Leitsatz (amtlich)
›a) Der Verwalter trägt zur Frage der Zahlungseinstellung ein ernsthaftes Einfordern des Gläubigeranspruchs ausreichend vor, wenn er eine Handlung darlegt, aus der sich im allgemeinen der Wille ergibt, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen. Wendet der Anfechtungsgegner demgegenüber ein, der Anspruch sei im konkreten Fall gleichwohl nicht ernsthaft geltend gemacht worden, hat er Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, die ein solches atypisches Verhalten konkret möglich erscheinen lassen.
b) Sind dem Anfechtungsgegner Tatsachen bekannt, die den Verdacht der Zahlungsunfähigkeit begründen, schadet ihm bereits einfache Fahrlässigkeit.
c) Die Gewährung einer inkongruenten Deckung kann ein wesentliches Beweisanzeichen dafür darstellen, daß der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit hätte erkennen müssen.‹
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG |
LG Potsdam |
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter in der Gesamtvollstreckung über das Vermögen der B. GmbH Z. (nachfolgend: Schuldnerin). Die Verfahrenseröffnung wurde am 13. Juni 1994 beantragt und am 29. Juli 1994 angeordnet. Die Schuldnerin war von der K. M. Bauunternehmung GmbH & Co. KG (fortan: Auftraggeberin) mit den Rohbauarbeiten am Neubau der Grund- und Gesamtschule in B./Br. beauftragt worden und hatte dem dort ansässigen Beklagten einen Teil der von ihr zu erbringenden Leistungen als Subunternehmer übertragen.
Die Gewinn- und Verlustrechnung der Schuldnerin für das Jahr 1993 schloß mit einem Fehlbetrag von mehr als 4,8 Mio. DM ab. Schon mit Schreiben vom 18. November 1993 kündigte die Commerzbank, Filiale Görlitz, die von der Schuldnerin damals in Höhe von mehr als 1 Mio. DM in Anspruch genommenen Kredite und forderte zur Rückzahlung innerhalb eines Monats auf. Am 22. Dezember 1993 verpflichtete sich die Schuldnerin, alle Zahlungen auf Forderungen aus der der Bank tags zuvor ausgehändigten Zessionsliste sowie 70 % der Eingänge aus zukünftigen Forderungen zur Rückführung der Verbindlichkeiten zu verwenden. Seit März 1994 wurden die Löhne nicht ausbezahlt und die Forderungen der Sozialversicherungsträger nicht mehr ausgeglichen.
Der Beklagte erteilte der Schuldnerin am 30. März und am 2. Mai 1994 zwei Abschlagsrechnungen über 43.983,85 DM sowie 36.478,68 DM. Mit Schreiben vom 11. Mai 1994 bat die Schuldnerin ihre Auftraggeberin, "aufgrund vorübergehender Liquiditätsprobleme" Lieferanten- und Subunternehmerrechnungen - unter Verrechnung mit den Forderungen der Schuldnerin - direkt zu begleichen. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits mehrere Gläubiger Mahn- und Vollstreckungsbescheide gegen die Schuldnerin erwirkt. Am 16. Mai 1994 hielt der Geschäftsführer der Schuldnerin in einem Aktenvermerk fest, daß "jetzt der Zustand der Zahlungsunfähigkeit eingetreten" sei. Die Auftraggeberin bezahlte die Forderungen des Beklagten am 3. und 10. Juni 1994.
Der Kläger hat diese Leistungen im Gesamtbetrag von 80.462,53 DM mit der am 29. Juli 1996 eingereichten, dem Beklagten am 29. August 1996 zugestellten Klage unter dem Gesichtspunkt der Anfechtung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 und 4 GesO zurückgefordert. Er hat behauptet, die Schuldnerin sei seit Anfang des Jahres 1994 zahlungsunfähig gewesen. Der Beklagte habe die Zahlungseinstellung der Schuldnerin gekannt. Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung durch das Landgericht bestätigt. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I. Das Berufungsgericht hat dem Kläger eine Anfechtung nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO schon deshalb versagt, weil er nicht hinreichend dargetan habe, daß die Rechtshandlung des Schuldners nach der Zahlungseinstellung vorgenommen worden sei, und dies mit folgenden Erwägungen begründet:
Die Einstellung der Lohnzahlungen an die Arbeitnehmer biete keinen hinreichenden Anhaltspunkt für eine Zahlungseinstellung. Gerade im Baugewerbe sähen die Arbeitnehmer häufig davon ab, ihren Lohn ernsthaft einzufordern, um, zur Erhaltung ihrer Arbeitsplätze, dem Arbeitgeber Liquidität zu gewähren. Finanzverwaltung und Sozialversicherungsträger stundeten aus diesen Gründen gerade im Beitrittsgebiet häufig ihre Forderungen. Der Kläger habe nicht substantiiert vorgetragen, ob und in welchem Umfang andere Gläubiger ihre Ansprüche ernsthaft eingefordert hätten.
