Leitsatz (amtlich)
a) Der selbst nicht promovierte Erwerber eines Maklergeschäfts darf, auch wenn er vom Veräußerer das Recht zur Firmenfortführung erhalten hat, einen in der übernommenen Firmenbezeichnung (ohne Fakultätszusatz) enthaltenen Doktor-Titel nicht beibehalten, wenn er im Firmennamen keinen Nachfolgerzusatz hinzufügt.
b) Der Einzelkaufmann darf in der übernommenen Firma den Zusatz „& Co” ohne Nachfolgerzusatz nicht beibehalten.
c) Unterlassung einer firmenrechtlich unzulässigen Firmierung kann nach § 37 Abs. 2 HGB derjenige verlangen, dessen rechtliche Interessen hierdurch verletzt sind.
Normenkette
HGB §§ 22, 37
Verfahrensgang
OLG Bremen (Urteil vom 06.04.1967) |
LG Bremen |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 6. April 1967 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten, ob der Beklagte sein (auch in Bremen auftretendes) Grundstücks- und Geschäftsmaklerunternehmen weiter wie bisher unter dem Firmennamen „Dr. S. & Co” betreiben darf.
Der Kläger, ein Bremer Makler, hält das vor allein deshalb für unzulässig, weil der Name im Geschäftsverkehr irreführe. Denn der Beklagte besitze keinen Doktor-Titel und sei alleiniger Inhaber des Geschäfte; beides ist unstreitig.
Der Beklagte beruft sich demgegenüber insbesondere darauf, daß es sich um eine „abgeleitete” Firma handele, die weiterzuführen ihm gemäß § 22 Abs. 1 HGB nicht verwehrt werden dürfe. Er habe, so behauptet er, das bereits 1912 unter jenem Namen gegründete Geschäft im Jahre 1929 oder 1930 von dem damaligen Inhaber mit dem Recht erworben, die Firma weiterzuführen. Im übrigen bestreitet er, daß der Firmenname irreführe. Wegen der Art des Unternehmens habe der Doktor-Titel für den angesprochenen Kundenkreis Keine Bedeutung. Der farblose Gesellschaftszusatz „& Co” spiele im Geschäftsverkehr keine besondere Rolle.
Das Landgericht hat den Antrag des Klägers auf Verurteilung des Beklagten, es zu unterlassen, im Geschäftsverkehr mit „Dr. S. & Co” zu firmieren, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat dagegen der Klage stattgegeben. Mit der Revision, die der Kläger zurückzuweisen beantragt, erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Nach der vom Bundesgerichtshof im Anschluß an die reichsgerichtliche Rechtsprechung vertretenen und vom Schrifttum gebilligten Ansicht setzt sich die in § 18 Abs. 2 HGB zum Ausdruck gekommene, zu den tragenden Grundsätzen des Firmenrechts gehörende Forderung nach „Firmenwahrheit” auch gegenüber dem Recht des Erwerbers eines bestehenden Mandelsgeschäfts, die bisherige Firma fortzuführen, in bestimmtem Umfange durch. Damit der Geschäftswert möglichst erhalten bleibt, braucht zwar bei der Veräußerung eines Geschäfts gemäß § 22 Abs. 1 HGB der Wechsel in der Person des Inhabers in der Firmenbezeichnung nicht in Erscheinung zu treten. Ficht hinnehmbar sind dagegen in der Regel Zusätze, die nach der Veräußerung des Geschäfts im Rechtsverkehr unzutreffende Vorstellungen über Umfang und Art des Unternehmens sowie über geschäftlich bedeutsame persönliche Verhältnisse und Eigenschaften des neuen Unternehmensträgers hervorrufen. Die Annahme des Berufungsgerichts, hiernach seien in der vom Beklagten weitergeführten Firmenbezeichnung „Dr. S. & Co” die Bestandteile „Dr.” sowie „& Co” firmenrechtlich unzulässig, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
