Leitsatz (amtlich)
a) Macht ein Anlageinteressent einer Sparkasse gegenüber deutlich, daß er deren Kenntnisse und Verbindungen für seine Anlageentscheidung in Anspruch nehmen will, und geht die Sparkasse darauf ein, dann kommt ein Auskunfts- oder sogar Beratungsvertrag mit Haftungsfolgen zustande.
b) Stellt eine Sparkasse ein bestimmtes Beteiligungsobjekt als in ihr Beratungsprogramm aufgenommen dar, dann kann ihr Auskunft verlangender Kunde davon ausgehen, sie habe das ihm überlassene Informationsmaterial zumindest auf Plausibilität geprüft.
Normenkette
BGB § 676
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 17.04.1985) |
LG Nürnberg-Fürth |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 17. April 1985 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte mit Ausnahme der Kosten der Streithilfe, die die Streithelferin zu tragen hat.
Von Rechts wegen
Tatbestand
In November 1980 erwarb der Kläger eine Kommanditbeteiligung von 20.000,– DM an der Fonds-Gesellschaft R. (Fonds R), die für ihn von einer Treuhänderin gehalten wurde. Der Erwerb vollzog sich über die beklagte Sparkasse, die sich ihrerseits der Hilfe der zuständigen Girozentrale – ihrer Streithelferin – bediente. Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der beteiligten Firmen ist diese Beteiligung seit Mitte 1983 nahezu wertlos. Der Kläger meint, die beklagte Sparkasse müsse für den Verlust haften. Hinsichtlich des Erwerbs ist folgendes unstreitig:
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten Konten und hatte dich bereits mit ihrer Hilfe an einem Bauherrenmodell beteiligt. Anfang November 1980 sprach er in einer Zweigstelle der Beklagten deren Privatkundenberater auf steuersparende Anlagemöglichkeiten an. Ihm ging es um die Beteiligung an einem Bauherrenmodell oder an einem geschlossenen Immobilienfonds. Seine Frage, welche geschlossenen Fonds im Angebot der Beklagten seien, beantwortete der Kundenberater dahin, daß die Beklagte zur Zeit nur Unterlagen über den Fonds R habe. Der Kundenberater übergab den Kläger dazu einen aus zwei Blatt bestehenden Kurzprospekt der Vertriebsgesellschaft, in welchem diese auf die Finanzierungsmöglichkeit „durch langfristige Kreditprogramme” auch der Streithelferin hingewiesen hatte. Er unterrichtete den Kläger über den Fonds R anhand des Rundschreibens Nr. 571 der Streithelferin vom 9. Oktober 1980. Darin wurde auf zwei Seiten den an die Streithelferin angeschlossenen Sparkassen der Fonds R mit einer insgesamt positiven Beurteilung vorgestellt. Auf Bitte des Klägers versprach der Kundenberater, sich bei der Streithelferin nach weiteren geschlossenen Immobilienfonds zu erkundigen und Unterlagen zu besorgen. In der Folgezeit kam es zu mehreren Telefongesprächen zwischen dem Kundenberater und dem Kläger. Die Beklagte erhielt auf ihre Anfrage am 13. November 1980 von der Streithelferin das weitere Rundschreiben Nr. 524 vom 12. November 1980 sowie Prospekt und Zeichnungsunterlagen für den Fonds R und einen weiteren Fonds. In dem weiteren Rundschreiben wurden steuerbegünstigte Anlagen – darunter auch der Fonds R unter erneutem Hinweis auf das frühere Rundschreiben – vorgestellt und „Konsequenzen für die Beratungspraxis” beschrieben. Darin heißt es unter 4.:
„… Zweifellos haben die „Freien” hier einen Konkurrenzvorteil, weil sie unvoreingenommen und ohne „Haftungsangst” Produkte kreieren und verkaufen können, was ihnen umso leichter fällt, als die potentiellen Zeichner von einer Bank oder Sparkasse eine „topsichere Empfehlung” erwarten, nicht aber vom „freien” Anlageberater.”
