Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung des bei einem Arbeitgeber angestellten Vertreters eines Rechtsanwalts
Leitsatz (redaktionell)
1. Der gemäß § 53 Abs. 5 BRAO a.F. amtlich bestellte Vertreter eines Rechtsanwalts ist Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne. Er erbringt, im Austausch gegen die mit dem Vertretenen vereinbarte oder durch die Rechtsanwaltskammer festzusetzende Vergütung, eine entgeltliche sonstige Leistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG.
2. Die von einem für eine Rechtsanwaltskanzlei tätigen Rechtsanwalt in Gestalt der amtlichen Vertretung gemäß § 53 Abs. 5 BRAO a.F. ausgeführten Umsätze mögen – wenn auch allein umsatzsteuerrechtlich – der Rechtsanwaltskanzlei zuzurechnen sein mit der Folge, dass – wie hier geschehen – die Abrechnung des Vertreters gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 UStG die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Rechtsanwaltskanzlei anzugeben hat. Auch in diesem Fall kann indes die Umsatzsteuer durch den amtlich bestellten Vertreter gegenüber dem Vertretenen als Leistungsempfänger abgerechnet werden. Die Abrechnung erfolgt insofern für die Rechtsanwaltskanzlei. Die Umsatzsteuer ist auch dann Bestandteil der von der Rechtsanwaltskammer festzusetzenden Vergütung.
Normenkette
BRAO § 54 Abs. 4; BRAO a.F. § 53 Abs. 10 S. 4; UStG § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 4 Nr. 2
Verfahrensgang
Brandenburgischer AGH (Urteil vom 15.12.2022; Aktenzeichen AGH I 1/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 15. Dezember 2022 verkündete Urteil des 1. Senats des Brandenburgischen Anwaltsgerichtshofs - AGH I 1/19 - teilweise aufgehoben.
Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. März 2019 wird teilweise aufgehoben und dahingehend abgeändert, dass die der Beigeladenen auf ihren Antrag vom 17. April 2018 zu gewährende Vertretervergütung für den Zeitraum vom 21. Februar 2018 bis zum 20. März 2018 gemäß § 53 Abs. 10 BRAO (in der bis zum 31. Juli 2021 geltenden Fassung) auf 12.383,15 € nebst 19 % Umsatzsteuer, mithin insgesamt 14.735,95 € festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 69 % und die Beklagte zu 31 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 64 % und die Beklagte und die Beigeladene als Gesamtschuldner zu 36 % zu tragen. Die der Beigeladenen im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden zu 64 % dem Kläger auferlegt. Im Übrigen trägt die Beigeladene ihre Kosten selbst.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 15.192,10 € festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten als Rechtsanwalt zugelassen. Gegen ihn wurde mit Beschluss des Anwaltsgerichts B. vom 11. Dezember 2017 ein vorläufiges Berufsverbot angeordnet. Mit Urteil des Anwaltsgerichts vom selben Tage wurde der Kläger aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen. Der Brandenburgische Anwaltsgerichtshof hob die Entscheidungen vom 11. Dezember 2017 mit Beschluss und Urteil vom 19. März 2018 auf und stellte das Verfahren gegen den Kläger ein.
Rz. 2
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2017 bestellte die Beklagte unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung die Beigeladene zur Vertreterin des Klägers. Dieser Bescheid war Gegenstand einer Klage des Klägers vor dem Brandenburgischen Anwaltsgerichtshof (AGH ). Das Verfahren wurde in der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2019 übereinstimmend für erledigt erklärt.
Rz. 3
Die Beigeladene nahm am 13. Dezember 2017 ihre Tätigkeit als Vertreterin des Klägers auf. In diesem Rahmen erteilte sie in der Folgezeit sowohl Rechtsanwälten der Sozietät K. & D., in der sie tätig ist, als auch weiteren Rechtsanwälten Untervollmachten.
Rz. 4
Nachdem eine Einigung zwischen der Beigeladenen und dem Kläger nicht zustande gekommen war, beantragte die Beigeladene mit Schreiben vom 18. Januar 2018 und 20. Februar 2018 für die Zeiträume vom 13. Dezember 2017 bis zum 18. Januar 2018 und vom 19. Januar 2018 bis zum 19. Februar 2018 die Festsetzung von vom Kläger zu zahlenden Vergütungen. Die insoweit erlassenen Festsetzungsbescheide der Beklagten waren Gegenstand der vor dem Senat verhandelten Berufungsverfahren AnwZ (Brfg) 52/19 und AnwZ (Brfg) 53/19 (Senat, Urteile vom 28. Mai 2021, juris; AnwZ (Brfg) 52/19 auch BRAK-Mitt. 2021, 328). Auf den weiteren Vergütungsantrag der Beigeladenen vom 17. April 2018 setzte die Beklagte für den Vertretungszeitraum vom 21. Februar 2018 bis zum 20. März 2018 mit Bescheid vom 27. November 2018 eine Vergütung von 17.976,25 € netto (21.391,74 € brutto) fest. Den hiergegen mit Schreiben vom 30. November 2018 eingelegten Widerspruch des Klägers wies sie mit Bescheid vom 8. März 2019 zurück.
