Entscheidungsstichwort (Thema)
schwerer Bandendiebstahl
Leitsatz (amtlich)
Ein Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, kann nicht nur dann Täter eines Bandendiebstahls sein, wenn es am Tatort an der Ausführung des Diebstahls unmittelbar beteiligt ist. Es reicht aus, daß es auf eine andere als täterschaftlicher Tatbeitrag zu wertende Weise daran mitwirkt und der Diebstahl von mindestens zwei weiteren Bandenmitgliedern in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begangen wird.
Normenkette
StGB § 244 Abs. 1 Nr. 2 i.d.F. des 6. StrRG, § 244a Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 46 a 28/98 - 171 Js 47118/96) |
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 27. April 1999 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in acht Fällen und wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten ist hinsichtlich der erhobenen Verfahrensrüge aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 27. August 1999 offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Auch die Sachrüge hat keinen Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen schloß sich der Angeklagte einer aus fünf namentlich ermittelten und weiteren unbekannten Tätern bestehenden Diebesbande an. Zweck der Bande war es, den Kraftfahrzeugmarkt in Polen mit Ersatzteilen zu beliefern, die sie sich dadurch beschaffte, daß sie in nächtlichen Diebstahlsserien Fahrzeuge bestimmter Marken entwendete und diese in einem Waldversteck ausschlachtete.
Der Angeklagte lebte als einziges Mitglied der im übrigen aus Polen stammenden Bande in der Bundesrepublik Deutschland und kannte sich im Raum Braunschweig, Hildesheim und Hannover aus. Ihm fiel nach dem gemeinsamen Tatplan zunächst die Aufgabe zu, Örtlichkeiten auszukundschaften, die sich zur Durchführung der Demontage der gestohlenen Fahrzeuge eigneten. Die Bande bevorzugte hierbei stadtnahe, aber dennoch abgelegene Waldstücke, die von der Straße her nicht eingesehen werden konnten, jedoch mit Fahrzeugen erreichbar waren. Im Rahmen der Tatausführung hatte der Angeklagte sodann seine Komplizen zu der von ihm ausgesuchten Stelle zu lotsen, indem er ihnen mit einem seiner Pkw's vorausfuhr, während ein zweites auf ihn zugelassenes Fahrzeug und in zwei Fällen ein weiteres Fahrzeug mit den übrigen Bandenmitgliedern ihm folgte. Während der Angeklagte auf einem in der Nähe gelegenen Parkplatz wartete oder in den nächsten Ort fuhr, um dort zu warten, entwendeten die anderen Mitglieder, die mindestens zu dritt mit dem oder den anderen auf den Angeklagten zugelassenen Fahrzeugen zur Diebestour aufbrachen, Pkw's und verbrachten sie in das Waldstück, wo sie ausgeschlachtet wurden. Von dort aus fuhr sodann ein Täter mit einem Fahrzeug des Angeklagten und der Diebesbeute Richtung Polen. Dem Angeklagten, der über mehrere Fahrzeuge verfügte, oblag es weiter, der Bande mit deutschen Kennzeichen versehene Autos zur Verfügung zu stellen, um sie in die Lage zu versetzen, unauffälliger agieren zu können. Zu diesem Zweck ließ er auch im Eigentum anderer Täter stehende Fahrzeuge auf seinen Namen zu.
II.
Der Schuldspruch wegen mittäterschaftlich begangenen schweren Bandendiebstahls in acht Fällen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3 a.F. (§ 244 Abs. 1 Nr. 2 in der ab 1. April 1998 geltenden Fassung), § 244a Abs. 1 Alt. i.V.m. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB, der allein der Erörterung bedarf, weist keinen Rechtsfehler auf. Die Bewertung der Tatbeteiligung des Angeklagten als Mittäterschaft und nicht als Beihilfe hält sich im Rahmen des dem Tatrichter zustehenden Beurteilungsspielraums und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die weitere zutreffend begründete Annahme der Kammer, der Angeklagte sei Mitglied einer Diebesbande gewesen und habe auch als solches gehandelt. Allerdings hat die Strafkammer die Frage nicht erörtert, ob der Angeklagte die Taten „unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds” begangen hat. Der Verurteilung wegen mittäterschaftlich begangenen schweren Bandendiebstahls steht jedenfalls nicht entgegen, daß der Angeklagte in keinem der abgeurteilten Fälle selbst am Tatort war, als die Fahrzeuge jeweils von mindestens zwei weiteren Bandenmitgliedern entwendet wurden.
