Leitsatz (amtlich)
Wird das auf Antrag des Schuldners eröffnete Verbraucherinsolvenzverfahren in ein Regelinsolvenzverfahren übergeleitet, hat der Schuldner hiergegen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde.
Wird das Verfahren auf Eigenantrag des Schuldners als Verbraucherinsolvenz eröffnet, steht hiergegen einem Gläubiger ein Beschwerderecht auch nicht mit dem Ziel zu, das Verfahren als Regelinsolvenzverfahren fortzuführen.
Normenkette
InsO § 34 Abs. 1, § 304 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 16.07.2010; Aktenzeichen 85 T 130/09) |
AG Berlin-Spandau (Beschluss vom 24.06.2009; Aktenzeichen 38 IK 70/09) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der Zivilkammer 85 des LG Berlin vom 16.7.2010 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des AG Spandau vom 24.6.2009 wird als unzulässig verworfen.
Die weitere Beteiligte zu 2) trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Mit Eigenantrag vom 3.3.2009 beantragte der Schuldner beim AG Charlottenburg die Durchführung eines Regelinsolvenzverfahrens. Mit Beschluss vom 30.3.2009 wurde für das Eröffnungsverfahren ein Gutachter bestellt. Der Schuldner nahm am 16.4.2009 seinen Eigenantrag zurück.
Rz. 2
Auf weiteren Eigenantrag des Schuldners vom 2.3.2009 eröffnete das AG Spandau mit Beschluss vom 14.4.2009 über das Vermögen des Schuldners ein Verbraucherinsolvenzverfahren.
Rz. 3
Mit Schriftsatz vom 6.5.2009 hat die weitere Beteiligte zu 2), ein Kreditinstitut, die als Gläubigerin eine Forderung i.H.v. 5.479.168 EUR verfolgt, beantragt, das Verfahren in ein Regelinsolvenzverfahren überzuleiten und das Verfahren an das für Regelinsolvenzverfahren zuständige AG Charlottenburg zu verweisen. Mit Beschluss vom 24.6.2009 hat das AG Spandau diesen Antrag zurückgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2) hat das LG mit Beschluss vom 16.7.2010 das Verfahren in ein Regelinsolvenzverfahren übergeleitet und das Verfahren an das für Regelinsolvenzverfahren zuständige AG Charlottenburg verwiesen. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft.
Rz. 5
Voraussetzung hierfür ist nach § 7 a.F. InsO, Art. 103 f Satz 1 EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, dass für den Rechtsbeschwerdeführer das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 6 Abs. 1 InsO eröffnet war (vgl. BGH, Beschl. v. 6.3.2000 - IX ZB 2/00, BGHZ 144, 78, 82; v. 4.3.2004 - IX ZB 133/03, BGHZ 158, 212, 214; vom 11.1.2007 - IX ZB 10/05, ZVI 2007, 268 Rz. 4; v. 26.4.2007 - IX ZB 221/04, WM 2007, 1074 Rz. 3). Dies gilt nicht nur dann, wenn er selbst die Beschwerde erhoben hatte, sondern auch, wenn diese von einem anderen Verfahrensbeteiligten eingelegt war. Auch in diesem Fall ist die Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung des LG nur statthaft, wenn gegen eine entsprechende erstinstanzliche Entscheidung die sofortige Beschwerde nach § 6 InsO eröffnet gewesen wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 14.12.2005 - IX ZB 54/04, NZI 2006, 239 Rz. 4; vom 26.4.2007, a.a.O.). Dies war hier der Fall.
Rz. 6
1. Gegen die Zurückweisung des Antrags auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens steht dem Schuldner das Recht zur Beschwerde zu. Die für das allgemeine Verfahren maßgebliche Bestimmung des § 34 Abs. 1 InsO, welche für den Schuldner als Antragsteller die Beschwerdebefugnis gegen die Zurückweisung des Eigenantrags einräumt, gilt aufgrund der Verweisung in § 304 Abs. 1 Satz 1 InsO auch für das Verbraucherinsolvenzverfahren (BGH, Beschl. v. 22.10.2009 - IX ZB 195/08, ZInsO 2009, 2262 Rz. 4; OLG Celle ZIP 2000, 802, 803; Landfermann in HK/InsO, 6. Aufl., § 304 Rz. 14; HmbKomm-InsO/Streck, 4. Aufl., § 304 Rz. 10).
