Leitsatz (amtlich)
Zahlungen des Inhabers eines Handelsgewerbes an einen stillen Gesellschafter, denen ein gewinnunabhängiges Zahlungsversprechen im Gesellschaftsvertrag zugrunde liegt, sind entgeltliche Leistungen, wenn sie die Gegenleistung für die erbrachte Einlage darstellen.
Normenkette
InsO § 134 Abs. 1; HGB § 232
Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 24.05.2017; Aktenzeichen 1 U 31/16) |
LG Osnabrück (Urteil vom 29.07.2016; Aktenzeichen 7 O 2417/15) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 1. Zivilsenats des OLG Oldenburg vom 24.5.2017 und das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Osnabrück vom 29.7.2016 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die E. Gesellschaft mbH (fortan: Schuldnerin) gab eine kostenlose Zeitung heraus. Zur Deckung ihres Kapitalbedarfs bot die Schuldnerin privaten Anlegern seit Ende der 90er Jahre die Möglichkeit, sich mit einer Einlage als stille Gesellschafter zu beteiligen. Die jeweiligen Vereinbarungen bezeichnete die Schuldnerin als "Gesellschaftsvertrag zum Medienbrief Nr. [...]" (fortan: Medienbrief). Sie versprach den Anlegern in den Medienbriefen, diesen einen als "Vorabvergütung" bezeichneten jährlichen Zins auf die Einlage zu bezahlen. Der in den jeweiligen Medienbriefen genannte Zinssatz schwankte zwischen 4,75 vom Hundert und 6,25 vom Hundert. Seit dem Jahr 2001 wiesen die Handelsbilanzen der Schuldnerin stets einen Jahresverlust aus. Die Einlagen neu beitretender Gesellschafter verwendete die Schuldnerin in der Art eines sog. Schneeballsystems für Auszahlungen an die stillen Gesellschafter sowie zur Finanzierung ihres Geschäftsbetriebs.
Rz. 2
Die Beklagte erwarb in der Zeit zwischen dem 8.8.2008 und dem 30.4.2013 insgesamt 28 Medienbriefe zu je 5.000 EUR. Die jeweiligen Medienbriefe enthielten stets gleichlautende Bestimmungen. Diese sahen u.a. folgendes vor:
"§ 3 Vergütung Als Vorabvergütung zahlt der Verlag an den stillen Gesellschafter [...] % (in Worten: [...] Prozent) pa. Die Zahlung erfolgt jeweils zum 30. Juni und 31. Dezember eines jeden Jahres. § 4 Gewinn- und Verlustverteilung Die Gewinn- und Verlustverteilung wird wie folgt vereinbart: a) Bemessungsgrundlage ist das handelsrechtliche Jahresergebnis vor Ertragsteuern nach Abzug der an die stillen Gesellschafter gezahlten Vorabvergütungen zum Bilanzstichtag. b) Von dem sich ergebenden Gewinn entfällt auf jeden einzelnen stillen Gesellschafter der Teil, der sich aus dem Verhältnis seines Anteils zu den gesamten stillen Gesellschaftern ergibt. Sollte sich das stille Gesellschaftsverhältnis nicht über das gesamte Jahr erstrecken, erhält er seinen Anteil für jeden vollen Zinstag anteilig."
Rz. 3
Die Schuldnerin zahlte an die Beklagte zwischen dem 1.7.2010 und dem 27.12.2012 als Vorabvergütungen insgesamt 20.265,10 EUR. Hiervon führte die Schuldnerin für die Beklagte als Abgeltungssteuer einen Betrag von 4.878,91 EUR an das Finanzamt ab.
Rz. 4
Auf einen Eigenantrag der Schuldnerin vom 23.1.2014 eröffnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 18.3.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 5.9.2014 auf, die Vorabvergütungen einschließlich der abgeführten Abgeltungssteuer i.H.v. 20.265,10 EUR zu erstatten.
Rz. 5
Da die Beklagte der Zahlungsaufforderung nicht nachkam, erhob der Kläger Klage auf Zahlung von 20.265,10 EUR nebst Zinsen. Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt; die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 6
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Klageabweisung.
I.
