Entscheidungsstichwort (Thema)
Private Krankheitskosten-, Krankentagegeldversicherung. Wirksame Kündigung § 178h VVG. Gesetzliche Krankenversicherungspflicht. Nachweis
Leitsatz (amtlich)
§ 178h Abs. 2 S. 1 VVG setzt für eine wirksame Kündigung nicht voraus, dass der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt seiner gesetzlichen Versicherungspflicht nachweist.
Normenkette
VVG § 178h Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 07.08.2003; Aktenzeichen 14 S 114/03) |
AG Bad Neuenahr-Ahrweiler |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des LG Koblenz v. 7.8.2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Kündigung einer privaten Krankenversicherung.
Seit Beginn des Jahres 2001 unterhielt der Beklagte beim Kläger eine Krankheitskostenvollversicherung und eine Krankentagegeldversicherung. Dem Versicherungsvertrag lagen Allgemeine Versicherungsbedingungen des Klägers zu Grunde, die den Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung 1994 (MB/KK 94) und den Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung (MB/KT 94) entsprechen. Der monatliche Beitrag betrug im Jahre 2001 195,06 DM (99,73 EUR) und sollte sich mit Beginn des Jahres 2002 auf 108,40 EUR erhöhen.
Infolge von Arbeitslosigkeit unterlag der Beklagte in der Zeit v. 29.8.2001 bis 4.9.2001 der gesetzlichen Versicherungspflicht. Unter Berufung darauf kündigte er das Versicherungsverhältnis am 24.9.2001. Den vom Kläger daraufhin mit Schreiben v. 4.10.2001 geforderten Nachweis über den Eintritt der Versicherungspflicht erbrachte der Beklagte erst im August 2002.
Der Kläger fordert mit seiner Klage die Zahlung von Versicherungsprämien i.H.v. insgesamt 1.374,53 EUR für die Monate September 2001 bis September 2002. Er verweist darauf, dass der Versicherungsvertrag über eine Laufzeit von mindestens zwei Jahren abgeschlossen gewesen und die vom Beklagten erklärte außerordentliche Kündigung unwirksam sei. Zum einen habe die gesetzliche Versicherungspflicht im Zeitpunkt der Kündigungserklärung schon nicht mehr bestanden, zum anderen habe der Beklagte bei der Kündigung nicht den nach Auffassung des Klägers erforderlichen Nachweis über den Eintritt seiner Versicherungspflicht geführt.
Das AG hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die vom Beklagten am 24.9.2001 erklärte Kündigung das Versicherungsverhältnis rückwirkend zum 29.8.2001, dem Zeitpunkt des Eintritts der gesetzlichen Versicherungspflicht, beendet. Das ergebe sich aus § 178h Abs. 2 S. 1 VVG, der nach seinem klaren Wortlaut nicht von dem allgemeinen Grundsatz abweiche, wonach die Wirksamkeit der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses nicht vom Nachweis des Kündigungsgrundes abhänge. Soweit für eine Kündigung nach § 178h Abs. 2 S. 3 VVG ein solcher Nachweis erforderlich sei, erstrecke sich diese Nachweispflicht nicht auf die Kündigung nach § 178h Abs. 2 S. 1 VVG.
Das einmal entstandene Kündigungsrecht des Beklagten sei auch nicht deshalb rückwirkend entfallen, weil er im Zeitpunkt der Kündigungserklärung bereits nicht mehr versicherungspflichtig gewesen sei. Entscheidend sei dabei, dass die innerhalb der Zweimonatsfrist des § 178h Abs. 2 S. 1 VVG erklärte Kündigung auf den Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht zurückwirke. Für eine Einschränkung des Kündigungsrechts bei nur kurzzeitig bestehender Versicherungspflicht ergebe das Gesetz keine Anhaltspunkte.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Der Prämienanspruch des Klägers ist mit Wirkung ab dem 29.8.2001, dem Tag des Eintritts der gesetzlichen Versicherungspflicht des Beklagten, nach § 178h Abs. 2 S. 2 VVG erloschen, weil seine innerhalb der zweimonatigen Frist des § 178h Abs. 2 S. 1 VVG erklärte Kündigung das Versicherungsverhältnis rückwirkend zu diesem Zeitpunkt beendet hat.