Zum Tatbestand des Bandendiebstahls gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB gehört nicht nur, daß sich mindestens zwei Personen (BGHSt 23, 239, 240) durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung zur fortgesetzten Begehung mehrerer selbständiger, im einzelnen noch unbestimmter Diebstähle oder Raubtaten verbunden haben (vgl. Ruß in LK 11. Aufl. § 244 Rdn. 11 ff. m.w.Nachw.). Er sieht darüber hinaus – wie z.B. die Bandendelikte in § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB, § 373 Abs. 2 Nr. 3 AO, § 52a Abs. 2 Satz 2 WaffG, § 19 Abs. 2 Nr. 1, § 22a Abs. 2 Satz 2 KWKG – vor, daß ein Bandenmitglied die Tat unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
1. Nach bislang ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs erforderte dieses Tatbestandsmerkmal stets, daß die Bandenmitglieder während der Tatausführung zeitlich und örtlich, wenn auch nicht notwendig körperlich zusammenwirken (vgl. RGSt 66, 236, 240 ff.; 73, 322, 323; BGHSt 8, 205, 206 ff.; 25, 18; 33, 50, 52; BGH bei Holtz MDR 1994, 763; BGH NStZ 1996, 493; BGH StV 1995, 586 und 1997, 247; BGH, Beschlüsse vom 9. Dezember 1997 – 4 StR 544/97 und vom 18. Dezember 1997 – 4 StR 610/97; dagegen ausdrücklich offen gelassen in BGH, Beschl. vom 19. März 1997 – 5 StR 18/97). Diese Rechtsprechung hatte zur Folge, daß ein am Tatort nicht selbst mitwirkendes Bandenmitglied auch dann nicht als Täter eines Bandendiebstahls bestraft werden konnte, wenn es – wie hier – nach allgemeinen Grundsätzen aufgrund seines Täterwillens und seines Tatbeitrages als Mittäter an dem Grunddelikt des Diebstahls anzusehen war. Für das abwesende Bandenmitglied kam dann lediglich eine Bestrafung wegen mittäterschaftlicher Begehung des einfachen Diebstahls, ggf. in Tateinheit mit Beihilfe oder Anstiftung zum Bandendiebstahl in Betracht (BGHSt 25, 18, 19; 33, 50, 52; BGH StV 1997, 247).
a) In früheren Entscheidungen hat das Reichsgericht den Wortlaut des § 243 Nr. 6 StGB – der Vorgängervorschrift des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Fassung des 1. StrRG –, wonach ein Bandendiebstahl voraussetzte, daß „an dem Diebstahl mehrere mitwirken, welche sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden haben”, zunächst dahingehend verstanden und ausgelegt, daß der Begriff „der Mitwirkung mehrerer” keinesfalls mehr voraussetze als der Begriff der Mittäterschaft (RG Rspr. Bd. 6, 644, 646 f.; RGSt 25, 421, 422 f.). Es hat erstmals in der Entscheidung RGSt 66, 236 die Auffassung vertreten, daß das Merkmal „der Mitwirkung mehrerer beim Diebstahl” enger sei als der weite Begriff der Mittäterschaft. In dieser Entscheidung hat das Reichsgericht in bewußter Abgrenzung zu der damals herrschenden sog. subjektiven Täterlehre das Merkmal des „Mitwirkens mehrerer beim Diebstahl” dahin ausgelegt, daß ein irgendwie geartetes zeitliches und örtliches Zusammenwirken mehrerer Mitglieder der Bande bei der Ausführung der einzelnen Diebstähle vorauszusetzen sei (vgl. RGSt 66, 236, 241). Denn der weite Täterbegriff der sog. Interessentheorie, die auf den Grad des eigenen Interesses am Taterfolg abstellte, so daß für die Annahme von Mittäterschaft eine geistige oder intellektuelle Mitwirkung fern vom Ort der Tat als Tatbeitrag genügen konnte, wenn nur das Interesse am Erfolg der Tat genügend ausgeprägt war, war nach dieser Auffassung nicht gleichzusetzen mit der besonderen Strafwürdigkeit des Bandendiebstahls, der gerade durch die infolge gemeinschaftlicher Ausführung gesteigerte Gefährlichkeit der Tat gekennzeichnet werde. Grund für die erhöhte Strafdrohung beim Bandendiebstahl war nach dem Verständnis des Reichsgerichts zum einen zwar die in dem willensmäßigen Zusammenschluß auf Dauer – und damit in der Bandenabrede – liegende allgemeine Gefahr, zum anderen aber auch der gefahrerhöhende Umstand des örtlichen und zeitlichen Zusammenwirkens mehrerer bei der Tatausführung, so daß nur diejenigen Bandenmitglieder, die bei der Ausführung – gleich ob als Täter oder Teilnehmer – zugegen und mittätig waren, aus § 243 Nr. 6 StGB a.F. bestraft werden konnten (vgl. RGSt 66, 236, 242; 73, 322, 323).