Rz. 7
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anfechtungsanspruch gem. §§ 143 Abs. 1, 134 Abs. 1 InsO zu. Bei den Zahlungen der Schuldnerin habe es sich um unentgeltliche Leistungen gehandelt. Dies sei der Fall, wenn der Empfänger keinen Anspruch auf die Leistung gehabt habe. Diese Voraussetzung sei erfüllt, weil der Beklagten nach den Gesellschaftsverträgen keine feste, von den Geschäftsergebnissen unabhängige Vergütung zugestanden habe.
Rz. 8
Die Regelung in § 3 der jeweiligen Gesellschaftsverträge enthalte nur eine Regelung über eine im Voraus geleistete Zahlung auf zukünftige Gewinne. Aus § 4 des Gesellschaftsvertrags ergebe sich, dass eine Gewinn- und Verlustbeteiligung auf der Grundlage der jeweiligen handelsrechtlichen Jahresergebnisse erfolge. Die Beklagte habe nicht bewiesen, dass es neben den schriftlichen Gesellschaftsverträgen eine mündliche Abrede gegeben habe, dass ihr die in § 3 des Gesellschaftsvertrags genannte Verzinsung als feste Rendite unabhängig von einem Gewinn oder Verlust der Gesellschaft zustehen sollte.
Rz. 9
Da die Beklagte nur Vorauszahlungen auf mögliche Gewinne erhalten habe, die Schuldnerin aber seit 2001 keine Gewinne mehr erwirtschaftet habe, sei die Beklagte jedenfalls verpflichtet, die erhaltenen Vorabvergütungen wieder zurückzuzahlen. Aus der Vereinbarung von Vorabvergütungen folge ein stillschweigend vereinbarter Rückzahlungsanspruch; der Kläger habe ihn auch geltend gemacht. Die Zahlungen könnten angesichts der bindenden Tilgungsbestimmung der Schuldnerin nicht als Zahlung auf etwaige Schadensersatzansprüche der Beklagten behandelt werden. Eine Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen scheide aus, weil dem Kläger ein insolvenzrechtlicher Rückgewähranspruch zustehe. Im Übrigen sei die Beklagte auch gem. § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Rückzahlung der erhaltenen Zahlungen verpflichtet.
II.
Rz. 10
Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Dem Kläger steht kein Rückgewähranspruch gem. § 143 Abs. 1 InsO zu, weil die Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 InsO nicht erfüllt sind.
Rz. 11
1. Eine unentgeltliche Leistung liegt im - hier bestehenden - Zwei-Personen-Verhältnis vor, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll (BGH, Urt. v. 20.4.2017 - IX ZR 252/16, WM 2017, 1215 Rz. 10 m.w.N., zVb in BGHZ).
Rz. 12
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt bei einer Leistung ohne Rechtsgrund eine die Zuwendung ausgleichende Verpflichtung des Empfängers im Allgemeinen vor, wenn dem Schuldner ein (bereicherungsrechtlicher) Rückforderungsanspruch hinsichtlich seiner Leistung zusteht (BGH, a.a.O., Rz. 14). Ebenso ist eine Leistung entgeltlich, wenn hinsichtlich der auf vertraglicher Grundlage erfolgenden Vermögensverlagerung auf Dritte ein Rückforderungsanspruch des Schuldners besteht (BGH, a.a.O., Rz. 19 m.w.N.; Urt. v. 7.9.2017 - IX ZR 224/16, ZIP 2017, 1863 Rz. 15).
Rz. 13
b) Auszahlungen an einen stillen Gesellschafter, mit denen nach einer Kündigung der Gesellschaftsbeteiligung die Einlage des stillen Gesellschafters zurückgewährt wird, sind entgeltlich, soweit ein Auseinandersetzungsguthaben des stillen Gesellschafters besteht (§ 235 HGB; vgl. BGH, Urt. v. 18.7.2013 - IX ZR 198/10, WM 2013, 1504 Rz. 9, 16 ff.). Zahlungen an einen stillen Gesellschafter, die auf die Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters gem. §§ 231, 232 HGB erfolgen, sind entgeltlich, soweit ein auf den stillen Gesellschafter entfallender Gewinnanteil tatsächlich erzielt worden ist oder der Gesellschaft für überzahlte Gewinne bereicherungsrechtliche oder vertragliche Rückzahlungsansprüche gegen den stillen Gesellschafter zustehen. Hingegen sind Zahlungen auf Scheingewinne unentgeltlich, wenn der Schuldner wusste, dass kein Anspruch auf Auszahlung eines Gewinns bestand (BGH, Urt. v. 11.12.2008 - IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 Rz. 6; v. 2.4.2009 - IX ZR 197/07, ZInsO 2009, 1202 Rz. 6; v. 22.4.2010 - IX ZR 163/09, ZIP 2010, 1253 Rz. 6; v. 10.2.2011 - IX ZR 18/10, ZIP 2011, 674 Rz. 8).
