Leitsatz (amtlich)
Der vom Lieferanten abgeleitete Eigentumsvorbehalt des Factors im Rahmen eines echten Factoringvertrags berechtigt in der Insolvenz des Forderungsschuldners zur Aussonderung des Vorbehaltseigentums (Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 27.3.2008 - IX ZR 220/05, BGHZ 176, 86 ff.).
Normenkette
InsO §§ 47, 51 Nr. 1
Verfahrensgang
Thüringer OLG (Urteil vom 08.05.2012; Aktenzeichen 5 U 513/11) |
LG Erfurt (Entscheidung vom 03.06.2011; Aktenzeichen 9 O 1698/10) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG Jena vom 8.5.2012 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin und die M. GmbH (M.; fortan: Lieferantin) waren durch einen "Vertrag über den Ankauf von Forderungen" aus dem Jahre 2002 (fortan: Factoringvertrag) miteinander verbunden. In diesem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin zum laufenden Ankauf aller bestehenden und künftigen Forderungen der Lieferantin aus Kaufverträgen gegenüber den mit ihr vertraglich verbundenen Händlern. Der Kaufpreis entsprach dem Bruttobetrag der Forderungssumme abzgl. einer Verwaltungsgebühr. Die Klägerin trug das Delkredere-Risiko. Die Lieferantin garantierte, dass die zum Kauf angebotene Forderung einschließlich aller Nebenrechte abtretbar, frei von Rechten Dritter und nicht mit Einreden oder Einwendungen behaftet war und nicht nachträglich durch Einreden oder Einwendungen oder Zurückbehaltungsrechte in ihrem rechtlichen Bestand verändert wurde. Durch Abtretung der Herausgabeansprüche gegen die Händler übertrug die Lieferantin jegliches gegenwärtige und künftige Eigentum an den Fahrzeugen auf die Klägerin.
Rz. 2
Mit den Händlern schloss die Lieferantin jeweils einen "Händlervertrag Pkw". Dazu gehörte eine Vereinbarung über Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, nach denen sich die Lieferantin das Eigentum an den ausgelieferten Fahrzeugen bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung vorbehielt. Für den Fall des Zahlungsverzugs, der Zahlungsunfähigkeit oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin sollten der Händlervertrag beendet und die Lieferantin oder das Finanzierungsinstitut berechtigt sein, die Vertragsware von der Schuldnerin heraus zu verlangen.
Rz. 3
Am 2.2.2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Vertragshändlerin A. GmbH (fortan: Schuldnerin) eröffnet und die Beklagte zur Verwalterin bestellt. Bereits zuvor, am 7.1.2009, hatte die Klägerin der Beklagten als vorläufige Verwalterin gegenüber den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und die Herausgabe von zehn Neu- und Vorführwagen verlangt. Die Parteien kamen überein, dass die Klägerin die Fahrzeuge veräußern und der Beklagten anschließend vom Verwertungserlös - abhängig vom Ausgang eines nachfolgenden Rechtsstreits zur Klärung des Absonderungs- bzw. Aussonderungsrechts - 4 v.H. Feststellungskosten, 2,5 v.H. Verwertungskosten und 19 v.H. Umsatzsteuer, überweisen solle. Nach Verwertung der Fahrzeuge zahlte die Klägerin aufgrund der Vereinbarung, aber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, 33.078,44 EUR an die Beklagte.
Rz. 4
Nunmehr verlangt die Klägerin die Rückzahlung dieses Betrages. In den Vorinstanzen hatte die Klage Erfolg. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 6
Nach Ansicht des Berufungsgerichts stand der Klägerin aufgrund des abgetretenen Vorbehaltseigentums ein Aussonderungsrecht gem. § 47 InsO an den verwerteten Fahrzeugen zu. Die Beklagte habe daher keinen Anspruch auf Abführung der Feststellungs- und Verwertungskosten sowie der Umsatzsteuer gehabt. Die Klägerin sei durch Abtretung Inhaberin der Kaufpreisansprüche einschließlich des gesetzlichen Rücktrittsrechts nach §§ 323 f BGB geworden. Das vorbehaltene Eigentum an den Fahrzeugen habe auch nach seiner Übertragung auf die Klägerin nicht einen Geldkredit der Schuldnerin gesichert, sondern einen Warenkredit.
II.
Rz. 7
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 8
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Bereicherungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB i.H.v. 33.078,44 EUR zu, weil ihre Leistung ohne rechtlichen Grund erfolgt ist.
