Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein gesellschaftsvertraglicher Ausschluß des Rechts, Geschäftsführungsmaßnahmen eines geschäftsführenden Gesellschafters zu widersprechen, angenommen werden kann.
Orientierungssatz
Das im Gesellschaftsvertrag einer OHG dem vom Widerspruch betroffenen Gesellschafter eingeräumte Recht, in einer Gesellschafterversammlung über die Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Vornahme einer beabsichtigten Handlung abstimmen zu lassen, wobei der Mehrheitsbeschluß entscheidet, schließt das Widerspruchsrecht nicht aus, sondern schränkt es nur ein und erweitert damit die Geschäftsführungsbefugnis.
Normenkette
HGB § 115
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 9. April 1987 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen worden ist.
Die Sache wird im Umfange der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte mit der Anstellung von Rechtsanwalt L. für die Gesellschaft seine Geschäftsführungsbefugnis überschritten und sich deshalb schadensersatzpflichtig gemacht hat. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien sind zusammen mit ihrem Bruder Joachim Schmid Gesellschafter des in der Rechtsform der offenen Handelsgesellschaft betriebenen Karl May-Verlages Joachim S. & Co. und der „Karl May” Verwaltungs- und Vertriebs GmbH. In § 3 des OHG-Vertrages vom 1. Juni 1960 heißt es u. a.: „Die drei Gesellschafter vertreten jeder die Firma allein…. Jeder Gesellschafter ist berechtigt, einmal im Monat eine Gesellschafterversammlung einzuberufen. Hierbei werden Arbeitsgebiete aufgeteilt, gemeinsame Beschlüsse gefaßt und Abstimmungen über betriebliche Angelegenheiten vorgenommen. Im Falle von Meinungsverschiedenheiten ist abzustimmen, wobei nach Mehrheitsbeschluß zu entscheiden ist.” Ferner schreibt § 3 für bestimmte Geschäfte die Zustimmung aller Gesellschafter vor. Durch Gesellschafterbeschluß vom 26. Oktober 1977 wurde der Katalog der zustimmungsbedürftigen Handlungen neu aufgestellt. Danach zählt zu ihnen nunmehr auch der Abschluß von Anstellungsverträgen mit einem über 25.000 DM liegenden Brutto-Jahresgehalt.
Im Rahmen des sog. „S.-Abkommens” vom 9. Dezember 1978 faßten die Gesellschafter u. a. den Beschluß, die Frage der Geschäftsführungsbefugnis neu zu regeln. Dazu heißt es in § 14: „Die die Geschäftsführungsbefugnis einschränkenden Bestimmungen in dem OHG-Vertrag vom 1.6.1960 samt Nachträgen sowie im GmbH-Vertrag werden mit sofortiger Wirkung aufgehoben, ausgenommen jedoch die Bestimmung in Ziffer II e des Gesellschafterbeschlusses vom 26. Oktober 1977.”
Mit schriftlichem Vertrag vom 4. Mai 1979 vereinbarte der Beklagte mit Rechtsanwalt L., daß dieser nicht mehr wie bisher für die „Karl May” Verwaltungs- und Vertriebs GmbH, sondern ab 1. Juni 1979 für die OHG, und zwar in der von ihm geleiteten Rechtsabteilung tätig werden solle. Rechtsanwalt L., dem ursprünglich ein monatliches Bruttogehalt von 2.900 DM zustand, war bereits früher aufgrund eines befristeten Anstellungsvertrages für die OHG tätig gewesen. Schon vor Abschluß dieses ersten Vertrages hatte der Mitgesellschafter Joachim S. den Beklagten schriftlich darauf hingewiesen, daß er und der Kläger dem Abschluß eines Anstellungsvertrages widersprächen. Später wurde dieses Vertragsverhältnis dann vom Kläger und seinem Mitgesellschafter Joachim S. namens der Gesellschaft fristlos gekündigt; dagegen hat sich Rechtsanwalt L. im Wege der Klage erfolgreich zur Wehr gesetzt.
Mit der 1985 erhobenen Klage nimmt der Kläger den Beklagten im Wege der actio pro socio auf Erstattung des von der Gesellschaft im Jahre 1984 an Rechtsanwalt L. gezahlten Gehalts von 47.371,91 DM nebst 5 % Zinsen seit Klagezustellung in Anspruch. Er ist der Ansicht, daß der Beklagte in der genannten Höhe schadensersatzpflichtig sei, weil ihm für den Abschluß des Anstellungsvertrages vom 4. Mai 1979 die Geschäftsführungsbefugnis gefehlt habe.