Rz. 5
Auf die daraufhin vom Kläger erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof - unter Abweisung der Klage im Übrigen - den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. März 2019 teilweise aufgehoben und dahingehend abgeändert, dass die der Beigeladenen zu gewährende Vertretervergütung für den Zeitraum vom 21. Februar 2018 bis zum 20. März 2018 auf 16.968,15 € netto nebst 19 % Umsatzsteuer, mithin insgesamt 20.192,10 €, festgesetzt wird. Er hat ausgeführt, der Vergütung der Beigeladenen sei ein an der Entgeltgruppe E 13 des Tarifvertrages für den Öffentlichen Dienst der Länder für das Tarifgebiet Ost orientiertes monatliches Gehalt von 3.821,96 € zugrunde zu legen. Wegen der Qualifikation der Beigeladenen als Fachanwältin für Sozialrecht sei - unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ein Teil der Arbeiten nicht von ihr, sondern von ihren diese Qualifikation nicht aufweisenden Unterbevollmächtigten ausgeführt worden sei - eine Erhöhung um 80 % auf 6.879,53 € gerechtfertigt. Wegen des Umfangs und der Schwierigkeit der Vertretung sei eine weitere Erhöhung um 80 % auf 12.383,15 € angemessen.
Rz. 6
Ferner sei ein Kanzleikostenanteil von 4.585 € zu berücksichtigen. Soweit der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen vom 28. Mai 2021 (aaO) die Berücksichtigung eines Kanzleikostenanteils bei einer angestellten Rechtsanwältin wie der Beigeladenen ablehne, folge der Senat dem nicht und halte insoweit auch nicht an seiner früheren Rechtsprechung fest. Der Bundesgerichtshof berücksichtige nicht, dass ein angestellter Rechtsanwalt Vergütungen, die er aus seiner Anwaltstätigkeit erziele, nicht für sich behalten könne, sondern analog § 667 Alt. 2 BGB an seinen Arbeitgeber herauszugeben habe. Ein angestellter Rechtsanwalt als bestellter Vertreter werde zwar im eigenen Namen, aber wirtschaftlich für einen anderen, seinen Arbeitgeber, tätig. Das rechtfertige, bei der Frage der Bemessung einer Vertretervergütung auf den hinter dem zum Vertreter bestellten angestellten Rechtsanwalt stehenden Arbeitgeber und damit auf einen selbständigen Rechtsanwalt abzustellen. Selbst wenn man nur auf den angestellten Rechtsanwalt abstellen wolle, sei zu berücksichtigen, dass er nicht allein sein Gehalt, sondern - als ungeschriebene arbeitsvertragliche Nebenpflicht - auch die anteiligen Kanzleikosten mit erwirtschaften müsse. Einem angestellten Rechtsanwalt sei es nicht zumutbar, eine Vertretung zu übernehmen, durch die er seine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten verletze und womöglich die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses riskiere. Daher sei auch bei ihm bei der Bemessung der Vertretervergütung ein Kanzleikostenanteil zu berücksichtigen. Die Situation sei insoweit der Drittschadensliquidation im Bereich des Schadensersatzrechts vergleichbar. Bei der Vertretervergütung entstünden aufgrund eines vom Vertreter mit einem anderen Rechtsanwalt als Arbeitgeber geschlossenen Anstellungsvertrages Kanzleikosten etwa für einen dem angestellten Rechtsanwalt zugeordneten Rechtsanwaltsfachangestellten und anteilige Büromiete für die von ihm genutzten Räume. Diese Kosten seien von dem Arbeitgeber-Rechtsanwalt auch zu tragen, wenn der angestellte Rechtsanwalt aufgrund einer umfangreichen Vertretertätigkeit sie nicht erwirtschaften könne. Wolle man hier einen Unterschied machen, käme es zu unangemessenen Ergebnissen. Bei einem selbständigen Rechtsanwalt als bestelltem Vertreter ginge der Kanzleikostenanteil zulasten des zu vertretenden Rechtsanwalts, bei einem angestellten Rechtsanwalt als bestelltem Vertreter hingegen zulasten seines Arbeitgebers.
Rz. 7
Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass nicht jeder zeitliche Aufwand im Rahmen einer Vertretung die Erwirtschaftung der eigenen Kanzleikosten beeinträchtige. Der Senat schließe sich insofern dem Bundesgerichtshof an, der bei einem Einsatz von sechs Stunden pro Monat die Berücksichtigung eines Kanzleikostenanteils verneint habe. Es sei ein Kanzleikostenanteil bis zur Höhe üblicher Überstunden nicht zu berücksichtigen. Dabei seien zehn Überstunden pro Monat als Grenze anzusehen. Es sei aber nicht je in Untervollmacht tätigem Kollegen ein solcher Zeitaufwand beim Kanzleikostenanteil abzuziehen, da es anderenfalls die Beigeladene in der Hand gehabt hätte, den Umfang der Stunden, für die ein Kanzleikostenanteil bei der Bemessung der Vergütung nicht zu berücksichtigen sei, zu beeinflussen.