Danach wurden dem Kläger in einem weiteren Gespräch Vom Kundenberater neben entsprechendem Material für einen weiteren Fonds zu dem Fonds R der Emmissionsprospekt von 27 Seiten, ein Fragenkatalog von 19 Seiten – beide von der Vertriebsgesellschaft erstellt – und Beitrittsunterlagen ausgehändigt. Auch im Emmissionsprospekt heißt es auf Seite 3 unter dem Beteiligungsangebot hervorgehoben: „Kreditprogramme von … (eine andere Girozentrale) und der … (Streithelferin)”. Bei dieser Gelegenheit wurde u.a. die Frage erörtert, ob und in welchem Umfang Kreditzinsen bei einer Finanzierung als steuermindernd anerkannt werden würden.
Am 17. November 1980 begab sich der Kläger zum drittenmal zum Kundenberater der Beklagten. Er unterschrieb den Zeichnungsschein für den Fonds R in Höhe von 20.000,– DM zuzüglich Agio und in gleicher Höhe eine Beteiligung an dem genannten weiteren Fonds. Zur Finanzierung der Beteiligungen beantragte der Kläger gleichzeitig einen Kredit von 30.000,– DM, den die Beklagte mit Schreiben vom 20. November 1980 bewilligte. Die beiden Zeichnungsscheine leitete die Beklagte an die Streithelferin weiter. Diese sandte den Zeichnungsschein, der den Fonds R betraf, der Vertriebsgesellschaft zu, worauf der Kläger einen entsprechenden Anteilsbrief bekam. Die Rechte hieraus verpfändete er der Beklagten absprachegemäß als einzige Sicherheit für das ausgereichte Darlehen. Für den Vertragsabschluß zahlte die Vertriebsgesellschaft der Streithelferin eine Provision von 3 %, wovon diese 2/3 an die Beklagte weitergab.
Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die Beklagte zum Ersatz des durch die Beteiligung entstandenen und noch entstehenden Schadens verpflichtet ist. Auf seine Berufung hat das Oberlandesgericht das klageabweisende Urteil des Landgerichts abgeändert und dem Feststellungsantrag Zug um Zug gegen Übertragung seiner Beteiligungsrechte stattgegeben, allerdings nur hinsichtlich des bereits entstandenen Schadens. Dagegen wendet sich die Beklagte, unterstützt durch die Streithelferin, mit ihrer zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten greift das Berufungsurteil nicht an, soweit darin festgestellt ist, daß und warum der Emmissionsprospekt unvollständig und unrichtig war, daß die in ihm nicht dargestellten kapitalmäßigen Verflechtungen der beteiligten Firmen zum Zusammenbruch führten, und daß der Kläger bei Kenntnis der Unvollständigkeit und Unrichtigkeit sich nicht beteiligt haben würde. Sie meint, es fehle am Haftungsgrund. Vorsorglich wird dem Kläger weiterhin Mitverschulden vorgeworfen.
Damit kann die Revision keinen Erfolg haben.
1. Das Berufungsgericht meint, in Fällen der vorliegender Art hafte auch der. Vertreter für die Verletzung vorvertraglicher Pflichten. Die Beklagte habe als ein mit der Vermittlung des Fonds R tatsächlich befaßtes Unternehmer zu eigenem wirtschaftlichen Nutzen Vertrauen für sich in Anspruch genommen und dadurch die Verhandlungen mit dem Kläger entscheidend beeinflußt. Wenn auch der Kundenberater den Fonds R ohne nachdrückliche Empfehlungen nur unter Bezugnahme auf die Prospektangaben angeboten habe, schließe dies das Entstehen eines zusätzlichen Vertrauenstatbestandes nicht aus. Die Beklagte als Sparkasse brauche nicht erst auf ihre Erfahrung und Seriosität hinzuweisen. Der zusätzliche Vertrauenstatbestand sei bereits dadurch entstanden, daß die Beklagte als Sparkasse die Kapitalanlage in ihr Beratungsprogramm aufgenommen und vermittelt und damit der Kapitalanlage den Anschein einer Seriosität verliehen habe, die Sparkassengeschäften eigentümlich sei. Wenn sich die Beratung in der Hinausgabe des Prospektes erschöpfe und dessen Inhalt zur alleinigen Entscheidungsgrundlage werde, dann hafte der Berater für die Richtigkeit und Vollständigkeit der wesentlichen Prospektangaben.