b) Diese vor allem auf die Einschränkung der ausufernden subjektiven Täterschaftslehre abzielende Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. dazu Jakobs JR 1985, 340, 342 f. Anm. zu BGHSt 33, 50 und Meyer JuS 1986, 189, 191; auch schon Kielwein MDR 1956, 308 Anm. zu BGHSt 8, 205), hat der Bundesgerichtshof im wesentlichen übernommen (vgl. BGH, Urt. vom 18. Februar 1954 – 3 StR 814/53); sie ist in der Entscheidung BGHSt 8, 205 jedoch dahin eingeschränkt worden, daß nur noch für die Annahme der Täterschaft beim Bandendiebstahl vorausgesetzt wurde, daß das Bandenmitglied auch an dem einzelnen Diebstahl örtlich und zeitlich, wenn auch nicht notwendig körperlich gemeinsam zusammen mit mindestens einem weiteren Bandenmitglied gewirkt hat. Soweit das Reichsgericht das Mitwirken am Tatort auch für Teilnehmer des Bandendiebstahls für eine Bestrafung aus dem Strafrahmen des § 243 Nr. 6 StGB a.F. als notwendig erachtet hatte, hat der Bundesgerichtshof dies ausdrücklich aufgegeben. Grund für diese Kehrtwendung war die Überlegung, daß zwar außerhalb der Bande stehende Nichtmitglieder als Anstifter oder Gehilfe des Bandendiebstahls bestraft werden könnten, dies aber bei einem Bandenmitglied, das örtlich nicht tätig geworden sei, nicht möglich sein solle, obwohl es eine höhere Mitschuld an der Tat treffe als ein Nichtmitglied, weil es am Fortbestehen der gefährlichen Verbrechensverabredung der Bande noch immer teilhabe (BGHSt 8, 205, 207 f.). Die Mitgliedschaft in einer Bande wurde dabei noch nicht als persönliches Verhältnis oder Merkmal verstanden. Auf dieser durch BGHSt 8, 205 vorgegebenen Linie hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zum Bandendiebstahl, auch nach der Neufassung des Tatbestandes durch das 1. StrRG in § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F., die den Regelungsgehalt des Bandendiebstahls unverändert lassen sollte (vgl. BT-Drucks. V/4094 S. 36 i.V.m. BT-Drucks. IV/650 S. 407), fortgeschrieben. Dabei hat er vor allem deshalb auf die Notwendigkeit der Mitwirkung eines weiteren Bandenmitglieds am Ort der Tat abgestellt, weil durch sie die Effizienz der eigentlichen tatbestandsmäßigen Handlung der Wegnahme und die vom einzelnen Täter ausgehende „Aktionsgefahr” erhöht werde.
2. Durch diese Rechtsprechung wurde § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F., § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB n.F. als Sonderdelikt behandelt (BGHSt 8, 205, 207: „Sonderregelung der Täterschaft beim Bandendiebstahl”), ohne daß der Wortlaut des Gesetzes dazu Anlaß bot (vgl. Dünnebier JR 1956, 148, 149 Anm. zu BGHSt 8, 205; vgl. auch Arzt JuS 1972, 576, 580 unter VI 2. a.E.). Nach einer anderen Auffassung (vgl. Küper GA 1997, 327, 332 f.) wird auf diese Weise das örtliche und zeitliche Zusammenwirken zum täterschaftsbegründenden, Eigenhändigkeit voraussetzenden Tatbestandsmerkmal. Ein nicht unwesentlicher Teil des Schrifttums steht deshalb der bisherigen Rechtsprechung kritisch bis ablehnend gegenüber (Arzt JuS 1972, 576; Brandts/Seier JA 1985, 367; Eser in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 244 Rdn. 27; Geilen Jura 1979, 445, 501; Günther in SK-StGB 43. Lfg. § 250 Rdn. 40; Jakobs JR 1985, 342; Joerden StV 1985, 329; Kielwein MDR 1956, 308; Küper GA 1997, 328, 333; Kindhäuser in NK-StGB 5. Lfg. § 244 Rdn. 34 ff.; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT 1. Teilbd. 8. Aufl. § 33 Rdn. 125; Meyer JuS 1986, 189; Rengier, Strafrecht BT/1 2. Aufl. § 4 Rdn. 47; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT/2 21. Aufl. § 4 Rdn. 272), zumal der zur Zeit der Entscheidung RGSt 66, 236 vorherrschende extensive Täterbegriff in der Rechtsprechung keine Anwendung mehr findet und auch von der h.M. im Schrifttum nicht mehr vertreten wird.