Rz. 8
Es sei für alle in die Vertretung einbezogenen Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen der Kanzlei K. & D. ein Kanzleikostenzuschlag von 35 Euro je Stunde vorzunehmen. Lege man die von der Beigeladenen abgerechneten Tätigkeitszeiträume von gerundet 141 Stunden für alle beteiligten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zugrunde und ziehe davon die als hinnehmbar angenommenen zehn Überstunden pro Monat ab, errechne sich ein Kanzleikostenanteil von 4.585 € (131 Stunden x 35 €/Std.). Damit ergebe sich ein Gesamtbetrag von 16.968,15 € netto, zuzüglich 19 % Umsatzsteuer ein solcher von 20.192,10 €, als angemessene Vergütung gemäß § 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO (in der bis zum 31. Juli 2021 geltenden Fassung; vgl. nunmehr § 54 Abs. 4 BRAO).
Rz. 9
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen Berufung. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
Rz. 10
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Brandenburgischen Anwaltsgerichtshofs vom 15. Dezember 2022 (AGH ) abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2019 aufzuheben, soweit dort zugunsten der Beigeladenen eine Vertretervergütung von mehr als 5.000 € festgesetzt worden ist.
Rz. 11
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Rz. 12
Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Rz. 13
Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 112e Satz 2 BRAO, § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für teilweise begründet, im Übrigen für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (zur Anwendbarkeit von § 130a VwGO bei teilweiser Begründetheit der Berufung vgl. VGH Baden-Württemberg, NVwZ 1997, 691, 692; Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 130a VwGO Rn. 5 [Stand: August 2022]; Roth in Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, § 130a Rn. 3 [Stand: April 2023]). Die Verfahrensbeteiligten sind zu einer Entscheidung im Beschlusswege angehört worden. Der Kläger hat einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Die Beklagte und die Beigeladene haben hiergegen keine Einwände vorgebracht.
III.
Rz. 14
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 112e Satz 1 BRAO statthaft, weil der Anwaltsgerichtshof sie im angefochtenen Urteil zugelassen hat.
Rz. 15
Die Berufung ist auch nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 3 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 1 VwGO frist- und formgerecht begründet worden. Die Zustellung des angefochtenen Urteils an den Kläger ist am 21. Dezember 2022 erfolgt. Die zweimonatige Frist zur Begründung des Rechtsmittels war am 23. Januar 2023 noch nicht abgelaufen. Der Kläger hat die Berufungsbegründung formgerecht elektronisch von seinem beA-Postfach übermittelt, wie sich aus dem Prüfvermerk vom 23. Januar 2023 ergibt. Dass der Kläger die Begründung am selben Tag auch per Telefax übermittelt hat, ist unschädlich.
IV.
Rz. 16
Die Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Rz. 17
Nach § 161 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO aF hat der Rechtsanwalt, für den gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 BRAO von Amts wegen ein Vertreter bestellt worden ist, dem bestellten Vertreter eine angemessene Vergütung zu zahlen. Können sich - wie vorliegend - die Beteiligten über die Höhe der Vergütung nicht einigen, setzt gemäß § 161 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 10 Satz 5 BRAO aF der Vorstand der Rechtsanwaltskammer auf Antrag des Vertretenen oder des Vertreters die Vergütung fest.
Rz. 18
Der Begriff der angemessenen Vergütung im Sinne von § 53 Abs. 10 Satz 4 und 5 BRAO aF ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (Senat, Urteil vom 28. Mai 2021 - AnwZ (Brfg) 52/19, BRAK-Mitt. 2021, 328 Rn. 19 mwN). Für ihre Festsetzung sind im Wesentlichen der Zeitaufwand, den der Vertreter für die Bewältigung seiner Aufgabe benötigt, seine berufliche Erfahrung und Stellung sowie die Schwierigkeit und Dauer der Vertretung von Bedeutung. Anhaltspunkt für die Bemessung einer - vorliegend vom Anwaltsgerichtshof ermittelten - monatlichen Pauschalvergütung ist das Gehalt, das für einen Angestellten oder sogenannten freien Mitarbeiter in einer Anwaltspraxis gezahlt wird. Dabei sind regionale Unterschiede zu berücksichtigen (Senat, Urteil vom 28. Mai 2021, aaO mwN).
Rz. 19
In Anwendung dieser Grundsätze erscheint für den streitgegenständlichen Vertretungszeitraum eine Vergütung von insgesamt 12.383,15 € nebst 19 % Umsatzsteuer (14.735,95 € brutto) als angemessen im Sinne von § 53 Abs. 10 Satz 4 und 5 BRAO aF.