1. Hinsichtlich des (vom Beklagten ohne Fakultätszusatz beibehaltenen) Doktor-Titels kommt es auf die vom Berufungsgericht getroffene und von der Revision angegriffene Feststellung nicht an, das Publikum gehe bei einer Maklerfirma davon aus, der Inhaber wolle mit dem in der Firma enthaltenen Titel gerade auf eine rechts- oder wirtschaftswissenschaftliche Vorbildung hinweisen. Eine unzulässige Täuschung wird zwar in der Regel vor allem dann anzunehmen sein, wenn die Verkehrsauffassung mit dem Doktor-Titel die – in Wahrheit unzutreffende – Vorstellung verbindet, der Firmeninhaber habe mit Rücksicht auf die Art des Geschäftsbetriebes in einer bestimmten Fakultät promoviert und besitze aus diesem Grunde besondere Spezialkenntnisse und -fähigkeiten auf dem Fachgebiet seines Geschäftsbetriebes (vgl. BGH LM HGB § 18 Nr. 1). Die Gedankenverbindung mit einer bestimmten wissenschaftlichen Ausbildung und Sachkunde ist aber nicht immer und so auch, im vorliegenden Falle nicht entscheidend. Der akademische Titel beweist unabhängig von Fakultäszusätzen und sich daraus ergebenden Spezialkenntnissen eine abgeschlossene Hochschulausbildung. Seinem Träger wird in der breiten Öffentlichkeit ein besonderes Vertrauen in seine intellektuellen Fähigkeiten, seinen guten Ruf und seine Zuverlässigkeit entgegengebracht. Das mag im Einzelfall berechtigt sein oder nicht, ist aber Tatsache. Es bedarf hier keiner Erörterung, bei welcher Art von Unternehmen sich eine solche generelle Wertschätzung zugunsten des jeweiligen Firmeninhabers in einer im Geschäftsverkehr erheblichen Weise auswirkt; das wird sehr unterschiedlich sein. Jene Wertschätzung verleiht aber jedenfalls einer Maklerfirma eine besondere Zugkraft, die sich allgemein mit Grundstücksgeschäften befaßt und damit an eine breite Schicht von zum Teil wenig geschäftserfahrenen Interessenten wendet, für die diese Geschäfte häufig von erheblicher finanzieller und persönlicher Tragweite sind. Diesen ist besonders an einem unparteiischen Vermittler, nicht zuletzt auch an einem Berater in den vielfältigen bei Grundstücksgeschäften auftauchenden Fragen gelegen; sie suchen einen Geschäftsinhaber mit persönlichen Qualifikationen, wie sie sie in dem Träger eines akademischen Titels am ehesten zu finden glauben. Der selbst nicht promovierte Erwerber eines Grundstücksmaklergeschäfts nimmt daher mit der Weiterverwendung des Doktor-Titels im Firmennamen, den sein Vorgänger zu führen befugt war, im Rechtsverkehr ungerechtfertigt einen Vorteil in Anspruch, der ihm persönlich nicht zukommt und der nach der Geschäftsveräußerung an ihn über den in zulässiger Weise geschaffenen Wert der Firma hinausgeht. Das verstößt gegen den Grundsatz der Firmenwahrheit und wird von dem Firmenfortführungsrecht des § 22 Abs. 1 HGB nicht gedeckt, es sei denn, es werde durch einen in den Firmennamen aufzunehmenden Nachfolgezusatz klargestellt, daß das Publikum mit einer akademischen Vorbildung des jetzigen Geschäftsinhabers nicht rechnen könne.