Von den Vertretern dieser Gegenmeinung wird zum einen geltend gemacht, daß der Gesetzeswortlaut „unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds” über die Art und Weise der Mitwirkung nichts aussage, insbesondere nicht festlege, daß es sich um eine „örtliche und zeitliche” und nicht eine lediglich geistige Mitwirkung als „Kopf der Bande” handeln müsse (Meyer JuS 1986, 189, 190; ähnlich Arzt JuS 1972, 576, 579; Eser in Schönke/Schröder 25. Aufl. § 244 Rdn. 27; Kindhäuser NK-StGB § 244 Rdn. 35 f.; Schild GA 1982, 55, 83; a.A. Hoyer SK-StGB § 244 Rdn. 36; Taschke StV 1985, 367 f.). Als wesentliches Argument gegen die Rechtsprechung wird eingewandt, daß auch die Voraussetzungen der täterschaftlichen Begehung des Bandendiebstahls nach den heute geltenden Grundsätzen der Teilnahmelehre gehandhabt werden müßten, weil es sonst hinsichtlich des Grunddelikts des § 242 StGB und der Qualifikation des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu einer „gespaltenen Täterschaft” komme (vgl. Brandts/Seier JA 1985, 367; Joerden StV 1985, 329 f. Anm. zu BGHSt 33, 50; Meyer JuS 1986, 189, 191). Wenn aber die allgemeinen Grundsätze für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme maßgebend seien, so müsse einem als Mittäter am Diebstahl gemäß § 242 StGB anzusehenden Bandenmitglied das Mitwirken mehrerer anderer Bandenmitglieder an der Wegnahme als tatbezogenes, die Tatausführung selbst kennzeichnendes Merkmal zugerechnet werden, wenn die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 StGB gegeben seien (vgl. Arzt/Weber BT/3 Rdn. 235; Eser in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 244 Rdn. 27; Joerden StV 1985, 329, 330; Kindhäuser NK-StGB § 244 Rdn. 35; Küper GA 1997, 327, 333 f.; Rengier BT/1 § 4 Rdn. 47; Günther in SK-StGB § 250 Rdn. 40; Wessels/Hillenkamp BT/2 § 4 III 2; Schünemann JA 1980, 393, 395). Aus diesen Gründen läßt ein Teil der Literatur für die Täterschaft beim Bandendiebstahl schon das Zusammenwirken eines Bandenmitglieds, das sich nicht am Ort der Tat befindet, mit einem weiteren, den Diebstahl ausführenden Bandenmitglied genügen (vgl. Arzt JuS 1972, 576, 579; Schild GA 1982, 55, 83; Schünemann JA 1980, 393, 395). Die überwiegende Zahl der der Rechtsprechung entgegentretenden Schrifttumsvertreter hält es jedoch für erforderlich, daß wenigstens zwei Bandenmitglieder den Diebstahl ausführen, weil dann die den Schutzzweck des Tatbestandes des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB kennzeichnende erhöhte Gefahr für die Geschädigten und die Effizienzsteigerung der Tatausführung infolge arbeitsteiliger Wegnahmehandlung vorliege, so daß es für ein weiteres Bandenmitglied genüge, wenn es auf sonstige Weise mit den vor Ort tätigen Bandenmitgliedern zusammenwirke, und wenn damit zugleich auch die Voraussetzungen der Täterschaft erfüllt seien.