Rz. 20
1. Soweit der Anwaltsgerichtshof als Ausgangspunkt seiner Berechnung ein an der Entgeltgruppe E 13 des Tarifvertrages für den Öffentlichen Dienst der Länder für das Tarifgebiet Ost orientiertes monatliches Gehalt von 3.821,96 € gewählt hat, entspricht dies der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 28. Mai 2021, aaO Rn. 25 ff.) und wird dies auch von der Berufung nicht angegriffen.
Rz. 21
2. Zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof die festzusetzende Vergütung in Anbetracht der Qualifikation der Beigeladenen als Fachanwältin für Sozialrecht erhöht (vgl. Senat, Urteil vom 28. Mai 2021, aaO Rn. 28 ff.). Soweit der Kläger vorträgt, auf spezielle Kenntnisse im Sozialrecht sei es in den bearbeiteten Fällen nicht angekommen, übersieht er, dass eine auf den Zeitpunkt der Bestellung der Beigeladenen abstellende "ex ante" - Sicht maßgeblich ist. Danach erschien die Bestellung einer Fachanwältin für Sozialrecht als Vertreterin für den überwiegend sozialrechtlich tätigen Kläger besonders geeignet (Senat, Urteil vom 28. Mai 2021, aaO Rn. 28).
Rz. 22
Hinsichtlich des Verdienstes von Fachanwälten für Sozialrecht - als Maßstab für die wegen dieses Fachanwaltstitels der Beigeladenen vorzunehmende Erhöhung ihrer Vergütung - kann schon deshalb nicht die vom Kläger in Bezug genommene Quelle herangezogen werden, weil sie lediglich das aktuelle Gehalt von Fachanwälten für Sozialrecht (in Berlin) darstellt, nicht hingegen das Durchschnittsgehalt im Jahr 2018. Nach dem sogenannten STAR-Bericht 2020 der Bundesrechtsanwaltskammer und des Instituts für Freie Berufe (https://www.brak.de/presse/zahlen-und-statistiken/star/star-2020/; Abb. 3.1.10 und 3.2.10) beträgt für das Jahr 2018 die Differenz zwischen den Honorarumsätzen von selbständig tätigen, nicht spezialisierten Anwälten (Ost) und selbständig tätigen Fachanwälten (Ost) rund 97 % (78.000 €/154.000 €). Im Hinblick auf den durchschnittlichen persönlichen Überschuss aus selbständiger Tätigkeit besteht zwischen ihnen sogar eine Differenz von rund 128 % (32.000 €/73.000 €). Vor dem Hintergrund dieses Datenmaterials ist die vom Anwaltsgerichtshof in Anbetracht der Qualifikation der Beigeladenen vorgenommene Erhöhung des Gehalts nach "TVL13 Ost" im Ansatz um 100 % nicht zu beanstanden. Ebenfalls zutreffend hat der Anwaltsgerichtshof sodann berücksichtigt, dass nicht alle von der Beigeladenen in dem ihrem Vergütungsantrag beigefügten Nachweis aufgelisteten Tätigkeiten von ihr persönlich - als für die Vertretung des Klägers besonders qualifizierte Fachanwältin für Sozialrecht - ausgeführt wurden, und daher eine Erhöhung um insgesamt 80 % der festzusetzenden Vergütung als angemessen erachtet (vgl. Senat, Urteil vom 28. Mai 2021, aaO Rn. 31). Somit ergibt sich im Rahmen einer - vom Anwaltsgerichtshof zugrunde gelegten - Monatspauschale eine solche von 6.879,53 €.
Rz. 23
3. Die vom Anwaltsgerichtshof wegen Umfang und Schwierigkeit der Vertretung vorgenommene weitere Erhöhung der Vergütung um 80 % auf 12.383,15 € ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Anwaltsgerichtshof hat sich hierbei auf das Urteil des Senats vom 28. Mai 2021 in dem Verfahren AnwZ (Brfg) 53/19 betreffend den Vertretungszeitraum 19. Januar 2018 bis 19. Februar 2018 bezogen und ausgeführt, die Schwierigkeiten hätten sich im hier zu beurteilenden Zeitraum nicht vermindert.
Rz. 24
a) Der Kläger macht in seiner Berufungsbegründung vom 23. Januar 2023 im Hinblick auf die Schwierigkeit der Vertretung geltend, seine Mitarbeiter S., A. und H. hätten, nachdem die von ihm ausgesprochenen Kündigungen ihrer Arbeitsverhältnisse vom Arbeitsgericht C. als unwirksam angesehen worden seien, der Beigeladenen ihre Arbeitskraft angeboten. Indes hatte die Beigeladene nach den Geschehnissen zu Beginn des Jahres 2018 - mit Hilfe und unter Einsatz der Rechtsanwälte und Mitarbeiter der Kanzlei K. & D. - zwischenzeitlich eine neue Vertretungsstruktur aufgebaut, in deren Rahmen von einer Weiterbeschäftigung einzelner Mitarbeiter des Klägers keine wesentliche Vereinfachung der Vertretungstätigkeit zu erwarten war. Die Beigeladene hatte daher keine Veranlassung, auf die Arbeitsangebote dieser Mitarbeiter einzugehen.