Die Zahlungseinstellung sei auch nicht durch die Commerzbank herbeigeführt worden; denn der Kläger habe nicht dargetan, daß diese Bank das für die Liquidität der Schuldnerin maßgebliche Kreditinstitut gewesen sei. Der Kläger habe nicht vorgetragen, ob und in welchem Umfang die Schuldnerin Geschäftsverbindungen zu anderen Kreditinstituten unterhalten habe. Außerdem habe die Vereinbarung vom 22. Dezember 1993 mit der Commerzbank dem Zweck gedient, die Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin zu erhalten.
Eine Zahlungseinstellung vor dem 10. Juni 1994 ergebe sich schließlich ebensowenig aus dem Aktenvermerk des Geschäftsführers der Schuldnerin vom 16. Mai 1994; denn es sei nicht ersichtlich, daß die darin dokumentierten Kenntnisse nach außen gedrungen seien. Der Geschäftsführer habe zudem nicht wissen können, ob die Gesellschafter bereit und in der Lage gewesen seien, der Gesellschaft neue liquide Mittel zuzuführen.
Diese Ausführungen sind von Rechtsirrtum beeinflußt und beruhen auf einer unvollständigen Auswertung des klägerischen Tatsachenvortrags.
1. Für die Frage, ob eine Rechtshandlung nach Zahlungseinstellung vorgenommen wurde, ist nach ständiger Rechtsprechung darauf abzustellen, wann ihre rechtliche Wirkung, also der gläubigerbenachteiligende Rechtserfolg, eingetreten ist (Senatsurt. v. 24. Oktober 1996 - IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080, 2082 m.w.N.; v. 30. Januar 1997 - IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513, 514). Der Kläger hat vorgetragen, die Schuldnerin habe am 11. Mai und 8. Juni 1994 Forderungen gegen ihre Auftraggeberin an den Beklagten abgetreten. Trifft dies zu, ist der Tag des Rechtsübergangs maßgeblich. Wurde eine befreiende Schuldübernahme vereinbart, kommt es darauf an, ob die Schuldnerin die Zahlungen eingestellt hatte, als dieser Vertrag wirksam wurde. Fehlt es an der Übertragung von Rechten auf den Beklagten, wurde die der Auftraggeberin erteilte Anweisung mit Bewirkung der Leistung durch Zahlung an den Beklagten am 3. bzw. 10. Juni 1994 wirksam (vgl. § 790 BGB).
2. Auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist, bedarf hier keiner Entscheidung; denn nach dem bisherigen Sach- und Streitstand kommt eine Zahlungseinstellung schon vor dem 11. Mai 1994 in Betracht. Zu Unrecht hält das Berufungsgericht das diesbezügliche Vorbringen des Klägers nicht für schlüssig.
a) Der Begriff der Zahlungseinstellung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO ist ebenso wie nach § 30 KO zu bestimmen. Danach muß für die beteiligten Verkehrskreise erkennbar geworden sein, daß der Schuldner wegen eines voraussichtlich dauernden Mangels an Zahlungsmitteln seine fälligen und vom jeweiligen Gläubiger ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann. Daß der Schuldner noch einzelne Gläubiger befriedigt, schließt die Zahlungseinstellung nicht aus (Senatsurt. v. 27. April 1995 - IX ZR 147/94, ZIP 1995, 929, 930; v. 9. Januar 1997 - IX ZR 47/96, ZIP 1997, 423, 425).
