = VersR 1994, 956, 957; BGH, Beschluß vom 29. April 1994 – V ZR 62/93 = VersR 1994, 1494, 1495 = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 36; BGH, Beschluß vom 18. Oktober 1995 – XII ZB 123/95 = VersR 1996, 778 f = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 44).
2. Daß eine solche Anweisung im Büro des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten bestand, ergibt sich nicht aus den im Wiedereinsetzungsgesuch mitgeteilten Umständen. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Vortrag des Beklagten dazu vermißt, in welcher Weise im Büro seines Prozeßbevollmächtigten eine gezielte Nachprüfung des rechtzeitigen Abgangs fristwahrender Schriftsätze – bei Übermittlung durch Telefax mittels Kontrolle des Erfolges des Übermittlungsvorgangs – stattfindet und durch entsprechende Eintragung im Fristenkalender dokumentiert wird. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs ist lediglich vorgetragen, der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Beklagten habe am Tage des Ablaufs der Berufungsfrist, dem 20. Juni 1997, aus B. in seinem Büro angerufen und sich unter anderem nach der Berufung erkundigt, worauf ihm … die … Anwaltsgehilfin M. berichtet habe, die Berufungsschrift sei unterschrieben, so daß deren Übersendung an das Oberlandesgericht per Fax nichts mehr im Wege stehe. Hierin lag aber, wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt, auch keine konkrete Einzelanweisung, durch welche die Wahrung der Berufungsfrist in anderer Weise als durch allgemeine Büroanweisung hinreichend sichergestellt worden wäre (siehe BGH, Beschlüsse vom 3. Juli 1991 – XII ZB 39/91 und vom 26. September 1995 – XI ZB 13/95 = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 19 u. 45; siehe auch Senatsbeschluß vom 22. November 1995 – VIII ZB 39/95, unveröffentlicht); denn die telefonische Rückfrage vom 20. Juni 1997 diente nur der eigenen Unterrichtung des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten sowie einer Erinnerung der Anwaltsgehilfin M. an die fristgerechte Einreichung der unterschriebenen Berufungsschrift, stellte aber nicht sicher, daß der Schriftsatz auch tatsächlich ordnungsgemäß übermittelt wurde. Der Anwalt hatte nicht darauf hingewiesen, daß die Absendung durch Ausdruck eines Sendeberichts zu überprüfen war, bevor die Berufungsfrist im Fristenkalender gelöscht werden durfte. Wäre eine solche Weisung, sei es durch allgemeine Büroanweisung, sei es durch Einzelanweisung erteilt worden, wäre spätestens bei Büroschluß bemerkt worden, daß das Fax noch nicht abgesandt worden war, so daß die Berufungsschrift noch am Abend des 20. Juni 1997 bei Gericht hätte eingereicht werden können.
3. Auch das Vorbringen des Beklagten in der Beschwerdebegründung vermag die beantragte Wiedereinsetzung nicht zu rechtfertigen.
a) Soweit der Beklagte vorträgt, für den Fall der Absendung fristwahrender Schriftsätze mittels Telefaxgerätes sei Frau M. auf die technischen Gegebenheiten und die Risiken dieses Übermittlungsvorgangs „durch die Anwälte allgemein und durch Rechtsanwalt Sch.-L. insbesondere hingewiesen worden”, fehlt es auch hier an einer konkreten Darlegung, daß die beim Einsatz eines Telefaxgerätes erforderliche Ausgangskontrolle angeordnet worden ist.
b) Mit seinem neuen Vorbringen, Frau M. habe die Arbeit unterbrochen und aus nicht nachvollziehbaren Gründen keine weiteren Anstalten unternommen, sie wiederaufzunehmen, da sie seinerzeit gravierende familiäre Probleme gehabt habe, kann der Beklagte nicht gehört werden. Alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, müssen in der zweiwöchigen Antragsfrist (§§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO) vorgetragen werden. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war, dürfen nach Fristablauf erläutert und vervollständigt werden (st. Rspr., BGH, Beschluß vom 28. Februar 1991 – IX ZB 95/90 = NJW 1991, 1892 f = BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Begründung 4; BGH, Beschluß vom 20. Mai 1992 – XII ZB 43/92 = BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Begründung 6; BGH, Beschluß vom 8. April 1997 – VI ZB 8/97 = NJW 1997, 2120, 2121). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Das Beschwerdevorbringen hinsichtlich des Verhaltens der Anwaltsgehilfin M. im Zusammenhang mit der versuchten Absendung des Telefax am 20. Juni 1997 ergänzt die bisherigen Angaben nicht, sondern steht zu diesen in Widerspruch; denn im Wiedereinsetzungsgesuch war vorgetragen worden, Frau M. habe nach Einlegung der Berufungsschrift in das Faxgerät noch die restliche Post fertiggestellt und anschließend das Büro verlassen, ohne die unterbliebene Absendung des Telefax zu bemerken. Falls mit dem jetzigen Vortrag des Beklagten ein einmaliges und nicht voraussehbares Versagen der Anwaltsgehilfin M. dargelegt werden soll, das auch durch eine ausreichende Ausgangskontrolle nicht hätte abgewendet werden können, kann dies keine Berücksichtigung mehr finden.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Ball, Dr. Leimert
Fundstellen
Haufe-Index 1237745 |
BB 1998, 665 |
DStR 1998, 581 |
HFR 1998, 686 |
NJW 1998, 907 |
Nachschlagewerk BGH |
AP, 0 |
MDR 1998, 492 |
VersR 1998, 607 |
MittRKKöln 1998, 102 |