Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit Insolvenzantrag. Vorgezogene Sicherungsmaßnahmen bei berechtigten Gläubigerinteressen. Aufklärungspflicht des Schuldners. Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzung
Leitsatz (amtlich)
a) Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen setzt grundsätzlich einen zulässigen Insolvenzantrag voraus.
b) Bei zweifelhaftem Gerichtsstand können berechtigte Sicherungsinteressen der Insolvenzgläubiger es gebieten, Sicherungsmaßnahmen vor der Feststellung der Zulässigkeit des Insolvenzantrags zu treffen, wenn sich das Insolvenzgericht letzte Gewissheit erst im weiteren Verfahrensablauf verschaffen kann.
c) Wurzeln die Anknüpfungspunkte für eine Frage der Zulässigkeit des Insolvenzantrags wie bei der örtlichen und der internationalen Zuständigkeit in der Sphäre des Schuldners und trägt dieser zur Aufklärung nicht bei, kann es für die Anordnung der Sicherungsmaßnahme im Einzelfall ausreichen, dass die nicht sicher zu verneinende Zulässigkeitsvoraussetzung noch zu prüfen ist.
Normenkette
InsO § 14 Abs. 1, § 21
Verfahrensgang
LG Hanau (Beschluss vom 21.08.2006; Aktenzeichen 3 T 185/06) |
AG Hanau (Entscheidung vom 21.07.2006; Aktenzeichen 70 IN 323/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Hanau vom 21.8.2006 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.
Der Wert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] Der Schuldner war Inhaber eines u.a. aus inländischen Immobilien bestehenden Vermögens, das er durch mehrere zu diesem Zweck gegründete Gesellschaften verwalten ließ. Diese hatten bis in das Jahr 2004 ihren Sitz in Rodenbach. Am Sitz der Gesellschaft wohnen noch heute die Ehefrau des Schuldners und der gemeinsame eheliche Sohn. Das örtlich zuständige Insolvenzgericht für Rodenbach ist das AG Hanau. Für Rodenbach waren eine Reihe von Fahrzeugen des Schuldners zugelassen. Hierzu gehört der Pkw der Marke Rolls-Royce mit dem amtlichen Kennzeichen . Der Schuldner behauptet, von seiner Ehefrau getrennt zu leben und seinen Lebensmittelpunkt im Jahre 2002 nach Italien verlegt zu haben.
[2] Mit am 4.8.2004 beim AG Hanau eingegangenem Antrag hat das beteiligte Land wegen rückständiger Abgaben von insgesamt 6.071.568,14 EUR aus dem Zeitraum von 1992 bis 1997 (Einkommensteuer nebst Zinsen und Säumniszuschlägen) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners wegen Zahlungsunfähigkeit beantragt. Der Schuldner ist dem Antrag mit der Rüge der örtlichen Unzuständigkeit entgegengetreten und hat ferner geltend gemacht, dass die Einkommensteuerbescheide, aus denen das Land den Rückstand ableite, von ihm angefochten worden seien. Wesentliche Rückstände, die seine Zahlungsunfähigkeit rechtfertigen könnten, beständen nicht. Das AG hat den weiteren Beteiligten zu 2) zunächst zum Sachverständigen ernannt. Durch Beschluss vom 27.7.2006 hat es ihn zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt und ihn ermächtigt, Auskünfte bei Banken einzuholen. Gegen diesen Beschluss hat der Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt, die das LG zurückgewiesen hat. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
[3] 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 7 InsO) und auch im Übrigen zulässig. Der Entscheidung des LG liegt eine statthafte sofortige erste Beschwerde zugrunde (§ 21 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässig, weil die Rechtsfrage, ob die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO die Feststellung eines zulässigen Insolvenzantrages voraussetze, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.
[4] 2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Das Beschwerdegericht hat die vom Insolvenzgericht angeordneten Sicherungsmaßnahmen mit Recht bestätigt.
[5] a) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Anknüpfungsmerkmale zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts gem. § 3 InsO ist der Eingang des Eröffnungsantrags (vgl. Kirchhof in HK/InsO, 4. Aufl., § 3 Rz. 5; Ganter in MünchKomm/InsO, § 3 Rz. 5; Jaeger/Gerhardt, InsO § 3 Rz. 40). Gleiches gilt für die Anknüpfungsmerkmale zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit gem. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO (EuGH v. 17.1.2006 - Rs. C-1/04, ZIP 2006, 188 f.; BGH, Beschl. v. 9.2.2006 - IX ZB 418/02, BGHReport 2004, 418 = ZIP 2006, 529, 530). Das bei Eingang des Insolvenzantrags international und örtlich zuständige Insolvenzgericht bleibt danach für die Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens und die zuvor ggf. nach § 21 InsO zu treffenden Sicherungsmaßnahmen zuständig, wenn der Schuldner nach Antragstellung, aber vor der Eröffnungsentscheidung den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen bzw. seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit verlegt.
