Leitsatz (amtlich)
Über den Gegenstand der Herausgabe bei Schenkungswiderruf, wenn der Empfänger ein Grundstück von einem Dritten erwarb und der Schenker zum Kaufpreis nur einen Teil beitrug.
Normenkette
BGB §§ 531, 516
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 20.06.1969) |
LG Berlin |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts vom 20. Juni 1969 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der 1899 geborene und während des Revisionsverfahrens verstorbene bisherige Kläger (auch weiterhin Kläger genannt) war der zweite Ehemann der Mutter des 1943 geborenen Beklagten. Die Ehe wurde 1967 geschieden. Der Nachlaßpfleger nach dem bisherigen Kläger setzt den Rechtsstreit fort.
Durch notariellen Vertrag vom 16. Dezember 1957 kaufte der Beklagte, durch seine Mutter gesetzlich vertreten, von einer dritten Person das Hausgrundstück Strelitzer Straße 31 in Berlin N 31 für 30.150 DM, wovon 10.113,78 DM bar zu zahlen waren, während in Höhe des Restes Belastungen (Hypothekenschulden, Hypothekengewinnabgabe) übernommen wurden. Zwei Tage später hat der Beklagte dem Kläger in notarieller Urkunde den Nießbrauch an dem Grundstück bestellt; die Mutter, die ihn wieder vertrat, erklärte dabei das Anerkenntnis, daß der Grundstückskaufpreis samt Kosten „in voller Höhe” vom Kläger „gezahlt worden” sei. Wiederum zwei Tage später erklärte der Kläger in notarieller Urkunde den Verzicht auf Erstattung von Kaufpreis und Kosten. Die Nießbrauchsbestellung wurde nach Tätigwerden eines Ergänzungspflegers und vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung im Jahr 1961 gleichzeitig mit der Auflassung im Grundbuch vollzogen.
Mit der Behauptung, er habe den Grundstückskauf finanziert und die darin liegende Schenkung mit Anwaltsschreiben vom 17. Dezember 1966 wegen groben Undanks des Beklagten widerrufen, klagte der Kläger auf Auflassung des Grundstücks mit Eintragungsbewilligung und -antrag.
Landgericht und Kammergericht haben der Klage stattgegeben.
Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter. Der Kläger bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Der Kläger ist während des Revisionsverfahrens verstorben. Rechtsanwalt Delarge ist zum Nachlaßpfleger bestellt worden.
Entscheidungsgründe
Das Kammergericht bejaht eine Pflicht des Beklagten zur Grundstücksübereignung an den Kläger, weil dieser ihm das Grundstück geschenkt und die Schenkung wegen groben Undanks des Beklagten wirksam widerrufen habe, auch die Geschäftsgrundlage der Schenkung mit der Scheidung der Ehe weggefallen sei.
Die Revisionsrügen haben zum Teil Erfolg.
I.
a) Was die Frage betrifft, ob Gegenstand der Schenkung das zum Grundstückskauf gegebene Geld oder das Grundstück selbst war, so kann nach der vom Bundesgerichtshof fortgeführten Rechtsprechung des Reichsgerichts, von der abzuweichen kein Anlaß besteht, dann, wenn jemand schenkweise einem anderen einen Geldbetrag zum Erwerb eines Grundstücks von einem Dritten gibt, entweder (unmittelbar) der Geldbetrag oder (mittelbar) das Grundstück Gegenstand der unentgeltlichen Zuwendung sein (Urteil vom 29. Mai 1952, IV ZR 167/51, LM BGB § 313 Nr. 1, im Anschluß an RGZ 167, 199, 203). Ob im Einzelfall das eine oder das andere zutrifft, hängt davon ab, auf welchen Zuwendungsgegenstand sich die in § 516 BGB geforderte Einigung der Parteien bezieht; das ist Sache tatrichterlicher Würdigung (BGH a.a.O.).
Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, das Grundstück und nicht der Kaufpreis sei geschenkt, damit begründet, die Parteien hätten mit dem Grundstückserwerb und der Nießbrauchsbestellung eine vorweggenommene Erbregelung treffen wollen, bei der der Lebensunterhalt des Klägers gesichert war. Ob diese Begründung zur Bejahung einer entsprechenden Einigung im Sinn von § 516 BGB rechtlich ausreicht, kann offen bleiben, da das Berufungsurteil aus einem anderen Grunde aufzuheben ist (u. b und II). In der erneuten Berufungsverhandlung wird zu prüfen sein, inwieweit schon in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen kann, in welchem Umfang der in der Übernahme von Grundstücksbelastungen bestehende Kaufpreisteil im Innenverhältnis von der einen oder anderen Partei getragen werden sollte, sowie in welchem Verhältnis der Nießbrauch zum Barkaufpreis steht (unten b).
