Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 01.04.2003) |
Tenor
1. Dem Angeklagten U. wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ergänzung der Verfahrensrüge nach § 244 Abs.3 Satz 2 StPO gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 1. April 2003 gewährt.
2. Auf die Revisionen der Angeklagten U. und B. wird das vorbezeichnete Urteil
- in den Fällen II. 11 Nrn. 1, 2, 78 bis 80 der Urteilsgründe aufgehoben; insoweit wird das Verfahren eingestellt;
- in den Schuldsprüchen dahin geändert, daß der Angeklagte U. der Untreue in 132 Fällen und der Angeklagte B. der Untreue in 57 Fällen und der Beihilfe zur Untreue in 75 Fällen schuldig sind.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten U. und B. sowie die Revision des Angeklagten L. werden verworfen.
4. Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten U. und B. der Staatskasse zur Last; im übrigen haben die Angeklagten die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten U. wegen Untreue in 137 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren, den Angeklagten B. wegen Untreue in 60 Fällen sowie Beihilfe zur Untreue in 77 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten L. wegen Beihilfe zur Untreue in 112 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen wenden sich sämtliche Angeklagten mit der Sachbeschwerde und Verfahrensrügen. Die Revisionen der Angeklagten U. und B. haben den aus der Beschlußformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im übrigen sind die Revisionen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Dem Angeklagten U. war – unbeschadet der Zulässigkeit der Rüge nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO (vgl. BGHSt 42, 365) – Wiedereinsetzung zur Ergänzung dieser Verfahrensrüge zu gewähren. Zwar kann bei bereits formgerecht begründeter Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen nicht gewährt werden (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 1, 3, 9; BGH, Beschluß vom 16. September 1994 – 3 StR 397/94). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind jedoch zugelassen worden (vgl. BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 6, 11,12; BGH, Beschluß vom 13. September 2000 – 3 StR 342/00). Ein solcher Fall liegt hier vor, weil die Rüge vor Ablauf der Frist erhoben war und lediglich infolge eines Versehens einzelne Seiten des im Rahmen der Verfahrensrüge mitzuteilenden Beweisantrags nicht übermittelt worden sind.
2. Hinsichtlich der Fälle II. 11 Nrn. 1, 2, 78 bis 80 der Urteilsgründe (Tatzeiten 3. Januar bis 1. März 1994) besteht das Verfahrenshindernis der Verjährung. Der Beschluß des Amtsgerichts Memmingen vom 2. Dezember 1998, mit dem gemäß §§ 100a, 100b StPO die Überwachung des Fernmeldeverkehrs angeordnet wurde, hat die Verjährung nicht zu unterbrechen vermocht. Eine solche Maßnahme steht der Anordnung einer Durchsuchung oder Beschlagnahme nach § 78c Abs.1 Satz 1 Nr.4 StGB nicht gleich. Die Vorschriften über die Unterbrechung der Verjährung sind Ausnahmeregelungen; eine Analogie ist unzulässig (vgl. BGHSt 28, 381, 382). Da die Verjährung erst durch den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluß des Amtsgerichts Memmingen vom 8. März 1999 unterbrochen wurde, waren die vor dem 8. März 1994 begangenen Taten verjährt. Insoweit war das Verfahren einzustellen. Dies zieht den Wegfall der für diese Taten verhängten Einzelstrafen sowie die Änderung der Schuldsprüche nach sich.
3. Die Gesamtstrafen können bestehen bleiben. Schon angesichts der Vielzahl und der Höhe der verbleibenden Einzelstrafen erscheinen dem Senat die verhängten Gesamtstrafen angemessen (§ 354 Abs.1a und Abs. 1b Satz 3 StPO), zumal auch verjährte Taten bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 11, BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 2).
Zu den Rügen der Verletzung von § 261 StPO und von § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO sowie den insoweit erhobenen materiell-rechtlichen Beanstandungen bemerkt der Senat ergänzend:
a) Das Landgericht konnte die eingeführten Urkunden abweichend von deren Wortlaut würdigen. Der mit den Urkunden erweckte Anschein eines Rechtsgrundes für die Zahlungen war Teil des Täuschungssystems. Würde jede vom Wortlaut solcher Urkunden abweichende Feststellung einen Verstoß gegen § 261 StPO begründen, so ließen sich kaum noch rechtsfehlerfreie Feststellungen zu Verschleierungshandlungen treffen.
b) Für eine Schadensberechnung mittels Vermögensvergleichs mit den zu Verschleierungszwecken fingierten und daher tatsächlich nicht geschuldeten Leistungen ist kein Raum. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß einziges Ziel des mit besonders hoher krimineller Energie organisierten Gesellschafts- und Vertragsgeflechts die Bereicherung der Angeklagten U. und B. durch die eingenommenen Mitgliedsbeiträge war (vgl. nur UA S. 46-47).
Angesichts dessen lag die Absicht einer Steuerersparnis erkennbar fern.
Unterschriften
Nack, Wahl, Kolz, Hebenstreit, Elf
Fundstellen
Haufe-Index 2557604 |
wistra 2005, 27 |
NStZ-RR 2005, 44 |
Kriminalistik 2005, 565 |