Die verfahrensrechtlichen Bedenken, die die Revision in diesem Zusammenhang noch erhoben hat, sind unbegründet. Sie beruft sich insbesondere zu Unrecht darauf, daß es sich bei dem Maklergeschäft des Beklagten (nur) um eine Spezialagentur für das Hotel-, Gaststätten-, Bäckerei- und Fleischereigewerbe handele und deshalb das Berufungsgericht versäumt habe aufzuklären, welche Bedeutung ein Firmennamen mit Doktor-Titel für den insoweit nur in Betracht kommenden engen Kundenkreis besitze. Diese Ausführungen werden durch die Feststellung des Berufungsgerichts und den eigenen Parteivortrag des Beklagten widerlegt, daß er zwar (auch) eine Fachagentur jener Art, diese aber neben dem Immobiliengeschäft betreibe (vgl. u.a. Schriftsätze vom 29. September 1966 S. 2 u. 15, vom 11. Oktober 1966 – Anlage – und vom 10. November 1966 S. 1). Entgegen der Ansicht der Revision hat sich das Berufungsgericht auch hinreichend mit der Behauptung auseinandergesetzt, der Beklagte füge der Firmenbezeichnung regelmäßig den Zusatz „gegr. 1912” hinzu und lasse damit deutlich erkennen, daß wegen der seither verstrichenen Zeit der Firmengründer Dr. S. heute nicht mehr der Geschäftsinhaber sein könne. Abgesehen davon, daß der behauptete Gründungszusatz im Firmennamen selbst nicht enthalten ist, würde das den Eindruck nicht vermeiden, entweder sei ein jüngerer Dr. S. oder überhaupt der Träger eines akademischen Titels Geschäftsinhaber; nur hierauf kommt es an. Das hat das Berufungsgericht sinngemäß zum Ausdruck gebracht. Die Rüge, dem angefochtenen Urteil fehle insoweit eine Begründung (§ 551 Nr. 7 ZPO), ist schon aus diesem Grunde nicht gerechtfertigt.
2. Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß ein Einzelkaufmann in der übernommenen Firma den Zusatz „& Co” nicht beibehalten darf oder durch einen Nachfolgezusatz berichtigen muß. Das Reichsgericht (RGZ 133, 318, 325/26) und ein Teil des Schrifttums (u.a. Würdinger in GroßKomm. z. HGB, Anm. 8 zu § 24; Schlegelberger/Hildebrandt 4. Aufl., Anm. 20 zu § 22 HGB; zweifelnd Baumbach/Duden, 17. Aufl. Anm. 2 B zu § 23 HGB) haben sich allerdings auf den gegenteiligen Standpunkt gestellt und gemeint, Gesellschaftszusätze seien nur dann zu streichen, wenn sie auf den Fortbestand einer bestimmten Gesellschaftsform hinweisen. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Nach der Gesetzeslage darf der Einzelkaufmann der ursprünglichen Firma keinen Zusatz beifügen, der ein Gesellschaftsverhältnis andeutet (§ 18 Abs. 2 HGB). Dagegen müssen die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft solche. Zusätze haben (§ 19 HGB), wobei jedoch die jeweilige Form dieser Gesellschaften nicht klargestellt, sondern nur auf irgendeine Weise – wie etwa mit dem Zusatz „& Co” – hervorgehoben zu werden braucht, daß das Unternehmen von einer Personenmehrheit getragen wird. Dann ist es aber folgerichtig, den Grundsatz der Firmenwahrheit bei der Übertragung des Geschäfts von einer Personenhandelsgesellschaft auf einen Einzelkaufmann in demselben Sinne auf Geltung zu bringen und eine Klarstellung zu verlangen, daß es sich fortan nicht mehr um ein von einer Personenmehrheit geführtes Geschäft handele. Diese mehr formale Begründung liegt auch aus sachlichen Gründen in der Linie, die der Bundesgerichtshof in seiner firmenrechtlichen Rechtsprechung verfolgt. Danach ist zwar einerseits den schutzwerten Belangen des Kaufmanns bei der Wahl der Firmenbezeichnung nach Möglichkeit großzügig Rechnung zu tragen, andererseits aber ein strenger Maßstab anzulegen, soweit es darum geht, irrige Vorstellungen über das Unternehmen und seine Träger zu vermeiden (vgl. Rob. Fischer, Anm. zu BGH LM § 24 HGB Nr. 4). Es kann daher nicht darauf ankommen, daß der Geschäftsverkehr im allgemeinen dem verhältnismäßig farblosen Zusatz „& Co” keinen allzugroßen Wert beimißt. Daß er irreführen kann, ist nicht zweifelhaft. Dagegen kann der Geschäftserwerber verhältnismäßig leicht auf ihn verzichten oder durch einen Nachfolgezusatz auf die Veränderung hinweisen, ohne daß in der Regel der Wert der übernommenen Firma nennenswert beeinträchtigt werden würde. Unter diesen Umständen besteht kein schutzwertes Interesse, dem Einzelkaufmann die Fortführung des Zusatzes „& Co” zu gestalten.