2. Der Senat hat die Haftung einer Bank wegen Verhandlungsverschuldens bejaht, als diese eine von ihr als „bankgeprüft” bezeichnete Beteiligung an einer Abschreibungsgesellschaft schriftlich angeboten hatte (Urteil vom 12.2.1986 – IVa ZR 76/84 – WM 1986, 517). Es kann offen bleiben, ob bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden die Grundsätze des Verhandlungsverschuldens (dazu weiter Senatsurteil vom 25.9.1985 – IVa ZR 237/83 – WM 1985, 1520 – VersR 1986, 35) ebenfalls zum Tragen kommen. Der unstreitige Sachverhalt und die zusätzlich vom Tatrichter getroffenen Feststellungen ergeben nämlich, laß die Parteien nicht in der Verhandlungsphase stehen geblieben sind. Vielmehr ist zwischen ihnen bereits anläßlich des ersten Gesprächs des Klägers mit dem Kundenberater ein Vertrag zustandegekommen, der die vom Berufungsgericht angenommene Haftung nach sich zieht.
a) Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen im Rahmen der Anlage Vermittlung davon auszugehen ist, zwischen dem Anlageinteressenten und dem Vermittler sei zumindest stillschweigend ein Vertrag abgeschlossen worden, der Auskunfts- oder sogar Beratungspflichten zur Folge hat (Urteile vom 2.2.1983 – IVa ZR 118/81 – LM BGB § 676 Nr. 27 = WM 1983, 263 = NJW 1983, 1730 unter II. 1.; vom 27.6. 1984 – IVa ZR 231/82 und 135/83 – LM BGB § 676 Nr. 29 = Vers R. 1984, 891 = WM 1984, 1075 = NJW 1984, 2524 unter 1. 2. c) und WM 1984, 1216 unter 2. a)). Tritt ein Anlageinteressent an den Anlagevermittler nach dessen Angebot oder von sich aus heran, und macht er deutlich, daß er auf eine (bestimmte) Anlageentscheidung bezogen die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will, dann liegt darin sein Angebot auf Abschluß eines Auskunfts- oder Beratungsvertrages. Dieses Angebot nimmt der Anlagevermittler stillschweigend jedenfalls dadurch an, daß er die gewünschte Tätigkeit beginnt. Der Anlagevermittler kann das genannte Verhalten des Anlageinteressenten ebensowenig als unverbindlich verstehen, wie umgekehrt der als Kunde auftretende Interessent das Handeln des Vermittlers. Ob dabei der Vermittler für seine Auskunfts- oder Beratungstätigkeit ein zusätzliches Honorar unmittelbar vom Interessenten und nicht vom Vertreiber der Beteiligung erwartet, fordert oder bekommt, ist für die Frage des Vertragsabschlusses mit Haftungsfolgen von untergeordneter Bedeutung. Eine Entgeltsvereinbarung zwischen dem Vermittler und seinem Kunden ist keine notwendige Voraussetzung für einen verbindlichen Vertrag (Senatsurteile vom 2.2.1983 und 27. 6.1984 a.a.O.).
b) Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum andere Grundsätze gelten sollen, wenn der Anlageinteressent in gleicher Weise an ein Kreditinstitut herantritt, zumal wenn bereits mit diesem vertragliche Beziehungen bestehen. Aber auch das Fehlen sonstiger vertraglicher Beziehungen zwischen dem Anlageinteressenten und der Bank schließt das Zustandekommen eines solchen Vertrages mit Haftungsfolgen keineswegs aus (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, vgl. Urteil vom 6.3.1972 – II ZR 100/69 – NJW 1972, 1200 unter I. m.w.N.; Baumbach/Duden/Hopt, HGB 26. Aufl. § 347 Anm. 3 B; Köndgen, Zur Theorie der Prospekthaftung, Seite 38 ff. sowie in Anm. EWiR 1985, 473, 474 unter 4.; vgl. weiter Urteil vom 15.12.1975 – II ZR 28/74 – WM 1976, 630 unter I.). Banken und Sparkassen sehen die Beratungs- und Auskunftstätigkeit in Bezug auf Geldanlagen auch bei Dritten durchaus als ihr Geschäft an, das zur Haftung führen kann. Auch die Streithelferin und die Beklagte sind sich über diese Rechtslage im klaren. Das zeigen die im Tatbestand mitgeteilten Sätze unter Nr. 4 des Rundschreibens Nr. 524 vom 12. November 1980. Insbesondere kommt es in diesem Zusammenhang nicht daraus an, ob der Bank- oder Sparkassenkunde eigene Geschäftserfahrung hat (Kübler, ZHR 145 – 1981 – 204, 214 f. m.w.N. und These IV 1 S. 221). Deshalb konnte das Berufungsgericht den dahingehenden Beweisantritt der Beklagten außer acht lassen.
c) Die Revision beruft sich demgegenüber auf die Rechtsprechung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes zur Frage, ob der Anlageinteressent als Kreditnehmer der Bank Einwendungen aus seinem Rechtsverhältnis mit den Anlagefirmen entgegenhalten oder mit Schadensersatzansprüchen z.B. aus Verhandlungsverschulden aufrechnen kann (Urteil vom 17.1.1985 – III ZR 135/83 – WM 1985, 221, 223 f. unter 7.ff., insoweit BGHZ 93, 264, 270 nicht vollständig abgedruckt). Diese Rechtsprechung behandelt lediglich die Rechtsbeziehungen zwischen der Bank und dem Kunden, die sich aus einem Kreditvertrag ergeben. Wird aber allein oder auch daneben ein gesonderter Auskunfts- oder sogar Beratungsvertrag geschlossen, dann hat dieser andere Rechte und Pflichten zur Folge. Im vorliegenden Fall hat der Kläger seinen Kreditantrag erst anläßlich des dritten Gespräches mit dem Kundenberater gestellt. Aber selbst ein Kreditvertrag kann die Bank ausnahmsweise zur Aufklärung ihres Kreditnehmers über besondere Umstände des kreditierten Geschäftes verpflichten (Urteile vom 25.4.1985 – III ZR 27/84 – WM 1985, 993, 994, weiter vom 20.2.1986 – III ZR 111, 223 und 133/84 – WM 1986, 671, 700 und 735 jeweils unter III.
d) Die genannten Voraussetzungen für den Abschluß eines Auskunfts- oder sogar Beratungsvertrages wurden durch das Verhalten der Parteien bei dem ersten Gespräch Anfang November 1980 erfüllt.