[6] b) Nach Auffassung des Beschwerdegerichts setzt die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen grundsätzlich einen zulässigen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus. Dazu gehöre die internationale und die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Die Zuständigkeitsfragen müssten jedoch im Zeitpunkt der Anordnung noch nicht in jedem Fall abschließend beantwortet sein. Trete - wie hier - das Bedürfnis für Sicherungsmaßnahmen schon im Prüfungsstadium hervor, habe das Insolvenzgericht die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass es bis zu einer abschließenden Entscheidung über die Zuständigkeit zu nachteiligen Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners komme. Dies sei hier der Fall.
[7] Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
[8] aa) Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen kommt bereits in Betracht, bevor die Zuständigkeit des angerufenen Insolvenzgerichts abschließend geprüft und bejaht ist (vgl. BGH, Beschl. v. 14.12.2006 - IX ZA 38/06n.v.).
[9] (1) Das Insolvenzgericht, bei dem ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eingeht, hat - wie schon nach der Konkursordnung - in einem ersten Prüfungsschritt der Frage nachzugehen, ob der Antrag zulässig ist. Dies ist der Fall, wenn er von einem Antragsberechtigten gestellt ist und die Verfahrensvoraussetzungen wie die Zuständigkeit des Gerichts und die Insolvenzverfahrensfähigkeit des Schuldners gegeben sind. Bei dem Antrag eines Gläubigers ist nach § 14 Abs. 1 InsO zusätzlich erforderlich, dass ein rechtliches Interesse an der Verfahrenseröffnung besteht und der Eröffnungsgrund und der Anspruch des Gläubigers glaubhaft gemacht sind. Die Begründetheit des Antrags setzt zusätzlich voraus, dass der Eröffnungsgrund vom Gericht festgestellt (§ 16 InsO) und eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse vorhanden ist (vgl. § 26 Abs. 1 InsO). Dieser zweite Prüfungsschritt kann eine nicht unerhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Nach der Vorstellung der Gesetzesbegründung sollte das Insolvenzgericht deshalb die Möglichkeit erhalten, Maßnahmen anzuordnen, durch die eine zwischenzeitliche Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners vermieden wird (vgl. Amtliche Begründung zu § 25 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, 115). Nach dem Wortlaut des § 21 InsO ist die Anordnung allerdings nicht an die Zulässigkeit des Insolvenzantrags geknüpft. Entgegen der Empfehlung des Ersten Berichts der Kommission für Insolvenzrecht (Leitsatz 1.2.3 Abs. 1) hat der Gesetzgeber auf dieses Kriterium verzichtet (vgl. Haarmeyer ZInsO 2001, 203, 204). Die strikte Bindung an die Bewertung des Insolvenzantrags als zulässig erscheint auch problematisch, weil die Zulassung des Antrags keine förmliche Zwischenentscheidung darstellt. Sie wird auch nicht stets in den Akten vermerkt. Zudem entbindet der Übergang des Insolvenzgerichts zur Hauptprüfung nicht von der Verpflichtung, Bedenken gegen die Zulässigkeit - nicht zuletzt aufgrund neuen Vortrags des Schuldners - im weiteren Verfahren zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 13.6.2006 - IX ZB 214/05, MDR 2007, 52 = BGHReport 2006, 1330 = ZIP 2006, 1456). Ergeben sich nachträglich Zweifel, könnte bei einem solchen Verständnis ein Anspruch auf Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen bestehen, obwohl der zugrunde liegende Antrag weder abweisungsreif erscheint noch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Aufhebung der Maßnahmen gebietet.
[10] (2) Diese enge Handhabung des § 21 InsO ist mit den berechtigten Sicherungsinteressen der Insolvenzgläubiger jedenfalls dann nicht zu vereinbaren, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen mit überwiegender, auf gesicherter Grundlage beruhender Wahrscheinlichkeit gegeben sind und sich das Insolvenzgericht die letzte Gewissheit erst im weiteren Verfahrensablauf verschaffen kann. Dies gilt in besonderem Maße für Zulässigkeitsvoraussetzungen, die - wie Zuständigkeitsfragen - nicht in der Sphäre des Gläubigers wurzeln und erst mit Hilfe eines Sachverständigen oder vorläufigen Insolvenzverwalters, dem entsprechende Befugnisse übertragen worden sind, geklärt werden können.