Rz. 25
Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung darüber hinaus anführt, die Beigeladene habe Zugriff auf die technischen Ressourcen des Unterzeichners gehabt, kam bereits der nicht vollständig gegebenen Zugänglichkeit der elektronischen Aktenführung im vorangegangenen Zeitraum bei der Gesamtbewertung der Schwierigkeit der Vertretung nur eine geringe Bedeutung zu (vgl. Senat, aaO Rn. 42). Sollte die Zugänglichkeit für den nunmehr zu bewertenden Zeitraum vollständig gegeben gewesen sein, führte dies - in Anbetracht der vom Anwaltsgerichtshof als fortbestehend festgestellten weiteren Schwierigkeiten der Vertretung - nicht zu einer im Verhältnis zum Verfahren AnwZ (Brfg) 53/19 abweichenden Bemessung der Erhöhung der Vergütung.
Rz. 26
Soweit der Kläger meint, die vom Anwaltsgerichtshof angenommenen Schwierigkeiten der Vertretung rechtfertigten allenfalls einen höheren Zeitaufwand, nicht aber einen höheren "Stundensatz", trifft dies nicht zu. Umfang und Schwierigkeit der Vertretung sind nach der Senatsrechtsprechung Kriterien, die beide bei der Bemessung der Vergütung des Vertreters zu berücksichtigen sind. Dabei wird dem Umfang der Vertretung durch die zu berücksichtigende Stundenzahl beziehungsweise durch den Ansatz einer Pauschalvergütung im Umfang eines ganzen Monats und einer besonderen Schwierigkeit der Vertretung durch eine Erhöhung der sich danach ergebenden Vergütung des Vertreters Rechnung getragen.
Rz. 27
Weitere Einwände sind vom Kläger im Hinblick auf die vom Anwaltsgerichtshof angenommene besondere Schwierigkeit der Vertretung und die dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht geltend gemacht worden.
Rz. 28
b) Der Kläger macht im Hinblick auf den Umfang der Vertretung in der Berufungsbegründung - erstmals - geltend, die von der Beigeladenen in ihrem Vergütungsfestsetzungsantrag aufgeführten Tätigkeiten "Durchsuchung Kripo" vom 5. März 2018 und "Terminanreise und Wahrnahme beim AG S. am 13.03.2018 in Sachen L../. J. " seien nicht im Rahmen der Vertretertätigkeit erbracht worden beziehungsweise erforderlich gewesen. Die vorgenannten Tätigkeiten werden indes in der Anlage zum Vergütungsfestsetzungsantrag der Beigeladenen lediglich mit insgesamt 259 Minuten angegeben. Ihr Anteil an der gesamten, seitens des Anwaltsgerichthofs festgestellten Vertretungstätigkeit von 8.437 Minuten (S. 6 des angefochtenen Urteils) ist derart gering (3,07 %), dass er - den fehlenden Bezug der Tätigkeiten zur Vertretung unterstellt - die Höhe der vom Anwaltsgerichtshof angesetzten Monatspauschale nicht beeinflusst (vgl. Senat, Urteil vom 28. Mai 2021, aaO Rn. 24 zur Festsetzung von Monatspauschalen bei umfangreichen, länger andauernden Vertretungen). Auf den hierzu seitens der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 20. März 2023 (S. 4 f.) gehaltenen Sachvortrag kommt es daher nicht an.
Rz. 29
4. Die Berufung hat allerdings insoweit Erfolg, als - entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs - kein Kanzleikostenanteil zu berücksichtigen ist.
Rz. 30
a) Der Anwaltsgerichtshof hat im Hinblick auf die Berücksichtigung eines Kanzleikostenanteils in seinem Urteil vom 29. November 2010 (AGH I 1/10, juris Rn. 43 ff.) im Fall des Abwicklers einer Anwaltskanzlei ausgeführt, dass aus dem Gehalt eines angestellten Rechtsanwalts - als Ausgangspunkt für die Bemessung der Vertretervergütung - nicht die Kosten der Kanzlei gedeckt werden müssten, in der er angestellt sei. Ein in eigener Kanzlei selbständiger Rechtsanwalt müsse dagegen aus seiner Vergütung nicht nur seinen Gewinn erwirtschaften, sondern auch die Kosten seiner Kanzlei tragen, die er auch während der Zeit der Vertretertätigkeit aufbringen müsse, ohne dass in diesem Zeitraum entsprechende Einnahmen erwirtschaftet werden könnten.