Rz. 14
Auch wenn die Gesellschaft keine Gewinne erzielte, sind über die Regelung der §§ 231, 232 HGB hinaus Zahlungen an die stillen Gesellschafter zulässig, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht. Solche Ausschüttungen können - abweichend von der gesetzlichen Regel - in der Weise vereinbart werden, dass dem stillen Gesellschafter eine feste Verzinsung seiner Einlage versprochen wird, die unabhängig davon ist, ob der jährliche Gewinn zur Deckung des garantierten Betrages ausreicht oder ob überhaupt Gewinn erzielt wird (vgl. RGZ 122, 387, 390; BGH, Urt. v. 10.10.1994 - II ZR 32/94, BGHZ 127, 176, 181; Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl., § 231 Rz. 6; Gehrlein in Ebenroth/Boujoung/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 231 Rz. 4; ebenso zur Kommanditbeteiligung BGH, Urt. v. 27.1.1975 - II ZR 130/73, WM 1975, 662 unter I.; v. 5.4.1979 - II ZR 98/76, WM 1979, 803 f unter II.). Sie gehen damit letztlich zu Lasten des Kapitals. Sie sind entgeltlich, wenn sie die Gegenleistung für die erbrachte Einlage darstellen (BGH, Urt. v. 20.4.2017 - IX ZR 189/16, WM 2017, 1312 Rz. 9; vgl. auch BGH, Urt. v. 18.9.2012 - II ZR 50/11, ZIP 2013, 19 Rz. 19 f.).
Rz. 15
2. Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei den angefochtenen Zahlungen um eine entgeltliche Leistung der Schuldnerin. Die Schuldnerin hat mit den Zahlungen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weder eine Einlage zurückgewährt noch Scheingewinne gezahlt, sondern ihre Verpflichtung aus § 3 des Gesellschaftsvertrags erfüllt.
Rz. 16
a) Die an die Beklagte gem. § 3 des Gesellschaftsvertrags gezahlten Vorabvergütungen stellen eine Gegenleistung für die Einlage der stillen Gesellschafter dar, die in Form einer festen Kapitalverzinsung oder garantierten Mindesttantieme zu Lasten des Kapitals geht (ebenso OLG Hamm, NZI 2017, 306, 308). Dies folgt aus einer Auslegung des Gesellschaftsvertrags.
Rz. 17
aa) Der Senat kann den Formularvertrag über die stille Beteiligung der Beklagten selbst frei auslegen, weil die Schuldnerin für die stillen Beteiligungen von ihr erstellte Formularverträge eingesetzt und diese über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus verwandt hat (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.2000 - II ZR 218/00, ZIP 2001, 243, 244; Beschl. v. 22.9.2015 - II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rz. 8). Dabei unterliegen die von einem Unternehmen für eine Vielzahl von Gesellschaftsverträgen mit stillen Gesellschaftern vorformulierten Vertragsbedingungen einer ähnlichen objektiven Auslegung und Inhaltskontrolle wie allgemeine Geschäftsbedingungen (BGH, Urt. v. 27.11.2000, a.a.O.; v. 13.9.2004 - II ZR 276/02, ZIP 2004, 2095, 2097 f.; Beschluss vom 22.9.2015, a.a.O.).
Rz. 18
bb) Nach diesen Maßstäben enthält § 3 des Gesellschaftsvertrags einen Anspruch auf eine garantierte, gewinn- und verlustunabhängige jährliche Mindestverzinsung der Einlage des stillen Gesellschafters. Dies ergibt sich aus den gewählten Formulierungen und dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen. Auch wenn § 3 des Gesellschaftsvertrags die Verzinsung nicht ausdrücklich als "garantiert" bezeichnet, gleicht der Fall den vom Senat mit Urteilen vom 20.4.2017 (IX ZR 189/16, WM 2017, 1312 Rz. 10 f.) und vom 20.7.2017 (IX ZR 7/17, ZInsO 2017, 1843 Rz. 11 f.) entschiedenen Sachen.