II.
Den mit der Klage erhobenen Anspruch, daß der Beklagte die Firmenbezeichnung, die die beiden firmenrechtlich unzulässigen Zusätze enthält, nicht mehr benutzen dürfe, kann der Kläger im Wege des § 37 Abs. 2 HGB durchsetzen.
Nach dieser Vorschrift ist berechtigt, auf Unterlassung zu klagen, wer durch den unbefugten Firmengebrauch in seinen „Rechten” verletzt ist. Aus dieser Formulierung hat das Reichsgericht die Ansicht hergeleitet, Unterlassungsansprüche stünden danach nur demjenigen zu, der sich auf die Verletzung absoluter Rechte berufen Könne (RGZ 114, 90, 94 m.w.N.; 132, 311, 316). Bei dieser Auslegung, die im neueren Schrifttum von Würdinger (GroßKomm. z. HGB. Anm. 25 zu § 37) unterstützt wird, käme der Vorschrift kaum eine praktische Bedeutung zu. Sie würde im wesentlichen nur diejenigen schützen, deren Firmen-, Namens-, Patent- oder Zeichenrechte verletzt wären oder die einen Eingriff in die freie Ausübung ihres Gewerbebetriebes geltend machen können. Diese Gruppen genießen aber zumeist auch auf andere Weise Rechtsschutz; im übrigen wäre der sonst noch in Betracht kommende Kreis von Berechtigten außerordentlich eng gezogen. Dagegen würde ein großer Teil von Betroffenen, die durch die unzulässige Firmierung in Mitleidenschaft gesogen werden und denen der Nachweis der erschwerten Voraussetzungen der §§ 1, 3, 13 UWG nicht ohne weiteres möglich ist, sich nicht zur Wehr setzen können und lediglich auf das Einschreiten des Registergerichts angewiesen bleiben, das sie zwar anregen können, auf das sie aber keinen Anspruch haben. Unter diesen Umständen wird man dem Sinn des § 37 Abs. 2 HGB, die Durchsetzung der Firmenwahrheit in einem sachgerechten Umfange auch der privaten Initiative zu überlassen, nur dann hinreichend gerecht, wenn man es für genügend, aber auch für erforderlich hält, daß der auf Unterlassung klagende Teil dartut und im Streitfall beweist, er sei unmittelbar in rechtlichen Interessen wirtschaftlicher Art verletzt (so auch Schlegelberger/Hildebrandt, 4. Aufl., Anm. 6 zu § 37 HGB; Baumbach/Duden, 17. Aufl., Anm. 3 B zu § 37 HGB; Düringer/Hachenburg, 3. Aufl., Anm. 8 zu § 37 HGB).
Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Falle ohne weiteres gegeben, da der Kläger und der Beklagte zumindest im Bremer Raum miteinander im Wettbewerb stehen. Daß dem Unterlassungsanspruch, den der Kläger nach alledem zu Recht geltend gemacht hat, weder der Einwand der Verwirkung noch ein Recht des Beklagten auf Wahrung des erworbenen Besitzstandes entgegensteht, hat das Berufungsgericht aus Gründen, denen nichts hinzuzufügen ist, zutreffend ausgeführt.
III.
Der Revision kann schließlich darin nicht gefolgt werden, daß die Urteilsformel des Berufungsgerichts, mit der dem Beklagten die Firmierung „Dr. S. & Co” verboten wird, zu weit gehe und von der Urteilsbegründung in diesem Umfange nicht getragen werde. Diese Firmenbezeichnung (als einheitliches Ganzes) weiterzuführen, ist dem Beklagten untersagt. Die Frage, ob der Beklagte etwa die Bezeichnung „Fa. S.” oder „Fa. Dr. S. & Co Nachfolger” benutzen könne, war weder Gegenstand des Rechtsstreits, noch spricht sich die Urteilsformel des angefochtenen Urteils darüber aus.
Unterschriften
Dr. Kuhn, Liesecke, Dr. Schulze, Stimpel, Dr. Kellermann
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 65 |
JR 1970, 420 |
JR 1970, 463 |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 1970, 296 |
JZ 1970, 224 |