Rz. 7
2. Wird - wie im Streitfall - der Eröffnungsantrag des Schuldners nicht zurückgewiesen, sondern das Verfahren nach Eröffnung als Verbraucherinsolvenz in ein Regelinsolvenzverfahren übergeleitet, so ist für den Schuldner hiergegen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eröffnet.
Rz. 8
a) Nach ganz überwiegender Ansicht ist das Insolvenzgericht an die vom Schuldner gewählte Verfahrensart gebunden; es darf das Verfahren nicht in einer anderen als der beantragten Verfahrensart eröffnen (OLG Köln, ZInsO 2000, 612, 613; LG Göttingen, ZInsO 2007, 166, 167; MünchKomm/InsO/Ganter, 2. Aufl., § 5 Rz. 6; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 304 Rz. 34; Braun/Buck, InsO, 5. Aufl., § 304 Rz. 17; FK-InsO/Kothe/Busch, 7. Aufl., § 304 Rz. 53; Landfermann in HK/InsO, a.a.O., Rz. 14; Kirchhof in HK/InsO, a.a.O., § 14 Rz. 5; Henning in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 304 Rz. 56; Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 304 Rz. 7; Andres/Leithaus, InsO, 2. Aufl., § 304 Rz. 14; Gottwald/Uhlenbruck, Insolvenzrechts-Handbuch 4. Aufl., § 9 Rz. 9; Mohrbutter/Ringstmeier/Pape/Sietz, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 16 Rz. 22; Henckel, ZIP 2000, 2045, 2052). Bei einem Verstoß gegen diese Bindung ist für den Schuldner, der an seiner Antragstellung im Verbraucherinsolvenzverfahren festhalten will, nach ganz überwiegender Ansicht auch das Rechtsmittel der Beschwerde eröffnet (OLG Celle ZIP 2000, 802, 803; OLG Schleswig, NZI 2000, 164; LG Göttingen, a.a.O.; noch offengelassen von BGH, Beschl. v. 21.2.2008 - IX ZB 62/05, BGHZ 175, 307 Rz. 16; Landfermann in HK/InsO, a.a.O., Rz. 14; FK-InsO/Kothe/Busch, a.a.O.; Kirchhof in HK/InsO, a.a.O., § 34 Rz. 8; HmbKomm-InsO/Streck, a.a.O., Rz. 10; Henning in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, a.a.O., Rz. 56; Graf-Schlicker/Sabel, InsO, 3. Aufl., § 304 Rz. 4; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2009, § 34 Rz. 51; Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, a.a.O., Rz. 8; Mohrbutter/Ringstmeier/Pape/Sietz, a.a.O., Rz. 22; a.A. Schmahl in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 34 Rz. 67). Nur vereinzelt wird die Auffassung vertreten, das Insolvenzgericht müsse in einem solchen Fall den Antrag von Amts wegen analog § 17a GVG in das als zulässig erachtete Regelinsolvenzverfahren überführen (Bork, ZIP 1999, 301, 303; Römermann in Nerlich/Römermann, InsO, 2011, § 304 Rz. 26).
Rz. 9
b) Die erstgenannte Auffassung ist zutreffend. Die Eröffnung in der anderen Verfahrensart beschwert den antragstellenden Schuldner ebenso wie die Überleitung des antragsgemäß eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahrens in ein Regelinsolvenzverfahren im Hinblick auf die strukturellen Unterschiede zwischen beiden Verfahrensarten.