Rz. 19
(1) Ein erstes Indiz enthält die Überschrift, wonach es sich um eine "Vergütung" handelt. Zudem vereinbarte die Schuldnerin mit den einzelnen stillen Gesellschaftern für die Vorabvergütung stets feste Zinssätze. Feste Beträge, die sich auch aus festen Zinssätzen ergeben können, sprechen für eine gewinnunabhängige Vergütung (vgl. Priester in MünchKomm/HGB, 4. Aufl., § 121 Rz. 40; Ehricke in Ebenroth/Boujong/Joos/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 121 Rz. 17). Für eine gewinnunabhängige Verzinsung spricht weiter, dass die Zinssätze je nach dem Zeitpunkt der getätigten stillen Einlage unterschiedlich hoch ausfielen. Hierfür bestünde bei einem bloßen Vorschussanspruch kein Grund. Schließlich weist auch die Bezeichnung "Vorabvergütung" statt des Begriffs "Vorabgewinn" - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - auf Ansprüche eines Gesellschafters, die unabhängig von einem etwaigen Gewinn bestehen (vgl. etwa Staub/Harbarth, HGB, 5. Aufl., § 231 Rz. 7; Finckh in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 121 HGB Rz. 29). Eine klare Bestimmung, dass es sich lediglich um einen Gewinnvorschuss handelt, fehlt.
Rz. 20
Soweit die Revision geltend macht, dass die Schuldnerin gegenüber den jeweiligen stillen Gesellschaftern eine Berechnung von Gewinn und Verlust entsprechend den Vereinbarungen in § 4 des Gesellschaftsvertrags unterlassen hat, hat dieses Indiz im Streitfall keine erhebliche Bedeutung. Die tatsächliche Handhabung durch die Schuldnerin erlaubt keine tragfähigen Rückschlüsse auf die vertraglichen Vereinbarungen, weil sie im Streitfall entscheidend darauf beruhte, dass die Schuldnerin die Einlagen neu beitretender Gesellschafter unstreitig spätestens seit 2001 in der Art eines sog. "Schneeballsystems" für Auszahlungen an Altgesellschafter und zur Finanzierung ihres Geschäftsbetriebs verwendete. Wollte die Schuldnerin dieses "Schneeballsystem" aufrechterhalten, musste sie - unabhängig von den bestehenden rechtlichen Verpflichtungen - jeden Hinweis auf ihre tatsächliche Lage vermeiden.
Rz. 21
(2) Jedoch bestätigen die übrigen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags, dass § 3 des Gesellschaftsvertrags eine eigenständige Regelung eines gewinnunabhängigen Zinsanspruchs enthält. Aus § 2 des Gesellschaftsvertrags ergibt sich die Art der Beteiligung; dort ist bestimmt, dass die Gesellschafter ihre Einlage bei Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses ggf. nur abzgl. eines Verlustanteils zurückerhalten. Die Gewinn- und Verlustverteilung regelt § 4 des Gesellschaftsvertrags gesondert. Soweit nach § 4 lit. a des Gesellschaftsvertrags bei der Bemessungsgrundlage für die Gewinn- und Verlustverteilung die bezahlten Vorabvergütungen abzuziehen sind, ist dies eine für eine gewinnunabhängige Vergütung folgerichtige Bestimmung. Zwar hätte es dieser Bestimmung für die Berücksichtigung gewinnunabhängiger Zahlungen nicht bedurft, weil solche Zahlungen auch im Rahmen der Berechnung des Gewinnes und Verlustes gem. § 232 HGB als Aufwand der Gesellschaft zu buchen sind, mithin bereits das handelsrechtliche Jahresergebnis beeinflussen. Die Abzugsregelung in § 4 lit. a des Gesellschaftsvertrags bewirkt jedoch, dass die Vorabvergütungen in ihrer unterschiedlichen Höhe den einzelnen stillen Gesellschaftern verbleiben.
