Leitsatz (amtlich)
Ein Austauschvertrag kann eine unzulässige Auszahlung von Gesellschaftsvermögen bewirken, wenn der Leistung der Gesellschaft keine gleichwertige Leistung des Gesellschafters gegenübersteht. Ob ein normales Austauschgeschäft oder eine verdeckte Ausschüttung von Gesellschaftsvermögen vorliegt, richtet sich danach, ob ein gewissenhaft nach kaufmännischen Grundsätzen handelnder Geschäftsführer unter sonst gleichen Umständen zu gleichen Bedingungen auch mit einem Nichtgesellschafter abgeschlossen hätte, ob die Leistung also aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt ist. Für die Beurteilung der Unterbilanz oder der Überschuldung maßgeblich ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung.
Tatbestand
Die Klägerin, eine GmbH, begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldnern restlichen Werklohn für die Erstellung des Rohbaus eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück der Beklagten zu 2 in Höhe von DM 67.682,71 nebst Zinsen. Gesellschafter der Klägerin sind zu gleichen Teilen die Beklagte zu 2 und die Geschäftsführerin der Klägerin, R W, die ihren Gesellschaftsanteil im Frühjahr 1982 von dem Ehemann der Beklagten zu 2, dem Beklagten zu 1, erworben hat. Der Rohbau 1st zunächst auf der Grundlage eines Kubikmeterpreises von DM 125 abgerechnet worden. Die Klägerin begründet ihre Mehrforderung mit der Notwendigkeit, ihre Selbstkosten zu decken. Zwar habe der Beklagte zu 1 ursprünglich die Selbstkosten auf DM 125 pro Kubikmeter umbauten Raums geschätzt. Dennoch sei nicht dieser Satz als Vertragspreis vereinbart worden, sondern abgemacht worden, daß die Klägerin berechtigt sein solle, das Bauvorhaben zu ihrem Selbstkostenpreis abzurechnen. Demgegenüber berufen sich die Beklagten auf eine Festpreisabsprache zum Satz von DM 125 pro Kubikmeter umbauten Raums. Diese von ihr bestrittene Vereinbarung hat die Klägerin vorsorglich wegen arglistiger Täuschung mit der Begründung angefochten, der Beklagte zu 1 habe als Fachmann von Anfang an gewußt, daß dieser Satz angesichts der von ihm geplanten aufwendigen Bauausführung nicht zur Deckung der Selbstkosten der Klägerin ausreichen werde. Die Klägerin ist im Verlaufe des Rechtsstreits in Konkurs gefallen. Der Konkursverwalter hat erklärt, er wolle den Rechtsstreit nicht aufnehmen.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren bisherigen Zahlungsantrag weiter. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Zurückverweisung.
1. Das Berufungsgericht führt aus, für möglicherweise nach § 30, 31 GmbHG bestehende Ansprüche fehle es an einem substantiierten Vortrag der Klägerin. Dies hält, wie die Revision mit Erfolg rügt, rechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Die Klägerin hat zwar die eingeklagte Forderung in den Vorinstanzen im wesentlichen auf Werkvertragsrecht gestützt. Dementsprechend war ihr Vortrag in erster Linie darauf ausgerichtet, die tatbestandlichen Voraussetzungen eines werkvertraglichen und nicht eines gesellschaftsrechtlichen Anspruchs darzutun. Dies hindert jedoch nicht, daß sich aus ihrem Tatsachenvortrag die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale der §§ 30, 31 GmbHG ergeben kann. Das Gericht hat den Prozeßstoff unter jedem, nicht nur dem von den Parteien angeführten, rechtlichen Gesichtspunkt darauf zu prüfen, ob er das Klagebegehren rechtfertigt. Daran ändert es entgegen der Ansicht der Revisionsbeklagten nichts, daß sich die Klägerin im Konkurs befindet. Nach allgemeiner Meinung (vgl. Böhle-Stamschräder/Kilger, KO, 14. Aufl., § 10 Rdnr. 7; Kuhn-Uhlenbruck, KO, 10. Aufl., § 10 Rdnr. 11, jeweils m.w.N.) liegt in der Erklärung des Konkursverwalters, daß er den Rechtsstreit nicht aufnehme, zugleich die Freigabe des streitbefangenen Gegenstandes, hier also der streitbefangenen Forderung. Ihre Identität und damit die Freigabewirkung wird nicht dadurch berührt, daß sie nicht, wie die Klägerin zunächst gemeint hat, aus §§ 631 ff. BGB, sondern möglicherweise aus §§ 30, 31 GmbHG rechtlich begründet ist. Dies wird auch daran deutlich, daß sich die Klägerin bereits mit Schriftsatz vom 2. April 1984, also vor der Erklärung des Konkursverwalters, den Rechtsstreit nicht aufnehmen zu wollen, – wenn auch im Hinblick auf eine daraus nach ihrer Rechtsmeinung folgende Unwirksamkeit des Vertrages – darauf berufen hatte, ein unter den Selbstkosten liegender Werklohn hätte eine verdeckte Gewinnausschüttung zur Folge.