3. Der Senat hält an seiner in BGHSt 8, 205 geäußerten Rechtsauffassung nicht mehr fest, weil die in der Literatur erhobenen, dogmatisch fundierten Einwände gegen die widersprüchliche Anwendung der geltenden Grundsätze der Teilnahmelehre durchgreifen, zumal der Gesetzeswortlaut „als Mitglied einer Bande … unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt” nicht zwingend in dem Sinne ausgelegt werden muß, daß jedes mittäterschaftlich an einem konkreten Diebstahl beteiligte Bandenmitglied seinen Tatbeitrag am Ort der Tatausführung leisten muß, um als Täter des Bandendiebstahls behandelt zu werden.
Der Senat legt das Tatbestandsmerkmal „unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds” nunmehr wie folgt aus:
Ein Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, kann nicht nur dann Täter eines Bandendiebstahls sein, wenn es am Tatort an der Ausführung des Diebstahls unmittelbar beteiligt ist. Es reicht aus, daß es auf eine andere als täterschaftlicher Tatbeitrag zu wertende Weise daran mitwirkt und der Diebstahl von mindestens zwei weiteren Bandenmitgliedern in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begangen wird.
Diesen Rechtssatz hat der Senat in seinem Beschluß vom 22. Dezember 1999 (NStZ 2000, 255 mit Anm. Hohmann; StV 2000, 310 mit Anm. Otto) den anderen Strafsenaten vorgelegt und angefragt, ob sie an ihren entgegenstehenden eigenen Entscheidungen festhalten. Der 1. (StV 2000, 315), 2. und 5. Strafsenat haben gemäß § 132 Abs. 3 GVG mitgeteilt, daß sie diesem Rechtssatz unter Aufgabe eigener entgegenstehender Rechtsprechung zustimmen bzw. der beabsichtigten Entscheidung nicht entgegentreten. Auch der 4. Strafsenat hat der Rechtsauffassung des Senats zugestimmt (JZ 2000, 628 unter II.2., mit Anm. Engländer S. 630); weitergehend will er es sogar ausreichen lassen, daß nur ein Bandenmitglied am Tatort handelt; er verlangt aber als Voraussetzung für die Annahme einer Bande generell mindestens drei Mitglieder (so auch Hohmann aaO, 258 f.). Der Senat kann hier offen lassen, ob er dieser Auffassung folgt. Für die Entscheidung in der vorliegenden Sache kommt es nicht darauf an, weil eine Verurteilung des sich nicht am Tatort befindenden Bandenmitglieds als Täter eines Bandendiebstahls unter Zugrundelegung der Auslegung des Mitwirkungserfordernisses durch den erkennenden Senat nur dann in Betracht kommt, wenn die Bande – wie im vorliegenden Fall – aus mindestens drei Mitgliedern besteht.
4. Eine Auslegung des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB dahingehend, daß auch ein nicht am Tatort anwesendes Bandenmitglied den Bandendiebstahl täterschaftlich begehen kann, wenn es auf sonstige Weise Tatbeiträge leistet und dadurch am Diebstahl mitwirkt, läßt sich jedenfalls für den – hier allein entscheidungserheblichen – Fall, daß mindestens zwei weitere Bandenmitglieder arbeitsteilig am Tatort handeln, dogmatisch ohne weiteres begründen.
a) Die Mitgliedschaft in einer Bande ist nach inzwischen herrschender Meinung ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB (BGH bei Holtz MDR 1978, 624 unter Bezugnahme auf BGHSt – GSSt – 12, 220; BGH StV 1995, 408; NStZ 1996, 128; BGH, Beschl. vom 18. März 1998 – 5 StR 1/98; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 244 Rdn. 15; Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 244 Rdn. 7; Herdegen in LK 11. Aufl. § 250 Rdn. 32; Ruß in LK 11. Aufl. § 244 Rdn. 13; Günther in SK-StGB § 250 Rdn. 41; Arzt JuS 1972, 576, 579; Schünemann JA 1980, 393, 395 f.; Schild GA 1982, 55, 83; Wessels/Hillenkamp BT/2 Rdn. 272; abweichend noch BGHSt 8, 205, 208), das in der Person eines jeden Teilnehmers am Diebstahl gegeben sein muß, um eine Strafbarkeit aus § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244a Abs. 1 StGB zu eröffnen. Demgegenüber ist das Merkmal „unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds” ein tatbezogenes, die Tatausführung näher kennzeichnendes Tatbestandsmerkmal, das akzessorisch zu behandeln ist und nach den allgemeinen Teilnahmeregeln, insbesondere nach § 25 Abs. 2 StGB, dem nicht am Tatort agierenden Bandenmitglied zugerechnet werden kann (so auch Arzt JuS 1972, 576, 579; Eser in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 244 Rdn. 28; Günther in SK-StGB § 250 Rdn. 40; Schünemann JA 1980, 393, 395; Wessels/Hillenkamp BT/2 Rdn. 272; ähnlich auch Küper GA 1997, 327, 333 f.).