[11] Bei den Anknüpfungstatsachen für die internationale und die örtliche Zuständigkeit handelt es sich um doppelt relevante Tatsachen, die gleichermaßen für die Zulässigkeitsprüfung und die Feststellung des Eröffnungsgrundes maßgeblich sind. Gerade bei unübersichtlichen Vermögensverhältnissen des Schuldners und durch Indizien belegten Vermögensumschichtungen und Vermögensverschiebungen ins Ausland im zeitlichen Zusammenhang mit dem Insolvenzantrag ist nach dem Schutzzweck des § 21 InsO zur Sicherung des Schuldnervermögens ein rasches Eingreifen des Insolvenzgerichts angezeigt. Es darf - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nicht davon abhängen, dass es dem Gericht auch ohne Sicherungsmaßnahmen gelingt, die Vermögensverhältnisse des Schuldners so weit aufzuklären, dass die Zuständigkeitsfrage sicher beantwortet werden kann.
[12] Trägt der am Verfahren beteiligte Schuldner zur Aufklärung der zuständigkeitsbegründenden Anknüpfungstatsachen nichts bei, obwohl er in der Lage ist, die Veränderungen seines Vermögensbestandes in Bezug auf den maßgeblichen Stichtag aufzuzeigen, kann es nach Lage des Falles sogar ausreichen, wenn das angerufene Insolvenzgericht seine nicht sicher auszuschließende Zuständigkeit prüfen muss (vgl. Kirchhof in HK/InsO, a.a.O. § 21 Rz. 4; Schmahl in MünchKomm/InsO, § 14 Rz. 96; Haarmeyer in MünchKomm/InsO, § 21 Rz. 17; Schmerbach in FK/InsO, 4. Aufl., § 21 Rz. 16; HmbKomm-InsO/Schröder, § 21 Rz. 2; Smid/Thiemann, InsO 2. Aufl., § 21 Rz. 3 f.; vgl. auch Nerlich/ Römermann/Mönning, InsO § 21 Rz. 19; a.A. Uhlenbruck, InsO 12. Aufl., § 21 Rz. 8).
[13] bb) Nach diesen Grundsätzen sind die von dem Insolvenzgericht angeordneten und von dem LG in Wahrnehmung seiner tatrichterlichen Verantwortung bestätigten Sicherungsmaßnahmen nicht zu beanstanden.
[14] (1) Für die Annahme der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Insolvenzgerichts besteht nach den bisherigen Feststellungen eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit. Der in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO verwendete Rechtsbegriff des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen erschließt sich aus der 13. Begründungserwägung der Verordnung, wo es heißt: "Als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen sollte der Ort gelten, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist." Aus dieser Definition geht hervor, dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen nach objektiven und zugleich für Dritte feststellbaren Kriterien zu bestimmen ist. Diese Objektivität und die Möglichkeit der Feststellung durch Dritte sind erforderlich, um Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit bei der Bestimmung des für die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens zuständigen Gerichts zu garantieren. Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit sind umso wichtiger, als die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung die des anwendbaren Rechts nach sich zieht (EuGH v. 2.5.2006 - Rs. C-341/04, ZIP 2006, 907, 908). Als feststellbares Kriterium, welches Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit bei der Bestimmung des für die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens zuständigen Gerichts garantiert, ist nach gesicherter Rechtsauffassung bei Kaufleuten, Gewerbetreibenden oder Selbständigen an die wirtschaftliche oder gewerbliche Tätigkeit des Schuldners anzuknüpfen (vgl. BGH, Beschl. v. 13.6.2006 - IX ZA 8/06, n.v.; HK-InsO/Stephan, 4. Aufl. Art. 3 EuInsVO Rz. 3; Balz ZIP 1996, 948, 949; Duursma-Kepplinger in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Europäische Insolvenzordnung Art. 3 Rz. 19; Huber ZZP 114 (2001), 133, 140; Kemper in Kübler/Prütting, InsO Art. 3 EuInsVO Rz. 5; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht Art. 3 EuInsVO Rz. 9). Das LG hat sich diesem Standpunkt ersichtlich angeschlossen. Danach kommt es nicht darauf an, dass der Schuldner seinen Wohnsitz in Italien hat.