Rz. 9
1. Die Klägerin war Vorbehaltseigentümerin der zehn Neu- und Vorführwagen.
Rz. 10
a) Zunächst war die Lieferantin Eigentümerin dieser Fahrzeuge. Sie hat die Fahrzeuge sodann unter Eigentumsvorbehalt an die Schuldnerin geliefert. Der Übergang des Eigentums auf die Schuldnerin hing von der vollständigen Begleichung der Kaufpreisforderung ab (§ 449 Abs. 1 BGB). Diese Bedingung ist nicht eingetreten. Insbesondere führten die Zahlungen der Klägerin an die Lieferantin nicht zu einem Erlöschen der Kaufpreisforderungen (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Klägerin zahlte nicht auf die Kaufpreisverbindlichkeit der Schuldnerin (§ 267 Abs. 1 Satz 1 BGB), sondern auf ihre eigene Verbindlichkeit aus dem Ankauf der Forderung (vgl. BGH, Urt. v. 15.6.1964 - VIII ZR 305/62, BGHZ 42, 53, 56; Roth, KTS 2008, 526, 528).
Rz. 11
b) Die Lieferantin hat ihr Vorbehaltseigentum gem. §§ 929 Satz 1, 931 BGB durch dingliche Einigung und Abtretung ihres Herausgabeanspruchs, der gem. § 346 BGB aufgrund eines nach § 449 Abs. 2 BGB ausgeübten Rücktrittsrechts entsteht (vgl. BGH, Urt. v. 27.3.2008 - IX ZR 220/05, BGHZ 176, 86 Rz. 16 ff.), auf die Klägerin übertragen. Das Eigentum blieb nach dieser Übertragung weiterhin Vorbehaltseigentum, weil die Händler als Vorbehaltskäufer auch gegenüber der neuen Eigentümerin ihr Recht zum Besitz gem. § 986 Abs. 2 BGB hätten geltend machen können, solange es nicht zum Rücktritt vom Vertrag gekommen war (vgl. BGH, Urt. v. 27.3.2008, a.a.O., Rz. 16 f.).
Rz. 12
2. Zutreffend ist auch die Annahme der Vorinstanzen, dass der von der Lieferantin abgeleitete Eigentumsvorbehalt der Klägerin nicht nur ein Absonderungsrecht entsprechend § 51 Nr. 1 InsO, sondern ein Aussonderungsrecht i.S.v. § 47 InsO begründet.
Rz. 13
a) Grundsätzlich kann eine Sache, die unter einfachem Eigentumsvorbehalt veräußert worden ist, in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers, der den Kaufpreis noch nicht vollständig entrichtet hat, gem. § 47 InsO vom Verkäufer ausgesondert werden (BGH, Urt. v. 27.3.2008, a.a.O., Rz. 24). Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung hat bewusst davon abgesehen, dem Vorbehaltsverkäufer im Falle der Insolvenz des Käufers nur ein Absonderungsrecht gem. § 51 Nr. 1 InsO einzuräumen (vgl. RegE BT-Drucks. 12/2443, 125 zu § 58; so schon zur Konkursordnung BGH, Urt. v. 10.2.1971 - VIII ZR 188/69, NJW 1971, 799; Kilger/K. Schmidt, KO, 17. Aufl., § 43 Rz. 3; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 43 Rz. 28). Der Warenkreditgeber, der die ihm gehörende Kaufsache dem Schuldner übergibt, ohne die vollständige Gegenleistung zu erhalten, erschien ihm schutzbedürftiger als ein Geldkreditgeber, dem eine Sache als Sicherheit überlassen wird und der damit nur ein Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 1 InsO erlangt.
Rz. 14
Der Kreis der Aussonderungsberechtigten wurde indes auf die Inhaber eines einfachen Eigentumsvorbehalts beschränkt. Die Verlängerungs- und Erweiterungsformen des Eigentumsvorbehalts sollten wie zuvor als Sicherungsübereignung behandelt werden, also nur zur abgesonderten Befriedigung berechtigen (RegE BT-Drucks. 12/2443, 125 zu § 58).
Rz. 15
b) Diesem restriktiven Verständnis des Aussonderungsrechts und diesem Gesetzeszweck entsprechend geht der Senat davon aus, dass Vorbehaltseigentum nach seiner Überleitung auf einen Geldkreditgeber nicht mehr zur Aussonderung nach § 47 InsO berechtigt, wenn die Sicherheit hierdurch einen Bedeutungswandel erfahren hat und seiner Funktion nach nunmehr einem Sicherungseigentum gleichgestellt ist (BGH, Urt. v. 27.3.2008, a.a.O., Rz. 23 ff.). Während das originäre Eigentum des Vorbehaltsverkäufers noch ausschließlich dessen Anspruch auf Rückgewähr der Kaufsache im Rücktrittsfall, also seinen Warenkredit, sichert (vgl. BGH, Urt. v. 1.7.1970 - VIII ZR 24/69, BGHZ 54, 214, 219), entfällt dieser Sicherungszweck ab der Übertragung des Eigentums auf einen Darlehensgeber des Käufers. Dieser tritt selbst dann, wenn ihm sicherungshalber auch der Kaufpreisanspruch abgetreten wird, nicht in den Kaufvertrag ein; er kann somit nicht vom Kaufvertrag zurücktreten (vgl. BGH, Urt. v. 27.3.2008, a.a.O., Rz. 29 f.; Ganter in MünchKomm/InsO, 3. Aufl., § 47 Rz. 96b m.w.N.; Staudinger/Beckmann, BGB, 2014, § 449 Rz. 113; Roth, KTS 2008, 526, 527). Der übergeleitete Eigentumsvorbehalt sichert dann ausschließlich den Darlehensrückzahlungsanspruch, aus dem der Geldkreditgeber vorrangig die Befriedigung zu suchen hat. Erst wenn feststeht, dass der Sicherungsfall eingetreten ist, kann er auf den abgetretenen Kaufpreisanspruch oder das abgeleitete Vorbehaltseigentum zurückgreifen (BGH, Urt. v. 27.3.2008, a.a.O., Rz. 33 ff.).
