Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, inwieweit das Einsichtsrecht nach § 166 HGB dem Kommanditisten persönlich zusteht, wenn er Wettbewerber der Gesellschaft ist.
Normenkette
HGB § 166
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 18. August 1978 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagten sind die persönlich haftenden Gesellschafter, der Kläger ist Kommanditist der L… Textilhaus … KG in M…. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger berechtigt ist, zur Überprüfung der Bilanz für das Geschäftsjahr 1976 persönlich Einsicht in die Bücher und Papiere der Kommanditgesellschaft zu nehmen. Die Beklagten sind der Auffassung, das entsprechende Verlangen des Klägers sei rechtsmißbräuchlich, weil er ein Modehaus betreibe, insoweit Wettbewerber der Kommanditgesellschaft sei und deshalb die Befürchtung bestehe, daß er die gewonnenen Einblicke für seine Konkurrenztätigkeit verwende. Außerdem seien die Parteien „verfeindet”.
Auf Antrag des Klägers hat das Landgericht die Beklagten verurteilt, ihm Einsicht in die Buchunterlagen der Kommanditgesellschaft für das Geschäftsjahr 1976 zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Recht zur Bucheinsicht teilweise eingeschränkt und ausgesprochen, die Einsicht in die Personalakten leitender Angestellter wie Einkäufer, Abteilungsleiter, Werbeleiter und Buchhalter mit einer Jahresvergütung von mehr als DM 50.000,– brutto könne der Kläger nur durch einen der Geschäftsführung der S… Treuhandgesellschaft AG angehörenden Wirtschaftsprüfer vornehmen lassen.
Mit der Revision beantragen die Beklagten, das Berufungsurteil aufzuheben, soweit sie verurteilt worden sind, dem Kläger persönlich Bucheinsicht zu gewähren. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Ihr ist allerdings zuzustimmen, daß das Einsichtsrecht des Kommanditisten nach § 166 Abs. 1 HGB nur zu dem Zweck gewährt ist, diesem eine sachgerechte Prüfung der Bilanz zu ermöglichen. Das bedeutet, daß der Kommanditist zwar grundsätzlich das Recht zur Einsicht in alle Bücher und Papiere der Gesellschaft hat, daß er aber nur in dem Umfang Einsicht nehmen darf, der für die Prüfung der Bilanz erforderlich ist. Daraus folgt jedoch nicht, daß die Gesellschaft oder die geschäftsführenden Gesellschafter nur entsprechend eingeschränkt zur Einsichtsgewährung verurteilt werden können. Das würde, wie der Senat in seinem Urteil vom 8. Juli 1957 im einzelnen dargelegt hat (BGHZ 25, 115), unvertretbare Anforderungen an den Kommanditisten stellen und ihm die Ausübung seines Prüfungsrechts in vielen Fällen unmöglich machen. Der Kommanditist wäre genötigt, den Nachweis zu führen, daß die von ihm verlangten Geschäftsunterlagen für eine sachgerechte Prüfung der Bilanz erforderlich sind, was ihm im Regelfalle wegen fehlender Kenntnis der Bücher und Papiere nicht möglich wäre. In diesen Fällen ist deshalb dem Kommanditisten grundsätzlich ein Recht zur Einsicht in alle Bücher und Papiere zuzusprechen. Der Gesellschaft obliegt im Einzelfalle die Aufgabe, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, daß die Einsichtsnahme in eine bestimmte Geschäftsunterlage für eine sachgerechte Prüfung der Bilanz nicht erforderlich ist. Für die Durchsetzung dieses Einwands wird regelmäßig nur das Vollstreckungsverfahren in Betracht kommen, weil sich erst dort herausstellt, in welcher Weise und in welchem Umfange der Kommanditist von seinem Recht, die einzusehenden Geschäftsbücher auszuwählen, Gebrauch macht. Eine Beschränkung wird allerdings schon dann in den Urteilstenor aufgenommen werden können, wenn von vornherein feststeht, daß bestimmte Geschäftsunterlagen zur Prüfung der Bilanz nicht erforderlich sind.