b) Legt man die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts vom Vorliegen einer Sachschenkung zugrunde, so fragt sich weiter, in welchem Umfang die Grundstückszuwendung unentgeltlich war, ob in vollem Umfang oder nur zu einem Teil. Das ist von Bedeutung für den Inhalt des Herausgabeanspruchs des Schenkers (§ 531 Abs. 2 BGB), wenn er eine Sachschenkung wegen groben Undanks wirksam widerrufen hat: im ersteren Fall kann er die Sache selbst herausverlangen; im letzteren Fall kann er dies bei Heranziehung der für die gemischte Schenkung entwickelten Grundsätze nur dann, wenn der unentgeltliche Charakter des Geschäfts überwiegt, andernfalls hat er bloß Anspruch auf den die Leistung des Schenkers übersteigenden Mehrwert (vgl. Senatsurteil vom 23. Mai 1959, V ZR 140/58, BGHZ 30, 120). Bei einer Sachschenkung, wie sie das Berufungsgericht bejaht, wo der Beschenkte den geschenkten Gegenstand nicht unmittelbar vom Schenker, sondern mit dessen Mitteln von einem Dritten erworben hat, kann es für die Frage, ob der unentgeltliche Charakter der Zuwendung überwiegt, nicht wie sonst auf das Wertverhältnis zwischen der Leistung des Schenkers an den Beschenkten und der Gegenleistung des Beschenkten an den Schenker ankommen, da es an einer solchen Gegenleistung fehlt. Maßgebend muß hier vielmehr sein, in welchem Verhältnis die zum Erwerb des Schenkgegenstands von dem Dritten erforderlichen Aufwendungen (Kaufpreis usw.) vom Schenker einerseits und vom Beschenkten andererseits gemäß der Einigung zwischen beiden (im Sinn des § 516 BGB) erbracht werden sollten.
In dieser Hinsicht hat sich das Kammergericht zwar mit der umstrittenen Frage befaßt, ob der bar zu zahlende Kaufpreisteil von etwa 1/3, nämlich rund 10.000 DM, aus Mitteln des Klägers oder (ganz oder teilweise) aus Mitteln des Beklagten und seiner Mutter entrichtet wurde; insoweit hat es Aufbringung durch den Kläger allein angenommen. Soweit der Kaufpreis dagegen durch Übernahme von Grundstücksbelastungen belegt wurde, nämlich in Höhe von rund 20.000 DM = etwa 2/3 des Kaufpreises, fehlt es an tatrichterlichen Feststellungen, ob und inwieweit sie im Innenverhältnis zwischen den Parteien nach deren seinerzeitigem Vertragswillen („Einigung” im Sinn von § 516 BGB) vom Kläger oder vom Beklagten getragen werden sollten:
Das namens des Beklagten abgegebene „Anerkenntnis” seiner Mutter im Vorspruch zum Nießbrauchsvertrag vom 18. Dezember 1957, auf welches das Berufungsgericht abhebt (BU S. 20 oben, 21 unten, 23 oben), bezeichnet zwar den Kläger „in voller Höhe” als Zahler „des Kaufpreises”, spricht aber von der Zahlung als in der Vergangenheit liegend („gezahlt worden ist”) und bezieht sich deshalb dem Wortsinn nach nur auf die bei Kaufabschluß bar zu zahlenden und bezahlten rund 10.000 DM, nicht auch auf diejenigen Leistungen, die auf die übernommenen Grundstücksbelastungen in kapitalmäßiger Höhe von rund 20.000 DM entfallen. Der vom Berufungsgericht (a.a.O.) ebenfalls herangezogenen Erstattungsverzichtserklärung des Klägers vom 20. Dezember 1957 ist zwar rein sprachlich eine solche Beschränkung auf den Barpreis nicht zwingend zu entnehmen; für eine solche Beschränkung spricht jedoch der inhaltliche Zusammenhang dieser Erklärung mit dem zwei Tage vorher abgeschlossenen Nießbrauchsvertrag. Auch das Berufungsgericht bezieht die Erklärungen in diesen beiden notariellen Urkunden nur auf „die Kaufpreismittel, soweit der Kaufpreis in bar zu entrichten war” (BU S. 20 oben; vgl. auch BU S. 21 unten: „das Geld, das er … zahlte”, und BU S. 23 Mitte: „Barkaufpreis”). Im Außenverhältnis zur Grundstücksverkäuferin hat der Beklagte die Grundstücksbelastungen auch schuldrechtlich übernommen (vgl. § 2 des Kaufvertrags, Bl. 174 der zum Gegenstand der mündlichen Berufungsverhandlung gemachten Grundakten). Das schließt freilich nicht aus, daß die Belastungen im Innenverhältnis zwischen den Parteien vom Kläger übernommen worden sind. Ob dies jedoch der Fall ist, darüber fehlt eine tatrichterliche Feststellung. Die in § 4 des Nießbrauchsvertrags festgelegte Pflicht des Klägers zur Zahlung der Hypothekenzinsen ist für den Nießbraucher bereits im Gesetz niedergelegt im Hinblick darauf, daß ihm im Normalfall nur die Reinerträge des Grundstücks gebühren sollen (§ 1047 BGB); für die Frage, inwieweit der Kläger dem Beklagten die Kaufpreismittel zugewendet hat, kommt es nicht auf die Verzinsung, sondern auf die Tilgung der Grundstücksbelastungen an. Darüber, ob auch diese Tilgung vom Kläger dem Beklagten gegenüber übernommen wurde, ist dem Berufungsurteil nichts zu entnehmen; insbesondere genügt dafür nicht die von der Revisionsantwort herangezogene allgemeine Wendung im Berufungsurteil (S. 19), der Kläger habe „während seiner Lebenszeit zwar die Vorteile erhalten, aber auch die Lasten des Grundstücks tragen” sollen.