Unstreitig war der Kläger bereits Kunde der Beklagten. Sie führte für ihn Konten. Er hatte mit ihrer Hilfe sogar schon ein Anlagegeschäft finanziert. Er trat von sich aus an die Beklagte, nämlich an den für sie handelnden Privatkundenberater heran. Zu dessen Aufgaben gehört es, die Kunden über Kapitalanlagen zu beraten. Dem Kläger ging es um Aufklärung und Unterrichtung, vielleicht sogar Beratung bei einer bestimmten Anlageentscheidung. Er begab sich in die Geschäftsräume der Beklagten und bemühte sich erkennbar um die Klärung für ihn wichtiger Voraussetzungen dieser Anlageentscheidung. Seine Erkundigung, welche geschlossenen Fonds „im Angebot der Beklagten” seien, bedeutete nicht weniger als die Frage danach, ob und gegebenenfalls welche Beteiligungen die Beklagte nach ihrem Kenntnisstand zum damaligen Zeitpunkt ihm als einem anlagewilligen Kunden in welchem Maße – oder gegebenenfalls mit welchen bestimmten Einschränkungen – empfehlen könne; anders konnte sie nicht verstanden werden. Der Kundenberater der Beklagten hat sie ebenso verstanden, Das zeigt das von diesem an den Tag gelegte Verhalten. Er beschränkte seine Antwort auf den Fonds R, unterrichtete den Kläger nur darüber und über dessen in weiten Teilen positive Beurteilung durch das Rundschreiben Nr. 571 vom 9. Oktober 1980. Er versprach dann, seine besonderen Kenntnisse und seine Verbindungen zur Streithelferin für den Kläger einzusetzen. Die Beklagte selbst hat vorgetragen, ihr sei es darum gegangen, den Kläger als Kunden zu erhalten und die Geschäftsbeziehungen möglichst auszuweiten. Das war der Beklagten in der konkreten Situation ohne den Abschluß eines verbindlichen Vertrages über Auskunft oder sogar Beratung nicht möglich, wenn sie nicht einen solchen Vertrag ausdrücklich ablehnte. Das hat sie jedoch unstreitig nicht getan. Sie hat vielmehr von der Streithelferin sämtliche Unterlagen einschließlich des Fragenkatalogs beschafft, der im Prospekt als „auf Anfrage zur Verfügung” stehende weitere Information genannt wird. Sie hat es zusätzlich übernommen, die Zeichnungsscheine weiterzuleiten. Wie im Berufungsurteil richtig gesehen, ist sie damit sogar für die Beteiligung des Klägers als Abschlußvermittlerin aufgetreten. Deutlich für einen Vertrags Schluß spricht das eigene wirtschaftliche Interesse der Beklagten. Sie erhielt nicht nur die nach der Feststellung des Tatrichters in solchen Fällen übliche, also erwartete Provision. Sie verdiente außerdem an dem vom Klager erst nach Abschluß des Auskunfts- oder Beratungsvertrages beantragten Kredit.
3. Die nach diesem Vertrag ihr obliegenden Pflichten hat die Beklagte schuldhaft verletzt, so daß sie für den dem Kläger dadurch entstandenen Schaden einstehen muß.
a) Der Kläger hatte nach einem geschlossenen Immobilienfonds „im Angebot” der Beklagten gefragt. Nach dieser Frage konnte er das gesamte weitere Verhalten des Privatkundenberaters nicht anders als dahin verstehen, die Angaben im Prospekt und im Fragenkatalog seien seitens der Beklagten oder jedenfalls der Streithelferin als der Gewährgeberin der Beklagten einer Prüfung unterzogen worden. Der Kläger wollte mit der Einschaltung der Beklagten offensichtlich ein Mehr an Sicherheit gegenüber sonstigen Marktangeboten. Aus seiner Sicht bot ihm das die Beklagte durch die Aufnahme gerade dieser Beteiligung in ihr Beratungsprogramm. Das Mehr an Sicherheit mußte darin bestehen, daß die Beklagte mit ihrer Streithelferin kraft kritischen Sachverstandes und weitreichender Nachfragemöglichkeit die Prospektangaben auf Plausibilität geprüft hatte. Zumindest mußte die kritische Untersuchung der Beteiligung anhand des Prospektes und des Fragenkataloges im vor vorliegenden Fall also ergeben haben, daß darin keine erkennbaren Unrichtigkeiten enthalten waren, und daß keine schon zum damaligen Zeitpunkt angelegten, dem Konzept innewohnenden, gewichtigen Gefahrumstände hatten aufgedeckt werden können.
In einer solchen Situation bedarf es eines besonderen Hinweises der Sparkasse auf solche Prüfungsmaßnahmen nicht. Sie werden vom auskunftsbedürftigen Kunden bei einer Sparkasse vorausgesetzt. Mit der besonderen Vertrauenswürdigkeit einer Sparkasse wird im Geschäftsverkehr, gerade im nichtkaufmännischen Geschäftsverkehr gerechnet (vgl. BGH Urteil vom 7.3.1985 – I ZR 34/83 – NJW 1986, 318 unter II. 2.). Davon ging auch die Streithelferin in ihrem Rundschreiben Nr. 524 unter Nr. 4 aus.