Rz. 31
Diesem Ansatz ist der Senat in seinen Urteilen vom 28. Mai 2021 gefolgt (AnwZ (Brfg) 52/19, BRAK-Mitt. 2021, 328 Rn. 62 f. und AnwZ (Brfg) 53/19, juris Rn. 58 f.). Er hat ausgeführt, der Ansatz eines Kanzleikostenanteils als zusätzlicher Bestandteil der gemäß § 53 Abs. 10 Satz 4 und 5 BRAO aF festzusetzenden angemessenen Vergütung erscheine gerechtfertigt, wenn ein selbständiger Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei zum Vertreter bestellt werde und eine Vertretungstätigkeit von erheblichem Umfang erforderlich sei. Ein Kanzleikostenanteil könne dagegen nicht berücksichtigt werden, soweit es sich bei dem bestellten Vertreter um einen angestellten Rechtsanwalt ohne eigene Kanzlei handele.
Rz. 32
Der Anwaltsgerichtshof hält nunmehr im Hinblick auf die Berücksichtigung eines Kanzleikostenanteils bei einer angestellten Rechtsanwältin wie der Beigeladenen an seiner früheren Rechtsprechung nicht mehr fest und folgt auch der - diese bestätigenden - neueren Senatsrechtsprechung nicht.
Rz. 33
b) Das überzeugt nicht.
Rz. 34
aa) Nach § 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO aF hat der Vertretene dem von Amts wegen bestellten Vertreter eine angemessene Vergütung zu zahlen. Es handelt sich um eine Regelung über die Entschädigung des Vertreters (Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte, der Patentanwälte und der Notare, BT-Drucks. 10/3854, S. 29). Das Gesetz stellt mithin in Bezug auf die zu zahlende Vergütung allein auf den von Amts wegen bestellten Vertreter ab. Dementsprechend sind hinsichtlich der Höhe einer angemessenen Vergütung ausschließlich die Person des Vertreters und die von ihm ausgeübte Tätigkeit maßgeblich, das heißt der Zeitaufwand, den der Vertreter für die Bewältigung seiner Aufgabe benötigt, seine berufliche Erfahrung und Stellung sowie die Schwierigkeit und Dauer der Vertretung (s.o.). Zu berücksichtigen sind auch die (weiterlaufenden) Kosten der vom Vertreter eingerichteten und unterhaltenen Kanzlei (Senat, Urteil vom 28. Mai 2021 - AnwZ (Brfg) 52/19, aaO Rn. 62). Denn auch diese treffen die Person des Vertreters unmittelbar.
Rz. 35
Dagegen sieht das Gesetz keine Entschädigung Dritter vor. Es ist offensichtlich, dass die hoheitliche Heranziehung von Angestellten zu Aufgaben, deren Wahrnehmung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Februar 1998 - AnwZ (B) 71/97, NJW-RR 1999, 359 zu den Interessen der Rechtspflege, denen mit der Vertreterbestellung Rechnung getragen werden soll), auch jenseits des dem Angestellten zu zahlenden Gehalts wirtschaftliche Nachteile für dessen Arbeitgeber haben kann, sei es in Gestalt des Ausfalls des durch die Arbeit des Angestellten zu erzielenden Gewinns, sei es durch die vergebliche Vorhaltung sachlicher und personeller Mittel zur Ermöglichung dieser Arbeit. Dennoch hat der Gesetzgeber - wie auch in anderen Fällen (vgl. etwa § 15 ff. JVEG betreffend die Entschädigung von ehrenamtlichen Richtern) - von einer Entschädigungsregelung in Bezug auf solche Nachteile Dritter abgesehen. Diese Entscheidung des Gesetzgebers ist zu respektieren. Sie darf insbesondere nicht dadurch unterlaufen werden, dass über den Vergütungsanspruch des Vertreters mittelbar auch wirtschaftliche Nachteile ausgeglichen werden, die nicht ihm, sondern Dritten, etwa seinem Arbeitgeber, entstanden sind.
Rz. 36
bb) Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs ist die Frage, ob ein angestellter Rechtsanwalt Vergütungen, die er aus seiner Anwaltstätigkeit erzielt, analog § 667 Alt. 2 BGB an seinen Arbeitgeber herauszugeben hat (verneinend für den angestellten Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter: BAG, NZA 2021, 273 Rn. 46, 48; bejahend das vom Anwaltsgerichtshof herangezogene, vom Bundesarbeitsgericht indes aufgehobene Urteil des LAG München vom 19. Dezember 2018 für die Vergütung eines zum Pflichtverteidiger bestellten angestellten Rechtsanwalts (8 Sa 219/17, juris Rn. 117 ff.; aufgehoben durch BAG, BeckRS 2019, 23687)), in vorliegendem Zusammenhang ohne Bedeutung. Es handelt sich um einen rechtlichen Gesichtspunkt, der allein das zwischen dem angestellten Rechtsanwalt und seinem Arbeitgeber bestehende Dienstverhältnis betrifft. Aus ihm können keine Rückschlüsse auf die Bemessung der Vergütung des angestellten Rechtsanwalts als amtlich bestelltem Vertreter gezogen werden.