2. Eine andere Frage ist es, ob der Kommanditist das Einsichtsrecht persönlich ausüben kann. Die Revision meint, der Kläger könne die persönliche Einsicht deshalb nicht verlangen, weil ihm angeboten worden sei, die Richtigkeit des Jahresabschlusses durch einen Wirtschaftsprüfer überprüfen zu lassen. Dem kann nicht gefolgt werden.
Bei der Beurteilung dieser Frage ist davon auszugehen, daß das Einsichts- und Prüfungsrecht des § 166 Abs. 1 HGB dem Kommanditisten persönlich zusteht. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senate schließt dies zwar nicht aus, daß der Kommanditist bei der Einsicht in die Bücher und Papiere der Gesellschaft einen vertrauenswürdigen Sachverständigen hinzuziehen darf (BGHZ 25, 115). Daraus ergibt sich jedoch nicht, daß der Kommanditist, wie die Revision meint, allgemein verpflichtet ist, sich mit der Nachprüfung durch einen Sachverständigen zu begnügen und auf das Recht zur persönlichen Einsichtsnahme allgemein zu verzichten. Die Rechte des Kommanditisten können nicht schon deshalb eingeschränkt werden, weil die Überprüfung des Jahresabschlusses auf seine Richtigkeit auch auf anderem Wege erfolgen kann und die Kommanditgesellschaft und ihre persönlich haftenden Gesellschafter sich mit der Überprüfung durch unabhängige Buchsachverständige einverstanden erklärt haben.
Aus § 242 BGB und der Treuepflicht, die dem Kommanditisten obliegt, folgt allerdings, daß er das ihm zustehende Recht, selbst Einsicht in die Bücher und Papiere zu nehmen, nicht ausüben darf, soweit überwiegende Interessen der Gesellschaft entgegenstehen. Das Recht zur persönlichen Ausübung kann insbesondere dann Einschränkungen unterliegen, wenn und soweit zwischen dem Kommanditisten und der Gesellschaft ein Wettbewerbsverhältnis besteht. Der Umstand, daß das gesellschaftsvertraglich festgelegte Wettbewerbsverbot nur für die persönlich haftenden Gesellschafter gilt und der Kläger mit dem Betrieb eines Modehauses seine Pflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis nicht verletzt, er also erlaubterweise Wettbewerb treibt, steht dem nicht entgegen. Entscheidend ist allein, ob und inwieweit die Einsicht in die Bücher und Papiere für die Gesellschaft die Gefahr begründet, daß die dadurch gewonnenen Kenntnisse zu wettbewerblichen Zwecken – zum Nachteil der Gesellschaft – verwendet und eingesetzt werden.
Das Berufungsgericht hat dementsprechend das Interesse der Beklagten als berechtigt anerkannt, Namen, Aufgaben, Einstellungsbedingungen und Vergütung der leitenden Mitarbeiter der Gesellschaft vor dem Kläger geheimzuhalten; es hat die Bucheinsicht insoweit nur in der Form zugebilligt, daß ein Wirtschaftsprüfer für den Kläger tätig wird und dieser dem Kläger nur die Gesamtzahl der in Betracht kommenden Personen und den Gesamtjahresaufwand mitteilen darf. Grundsätzlich wird dies auch für Lieferantenbeziehungen und -konditionen sowie für Werbeunterlagen in Betracht kommen, deren Schutz die Beklagten im vorliegenden Falle geltend machen. Insoweit meint das Berufungsgericht, es sei nicht ohne weiteres ersichtlich, inwiefern aus der Einsichtsnahme in Buchungsunterlagen wettbewerbliche Nachteile entstehen könnten. Die Beklagten hätten keine konkreten Umstände dargetan, die die Ausübung der Kontrollbefugnis des Klägers als unzulässige Rechtsausübung erscheinen ließen.