Die Streithelferin, von der sich die Beklagte beraten und mit Unterlagen versehen ließ, auf die sie sich verließ, war dabei ihre Erfüllungsgehilfin (§ 278 BGB). Erfüllungsgehilfe ist jeder, der nach den tatsächlichen Fallgegebenheiten mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als sein Helfer tätig wird, ohne daß es auf Weisungsbefugnisse ankommt (ständige Rechtsprechung vgl. z.B. BGH Urteile vom 13.1. und 1.10.1984 – V ZR 205/82 und II ZR 158/84 – LM BGB § 278 Nr. 89 und 92 = NJW 1984, 1748 und 1985, 380 = WM 1984, 364 und 1529, Jeweils unter II. 2. b)).
b) Die Streithelferin und die Beklagte haben pflichtwidrig gehandelt. Unstreitig haben sie den Fonds R ohne Prüfung in ihr Angebot aufgenommen. Deshalb konnten sie den Kläger nicht über die erheblichen Bedenken aufklären, die bereits damals gegen eine Beteiligung bestanden und sich schon aus der kritischen Prüfung anhand des Prospektes und des Fragenkataloges ergaben. Vielmehr hat der Kundenberater gegenüber dem Kläger allenfalls die aus dem Rundschreiben Nr. 571 der Streithelferin ersichtlichen Einschränkungen zu Steuerfragen und zum Vermieterrisiko erwähnt.
Abgesehen von der Fragwürdigkeit der steuerrechtlichen Konzeption waren zumindest folgende gewichtigen Unrichtigkeiten oder Gefahrumstände allein aufgrund kritischer Prospektprüfung aber ersichtlich:
Wahrheitswidrig wurde im Prospekt mit dem Namen der Streithelferin geworben. Hatte diese für ihre Kunden, die sich beteiligen wollten, ein Kreditprogramm aufgelegt, dann mußte dieser Umstand den Kläger in seinem Vertrauen darauf daß das Objekt geprüft und für zuverlässig befunden worden war, sogar entscheidend bestärken.
Auf wirtschaftliche Verflechtungen zwischen den verschiedenen Projektpartnern gingen die Unterlagen überhaupt nicht ein. Das mußte auffallen, weil im Prospekt zwar für die den Kunden nicht sehr interessierende Vertriebsgesellschaft sämtliche Einzelheiten einschließlich der Besetzung ihres Vorstandes und ihres Aufsichtsrates angegeben waren, nicht aber für die Finanzierungsgesellschaft, die Generalunternehmerin, die Hauptmieterin und insbesondere die Treuhänderin. Soweit für diese mehr als die Firma angegeben war, legten solche Angaben eher den Verdacht einer Verflechtung nahe, als daß sie ihn ausräumten. Nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsurteils wurden tatsächlich praktisch alle für das Gelingen der Beteiligung maßgeblichen Firmen von dem Projektinitiator kapitalmäßig beherrscht und kontrolliert. Er stand gleichzeitig hinter allen Firmen, die an den in der Bundesrepublik gelegenen Immobilienobjekten verdienten. Besonders schwer wiegt, daß der Projektinitiator auch die Treuhänderin kontrollierte, so daß damit die zur Interessenwahrung der Anleger gebotene Neutralität nicht gegeben war. Eine solche im Konzept der Beteiligung von Anfang an angelegte bedeutsame Gefahr und Unsicherheit durfte und konnte bei pflichtgemäßer Prüfung nicht übersehen werden. Denn der im Prospekt abgedruckte Gesellschaftsvertrag für den Fonds R räumte der Treuhänderin zwar sämtliche Rechte, den Treugebern wegen der Zusammensetzung, der Beschlußfähigkeit und der Arbeitsweise des Beirates aber kaum Kontrollmöglichkeiten ein. Danach kam es für den Treugeber ersichtlich entscheidend darauf an, daß die hinter der Treuhänderin stehenden Personen wirklich unabhängig waren.