Rz. 22
In diesem Sinn deutet die Gewinnverteilungsregel nach § 4 lit. b des Gesellschaftsvertrags ebenfalls auf eine gewinnunabhängige Verzinsung hin. Danach ist der Gewinn auf die einzelnen Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Anteile zu verteilen. Da die Schuldnerin für die nach § 3 des Gesellschaftsvertrags gezahlte "Vorabvergütung" den einzelnen stillen Gesellschaftern unterschiedlich hohe Zinssätze versprochen hatte, führen diese Vorabvergütungen auch unter Berücksichtigung der Abzugsregelung nach § 4 lit. a des Gesellschaftsvertrags zu einer unterschiedlichen Behandlung der stillen Gesellschafter, weil sie die ihnen gezahlten unterschiedlich hohen Vorabvergütungen nicht auszugleichen haben. Sofern es sich bei den gezahlten Vorabvergütungen nur um einen Vorschuss auf den jeweiligen Jahresgewinn hätte handeln sollen, hätte richtigerweise die Abzugsregelung in § 4 lit. a des Gesellschaftsvertrags gestrichen und stattdessen in § 4 lit. b des Gesellschaftsvertrags bestimmt werden müssen, dass es sich bei den an den einzelnen stillen Gesellschafter gezahlten Vorabvergütungen nur um einen Vorschuss handele, der auf seinen Gewinnanspruch anzurechnen wäre.
Rz. 23
cc) Soweit bei einem zweigliedrigen stillen Gesellschaftsverhältnis sich die Auslegung des Vertrags gem. §§ 133, 157 BGB i.V.m. § 242 BGB nach dem Empfängerhorizont des beitretenden Anlegers richtet (vgl. BGH, Beschl. v. 22.9.2015 - II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rz. 12), hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung festgestellt, dass keine individuellen Umstände bestanden, die im Rahmen der hier vorliegenden zweigliedrigen stillen Gesellschaft eine abweichende Auslegung rechtfertigen. Die Revisionserwiderung zeigt solche Umstände auch nicht auf.
Rz. 24
b) Der Anspruch auf Zahlung einer Vorabvergütung war auch wirksam und durchsetzbar.
Rz. 25
aa) Der in Form einer stillen Gesellschaft erfolgte Beitritt der Beklagten zur Schuldnerin ist wirksam. Dem steht nicht entgegen, dass die Schuldnerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein sog. Schneeballsystem betrieb.
Rz. 26
(1) Nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft wird eine Gesellschaft, deren Gründungsakt an einem Fehler leidet, die aber in Vollzug gesetzt worden ist, als wirksam behandelt. Ebenso wenig führt ein fehlerhafter, aber vollzogener Gesellschaftsbeitritt zur Unwirksamkeit des Beitritts nach allgemeinen Grundsätzen. Der Gesellschafter, der sich auf den Mangel berufen will, hat lediglich das Recht, sich jederzeit auf dem Wege der außerordentlichen Kündigung von seiner Beteiligung für die Zukunft zu lösen. An die Stelle des ihm nach allgemeinen Grundsätzen zustehenden Anspruchs auf Rückzahlung der geleisteten Einlage tritt - auch bei einem durch arglistige Täuschung verursachten Beitritt - ein Anspruch auf das ihm nach den Grundsätzen gesellschaftsrechtlicher Abwicklung zustehende Abfindungsguthaben (BGH, Urt. v. 21.7.2003 - II ZR 387/02, BGHZ 156, 46, 52 f.; vgl. BGH, Beschl. v. 12.7.2010 - II ZR 160/09, ZIP 2010, 2497 Rz. 6). Dies gilt auch für die stille Gesellschaft, unabhängig von der Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses als typische oder atypische stille Gesellschaft (BGH, Urt. v. 29.11.2004 - II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 255 m.w.N.; v. 18.7.2013 - IX ZR 198/10, WM 2013, 1504 Rz. 13).
Rz. 27
(2) Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft kommen nur dann nicht zur Anwendung, wenn ausnahmsweise die rechtliche Anerkennung des von den Parteien gewollten und tatsächlich vorhandenen Zustands aus gewichtigen Belangen der Allgemeinheit oder bestimmter besonders schutzwürdiger Personen unvertretbar ist. So hat der BGH Ausnahmen u.a. dann anerkannt, wenn der Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, der Zweck der Gesellschaft mit den guten Sitten unvereinbar ist oder eine besonders grobe Sittenwidrigkeit vorliegt (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2004, a.a.O.; v. 21.3.2005 - II ZR 140/03, ZIP 2005, 753, 755).