Deshalb reicht es für eine mittäterschaftliche Verwirklichung des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB aus, daß zwei Bandenmitglieder am Tatort den Diebstahl in örtlichem und zeitlichem Zusammenwirken begehen, wenn das dritte oder jedes weitere Bandenmitglied zwar nicht am Tatort anwesend ist, aber auf eine sonstige Art und Weise – in der Vorbereitungs- oder Beendigungsphase oder zeitgleich mit der unmittelbaren Ausführung durch die am Ort handelnden Täter – seine die Tat fördernden, stützenden oder begleitenden Tatbeiträge leistet. Die gleichen Grundsätze gelten auch für die Mittäterschaft bei der Qualifikation des schweren Bandendiebstahls nach § 244a StGB. Auch hier muß der Tatbeitrag zunächst die Voraussetzungen des täterschaftlichen Bandendiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllen; hinsichtlich der Qualifikationsmerkmale des § 244a Abs. 1 StGB gelten die allgemeinen Zurechnungsgrundsätze: Handelt es sich um ein tatbezogenes Merkmal, genügt es, wenn das die Tat nicht ausführende Bandenmitglied, das mit den die Tat unmittelbar ausführenden Bandenmitgliedern auf sonstige Weise zusammenwirkt, diese Umstände kennt und will (vgl. Eser in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 244a Rdn. 4 und 9; Zopfs GA 1995, 320, 328, der im übrigen – Fn. 43 – die hier vorgeschlagene Auslegung des Merkmals „unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds” zumindest für vertretbar hält). Handelt es sich hingegen, wie etwa beim Merkmal „gewerbsmäßig” des § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB, um ein besonderes persönliches Merkmal, so muß es auch in der Person des Teilnehmers, dem es zugerechnet werden soll, vorliegen.
b) Diese Auslegung des § 244 Abs.1 Nr. 2 StGB – ggf. in Verbindung mit § 244a Abs. 1 StGB – wird dem Zweck der §§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB, 244a Abs. 1 StGB und beiden stets für die erhöhte Strafbarkeit angeführten Gründen gerecht: Zum einen ist das Erfordernis des örtlichen und zeitlichen Zusammenwirkens von mindestens zwei Bandenmitgliedern am Tatort nach wie vor erfüllt, so daß die von der bisherigen Rechtsprechung für die Täterschaft beim Bandendiebstahl vorausgesetzte erhöhte Gefährlichkeit der Tatausführung oder gesteigerte Effizienz der Wegnahmehandlung auch bei der weiteren Auslegung gegeben ist. Zum anderen wird der besonderen Gefährlichkeit der Verbrechensverabredung (BGHSt 8, 205, 209) und damit dem „Kriminalitätsmotor der Bandenmitgliedschaft” (Schünemann JA 1980, 393, 395) hinreichend Rechnung getragen. Dadurch kann auch dasjenige Bandenmitglied entsprechend dem Gewicht seines Tatbeitrages bestraft werden, dem aufgrund seiner Einbindung in die bandenmäßige Organisation und Ausführung der Tat gerade kein Platz bei der unmittelbaren Tatbegehung zugedacht, sondern dem eine andere für die Tatausführung und deren Gelingen wesentliche Rolle im Hintergrund zugeteilt worden ist, wo es auf seine Weise an dem konkreten Diebstahl mitwirkt. Damit wird ferner das unbefriedigende Ergebnis vermieden, daß Mitglieder einer Bande, die aus mehr als der für die Bandenbildung bisher notwendigen Mindestzahl von zwei Personen besteht und die deshalb von vornherein gefährlicher ist, nur deshalb ein geringeres Strafbarkeitsrisiko eingehen, weil sie nicht unmittelbar am Tatort gehandelt haben.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Miebach, Winkler, von Lienen, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 512517 |
BGHSt |
BGHSt, 120 |
NStZ 2000, 645 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2000, 1345 |
JuS 2001, 84 |
StV 2000, 675 |