§ 178h Abs. 2 VVG soll es dem Versicherungsnehmer einer privaten Krankheitskosten-, Krankentagegeld- oder Pflegeversicherung ermöglichen, das Versicherungsverhältnis mittels einer außerordentlichen Kündigung zu beenden, wenn er kraft Gesetzes kranken- oder pflegeversicherungspflichtig wird. Er soll so vor der mit einer "Doppelversicherung" verbundenen Beitragsbelastung geschützt werden. Anders als § 178h Abs. 2 S. 3 VVG setzt S. 1 für eine wirksame Kündigung nicht voraus, dass der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt seiner gesetzlichen Versicherungspflicht zusammen mit der Kündigungserklärung nachweist (so auch LSG Berlin EzS 130/537, zitiert nach juris).
1. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift.
a) Dafür ist vorrangig der objektivierte Wille des Gesetzes maßgebend, wie er sich aus seinem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt (BGHZ 37, 58 [60], m.w.N.):
§ 178h Abs. 2 VVG eröffnet zwei unterschiedliche Kündigungsmöglichkeiten. Erklärt der Versicherungsnehmer die Kündigung innerhalb von zwei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht, so wirkt seine Kündigung auf diesen Zeitpunkt zurück. An die Wirksamkeit dieser in § 178h Abs. 2 S. 1 VVG geregelten Kündigung sind nach dem Wortlaut der Vorschrift keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Insbesondere spricht S. 1 nicht davon, dass der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt der Versicherungspflicht nachweisen muss.
Ein solcher Nachweis wird vom Gesetz nur für die in § 178h Abs. 2 S. 3 VVG geregelte spätere Kündigungsmöglichkeit gefordert. Nach Ablauf der vorgenannten Zweimonatsfrist kann der Versicherungsnehmer nämlich weiterhin kündigen. Allerdings beendet die Kündigung das private Versicherungsverhältnis dann erst zum Ende des Monats, in dem der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist. In diesem Fall ist der Nachweis also erforderlich, um den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die Kündigung wirken kann. Ohne den geforderten Nachweis bliebe die Kündigungserklärung insoweit unvollständig.
Aus der unterschiedlichen Wirkweise beider Kündigungen ergibt sich ohne weiteres, weshalb im ersten Fall der Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht entbehrlich und vom Gesetz auch nicht gefordert ist. Denn der Zeitpunkt, zu dem die Kündigung Wirkung entfaltet, ist hier mit dem Eintritt der Versicherungspflicht bereits ausreichend festgelegt. Die Auffassung von Prölss (in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 178h Rz. 10; ebenso wohl BK/Hohlfeld, § 178h Rz. 5, a.E.), es gebe keinen sachlichen Grund für die Beschränkung der Relevanz des Nachweises auf Kündigungsfälle des § 178h Abs. 2 S. 3, kann der Senat schon deshalb nicht nachvollziehen (dagegen auch LSG Berlin EzS 130/537, zitiert nach juris).
b) Demgegenüber wird allerdings teilweise die Auffassung vertreten, die in § 178h Abs. 2 S. 3 VVG geregelte Nachweispflicht diene rechtlich einem doppelten Zweck, weil sie nicht nur eine materielle Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung aufstelle, sondern zugleich eine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung enthalte. Der systematische Zusammenhang, in den das Gesetz beide Kündigungsmöglichkeiten stelle, ergebe, dass die Nachweispflicht als formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für beide Formen der Kündigung gleichermaßen gelten müsse. Denn einerseits bestehe zwischen beiden Kündigungsregelungen ein enger "textlicher Zusammenhang", andererseits läge beiden sachlich jeweils der Eintritt der gesetzlichen Versicherungspflicht zu Grunde. Deshalb sei es nicht einzusehen und systemwidrig, dass das "schwächere" Kündigungsrecht nach S. 3 der Vorschrift strengeren formellen Voraussetzungen unterliegen solle als das "stärkere" Kündigungsrecht nach S. 1 (LG Kassel, Urt. v. 3.8.2001 - 10 S 162/01, unveröffentlicht; ihm folgend LG Magdeburg, Urt. v. 18.1.2002 - 1 S 627/01, unveröffentlicht; AG Lebach, Urt. v. 14.6.2002 - 3A C 35/02, unveröffentlicht).
Das überzeugt nicht. Dem letztgenannten Argument ist bereits entgegenzuhalten, dass bei der späteren Kündigung nach § 178h Abs. 2 S. 3 VVG die Möglichkeit der Rückwirkung entfällt und es deshalb erforderlich wird, den Wirkungszeitpunkt anderweitig festzulegen. Die Nachweispflicht ergibt sich mithin bereits aus dem Regelungskonzept des Gesetzes, ohne dass es darauf ankommt, ob es im Allgemeinen gerechtfertigt ist, an eine "schwächere" Kündigungsmöglichkeit strengere Voraussetzungen zu knüpfen.