Rz. 10
aa) Die Einführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens beruht auf der Erwägung, für Kleininsolvenzen ein vereinfachtes, flexibles und nicht zuletzt kostensparendes Verfahren zu schaffen (BGH, Beschl. v. 21.2.2008 - IX ZB 62/05, BGHZ 175, 307 Rz. 15; FK-InsO/Kothe/Busch, a.a.O., Rz. 2). Im Gegensatz zum Regelinsolvenzverfahren zeichnet sich das Verbraucherinsolvenzverfahren dadurch aus, dass ihm ein gerichtliches Schuldenbereinigungsplanverfahren vorgeschaltet ist, das ggf. auch im eröffneten Verfahren fortgesetzt werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 25.9.2008 - IX ZB 233/07, ZInsO 2008, 1324 Rz. 9). Bei der Eröffnung eines vereinfachten Verfahrens ist anstelle eines Insolvenzverwalters (§ 27 Abs. 1 Satz 1 InsO) ein Treuhänder zu ernennen (§ 313 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO). Ihm obliegen allerdings grundsätzlich die im Regelinsolvenzverfahren von dem Insolvenzverwalter wahrzunehmenden Aufgaben (§ 313 Abs. 1 Satz 1 InsO). Ebenso wie der Insolvenzverwalter hat er die Insolvenzmasse einschließlich des Neuerwerbs in Besitz zu nehmen, zu sichern und im Interesse der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zu verwerten (§ 159 InsO). Eine wesentliche Begrenzung der Amtsbefugnisse des Treuhänders im Vergleich zu einem Insolvenzverwalter sieht dagegen § 313 Abs. 2 und 3 InsO bei der Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen und bei der Verwertung mit Absonderungsrechten belasteter Gegenstände vor. Das Regelinsolvenzverfahren und das Verbraucherinsolvenzverfahren bilden daher einander ausschließende, unterschiedlich strukturierte Verfahrensarten (BGH, Beschl. v. 21.2.2008, a.a.O., Rz. 16; FK-Kothe/Busch, a.a.O., § 304 Rz. 50; HmbKomm-InsO/Streck, a.a.O., § 304 Rz. 9; Kübler/Prütting/Wenzel, a.a.O., § 304 Rz. 6). Liegen die Voraussetzungen eines Regelinsolvenzverfahrens vor, darf kein Verbraucherinsolvenzverfahren und umgekehrt unter den Voraussetzungen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens kein Regelinsolvenzverfahren eröffnet werden.
Rz. 11
bb) Wird ein auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gerichteter Antrag mit der Begründung abgewiesen, es lägen die Voraussetzungen eines Regelinsolvenzverfahrens vor, ist der Schuldner gem. § 34 Abs. 1 InsO beschwerdeberechtigt. Aus welchem Grund die Antragszurückweisung erfolgt, ist für die Frage der Beschwerdebefugnis unerheblich.
Rz. 12
Wird nicht die Verfahrenseröffnung abgelehnt, sondern nach Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens die Überleitung in das Regelinsolvenzverfahren ausgesprochen, ist die Beschwerdeberechtigung des Schuldners ebenfalls zu bejahen. Nach der Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens ist eine Überleitung in das Regelinsolvenzverfahren nach der Systematik des Gesetzes ausgeschlossen, sobald die im Eröffnungsbeschluss getroffene Entscheidung, welche Verfahrensart eingreift, mit Ablauf der Beschwerdefrist unanfechtbar geworden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 21.2.2008, a.a.O., Rz. 16; v. 24.3.2011 - IX ZB 80/11, ZInsO 2011, 932 Rz. 8). Verstößt das Insolvenzgericht oder - wie hier - das an seine Stelle tretende Beschwerdegericht gegen diesen Grundsatz, so kann der Schuldner sein Beschwerderecht auch gegen die verfahrenswidrige Überleitung ausüben.
III.
Rz. 13
Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil das vom LG geübte Verfahren an einem Fehler leidet.
Rz. 14
1. In der Rechtsbeschwerdeinstanz ist die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschl. v. 23.10.2003 - IX ZB 369/02, NZI 2004, 166; v. 6.5.2004 - IX ZB 104/04, NZI 2004, 447; v. 21.12.2006 - IX ZB 81/06, ZVI 2007, 90 Rz. 6; v. 25.6.2009 - IX ZB 161/08, ZIP 2009, 1495 Rz. 8). War die sofortige Beschwerde statthaft, aber unzulässig, hat das Beschwerdegericht sie jedoch sachlich beschieden, und sei es durch Zurückweisung, ist diese Entscheidung auf eine zulässige Rechtsbeschwerde hin aufzuheben und die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (vgl. BGH, Beschl. v. 6.5.2004, a.a.O.; vom 21.12.2006, a.a.O.; vom 25.6.2009, a.a.O., Rz. 7).
Rz. 15
2. Die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2) war unstatthaft. Dieser stand als Gläubigerin kein Beschwerderecht gegen die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens zu. Das Verfahren wurde auf Eigenantrag des Schuldners eröffnet; mithin war die weitere Beteiligte keine Antragstellerin i.S.d. § 34 Abs. 1 InsO. Nach unanfechtbarer Eröffnung des Verfahrens als Verbraucherinsolvenzverfahren bestand, worauf das AG zu Recht hingewiesen hat, ohnehin kein Beschwerderecht zugunsten der Gläubigerin. Damit ist die angefochtene Entscheidung des LG auf die zulässige Rechtsbeschwerde hin aufzuheben und die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (vgl. BGH, Beschl. v. 25.6.2009, a.a.O., Rz. 6).
Fundstellen