Die Nichtzahlung ist nach außen erkennbar geworden, wenn dies für einige Gläubiger mit wesentlichen Forderungen zutrifft. Die höchstrichterliche Rechtsprechung läßt es sogar ausreichen, daß nur für einen Hauptgläubiger - denjenigen, dem gegenüber die Anfechtung erklärt wird - die Zahlungseinstellung ersichtlich geworden ist (Senatsurt. v. 27. April 1995, aaO.).
b) Der Kläger ist in der Berufungsbegründung auf alle zur Tabelle angemeldeten Forderungen eingegangen und hat zahlreiche Gläubiger mit Forderungen über 10.000 DM genannt, die bereits vor dem 11. Mai 1994 ihre Ansprüche ernsthaft eingefordert, zu einem großen Teil sogar gerichtlich geltend gemacht haben.
aa) An das Merkmal des ernsthaften Einforderns sind geringe Anforderungen zu stellen. Es bezweckt lediglich, gestundete Forderungen aus der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit auszunehmen (Senatsurt. v. 25. September 1997 - IX ZR 231/96, ZIP 1997, 1926, 1927). Jede außergerichtliche Mahnung und sogar eine bloße Übersendung der Rechnung mit der Bitte um Begleichung genügen bereits. Solche Handlungen gehen nach allgemeiner geschäftlicher Übung dem Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheids voraus.
bb) Die Erwägung des Berufungsgerichts, oftmals werde ein Titel nur zur Unterbrechung der Verjährung erwirkt und schließe eine Stundungsvereinbarung nicht aus, verkennt demgegenüber die Darlegungs- und Beweislast. Der Verwalter trägt im Rahmen der von ihm darzulegenden Zahlungseinstellung ausreichend vor, wenn er eine Gläubigerhandlung darlegt, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu erlangen, im allgemeinen ergibt. Will der Anfechtungsgegner demgegenüber einwenden, der Anspruch sei gleichwohl in dem betreffenden Fall nicht ernsthaft geltend gemacht worden, hat er Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, die ein solches atypisches Verhalten konkret möglich erscheinen lassen. Erst wenn ihm dies gelungen ist, obliegt es dem Verwalter, den Vollbeweis für seine Behauptung zu erbringen.
cc) Verfahrensfehlerhaft hat das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers zum Verhalten der Gläubiger, die Vollstreckungstitel gegen die Schuldnerin erwirkt haben, als insgesamt nicht hinreichend nachvollziehbar und ungenügend substantiiert behandelt.
Bei der Frage, welche Anforderungen an die Darlegungslast zu stellen sind, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob sich die vorgetragenen Geschehnisse im Wahrnehmungsbereich der Partei abgespielt haben und wie sich der Gegner dazu eingelassen hat (BGH, Urt. v. 23. April 1991 - X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709; v. 13. März 1996 - VIII ZR 36/95, ZIP 1996, 963, 965). Dem Insolvenzverwalter stehen häufig zur Begründung einer Anfechtungsklage über die aufgefundenen schriftlichen Unterlagen hinaus nur geringe Möglichkeiten zur Verfügung. Zu hohe Anforderungen an die Substantiierungslast würden daher oft die Erfolgsaussichten einer Anfechtungsklage von vornherein vereiteln. Beschränkt sich der Antragsgegner zudem, wie hier, im wesentlichen darauf, die finanzielle Entwicklung der Schuldnerin und das Verhalten anderer Gläubiger mit Nichtwissen zu bestreiten, kann auch ein Vortrag ausreichend sein, der zwar in bestimmten Punkten lückenhaft ist, eine Ergänzung fehlender Tatsachen aber schon auf der Grundlage allgemeiner Erfahrungen und Gebräuche im Geschäftsverkehr zuläßt.