Eine Erstreckung des formellen Erfordernisses auf die in § 178h Abs. 2 S. 1 VVG geregelte Kündigung lässt sich mit Gesetzeswortlaut und -systematik nicht begründen. Dem eindeutigen Wortlaut, der in den S. 1 und 3 hinsichtlich der Voraussetzungen und Wirkungen beider Kündigungsformen klar differenziert und insoweit deutlich macht, dass gerade zwei voneinander unterschiedliche Regelungen für unterschiedliche Sachverhalte getroffen werden, stehen gesetzessystematische Hinweise für eine Erstreckung der Nachweispflicht auf beide Kündigungsformen nicht mit einer dem Bestimmtheitsgebot genügenden Klarheit ggü. Dass beide Kündigungsregelungen im selben Absatz des § 178h VVG "textlich eng beieinander stehen", besagt nichts. Denn es gibt keine Auslegungsregel oder Vermutung, derzufolge alles, was im selben Absatz einer Vorschrift geregelt wird, regelmäßig gleichen Voraussetzungen unterliegt. Vielmehr entspricht es üblicher Gesetzgebungstechnik, gemeinsame Voraussetzungen unterschiedlicher Regelungen im Gesetzestext voranzustellen und so "vor die Klammer zu ziehen". Das ist in § 178h Abs. 2 VVG hinsichtlich der Nachweispflicht aber gerade nicht geschehen. Als gemeinsame Voraussetzung ist dort einleitend lediglich der Eintritt der gesetzlichen Versicherungspflicht genannt. Dass allein deshalb die daran anknüpfenden unterschiedlichen Kündigungsmöglichkeiten noch weiteren gemeinsamen Voraussetzungen unterliegen sollen, lässt das Gesetz gerade wegen der nachfolgenden Differenzierung in Bezug auf Kündigungs- und Wirkungszeitpunkt nicht erkennen.
2. In der Entstehungsgeschichte des § 178h Abs. 2 VVG finden sich ebenfalls keine ausreichenden Hinweise auf einen dieser Auslegung entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers, der es rechtfertigen würde, die Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut dahin zu verstehen, dass beide Kündigungsmöglichkeiten an einen Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht geknüpft sein sollen.
a) Bis Ende 1988 eröffnete § 173b Abs. 2 S. 1 RVO dem Versicherungsnehmer einer privaten Krankenversicherung die Möglichkeit, das Versicherungsverhältnis durch Kündigung zu beenden, wenn er infolge einer Erhöhung der gesetzlichen Jahresarbeitsverdienstgrenze versicherungspflichtig wurde. Die Kündigung war ihm nach dem Gesetzeswortlaut möglich "zum Ende des Monats ..., in dem er den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist." Parallel dazu hieß es in § 13 Abs. 3 der seinerzeit verwendeten Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherer von 1976 (MB/KK 76):
"Wird eine versicherte Person kraft Gesetzes krankenversicherungspflichtig, so kann der Versicherungsnehmer eine Krankheitskostenvollversicherung insoweit zum Ende des Monats kündigen, in dem er den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist. Will der Versicherungsnehmer von diesem Recht Gebrauch machen, so hat er spätestens innerhalb zweier Monate nach Eintritt der Versicherungspflicht zu kündigen."
Gesetz und Vertragsbedingungen forderten seinerzeit also gleichermaßen den Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht als Kündigungsvoraussetzung.
b) Die juristische Auseinandersetzung um die Bedeutung der Nachweispflicht für die Kündigung setzte erst ein, nachdem mit dem Gesundheits-Reformgesetz v. 20.12.1988 (BGBl. I, 2477) § 173b Abs. 2 RVO durch § 5 Abs. 9 SGB V abgelöst wurde. S. 1 der neuen Vorschrift lautete:
"Wer versicherungspflichtig wird und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert ist, kann den Versicherungsvertrag mit Wirkung vom Eintritt der Versicherungspflicht an kündigen."