Beide Instanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Zurückverweisung.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Durch den Gesellschaftsvertrag vom 1. Juni 1960 sei das in § 115 I Halbs. 2 HGB jedem geschäftsführenden Gesellschafter eingeräumte Widerspruchsrecht abbedungen, so daß dem vom Kläger behaupteten Widerspruch gegen die Anstellung von Rechtsanwalt Linden keine Bedeutung zukomme. An die am 26. Oktober 1977 beschlossene Regelung, Anstellungsverträge mit einem über 25.000 DM liegenden Brutto-Jahresgehaltes nur bei Zustimmung aller Gesellschafter abzuschließen, sei der Beklagte aufgrund der in § 14 des sog. „S.-Abkommens” getroffenen Vereinbarung nicht mehr gebunden gewesen. Dem Beklagten könne sonach keine Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten vorgeworfen werden. Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.
Der Beklagte durfte Rechtsanwalt L. nicht für die Gesellschaft anstellen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem Berufungsgericht gefolgt werden könnte, soweit es meint, das sog. „S.-Abkommen” sei entgegen der Ansicht des Klägers wirksam zustande gekommen und im Zeitpunkt des Abschlusses des Anstellungsvertrages auch vollzogen gewesen. Hierauf kommt es nicht an, weil der Kläger und sein Mitgesellschafter Joachim S. der Anstellung von Rechtsanwalt L. in jedem Fall rechtswirksam i. S. des § 115 I Halbs. 2 HGB widersprochen haben. Der Beklagte hat daher seine Geschäftsführungsbefugnis überschritten und sich wegen schuldhafter Verletzung des Gesellschaftsvertrages schadensersatzpflichtig gemacht. Jedoch muß ihm Gelegenheit gegeben werden, darzulegen und zu beweisen, daß der Gesellschaft ein geringerer als der geltend gemachte Schaden entstanden ist.
1. Der Standpunkt des Berufungsgerichtes, der Gesellschaftsvertrag vom 1. Juni 1960 enthalte einen Ausschluß des Widerspruchsrechts i. S. des § 115 I Halbs. 2 HGB, ist rechtlich nicht haltbar.
Woraus das Berufungsgericht seine Ansicht gewinnt, ist seinen Ausführungen nicht zu entnehmen. Denn diese erschöpfen sich in dem Hinweis, daß das vertretene Ergebnis keiner näheren Darlegung bedürfe. Aus der in § 3 des Gesellschaftsvertrages für die Geschäftsführungsbefugnis getroffenen Regelung ergibt sich jedoch kein Anhaltspunkt, der auf einen Ausschluß des Widerspruchsrechts hindeuten könnte. Richtig ist vielmehr, daß § 3 des Vertrages eine Modifikation des § 115 I Halbs. 2 HGB enthält:
Die Norm des § 115 I Halbs. 2 HGB hat ihren Grund in der Gleichberechtigung aller geschäftsführenden Gesellschafter. Jeder von ihnen ist allein befugt, die Gesellschaft zu vertreten. Bestehen unterschiedliche Auffassungen über die Frage, ob bestimmte geschäftsführende Maßnahmen vorgenommen werden sollen, so verdient keine den Vorzug; bei rechtzeitigem und rechtswirksamem Widerspruch hat die beabsichtigte Handlung zu unterbleiben. Dieser Grundsatz ist durch § 3 des Gesellschaftsvertrages eingeschränkt worden. Zwar bleibt es im Fall des Widerspruchs bei der Wirkung des § 115 I Halbs. 2 HGB. Gemäß § 3 des Gesellschaftsvertrages steht dem vom Widerspruch betroffenen Gesellschafter aber das Recht zu, in einer Gesellschafterversammlung über die „Meinungsverschiedenheit” hinsichtlich der Vornahme der beabsichtigten Handlung abstimmen zu lassen. Da dann, wie in § 3 vereinbart, der Mehrheitsbeschluß entscheidet, kann der Widerspruch – anders, als im Gesetz vorgesehen – seine Wirkung verlieren. Dem eindeutigen Wortlaut des § 3 ist sonach – wie die Revision zu Recht geltend macht – kein Ausschluß, sondern nur eine Einschränkung des Widerspruchsrechts und damit eine Erweiterung der Geschäftsführungsbefugnis zu entnehmen.