Die im Prospekt enthaltenen Berechnungen offenbarten bei sachverständiger und kritischer Prüfung jedenfalls für den Fall der Verflechtung ein großes Sicherheitsrisiko. Nur etwas mehr als ein Drittel der Gesamtinvestitionskosten – 50,5 Mio. DM von 141,1 Mio. DM – sollten als Kapital von der Treuhänderin aufgebracht werden. Das setzte voraus, daß sämtliche Beteiligungen rechtzeitig verkauft wurden. Unstreitig konnten aber über 60 % der Anteile am Markt nicht untergebracht werden. Von den 50,5 Mio. DM aber mußten 33 Mio. DM für den Erwerb von Wertpapieren aufgewendet werden, die neben den Immobilien zum Fonds gehören sollten, wenn dafür nicht auch – wie tatsächlich unstreitig mit der Folge der Verpfändung von Papieren im Wert von über 27 Mio. DM geschehen – Fremdmittel aufgenommen wurden. Die verbleibenden 17,5 Mio. DM an Zeichnungskapital bei völliger Zeichnung reichten nicht einmal für die im Prospekt mit circa 22 Mio. DM angegebenen Finanzierungskosten. Den größten Teil dieser Kosten verdiente unstreitig eine der verflochtenen Firmen. Hinzu kamen nach dem Prospekt weitere 5 Mio. DM Zwischenfinanzierungskosten. Wenn unter solchen Umständen bereits im ersten (zeitanteilig) und im zweiten Beteiligungsjahr 6,5 % ausgeschüttet werden sollten, hätte damit gerechnet werden müssen, daß diese Ausschüttung zumindest zum Teil zusätzlich zu Lasten des gezeichneten Kapitals gehen würde. Dann aber mußte gefragt und geklärt werden, auf welche Weise die Immobilien ausschließlich mit Fremdmitteln erworben und bebaut werden sollten, obwohl doch „die Valutierung der Hypotheken und Darlehen für die Gebäude in Deutschland” erst „zum Zeitpunkt der Fertigstellung und schlüsselfertigen Übergabe” erfolgen sollte, wie der Prospekt verhieß.
Danach kann dahingestellt bleiben, ob die sachverständige und kritische Prüfung des Prospekts auf seine Plausibilität hin weitere Gefahrumstände hätte aufdecken müssen.
c) Weder die Beklagte noch die Streithelferin haben etwas vorgetragen, was sie von dem Vorwurf entlasten könnte, diese Pflichtwidrigkeit sei schuldhaft begangen.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Tatsache ohne Bedeutung, daß nach einem Hinweis eingangs des Prospektes eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Prüfung des Prospektes beauftragt worden war und einen „Bestätigungsvermerk” über Art und Umfang der Prüfungshandlungen entsprechend dem damaligen Entwurf des Gesetzes über den Vertrieb von Anteilen an Vermögensanlagen (BT-Drucks. 8/1405 vom 2.1.1978) erteilt hatte. Der Bestätigungsvermerk konnte die Prüfung auf Plausibilität nicht ersetzen. Deshalb braucht nicht geklärt zu werden, ob der Auskunfts- oder sogar Beratungspflichtige schuldlos handelt, wenn er sich auf eine solche Prospektbehauptung verläßt, ob er nicht zumindest den Prüfbericht anfordern und seinerseits, wenn auch vielleicht nur stichprobenhaft, kontrollieren muß, wenn und weil er im Auftrag der Projektinitiatoren erstellt wurde.