Die Vorschrift sah damit erstmals die Möglichkeit einer Rückwirkung der Kündigung auf den Eintritt der Versicherungspflicht vor und verzichtete nach ihrem Wortlaut zugleich auf dessen Nachweis und jede Fristbindung für die Kündigungserklärung. Das warf die Frage auf, ob und inwieweit die schärferen Kündigungsvoraussetzungen nach den in § 13 Abs. 3 MB/KK 76 geregelten vertraglichen Bestimmungen daneben noch Geltung beanspruchen konnten. Während ein Teil der Rechtsprechung sich am Wortlaut des § 5 Abs. 9 SGB V orientierte und der gesetzlichen Regelung Vorrang vor vertraglichen Vereinbarungen gab (AG Lüneburg v. 11.11.1991 - 10 C 452/91, VersR 1992, 563; AG Weiden v. 22.7.1991 - 2 C 484/91, VersR 1992, 564; Kammler, VersR 1993, 785 [787 f.], m.w.N.), vertrat eine Gegenmeinung die Auffassung, weil § 5 Abs. 9 SGB V keine formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Kündigungserklärung in Bezug auf Frist und Nachweispflicht aufstelle, komme insoweit die vertragliche Regelung des § 13 Abs. 3 MB/KK 76 weiterhin zum Tragen (LG Deggendorf v. 26.5.1992 - S 30/92, VersR 1993, 1135, m. zust. Anm. Brams; AG Worms v. 3.8.1992 - 2 C 180/92, VersR 1993, 1137). Teilweise wurde sogar angenommen, § 5 Abs. 9 SGB V enthalte eine Regelungslücke, weil die Vorschrift nichts über die formellen Voraussetzungen der Kündigungserklärung enthalte. Diese Regelungslücke lasse sich über § 13 Abs. 3 MB/KK 76 (bzw. die gleich lautende Regelung in § 13 Abs. 3 MB/KT 78) und die dort genannten Kündigungsvoraussetzungen schließen (Kammler, VersR 1993, 785 [789]).
c) Vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung wurde § 178h VVG mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG v. 21.7.1994 (BGBl. I, 1630, in Kraft getreten am 29.7.1994) geschaffen. Der amtlichen Begründung (BT-Drucks. 12/6959, 106) zufolge sollte Abs. 2 der Vorschrift § 5 Abs. 9 SGB V und vergleichbare Bestimmungen zum Wechsel zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung aufnehmen. Weiter enthält die amtliche Begründung den Hinweis, die Regelung entspreche den jeweiligen §§ 13 Abs. 3 in den MB/KK 76 und MB/KT 78. Letzteres ist jedoch - wie bereits gezeigt - gerade nicht der Fall (LSG Berlin EzS 130/537, zitiert nach juris), weil die genannten Musterbedingungen lediglich eine nicht rückwirkende, an die Zweimonatsfrist gebundene Kündigung kannten, die erst zum Zeitpunkt des - insoweit erforderlichen - Nachweises des Eintritts der gesetzlichen Versicherungspflicht wirkte. Demgegenüber erweist sich die neu geschaffene Regelung als eine Kombination aus den Regelungen des § 5 Abs. 9 SGB V einerseits und den vorgenannten Bestimmungen des § 13 Abs. 3 MB/KK 76 (§ 13 Abs. 3 MB/KK 78) andererseits, wobei die erste Kündigungsmöglichkeit die Rückwirkung der Kündigung dem früheren Gesetz und die Fristgebundenheit den Musterbedingungen entnimmt, während die spätere Kündigungsmöglichkeit sich vorwiegend an die Bestimmungen der Musterbedingungen anlehnt, jedoch auf die Fristbindung verzichtet.
d) Insoweit hat der Gesetzgeber mit der in Teilen unzutreffenden amtlichen Begründung keine verlässlichen Hinweise darauf gegeben, dass er - abweichend vom Wortlaut des § 178h Abs. 2 S. 1 VVG - die dort geregelte Kündigung vom Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht abhängig machen wollte. Denn gerade zu dem oben dargestellten Streit nimmt die amtliche Begründung in keiner Weise Stellung.
Klargestellt hat der Gesetzgeber allerdings, dass das neue Gesetz eine Verschärfung der Kündigungsvoraussetzungen durch vertragliche Vereinbarungen nicht mehr zulässt. Denn gem. § 178o VVG kann sich der Versicherer auf eine Vereinbarung, die zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 178h abweicht, nicht mehr berufen. Einer ergänzenden Heranziehung von zusätzlichen Kündigungsvoraussetzungen aus Allgemeinen Versicherungsbedingungen (LG Deggendorf v. 26.5.1992 - S 30/92, VersR 1993, 1135, m. zust. Anm. Brams; AG Worms v. 3.8.1992 - 2 C 180/92, VersR 1993, 1137, zur Zeit der Geltung des § 5 Abs. 9 SGB V) ist damit der Boden entzogen.