Die Darstellung der Gläubigerforderungen in der Berufungsinstanz erschöpft sich nicht, wie das Berufungsgericht meint, in einer mit Kommentierungen versehenen Wiederholung der Tabelle. Zwar ist es richtig, daß viele Forderungen erwähnt werden, die für die Frage, ob die Schuldnerin ihre Zahlungen eingestellt hatte, ohne jede Bedeutung sind. Die Berufungsbegründung stellt jedoch gleichwohl für die Beurteilung der Zahlungseinstellung wesentliche Forderungen sowie das Verhalten der betroffenen Gläubiger in einer Weise heraus, die die gebotene tatsächliche und rechtliche Gesamtwürdigung ermöglicht. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß die gerichtlichen Entscheidungen, soweit sie erst nach dem 10. Mai 1994 ergangen sind, aufgrund der mitgeteilten Daten in der Regel eine vor dem maßgeblichen Zeitpunkt liegende Gläubigerhandlung, die darauf gerichtet war, Zahlungen von der Schuldnerin zu erlangen, erkennen lassen.
c) Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts kann für die Frage, ob die Schuldnerin schon Anfang Mai 1994 die Zahlungen eingestellt hatte, auch das Verhalten der Commerzbank, Filiale Görlitz, von Bedeutung sein. Diese hat mit Schreiben vom 18. November 1993 das Kreditverhältnis gekündigt und die Schuldnerin zur Rückzahlung eines Betrages von insgesamt 1.042.298,46 DM bis zum 18. Dezember 1993 aufgefordert. Die Schuldnerin war nicht zur fristgerechten Erfüllung dieser Ansprüche in der Lage. In der Vereinbarung vom 22. Dezember 1993 ist keine Stundung zu sehen; denn die Fälligkeit der geltend gemachten Ansprüche wurde nicht hinausgeschoben, vielmehr die Verpflichtung, den gesamten Kredit alsbald zurückzuführen, bestätigt. Modifiziert wurde lediglich die Art und Weise der Tilgung, womit eine Offenlegung der Zession gegenüber Dritten vermieden und die Erfüllung der Ansprüche in gewissem Maße zeitlich gestreckt wurde. Die durch die Kreditgewährung ursprünglich bewirkte finanzielle Liquidität ging so jedoch ebenfalls verloren. Nach außen wirkte sich dies in der Weise aus, daß die Schuldnerin ab März 1994 bis zum Antrag auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung weder die Löhne ihrer Arbeitnehmer zu bezahlen noch die insoweit geschuldeten öffentlichen Abgaben zu entrichten vermochte. Davon abgesehen haben nach dem Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz jedenfalls einzelne Arbeitnehmer ihre Ansprüche gegen die Schuldnerin auch alsbald ernsthaft eingefordert.
d) Ferner hätte das Berufungsgericht berücksichtigen müssen, daß der Beklagte selbst die Schuldnerin zur Erfüllung seiner Forderung im Gesamtbetrage von 80.462,53 DM aufgefordert und, als er keine Zahlung erhielt, seine Rechnungen deshalb im Mai 1994 auf die Auftraggeberin der Schuldnerin umgestellt hat. Auch diese Tatsache ist für die Frage, ob die Zahlungseinstellung nach außen erkennbar wurde, rechtlich bedeutsam (vgl. Senatsurt. v. 25. September 1997, aaO.).
e) Nach dem Vorbringen des Klägers erfolgte die Zahlungseinstellung auch wegen eines voraussichtlich andauernden Mangels an Zahlungsmitteln. Wie aus dem Aktenvermerk des Geschäftsführers der Schuldnerin vom 16. Mai 1994 hervorgeht, auf dessen Inhalt sich der Kläger berufen hat, bestand zwar damals offenbar die Hoffnung, durch Beteiligungen und Mittel der Sächsischen Aufbaubank neuen Kapitalzufluß zu erhalten. Von einer bloßen Zahlungsstockung kann gleichwohl keine Rede sein, weil die Schuldnerin damals mit diesen Mitteln nicht hinreichend konkret und in zeitlich engem Zusammenhang rechnen durfte, vielmehr noch vollkommen offen war, ob sich ihre Hoffnung erfüllen würde, und sie sich auch später nicht verwirklicht hat (vgl. Senatsurt. v. 27. April 1995, aaO. S. 931).
II. Das Berufungsgericht meint ferner, der Beklagte habe eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin im maßgeblichen Zeitpunkt nicht erkennen können. Zeitungsberichte über Liquiditätsprobleme seien generell nicht geeignet, Kenntnis von einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit zu begründen. Es gebe auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Beklagte Gespräche von Arbeitnehmern auf der Baustelle über finanzielle Engpässe bei der Schuldnerin wahrgenommen habe. Selbst wenn er etwas in dieser Hinsicht gehört haben sollte, habe er daraus nicht auf eine aussichtslose finanzielle Situation schließen müssen.
Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision ebenfalls nicht stand.
1. § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO faßt die Tatbestände der besonderen Konkursanfechtung des § 30 KO in einer Bestimmung zusammen. Sie beschränkt die Anfechtung einerseits auf Rechtshandlungen, die nach der Zahlungseinstellung oder dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden, verlangt andererseits aber subjektive Merkmale lediglich beim Anfechtungsgegner, wobei es ausreicht, daß er die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag den Umständen nach kennen mußte. Trotz der Worte "den Umständen nach" setzt diese Regelung, entgegen der Ansicht von Kilger/Karsten Schmidt (Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 10 GesO Anm. 2 d), keine grobe Fahrlässigkeit des Anfechtungsgegners voraus. Dieser Zusatz soll vielmehr den Umfang der Informationspflicht einschränken. Ohne Kenntnis konkreter Umstände, die auf einen erheblichen finanziellen Engpaß beim Schuldner hindeuten, besteht für den Gläubiger keine Veranlassung, Erkundigungen zur Zahlungsfähigkeit einzuziehen. Erst wenn ihm Tatsachen bekannt sind, die den Verdacht der Zahlungsunfähigkeit begründen, kann der Gläubiger gehalten sein, sich um zusätzliche Informationen zu bemühen. Sind entsprechende Voraussetzungen zu bejahen, genügt aber schon einfache Fahrlässigkeit (Gottwald/ Huber, Nachtrag "Gesamtvollstreckungsordnung" zum Insolvenzrechts-Handbuch Kap. III 7 D Rdnr. 13; Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO 3. Aufl. § 10 Rdnr. 88 ff; Smid/Zeuner, GesO 3. Aufl. § 10 Rdnr. 133 ff; Fischer ZIP 1997, 717, 721). Der klare Wortlaut des Gesetzes läßt keinen Raum für die Annahme, die Regelung habe insoweit § 135 Abs. 1 des damaligen Referentenentwurfs zur Insolvenzordnung vorwegnehmen sollen.
2. Hat der Anfechtungsgegner eine inkongruente Deckung erhalten, kann dies ein wesentliches Beweisanzeichen dafür darstellen, daß er die Zahlungsunfähigkeit hätte erkennen müssen.
a) Bei Prüfung der Absichtsanfechtung (§§ 31 Nr. 1 KO, 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO) wird in der Gewährung einer inkongruenten Deckung in aller Regel ein starkes Beweisanzeichen dafür gesehen, daß der Schuldner in Benachteiligungsabsicht gehandelt und der Anfechtungsgegner dies erkannt hat (BGHZ 123, 320, 326; Senatsurt. v. 11. Mai 1995 - IX ZR 170/94, WM 1995, 1394, 1397; v. 11. Dezember 1997 - IX ZR 341/95, WM 1998, 275, 280, z.V.b. in BGHZ 137, 267; v. 22. März 1998 - IX ZR 22/97, WM 1998, 968, 974 f). Diese Wertung beruht auf der Erfahrung, daß Schuldner im Geschäftsverkehr regelmäßig nicht bereit sind, etwas anderes oder mehr zu gewähren als das, wozu sie vertraglich verpflichtet sind. Tun sie es dennoch, müssen dafür im allgemeinen besondere Gründe vorliegen (vgl. Senatsurt. v. 30. Januar 1997 - IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513, 515).