Rz. 37
cc) Dass, wie der Anwaltsgerichtshof meint (unter II 2.3 c dd (3) des angefochtenen Urteils) der angestellte Rechtsanwalt durch seine Tätigkeit als amtlich bestellter Vertreter gegenüber seinem Arbeitgeber arbeitsvertragliche Nebenpflichten verletzt und hierdurch die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses riskiert, liegt fern. Es ist bereits fraglich, ob ihn eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht trifft, die anteiligen Kanzleikosten seines Arbeitgebers mit zu erwirtschaften. Eine solche Pflicht bestünde jedenfalls nicht für den Zeitraum, in dem der angestellte Rechtsanwalt durch einen Verwaltungsakt der zuständigen Rechtsanwaltskammer gemäß § 53 Abs. 5 BRAO aF - für ihn grundsätzlich verpflichtend (vgl. § 53 Abs. 5 Satz 3 BRAO aF) - zum Vertreter eines Rechtsanwalts bestellt und hierdurch gehindert wird, für seinen Arbeitgeber tätig zu werden. Dies gilt erst recht, wenn man annähme, dass der angestellte Rechtsanwalt mit der Tätigkeit als amtlich bestellter Vertreter seine Arbeitspflicht gegenüber seinem Arbeitgeber erfüllt (so das - vom Anwaltsgerichtshof herangezogene - Urteil des LAG München vom 19. Dezember 2018 in Bezug auf die Tätigkeit als Pflichtverteidiger (aaO Rn. 121)).
Rz. 38
dd) Ob die weiteren Überlegungen des Anwaltsgerichtshofs zur Notwendigkeit eines Ausgleichs der Kanzleikosten des Arbeitgebers eines gemäß § 53 Abs. 5 BRAO aF zum Vertreter bestellten Rechtsanwalts (unter II 2.3 d dd (4) des angefochtenen Urteils) inhaltlich zu überzeugen vermögen, kann vorliegend offenbleiben. Sollen bei der öffentlich-rechtlichen Heranziehung einer Person zur Wahrnehmung von im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben über die unmittelbare Vergütung der Tätigkeit des Vertreters hinaus wirtschaftliche Nachteile Dritter im Sinne einer vergütungsrechtlichen "Drittschadensliquidation" (vgl. S. 10 des angefochtenen Urteils) ausgeglichen werden, bedarf dies jedenfalls einer ausdrücklichen Entscheidung und Regelung durch den Gesetzgeber. Da eine solche gesetzliche Regelung für den Fall der amtlichen Bestellung des Vertreters eines Rechtsanwalts gemäß § 53 Abs. 5 BRAO aF fehlt, können die Kanzleikosten des Arbeitgebers des zum Vertreter bestellten angestellten Rechtsanwalts bei der Bemessung von dessen Vergütung nicht berücksichtigt werden.
Rz. 39
Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist eine planwidrige gesetzliche Regelungslücke nicht erkennbar. Der Begriff der "angemessenen" Vergütung in § 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO aF ermöglicht es, der besonderen Schwierigkeit und dem besonderen Umfang der Vertretung einer sehr großen Einzelkanzlei - wie vorliegend auch geschehen - hinreichend Rechnung zu tragen. Der zusätzliche Ansatz eines Kanzleikostenanteils wird hierdurch nicht gerechtfertigt.
Rz. 40
c) Danach ist vorliegend kein Kanzleikostenanteil anzusetzen.
Rz. 41
aa) Hinsichtlich der Tätigkeit der Beigeladenen, die nicht Gesellschafterin der Sozietät K. & D. war, ist ein Kanzleikostenanteil nicht zu berücksichtigen (vgl. bereits Senat, Urteil vom 28. Mai 2021 - AnwZ (Brfg) 52/19, BRAK-Mitt. 2021, 328 Rn. 65). Dasselbe gilt hinsichtlich der Tätigkeit der Rechtsanwältin K. W., die im Vertretungszeitraum ebenfalls nicht Gesellschafterin der Kanzlei K. & D. war (vgl. Senat, aaO Rn. 69).
Rz. 42
bb) Rechtsanwalt A. W., der - aus Sicht des Bestellungsbescheides: planmäßig - mit Untervollmacht Vertretungstätigkeiten wahrgenommen hat (vgl. hierzu Senat, aaO Rn. 66), ist zwar Sozius der Kanzlei K. & D.. Allerdings war er während des Vergütungszeitraums nur in einem Umfang von rund fünf Stunden (297 Min.) tätig. Der Ansatz eines Kanzleikostenanteils kommt aber hinsichtlich solcher Rechtsanwälte nicht in Betracht, deren Vertretungstätigkeit ihre Arbeitszeit nur in geringem Umfang - vergleichbar mit einer begrenzten Anzahl von zu leistenden Überstunden - in Anspruch nimmt, so dass sie eigene Mandate in üblichem Umfang weiterbearbeiten und hieraus die Kosten ihrer eigenen Kanzlei decken können (Senat, aaO Rn. 62). Dies ist im Hinblick auf Rechtsanwalt A. W. der Fall. Dasselbe gilt für die Tätigkeit von Rechtanwalt C. Kö., der während des Vergütungszeitraums nur in einem Umfang von vier Stunden (240 Min.) tätig war.