Der Revision ist zuzustimmen, daß mit dieser Begründung das Verlangen der Beklagten, das Einsichtsrecht des Klägers weiter einzuschränken, nicht zurückgewiesen werden kann. Im allgemeinen wird vielmehr davon auszugehen sein, daß die Kenntnis der Lieferantenbeziehungen und -konditionen – möglicherweise auch die Kenntnis der Werbeunterlagen – die Gefahr begründet, daß sie von einem Konkurrenten zum Nachteil der Gesellschaft ausgenutzt wird. Im vorliegenden Falle steht dies aber dem persönlichen Einsichtsrecht deshalb nicht entgegen, weil sich die Wettbewerbshandlungen des Klägers nur auf einen Teil des Sortiments der Kommanditgesellschaft beziehen. Aus dem Vorbringen der Parteien ergibt sich, daß nur etwa 1/4 bis 1/5 dieses Sortiments betroffen ist. Die bestehende Gefahr der Verwendung zu wettbewerblichen Zwecken kommt demgemäß nur für einen kleinen Teil der Lieferantenbeziehungen und Werbeunterlagen in Betracht. Unter diesen Umständen wäre es Sache der Beklagten gewesen, die Unterlagen, die in diesem Sinne mißbräuchlich ausgenutzt werden könnten, näher zu kennzeichnen. In dieser Richtung haben sie jedoch nichts vorgetragen. Sie haben auch nichts dafür dargetan, daß und in welcher Weise der Kläger aus der Kenntnis bestimmter Lieferantenbeziehungen wettbewerbliche Vorteile zum Nachteil der Gesellschaft erlangen könnte.
Das Prüfungsrecht des § 166 Abs. 1 HGB, das grundsätzlich auch dem Kommanditisten zusteht, der zulässigerweise ein Unternehmen betreibt, das mit einem Teil des Sortiments der Gesellschaft im Wettbewerb steht, ist aus den vorstehend dargelegten Gründen nur dann sinnvoll sichergestellt, wenn ihm auch insoweit das Einsichtsrecht in alle Geschäftsunterlagen zugebilligt wird und es bei der Regel bleibt, daß er zunächst selbst bestimmen kann, welche Bücher er einsehen will, und die Gesellschaft demgegenüber die Möglichkeit hat, im Einzelfalle darzutun, daß jedenfalls die persönliche Einsichtsnahme – wegen der Gefahr, daß die dadurch erworbene Kenntnis zum Nachteil der Gesellschaft zu Zwecken des Wettbewerbs verwendet wird – unzulässig ist.
Soweit ein bestehendes Wettbewerbsverhältnis dazu führt, daß der Kommanditist sein Einsichtsrecht nichtpersönlich ausüben darf (und gegebenenfalls einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen einschalten muß), kann im Grundsatz jedenfalls dann nichts anderes gelten, wenn die persönliche Ausübung des Einsichtsrechts nicht völlig, sondern nur hinsichtlich bestimmter Unterlagen ausgeschlossen ist. Denn auch in diesen Fällen ist es dem Kommanditisten, der bis dahin die Geschäftsunterlagen nicht kennt, nicht möglich darzutun, daß und welche bestimmten Unterlagen von seinem Verlangen zur persönlichen Einsichtsnahme nicht erfaßt werden sollen. Andererseits ist es der Gesellschaft, der die Unterlagen bekannt sind, ein leichtes, im Einzelfalle die tatsächlichen Voraussetzungen für ein mißbräuchliches Einsichtsverlangen festzustellen.
3. Daß die von den Beklagten behauptete Verfeindung der Parteien der Ausübung des Einsichtsrechts nicht entgegensteht, ergibt sich schon daraus, daß dann dem Kommanditisten das Prüfungsrecht gerade in den Fällen versagt würde, in denen die Prüfung besonders wichtig ist.
Die Revision kann schließlich keinen Erfolg haben, soweit sie geltend macht, das Berufungsgericht habe nicht nur die Personalakten der leitenden Angestellten, sondern auch die Unterlagen, die freie Mitarbeiter und Berater betreffen, von der Einsichtsnahme durch den Kläger ausnehmen müssen. Die Interessenabwägung, die das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang vorgenommen hat, läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Es bestand auch keine Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO.
Fundstellen