[15] (2) Der Schuldner zieht selbst nicht in Zweifel, dass der Schwerpunkt seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten in Deutschland lag. Dies ergibt sich im Übrigen aus seinem umfangreichen in Deutschland belegenen Immobilienbesitz und dessen Verwaltung durch mehrere zu diesem Behufe gegründete Gesellschaften, die ihren Sitz (jedenfalls) zunächst in Rodenbach hatten. Von dem Schuldner ist auch nicht in Frage gestellt worden, dass sechs Fahrzeuge auf seinen Namen unter der Anschrift in Rodenbach zugelassen waren. Die Initialien des Schuldners kehren teilweise in den Kennzeichen wieder, u.a. auch beim Rolls-Royce (). Die Versicherungsbeiträge sowie die Kfz-Steuer der Fahrzeuge wurden von den genannten Gesellschaften gezahlt. Die Vorinstanzen hätten diesen Umstand als zusätzliches Indiz dafür anführen können, dass für einen Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners in Rodenbach der "Standort" dieser Fahrzeuge streitet. Der nach Antragsstellung gehaltene Vortrag des Schuldners, er sei weder Gesellschafter noch Geschäftsführer der auf seinen Namen lautenden Gesellschaften und er wirke auch nicht an der Geschäftsführung aktiv mit, ist ohne eine zeitliche Konkretisierung etwaiger Übertragungsvorgänge unerheblich. In dem von dem antragstellenden Land mit Begleitschreiben vom 4.8.2006 vorgelegten Schreiben der "GmbH zur Verwaltung des Vermögens des W. B." vom 21.3.2005 wird als Zeitpunkt für die Wirkung der Veräußerung einiger der "Aktivitäten in Deutschland" allerdings ein Datum genannt, nämlich der 1.1.2005. Zu diesem Zeitpunkt sei auch das von der Finanzverwaltung zum Lastschrifteinzug benutzte Konto "auf neue Eigentümer" übergegangen. Für eine Verlegung des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen des Schuldners vor dem maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs des Insolvenzantrags am 4.8.2004 spricht dieses Schreiben nicht.
[16] c) Die Rechtsbeschwerde macht weiter geltend, dass der antragstellende Gläubiger seine Forderung nicht gem. § 14 Abs. 1 InsO glaubhaft gemacht habe. Sie stützt sich hierbei auf die Rechtsprechung des Senats, wonach im Falle eines Eröffnungsantrages der Finanzverwaltung als Mindestanforderung an die Glaubhaftmachung der Forderung die Vorlage der Steuerbescheide und ggf. etwaiger Steueranmeldungen des Schuldners zu verlangen sei (vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.2005 - IX ZB 38/05, MDR 2006, 707 = BGHReport 2006, 396 = ZIP 2006, 141, 142; v. 13.6.2006 - IX ZB 214/05, MDR 2007, 52 = BGHReport 2006, 1330 = ZIP 2006, 1456, 1457). Im Streitfall besteht allerdings die Besonderheit, dass die Höhe der Rückstände der Einkommensteuerschuld gemessen an der Bescheidlage unstreitig ist; gestritten wird allein um die Frage, ob die - nicht bestandskräftigen - Bescheide inhaltlich zutreffen oder auf Einspruch abzuändern sein werden. Stellt der Schuldner den titulierten Rückstand als solchen nicht in Abrede, scheitert die Glaubhaftmachung der Forderung nicht daran, dass der öffentliche Gläubiger die Bescheide zunächst nicht vorgelegt hat.
[17] Dass die Finanzverwaltung im Anschluss an eine das steuerliche Festsetzungsverfahren betreffende Besprechung mit dem Schuldner einen nicht unerheblichen Korrekturbedarf eingeräumt haben soll, ändert nichts daran, dass titulierte Ansprüche in einer Höhe eingefordert werden, die das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners als wahrscheinlich erscheinen lassen. Nach den vorläufigen Berechnungen des antragstellenden Landes verbleibt allein als Einkommensteuerschuld ohne Nebenleistungen wie Zinsen, Säumnis- und Verspätungszuschläge jedenfalls ein Betrag von ca. 1,5 Mio. EUR. Dies rechtfertigt die angeordneten Sicherungsmaßnahmen, weil für sie der Insolvenzgrund - anders als für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 16 InsO - nicht nachgewiesen, sondern nur glaubhaft gemacht sein muss (vgl. BGH, Beschl. v. 13.6.2006 - IX ZR 214/05, a.a.O. S. 1457).
Fundstellen
DStR 2007, 1262 |
BGHR 2007, 730 |
NJW-RR 2007, 1062 |
EWiR 2007, 599 |
WM 2007, 899 |
WuB 2007, 547 |
ZIP 2007, 878 |
DZWir 2007, 347 |
EuZW 2007, 712 |
MDR 2007, 909 |
NZI 2007, 344 |
NZI 2008, 8 |
ZInsO 2007, 440 |