b) Die Rückzahlung von Stammkapital kann auch durch die Ausführung eines Vertrages bewirkt werden, in dessen Rahmen die Gesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter eine Sachleistung erbringt. Das Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG betrifft nicht nur Geldleistungen, sondern jede Leistung der Gesellschaft an einen ihrer Gesellschafter, der keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht (vgl. BGHZ 31, 258, 276). Ob ein normales Austauschgeschäft oder eine verdeckte Ausschüttung von Gesellschaftsvermögen vorliegt, richtet sich danach, ob ein gewissenhaft nach kaufmännischen Grundsätzen handelnder Geschäftsführer das Geschäft unter sonst gleichen Umständen zu gleichen Bedingungen auch mit einem Nichtgesellschafter abgeschlossen hätte, ob die Leistung also durch betriebliche Gründe gerechtfertigt war. Dies entspricht trotz im einzelnen voneinander abweichender Formulierungen heute im Ergebnis herrschender Meinung (vgl. Hachenburg-Goerdeler/Müller, GmbHG, 7. Aufl., § 30 Rdnr. 39 bis 41; Hueck in Baumbach/Hueck, GmbHG, 14. Aufl., § 29 Rdnr. 27 und § 30 Rdnr. 15; Fischer/Lutter, GmbHG, 11. Aufl., § 29 Rdnr. 38; Scholz-Westermann, GmbHG, 6. Aufl., § 30 Rdnr. 17 und 22; Roth, GmbHG, § 30 Anm. 2.2.1, Geßler, Festschrift für Robert Fischer Seite 131, 135/136; Flume, ZHR 144, 18, 21/22; Winter, ZHR 148, 579, 584 ff.; Döllerer, BB 1967, 1437, 1442/1443; kritisch Wilhelm, Festschrift für Flume Bd. II, 1978, S. 337, 378 ff., insbesondere 382 f.; a.A. – für das Aktienrecht – Barz Großkomm. zum AktG, 3. Aufl., § 57 Rdnr. 3; Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropf, AktG, § 57 Rdnr. 13/14). Nach dem vom Berufungsgericht übergangenen und damit für die Revisionsinstanz als richtig zu unterstellenden Vorbringen der Klägerin reichte der vom Berufungsgericht als vereinbart angesehene Satz von DM 125 pro Kubikmeter nicht aus, um die Selbstkosten der Klägerin zu decken. Danach muß in Ermangelung gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts davon ausgegangen werden, daß sich die Beklagten mit Rücksicht auf die Gesellschafterstellung der Beklagten zu 2 bei der Preisgestaltung von der Klägerin einen Vorteil haben einräumen lassen, der einem Dritten nicht gewährt worden wäre und deshalb eine verdeckte Ausschüttung von Gesellschaftsvermögen enthält. Dies würde selbst dann gelten, wenn man den bloßen Verzicht der Gesellschaft auf einen möglichen Gewinn noch nicht zur Erfüllung des Tatbestandes des § 30 GmbHG ausreichen lassen wollte (so Scholz-Westermann, aaO, § 30 Rdnr. 21; Hachenburg-Goerdeler/Müller, aaO, § 30 Anm. 52; vgl. aber auch Hueck, aaO, § 30 Rdnr. 16).
Der bezeichnete Maßstab ist, obwohl er einen gewissen unternehmerischen Handlungsspielraum anerkennt, normativ objektiver Art. Auf subjektive Erwägungen, die dazu führen, daß die Geschäftsführung der Gesellschaft Leistung und Gegenleistung fälschlich für ausgeglichen gehalten hat, kommt es nicht an (so ausdrücklich Fischer/Lutter, aaO, § 29 Rdnr. 38; Roth, aaO, § 30 Anm. 2.2.1; Hueck, aaO, Rdnr. 27; Winter, ZHR 148, 584 ff.; a.A. außer denjenigen, die von vornherein ein zusätzliches subjektives Merkmal fordern, insbesondere Flume, ZHR 144, 21). Die Zubilligung eines Kubikmetersatzes von DM 125 wäre mithin selbst dann als verdeckte Ausschüttung von Gesellschaftsvermögen zu bewerten, wenn die Geschäftsführerin der Klägerin bei Vertragsschluß irrtümlich nicht erkannt haben sollte, daß der den Beklagten gewährte Preis unter den eigenen Selbstkosten lag. In diesem Fall wäre es zwar nicht ausgeschlossen, daß die Klägerin den gleichen Preis auch mit einem gesellschaftsfremden Dritten vereinbart hätte. Es bleibt aber die Tatsache, daß einem Gesellschafter zu Lasten des Gesellschaftsvermögens ein durch betriebliche Gründe nicht gerechtfertigter Vorteil gewährt worden ist, daß im Ergebnis also Gesellschaftsvermögen an einen Gesellschafter ausgekehrt worden ist. Die durch §§ 30, 31 GmbHG im Interesse des Gebotes der Kapitalerhaltung normierte Pflicht des Gesellschafters, den erhaltenen Vorteil der Gesellschaft zurückzuerstatten, kann nicht davon abhängig sein, ob ein entsprechender Verlust an Stammkapital auch durch ein irrtumsbeeinflußtes Verlustgeschäft mit einem gesellschaftsfremden Dritten hätte entstehen können.