Für die Frage, in welchem Umfang die Zuwendung des Klägers an den Beklagten unentgeltlich ist, kann auch der innere Zusammenhang zwischen Grundstückserwerb und Nießbrauchsbelastung eine Rolle spielen.
Hiernach ist bei dem Inhalt des Berufungsurteils nicht auszuschließen, daß die angenommene Grundstückszuwendung des Klägers an den Beklagten überwiegend entgeltlichen Charakter hat, so daß bei Widerruf kein Anspruch auf Übereignung des Grundstücks, sondern nur ein Wertersatzanspruch in Geld begründet sein könnte.
II.
Von dem Mangel betroffen ist auch die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts mit Wegfall der Geschäftsgrundlage.
Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß die allgemeinen Grundsätze über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage trotz der Sondervorschriften der §§ 527 ff BGB über die Rückforderung insoweit anwendbar sind, als der Sachverhalt außerhalb des Bereichs dieser Sondervorschriften liegt (Senatsurteil vom 23. Februar 1968, V ZR 166/64, LM BGB § 133 (A) Nr. 11). Daß der Kläger mit der Mutter des Beklagten verheiratet war und blieb, konnte eine derartige anderweitige Geschäftsgrundlage darstellen, deren Wegfall mit der Ehescheidung nach § 242 BGB zu einer Anpassung der Rechtsbeziehungen der Parteien fuhren konnte. Die Erwägungen tatsächlicher Art, auf Grund deren das Kammergericht einen solchen Sachverhalt bejaht, lassen bei dem von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt entgegen der Meinung der Revision keinen Rechtsirrtum erkennen. Daß der Gesichtspunkt der vorweggenommenen Erbregelung weniger rechtlicher als wirtschaftlicher Natur ist, steht seiner Verwertbarkeit in diesem Zusammenhang nicht entgegen. Der Tatrichter hat seine Überzeugung von dem Geschäftsgrundlage-Charakter des Fortbestands der Ehe damit begründet: der Kläger habe Anlaß zur Schenkung nur mit Rücksicht auf den Umstand gehabt, daß er mit der Mutter des Beklagten verheiratet war; daß besonders enge persönliche und freundschaftliche Beziehungen zwischen den Parteien bestanden hätten, die möglicherweise eine andere Beurteilung zugelassen hätten, sei nicht vorgetragen worden. Diese Begründung reicht entgegen der Meinung der Revision aus.
Aus dem Wegfall dieser Geschäftsgrundlage durch die Ehescheidung ergibt sich jedoch entgegen der Auffassung des Kammergerichts (BU S. 36 unten) noch nicht ohne weiteres, daß das Zugewendete in vollem Umfang zurückzugewähren ist. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage hat anerkanntermaßen zur Folge, daß sich die schuldrechtlichen Beziehungen der Vertragspartner in der nach Treu und Glauben gebotenen Weise selbst verändern, nämlich sich der veränderten Sachlage anpassen (§ 242 BGB). Worin diese Anpassung besteht, hängt vom Einzelfall ab; daß sie bei der Schenkung eine Pflicht zur Rückgewähr des Zugewendeten in vollen Umfang auslöst, ist zwar möglich, aber keineswegs immer geboten. Die vom Berufungsgericht zum Vergleich herangezogene gesetzliche Regelung der Auswirkung einer Ehescheidung auf Verfügungen von Todes wegen (§§ 2077, 2268, 2279 Abs. 2 BGB) kennt allerdings nur die Rechtsfolge der Unwirksamkeit; aber die Parallele trifft deshalb nicht zu, weil beim Wegfall der Geschäftsgrundlage diese Rechtsfolge eben nicht zwingend oder auch nur für den Regelfall vorgeschrieben ist.
Aber selbst wenn sich im vorliegenden Fall aus dem Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 242 BGB eine Pflicht zur Rückgewähr des Zugewendeten in vollem Umfang ergeben sollte, so bleibt auch hier noch die Frage, welchen Inhalt und welchen Umfang die Zuwendung des Klägers an den Beklagten gehabt hat.
III.
Hiernach kann das angefochtene Urteil mit der bisherigen Begründung nicht aufrechterhalten werden. Vielmehr war es aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
In der erneuten Verhandlung werden die Parteien Gelegenheit haben, auch die Fragen des groben Undanks und der Auswirkung des Scheidungsvergleichs wieder in den Kreis der Erörterung einzubeziehen.
Unterschriften
Dr. Augustin zugleich für den ortsabwesenden und an der Unterzeichnung verhinderten Bundesrichter Dr. Grell, Mattern, Hill, Offterdinger
Fundstellen
Haufe-Index 1559944 |
NJW 1972, 247 |
Nachschlagewerk BGH |