Rz. 43
Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob nach den vorstehenden, vom Senat entwickelten Grundsätzen bei der Bemessung des Kanzleikostenanteils für jeden der mit Untervollmacht tätig gewordenen Sozien der Kanzlei K. & D. ein an einer begrenzten Zahl von Überstunden orientierter Zeitraum in Abzug zu bringen ist oder ob insofern, wie der Anwaltsgerichtshof meint (S. 13 des angefochtenen Urteils), eine (Gesamt-)Grenze besteht, die der Anwaltsgerichtshof mit zehn Stunden pro Monat angesetzt hat. Denn in jedem Fall scheidet vorliegend für die - allein zu berücksichtigenden Sozien (s.o. zu b) - ein Kanzleikostenanteil aus. Weder hat einer von ihnen in erheblichem Umfang Vertretungstätigkeiten wahrgenommen noch überschreiten ihre Vertretungstätigkeiten einen Gesamtumfang von zehn Stunden.
Rz. 44
5. Die Vertretungstätigkeit der Beigeladenen und der von ihr unterbevollmächtigten Rechtsanwälte unterliegt der Umsatzsteuer. Sie findet ihre Grundlage nicht in dem mit dem Arbeitgeber der Beigeladenen bestehenden Anstellungsverhältnis, sondern in der öffentlich-rechtlichen Bestellung der Beigegeladenen als amtliche Vertreterin des Klägers durch die Beklagte. Der gemäß § 53 Abs. 5 BRAO aF amtlich bestellte Vertreter ist Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne (§ 2 Abs. 1 UStG; vgl. für den Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter BFH, Urteil vom 20. Februar 1986 - V R 16/81, juris Rn. 12, 15; Wolgast in Schmidt/Wischemeyer/Wolgast, Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung, 1. Aufl., § 7 InsVV Rn. 8; Riedel in Stephan/Riedel, Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung, 2. Aufl., § 7 InsVV Rn. 2; für den Kanzleiabwickler: BFH, DStRE 2020, 1192 Rn. 22). Er erbringt, im Austausch gegen die mit dem Vertretenen vereinbarte oder durch die Rechtsanwaltskammer festzusetzende Vergütung, eine entgeltliche sonstige Leistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG.
Rz. 45
Die von einem für eine Rechtsanwaltskanzlei tätigen Rechtsanwalt in Gestalt der amtlichen Vertretung gemäß § 53 Abs. 5 BRAO aF ausgeführten Umsätze mögen - wenn auch allein umsatzsteuerrechtlich - der Rechtsanwaltskanzlei zuzurechnen sein (so für den Insolvenzverwalter: BMF, Schreiben vom 28. Juli 2009 - IV B 8 - S 7100/08/10003, BStBl I 2009, 864; Schmittmann, ZRI 2021, 705, 706 f.; Wolgast, aaO; aA Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rn. 568 f. (Stand: Juli 2020); Riedel, aaO Rn. 2 f.; Sterzinger, NZI 2009, 208, 210 f.; Siebert, UStB 2009, 266, 267 ff.) mit der Folge, dass - wie hier geschehen - die Abrechnung des Vertreters gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 UStG die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Rechtsanwaltskanzlei anzugeben hat. Auch in diesem Fall kann indes die Umsatzsteuer durch den amtlich bestellten Vertreter gegenüber dem Vertretenen als Leistungsempfänger abgerechnet werden. Die Abrechnung erfolgt insofern für die Rechtsanwaltskanzlei. Die Umsatzsteuer ist auch dann Bestandteil der von der Rechtsanwaltskammer festzusetzenden Vergütung.
Rz. 46
Soweit der Kläger - ohne weitere Angabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auf die er sich beruft - mit Schriftsatz vom 8. Mai 2023 erstmals ein Zurückbehaltungsrecht wegen der fehlenden Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und Steuernummer der Beigeladenen in ihrem Vergütungsfestsetzungsantrag geltend macht (zum Zurückbehaltungsrecht des Leistungsempfängers bei (vollständiger) Verweigerung der Erteilung einer Rechnung vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2014 - VII ZR 247/13, WM 2014, 1928 Rn. 12 f. mwN), steht dem entgegen, dass bei - wie vorstehend angenommen - umsatzsteuerrechtlicher Zurechnung der Tätigkeit der Beigeladenen zu der Rechtsanwaltskanzlei die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der letzteren und nicht diejenige der Beigeladenen anzugeben ist.
Rz. 47
6. Nach alledem ergibt sich eine festzusetzende Vergütung von 12.383,15 € netto und mithin eine solche von 14.735,95 € brutto.
V.
Rz. 48
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1, 2 und 3, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Limperg |
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Remmert |
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Grüneberg |
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Merk |
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Schmittmann |
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Fundstellen
DStR 2023, 16 |
DStR 2023, 2462 |
DStRE 2024, 696 |
NJW 2023, 2579 |
NJW-Spezial 2023, 606 |
BRAK-Mitt. 2023, 335 |