Rz. 16
c) Einen vergleichbaren Bedeutungswandel hat der Eigentumsvorbehalt nach seiner Überleitung auf die Klägerin im Rahmen des Factoringvertrags nicht erfahren. Das Vorbehaltseigentum sicherte auch nach seiner Übertragung auf die Klägerin noch den Rückgewähranspruch an der Kaufsache im Rücktrittsfall und damit einen Warenkredit. Er berechtigte die Klägerin somit zur Aussonderung der Fahrzeuge gem. § 47 InsO.
Rz. 17
aa) Der Klägerin wurde das Vorbehaltseigentum an den Fahrzeugen im Rahmen eines echten Factoringvertrags übertragen. Dem echten Factoring kommt bei wirtschaftlicher Betrachtung eine wichtige Finanzierungsfunktion zu (Martinek in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., 4. Aufl., § 102 Rz. 2; Staudinger/Busche, BGB, 2012, Einl. zu §§ 398 Rz. 146; Brink in Hagenmüller/Sommer/Brink, Factoring-Handbuch, 3. Aufl., S. 195). Gleichwohl handelt es sich nicht um einen Darlehensvertrag, sondern um einen Kaufvertrag über Rechte i.S.v. § 453 BGB (BGH, Urt. v. 19.9.1977 - VIII ZR 169/76, BGHZ 69, 254, 257; v. 15.4.1987 - VIII ZR 97/86, BGHZ 100, 353, 358).
Rz. 18
bb) Die Kaufpreisforderungen, welche die Klägerin im Rahmen dieses Factoringvertrags von der Lieferantin ankaufte, sind nicht durch Erfüllung erloschen, sondern gem. § 398 BGB im Wege der Abtretung auf die Klägerin übergegangen. Zugunsten der Klägerin kann mit dem Berufungsgericht, an dessen Vertragsauslegung der Senat grundsätzlich gebunden ist (vgl. BGH, Urt. v. 1.2.2007 - IX ZR 178/05, NZI 2007, 407 Rz. 22; v. 8.1.2009 - IX ZR 229/07, NJW 2009, 840 Rz. 9; v. 25.4.2013 - IX ZR 62/12, NJW 2013, 2429 Rz. 16), angenommen werden, dass die Abtretung das gesetzliche Rücktrittsrecht des Verkäufers gem. §§ 323 ff. BGB einschloss (vgl. BGH, Urt. v. 21.6.1985 - V ZR 134/84, NJW 1985, 2640, 2641). Damit erfüllte das auf die Klägerin übergeleitete Vorbehaltseigentum wie zuvor bei der Lieferantin den Zweck, einen durch den Rücktritt vom Kaufvertrag aufschiebend bedingten Herausgabeanspruch nach § 449 Abs. 2 BGB zu sichern. Von dieser Sicherheit machte die Klägerin anstelle der Lieferantin sodann Gebrauch, als sie mit Schreiben vom 7.1.2009 die Fahrzeuge herausverlangte und damit zugleich den Rücktritt von den Kaufverträgen erklärte. Mit Blick auf den fortbesehenden Zweck des Sicherungsmittels, diesen Herausgabeanspruch an der Ware zu sichern, hat das Vorbehaltseigentum seine ursprüngliche Funktion beibehalten. Es ist damit nicht gerechtfertigt, der Klägerin im Gegensatz zum Vorbehaltsverkäufer kein Aussonderungsrecht gem. § 47 InsO zuzubilligen.
Fundstellen
Haufe-Index 7005204 |
DB 2014, 1548 |
DB 2014, 7 |
DStR 2014, 11 |
DStR 2014, 1981 |
NJW 2014, 2358 |
NJW 2014, 8 |
NWB 2014, 2152 |
EBE/BGH 2014 |
EWiR 2014, 491 |
KTS 2015, 75 |
StuB 2014, 788 |
WM 2014, 1348 |
WuB 2014, 569 |
ZIP 2014, 1345 |
ZIP 2014, 51 |
DZWir 2014, 514 |
JZ 2014, 493 |
MDR 2014, 927 |
NZI 2014, 6 |
NZI 2014, 696 |
ZInsO 2014, 1377 |
GWR 2014, 307 |
NWB direkt 2014, 750 |
StX 2014, 510 |
ZVertriebsR 2014, 240 |