Nach § 30 Abs. 1 GmbHG sind nicht durch entsprechende Gegenleistungen gedeckte Leistungen an Gesellschafter unzulässig, wenn eine Unterbilanz vorliegt oder durch sie entstehen würde. Gleiches gilt für den Fall, daß dadurch eine Überschuldung der Gesellschaft herbeigeführt oder verstärkt würde (BGHZ 66, 324; 67, 171, 174; 81, 252, 259. Maßgeblicher Zeitpunkt dafür ist derjenige der Durchführung der Leistung (allgM, vgl. statt aller Hueck, aaO, § 30 Rdnr. 11). Im vorliegenden Fall sind die Rohbaumaßnahmen in der Zeit vom 25. März bis 20. August 1983 durchgeführt worden. Dazu hat die Klägerin vorgetragen, ihr Stammkapital sei bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs der Geschäftsanteile durch Frau W, d.h. Ende März/Anfang April 1982, aufgezehrt gewesen. Die Beklagten haben nicht behauptet, daß sich die Vermögensverhältnisse der Klägerin bis zur Durchführung der Bauleistungen in der Zeit von März bis August 1983 als dem für das Vorliegen einer Unterbilanz maßgeblichen Zeitpunkt verbessert hätten.
Die Erstattung entnommenen Stammkapitals kann im vorliegenden Falle in der Nachzahlung der etwaigen Differenz zwischen dem vereinbarten Kubikmetersatz von DM 125 und den entstandenen Selbstkosten der Klägerin bestehen. Dies entspricht dem Klagantrag.
Zur Nachzahlung verpflichtet ist bei Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen in jedem Falle die Beklagte zu 2 als Gesellschafterin und (Mit-) Empfängerin der unter dem Selbstkostenpreis erbrachten Bauleistungen der Klägerin. Daneben kann aber auch der Beklagte zu 1 verpflichtet sein. Falls beide Beklagte als Bauherren aufgetreten sind und den Vertrag mit der Klägerin gemeinsam geschlossen haben, ist ihm die Leistung der Klägerin in gleicher Weise zugeflossen wie der Beklagten zu 2. Aufgrund seiner engen rechtlichen und persönlichen Verbindung zu der Beklagten zu 2 als ihr Ehemann liegt es nahe, auch ihn als Leistungsempfänger im Sinne der §§ 30, 31 GmbHG zu behandeln (vgl. BGHZ 81, 365).
2. Dagegen kann die Revision mit ihrer Rüge, der Klage hätte auch unabhängig von den vorstehend erörterten gesellschaftsrechtlichen Erwägungen aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) stattgegeben werden müssen, keinen Erfolg haben.
Ein vertraglich vereinbarter Festpreis ist grundsätzlich bindend. Dies gilt auch dann, wenn sich nachträglich bestimmte der Kalkulation zugrundeliegende Annahmen als unrichtig herausstellen. Sie berechtigen im allgemeinen nicht zu Preiserhöhungen. Das Risiko der Richtigkeit seiner Preiskalkulation trägt allein der Unternehmer. Etwas anderes kann nach der von der Revision herangezogenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes allenfalls dann gelten, wenn die Parteien ihrer Preisvereinbarung einverständlich bestimmte, ihnen gemeinsame Annahmen und Erwartungen dergestalt zugrundegelegt haben, daß sie als Geschäftsgrundlage des Vertrages gelten müssen (vgl. Urt. v. 12. April 1960 – VIII ZR 137/59, LM Nr. 35 § 342 (Bb) BGB, vollständig abgedruckt als Nr. 8 zu § 119 BGB; v. 11. Juli 1958 – VIII ZR 96/57, LM Nr. 27 zu § 242 (Bb) BGB; BGHZ 46, 268, 273). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht dargetan.
3. Nach alledem muß die Sache zurückverwiesen werden, damit das Berufungsgericht die notwendige Feststellung darüber trifft, ob der Preis von DM 125 pro Kubikmeter nicht zur Deckung der Selbstkosten der Klägerin ausreichte. Damit ist dem Berufungsgericht zugleich Gelegenheit gegeben, sich mit den Beanstandungen auseinanderzusetzen, die die Klägerin gegen das bisherige Verfahren des Berufungsgerichts erhoben hat.
Fundstellen
Haufe-Index 649101 |
BB 1987, 433 |
NJW 1987, 1194 |
ZIP 1987, 575 |