Überdies hat der Kläger vorgetragen, die Streithelferin habe von den in einem Mitteilungsblatt schon im Oktober 1980 veröffentlichten starken Zweifeln hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Fonds R Kenntnis gehabt. Dem hat die Streithelferin nicht widersprochen; sie hat vielmehr nur die Maßgeblichkeit des genannten Mitteilungsblattes in Frage gestellt. Für das Verschulden bedeutsam ist aber allein schon die Kenntnis dieser Zweifel. Zudem ist in einem Rechtsstreit zwischen der Herausgeberin dieser Zeitschrift und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft die Berechtigung der Kritik anerkannt worden (OLG Düsseldorf ZIP 1982, 852, 853).
d) Im Berufungsurteil wird rechtsfehlerfrei festgestellt, daß dem Kläger bei dieser Anlagebeteiligung Schaden entstanden ist, der durch pflichtgemäße Prüfung der Beklagten oder der Streithelferin vermieden worden wäre. Das nimmt die Revision wie bereits erwähnt hin.
4. Mit Recht kommt die Revision nicht mehr auf die im Berufungsrechtszug erwähnte Haftungsfreizeichnung in Nr. 7 der damaligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen zurück. In ihrem damaligen Wortlaut war diese Haftungsfreizeichnung im nichtkaufmännischen Verkehr wegen Verstoßes gegen § 11 Nr. 7 AGBG insgesamt unwirksam; die dem Haftungsausschluß angefügte salvatorische Klausel „soweit rechtlich zulässig” reichte nicht, um den Haftungsausschluß in den Bereich einer statthaften Freizeichnung hineinzuführen (Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Bearbeitung Rdn. 2752 und 2597; Löwe/Graf v. Westphalen/Trinkner, AGBG 2. Aufl. Band III, Sparkassen AGB Rdn. 6; vgl. auch v. Westphalen, WM 1980, 1406, 1414 f. und Ulmer/Brandner/Hensen, AGB Kommentar 4. Aufl. Anhang §§ 9–11 Rdn. 161 sowie Kübler, ZHR 145 – 1981 – 204, 217 f.).
5. Schließlich hat das Berufungsgericht auch ein Mitverschulden des Klägers bei der Entstehung des Schadens ebenso ohne Rechtsfehler verneint wie die Verjährung seines Schadensersatzanspruches (vgl. zu letzterem die oben unter 2 a genannten Senatsurteile vom 27.6.1984 a.a.O.).
Bei der Frage nach dem Mitverschulden kann unentschieden bleiben, ob die Beklagte sich dem Kläger gegenüber nur zur Auskunft oder sogar zur individuellen Beratung verpflichtet hat; im vorliegenden Fall kann dem Kläger nach den Grundsätzen der Senatsrechtsprechung auch dann kein Mitverschulden zur Last gelegt werden, wenn lediglich Auskunftsverpflichtungen bestanden haben (Urteil vom 25.11. 1981 – IVa ZR 286/80 – LM BGB § 652 Nr. 78 = WM 1982, 90 = NJW 1982, 1095 unter II.). Mit Recht stellt das Berufungsgericht darauf ab, daß der Kläger nicht dieselbe Sachkunde und Erkenntnismöglichkeit wie die Beklagte oder die Streithelferin gehabt habe. Eben deshalb fragte er nach dem Angebot der Beklagten. Dieses Angebot und das Auftreten des Kundenberaters waren aber nach dem eigenen Vortrag der Beklagten und der Streithelferin gerade nicht so geartet, daß wie im Fall des Senatsurteils vom 25. November 1981 (vgl. dort unter II. 2.) besondere Vorsicht nahegelegt war. Daß und warum hier besondere Umstände vorlagen, die den Kläger veranlassen mußten, trotz der von ihm mit Recht erwarteten Prüfung des Informationsmaterials seitens der Streithelferin nun selbst auffällige Unklarheiten zu erkennen, ist nicht vorgetragen, geschweige denn festgestellt.
Unterschriften
Rottmüller, Dehner, Dr. Schmidt-Kessel, Dr. Zopfs, Dr. Ritter
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 117 |
BB 1987, 850 |
NJW 1987, 1815 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1987, 500 |
JZ 1987, 720 |