Rz. 28
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Gesellschaftsvertrag und Gesellschafterbeitritt waren nicht wegen des von der Schuldnerin betriebenen Schneeballsystems gem. § 138 BGB sittenwidrig; sittenwidrig war die von ihr tatsächlich betriebene Art der Finanzierung, nicht aber die mit der gutgläubigen Beklagten und den anderen stillen Gesellschaftern vereinbarte stille Beteiligung an der Schuldnerin (vgl. BGH, Urt. v. 21.3.2005, a.a.O., S. 756; v. 9.12.2010 - IX ZR 60/10, NJW 2011, 1732 Rz. 11; v. 18.7.2013 - IX ZR 198/10, WM 2013, 1504 Rz. 15). Gleiches gilt für die den stillen Gesellschaftern von der Schuldnerin versprochene gewinnunabhängige Verzinsung der Einlage. Soweit der BGH im Zusammenhang mit einem Schneeballsystem abgeschlossene Verträge ihres Inhalts wegen als sittenwidrig und nichtig beurteilt hat, lag den Entscheidungen ein Schneeballsystem nach Art einer Pyramide zugrunde, bei dem den Geschädigten erkennbar war, dass sie einen Gewinn nur durch die Beteiligung weiterer Anleger erzielen konnten (vgl. BGH, Urt. v. 22.5.1978 - III ZR 153/76, WM 1978, 875, 877; v. 22.4.1997 - XI ZR 191/96, NJW 1997, 2314, 2315; v. 21.6.2012 - III ZR 291/11, NJW 2012, 3366 Rz. 19 m.w.N.).
Rz. 29
bb) Die Beklagte war nicht im Hinblick auf eine Treuepflicht gehindert, die ihr zustehenden Ansprüche auf Vorabvergütung geltend zu machen. Zwar hat auch der stille Gesellschafter Treuepflichten, weil sich die Vertragspartner durch die stille Gesellschaft zu einem gemeinsamen, von den Grundsätzen von Treu und Glauben in einem besonderen Maße beherrschten Rechtsverhältnis zusammengeschlossen haben (BGH, Urt. v. 25.9.1963 - V ZR 133/61, WM 1963, 1209 f.; Staub/Harbarth, HGB, 5. Aufl., § 230 Rz. 189; Gehrlein in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 230 Rz. 42). Diese treffen ihn jedoch in einer zweigliedrigen stillen Gesellschaft gegenüber dem Inhaber des Handelsgeschäfts, nicht gegenüber Dritten, mit denen der Unternehmer des Handelsgeschäfts weitere zweigliedrige stille Gesellschaften eingegangen ist (vgl. auch BGH, Urt. v. 19.11.2013 - II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 Rz. 13 ff.). Nachdem die Schuldnerin ihren Finanzbedarf im Rahmen eines auch gegenüber der Beklagten ausgeübten betrügerischen Schneeballsystems sicherte, ist die Beklagte ihr gegenüber nicht aufgrund einer Treuepflicht als stille Gesellschafterin gehalten, auf die garantierten gewinnunabhängigen Zinsansprüche zu verzichten.
III.
Rz. 30
Die Sache ist zur Endentscheidung reif; die Klage ist abzuweisen. Es bestehen weder Anfechtungs- noch Rückzahlungsansprüche.
Fundstellen
Haufe-Index 11993062 |
BB 2018, 2050 |
BB 2018, 2384 |
DB 2018, 2172 |
DStR 2018, 2592 |
DStR 2019, 61 |
NJW 2018, 3312 |
NJW 2018, 8 |
EWiR 2019, 53 |
NZG 2018, 1138 |
StuB 2018, 722 |
WM 2018, 1706 |
WuB 2018, 635 |
ZIP 2018, 1746 |
ZIP 2018, 68 |
DZWir 2019, 33 |
JZ 2018, 684 |
MDR 2018, 1276 |
NZI 2018, 804 |
ZInsO 2018, 2042 |
KSI 2018, 279 |
NJW-Spezial 2018, 630 |
GmbH-Stpr 2018, 338 |
GmbH-Stpr 2019, 156 |