3. Eine Regelungslücke, die Veranlassung zu einer ergänzenden Auslegung der Vorschrift gäbe, enthält § 178h Abs. 2 S. 1 VVG nicht. Zu Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, dass die Rechtsordnung bei vielen Dauerschuldverhältnissen Kündigungsrechte der Vertragsparteien vorsieht, ohne dabei den Nachweis des Kündigungsgrundes zur Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigungserklärung zu machen (LSG Berlin EzS 130/537, zitiert nach juris). Dies gilt selbst bei Dauerschuldverhältnissen, in denen Vertragspartner aus sozialen Gründen mitunter besonders schutzwürdig erscheinen und deshalb ein gesteigertes Bedürfnis nach Rechtsklarheit über den Fortbestand des Vertrages bestehen kann, etwa beim Wohnraummietvertrag und im Arbeitsverhältnis. Ein Rechtsgrundsatz, wonach eine Kündigungserklärung notwendigerweise an besondere formelle Voraussetzungen, etwa den Nachweis der tatsächlichen Voraussetzungen des Kündigungsgrundes, zu knüpfen ist, ist der Rechtsordnung deshalb fremd. Eine Vorschrift, die die Kündigung eines Versicherungsverhältnisses durch den Versicherungsnehmer regelt, enthält somit entgegen der Auffassung von Kammler (Kammler, VersR 1993, 785 [789]) keine Regelungslücke, wenn sie vom Kündigenden einen solchen Nachweis nicht fordert.
Eine ergänzende Gesetzesauslegung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung, nach der die Kündigung nach § 178h Abs. 2 S. 1 VVG über den Wortlaut der Vorschrift hinaus nur bei Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht wirksam wäre, kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil eine andere Regelung - etwa im Interesse der Rechtssicherheit (dazu Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 178h Rz. 10; ebenso wohl BK/Hohlfeld, § 178h Rz. 5, a.E.) - besser oder den Interessen der Vertragsparteien gerechter (LG Kassel, Urt. v. 3.8.2001 - 10 S 162/01, unveröffentlicht) wäre. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch die vom Bundesministerium der Justiz eingesetzte Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts in ihrem Abschlussbericht v. 19.4.2004 unter Ziff. 1.3.2.4.5.11. die Auffassung vertritt, § 178h Abs. 2 S. 1 VVG sehe in seiner derzeitigen Fassung keine Nachweispflicht vor. Infolgedessen schlägt die Kommission insoweit eine Gesetzesergänzung dahingehend vor, dass die Kündigung nur dann unwirksam sein soll, wenn der Versicherungsnehmer der Nachweispflicht auch auf ein schriftliches Verlangen des Versicherers nicht binnen zwei Monaten nachkommt (dazu § 197 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs).
4. Das Kündigungsrecht des Beklagten ist hier nicht deshalb erloschen, weil er der gesetzlichen Versicherungspflicht lediglich sieben Tage lang - und damit im Zeitpunkt der Kündigungserklärung bereits nicht mehr - unterlag.
a) § 178h Abs. 2 S. 1 VVG lässt das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers mit dem Eintritt seiner gesetzlichen Versicherungspflicht entstehen. Da die binnen zwei Monaten zu erklärende Kündigung nach dem Gesetz auf den Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht zurückwirkt, kann die Vorschrift ihren Zweck, den Versicherungsnehmer vor einer "doppelten Beitragsbelastung" zu schützen, für die Zeit der Überschneidung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung (hier v. 29.8. bis zum 4.9.2001) auch dann noch entfalten, wenn im Zeitpunkt der Kündigungserklärung die gesetzliche Versicherungspflicht bereits wieder geendet hat.
b) Die Berufung auf das Kündigungsrecht verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben. Auch insofern ist entscheidend, dass die vom Beklagten erklärte Kündigung infolge ihrer Rückwirkung nach wie vor geeignet war, eine "Doppelversicherung" zu beseitigen.
Allein der Umstand, dass die gesetzliche Versicherungspflicht vorliegend lediglich sieben Tage lang bestand, lässt die Berufung des Beklagten auf sein Kündigungsrecht noch nicht treuwidrig erscheinen. Zwar mag der Fall anders liegen, wenn feststeht, dass der Versicherungsnehmer die gesetzliche Versicherungspflicht für kurze Zeit in der Absicht herbeiführt, sich vorzeitig aus dem privaten Versicherungsvertrag zu lösen. Dafür gibt es hier aber keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Fundstellen
Haufe-Index 1261655 |
BGHR 2005, 229 |
NJW-RR 2005, 108 |
LGP 2005, 21 |
MDR 2005, 392 |
MedR 2005, 90 |
VersR 2005, 66 |
IVH 2004, 284 |
r+s 2005, 71 |
JWO-VerbrR 2004, 389 |