b) Stellt der Schuldner, statt einen fälligen und eingeforderten Anspruch zu erfüllen, von sich aus im Wege der Abtretung - wie der Kläger behauptet hat - eine Sicherheit mit der Absicht zur Verfügung, daß der Gläubiger sich daraus befriedigt, so gewährt er damit eine inkongruente Deckung. Dasselbe trifft zu im Falle der an einen Dritten gerichteten, durch Ausführung der Zahlung angenommenen Anweisung, weil der Beklagte keinen Anspruch auf diese Art der Erfüllung besaß (vgl. BGHZ 123, 320, 324 f zur Gewährung von Kundenschecks). Ob die Feststellung des Berufungsgerichts zutrifft, im Baugewerbe kämen auch außerhalb jeder krisenhaften Entwicklung Zahlungen des Auftraggebers an den Subunternehmer recht häufig vor, kann dahingestellt bleiben. Im Streitfall ist das Vorbringen des Klägers, der Beklagte habe seine Rechnungen vom 30. März und 2. Mai 1994, die auf die Schuldnerin ausgestellt waren, noch im Mai 1994 auf deren Auftraggeberin umgeschrieben, nicht bestritten worden. Die entsprechende Aufforderung der Schuldnerin deutete darauf hin, daß sie sich in wirtschaftlicher Bedrängnis befand. Jedenfalls unter solchen Umständen war die Gewährung einer inkongruenten Deckung geeignet, Mißtrauen gegen die Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin zu begründen. Bei Beachtung verkehrsüblicher Sorgfalt konnte deshalb Veranlassung gegeben sein, zusätzliche Erkundigungen einzuziehen.
3. Der Kläger hat darüber hinaus weitere Tatsachen vorgetragen, die für sich genommen oder jedenfalls im Zusammenwirken geeignet sind, den Vorwurf der Fahrlässigkeit zu begründen.
Danach soll der Beklagte in Gespräche der Geschäftsführer der Schuldnerin mit den Gläubigern einbezogen worden sein, in denen diese auf die angespannte Finanzsituation hingewiesen worden seien. Der Beklagte habe zudem von Arbeitnehmern auf der Baustelle erfahren, daß sich die Schuldnerin über Monate hinweg mit den Lohnzahlungen in Verzug befunden habe. Schließlich haben nach der Darstellung des Klägers die Herren J. und M. von der Schuldnerin alle Subunternehmer schon vor der Abtretung von Ansprüchen gegen die Auftraggeberin darauf hingewiesen, daß die Gesamtvollstreckung bevorstehe und das Bauobjekt durch ein Nachfolgeunternehmen weitergeführt werde. Trifft dies zu, war dem Beklagten sogar positiv bekannt, daß die Schuldnerin ihre Gläubiger nicht mehr befriedigen konnte. Der Kläger hat für alle Behauptungen Zeugenbeweis angetreten.
III.1. Das angefochtene Urteil beruht somit auf Rechts- und Verfahrensfehlern. Es ist aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ist die zweijährige Anfechtungsfrist (§ 10 Abs. 2 GesO) gewahrt. Die Klageschrift ging am letzten Tag der Frist bei Gericht ein; der Gerichtskostenvorschuß wurde am 5. August 1996 bezahlt. Die daraufhin am 29. August 1996 erfolgte Zustellung ist noch als demnächst im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO anzusehen.
2. Die Sache ist daher zur tatrichterlichen Prüfung, ob die Schuldnerin bei Vornahme der Rechtshandlungen bereits die Zahlungen eingestellt hatte und dies dem Beklagten bekannt war oder den Umständen nach hätte bekannt sein müssen, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch. Für die erneute Verhandlung und Entscheidung wird zusätzlich auf folgendes hingewiesen: Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand kommt auch eine Anfechtung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO in Betracht. Das angefochtene Urteil hat eine inkongruente Deckung rechtsfehlerhaft verneint und die weiteren Tatsachen, die darauf hindeuten, daß die Schuldnerin in Benachteiligungsabsicht gehandelt hat und dies dem Beklagten bekannt war, unvollständig gewürdigt.
Fundstellen
Haufe-Index 2993726 |
DB 1998, 2599 |
DStR 1998, 1928 |
BGHR DDR-FesO § 10 Abs. 1 Nr. 4 Kenntnis 2 |
BGHR DDR-GesO § 10 Abs. 1 Nr. 4 Zahlungseinstellung 4 |
NJW-RR 1999, 272 |
KTS 1999, 93 |
NZG 1999, 85 |
WM 1998, 2345 |
WuB 1999, 181 |
ZAP-Ost 1998, 715 |
ZAP 1999, 161 |
ZIP 1998, 2008 |
MDR 1999, 378 |
NZI 1998, 118 |
VersR 1999, 1286 |
ZInsO 1998, 395 |