2. a) Der dargelegte Auslegungsfehler des Berufungsgerichts ist auch nicht im Hinblick auf § 14 des sog. „S.-Abkommens” unschädlich. Danach sind „die die Geschäftsführungsbefugnis einschränkenden Bestimmungen … mit sofortiger Wirkung aufgehoben, ausgenommen jedoch die Bestimmung in Ziffer II e des Gesellschafterbeschlusses vom 26. Oktober 1977”. Wie dargelegt, enthält § 3 des Gesellschaftervertrages, soweit er eine Modifikation des Widerspruchsrechts i. S. des § 115 I Halbs. 2 HGB durch Mehrheitsbeschluß vorsieht, aber keine Einschränkung, sondern eine Erweiterung der Geschäftsführungsbefugnis. Die in § 14 des „S.-Abkommens” niedergelegte Vereinbarung hat daher insoweit an dem Gesellschaftsvertrag nichts geändert. Vielmehr beseitigt § 14 des Abkommens ausschließlich die von vornherein in Abweichung von § 115 I HGB getroffene und durch Änderungsbeschluß vom 26. Oktober 1977 erweiterte Vereinbarung, wonach bestimmte Geschäfte nur bei Zustimmung aller Gesellschafter vorgenommen werden dürfen. Dies belegt auch die Tatsache, daß gemäß § 14 die in Ziffer II e des Änderungsbeschlusses vom 26. Oktober 1977 getroffene Regelung weiterhin Gültigkeit hat, nach der sowohl der Kauf als auch der Verkauf eines Grundstücks oder dessen Belastung zu den zustimmungsbedürftigen Handlungen zählen.
b) Der Revisionserwiderung kann nicht gefolgt werden, wenn sie den Standpunkt vertritt, für eine am Wortlaut des § 14 des „S.-Abkommens” ausgerichtete Auslegung bestehe deshalb kein Raum, weil die Parteien diese Bestimmung nicht nur als Beseitigung des für bestimmte Handlungen vorgeschriebenen Zustimmungserfordernisses, sondern außerdem als Ausschluß des Widerspruchsrechts verstanden hätten. Richtig ist, daß der Kläger vorgetragen hat, das „S.-Abkommen” habe dem Zweck gedient, jeden Gesellschafter in die Lage zu versetzen, unabhängig von dem Willen oder Unwillen seiner Mitgesellschafter produktiv arbeiten zu können (GA 71). Hiermit hat der Kläger aber nicht zu verstehen gegeben, daß die in § 14 niedergelegte Regelung einen von ihrem Wortlaut nicht erfaßten Ausschluß des Widerspruchsrechts enthält. Wie sich aus der an gleicher Stelle erfolgten Äußerung des Klägers ergibt, war es aufgrund der vertraglichen Gestaltung der Geschäftsführungsbefugnis zu die Gesellschaft schädigenden Streitigkeiten gekommen. Daß zu diesen Streitigkeiten auch das für den Fall des Widerspruchs gegen eine geschäftsführende Handlung vorgesehene Beschlußverfahren beigetragen hat, ist den Ausführungen des Klägers jedoch nicht zu entnehmen. Entsprechend ist der Beklagte dem wiederholten Vorwurf des Klägers, sich über den Widerspruch gegen die Anstellung von Rechtsanwalt Linden hinweggesetzt zu haben (GA 76, 121), auch nicht mit dem Einwand entgegengetreten, daß dieser Streitpunkt nach der übereinstimmenden Auslegung des § 14 des Abkommens erledigt sei. Von alldem abgesehen, wäre für eine die Parteien bindende Vertragsauslegung zu verlangen, daß alle Gesellschafter aus § 14 einen Ausschluß des Widerspruchsrechts herausgelesen haben. Daß dies der Fall ist, behauptet aber die Revisionserwiderung selbst nicht.
3. Die geschäftsführenden Mitgesellschafter haben auch rechtzeitig und rechtswirksam von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht.
a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Kläger und der Mitgesellschafter Joachim S. dem Beklagten schon mit Schreiben vom 21. Oktober 1977 mitgeteilt haben, daß sie dem Abschluß eines Arbeitsvertrages mit Rechtsanwalt L. widersprechen. Dieser Widerspruch fand eine Bestätigung und Bestärkung darin, daß sie den Dienstvertrag vom 12. Dezember 1977, den der Beklagte im Namen der offenen Handelsgesellschaft dennoch – befristet – abgeschlossen hat, am 17. Januar 1978 fristlos gekündigt haben. Daß diese Kündigung in einem Rechtsstreit zwischen der offenen Handelsgesellschaft und L. als rechtsunwirksam angesehen worden ist, ändert nichts an der Wirksamkeit des gegenüber dem Beklagten erklärten Widerspruchs. Da die Mitgesellschafter des Beklagten diesem gegenüber auch zum Ausdruck gebracht haben, daß sie dem künftigen Abschluß eines Arbeitsvertrages mit Rechtsanwalt L. ebenfalls ablehnend gegenüberstehen, erstreckt sich der Widerspruch auch auf den hier entscheidenden Arbeitsvertrag vom 4. Mai 1979, mit dem der Beklagte Rechtsanwalt L. mit Wirkung vom 1. Juni 1979 in die Rechtsabteilung der offenen Handelsgesellschaft übernommen hat.
b) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Widerspruch auch rechtswirksam. Zwar darf die Ausübung des Widerspruchsrechts i. S. des § 115 I Halbs. 2 HGB nicht gegen das Gesellschaftsinteresse verstoßen. Bei kaufmännischen Ermessensentscheidungen, zu denen auch Maßnahmen in Personalangelegenheiten zu zählen sind, bleibt dem widersprechenden Gesellschafter aber grundsätzlich ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum (vgl. Urteil des Senats v. 8. Juli 1985 – II ZR 4/85, WM 1985, 1316 f). Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Anhaltspunkte für eine pflichtwidrige Verletzung des Gesellschaftsinteresses sind nicht dargetan und auch den Umständen nicht zu entnehmen.
4. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand muß der Beklagte den geltend gemachten Schaden ersetzen.
a) Überschreitet der geschäftsführende Gesellschafter bei Vornahme einer Handlung für die Gesellschaft den Rahmen seiner Geschäftsführungsbefugnis, so verstößt er gegen seine vertraglichen Pflichten. Der gegenteiligen Ansicht, der Geschäftsführer hafte unter diesen Umständen wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag, weil er ohne Geschäftsführungsbefugnis gehandelt habe (vgl. RGZ 159, 302, 313), kann nicht gefolgt werden. Zwar trifft zu, daß es sich bei einem Überschreiten der Geschäftsführungsbefugnis nicht um die Erfüllung einer gesellschaftlichen Verpflichtung handelt. Hieraus ergibt sich aber keine außervertragliche, quasi-kontraktliche Haftung; denn es kann nicht zweifelhaft sein, daß der Pflichtenverstoß in der Verletzung der Verpflichtung besteht, die gesellschaftsvertraglich gezogene Grenze der Geschäftsführungbefugnis zu beachten und die unbefugte Maßnahme zu unterlassen (vgl. auch Robert Fischer in Großkomm. z. HGB § 116 Anm. 29).
b) Der Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. Als Sorgfaltsmaßstab kommt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht § 708 BGB, sondern gemäß § 3 des Gesellschaftsvertrages die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns in Betracht. Auch kann der Beklagte sich – anders, als die Revisionserwiderung meint – nicht auf einen das Verschulden ausschließenden entschuldbaren Rechtsirrtum berufen. Denn das bloße Vertrauen auf die eigene fehlerhafte Rechtsansicht, pflichtgemäß zu handeln, begründet noch keinen beachtlichen Rechtsirrtum in diesem Sinne.
c) Das Berufungsurteil läßt sich auch nicht mit der Hilfsbegründung aufrechterhalten, der Kläger habe weder dargetan noch bewiesen, daß der Gesellschaft durch die Anstellung von Rechtsanwalt L. ein Vermögens schaden entstanden sei.
Nimmt die Gesellschaft den geschäftsführenden Gesellschafter mit der Begründung in Anspruch, ihr sei durch den verbotenen Abschluß des Vertrages ein Vermögens schaden erwachsen, so braucht sie nur den Aufwand darzutun und gegebenenfalls unter Beweis zu stellen, der erforderlich war, um die durch den Vertragsabschluß übernommene Verpflichtung ordnungsgemäß zu erfüllen. Mit dem Nachweis des Erfüllungsaufwandes hat die Gesellschaft den ihr insoweit zugefügten Schaden schlüssig dargelegt und bewiesen. Dagegen obliegt gegebenenfalls dem Gesellschafter der Nachweis, daß die Gesellschaft wegen der empfangenen Gegenleistung einen ihren Schaden ausschließenden oder mindernden Vermögensvorteil erlangt hat. Hierfür genügt allerdings nicht, daß zwischen den wechselseitig geschuldeten Leistungen ein ausgewogenes Wertverhältnis besteht. Hierbei bliebe unberücksichtigt, daß vor dem Vermögensvergleich eine wertende Entscheidung darüber stattzufinden hat, welche Posten in die Vergleichsrechnung eingestellt werden dürfen (vgl. H. Lange, JuS 1978, 649 ff m.w.Nachw.). Dabei ist zu beachten, daß die Gesellschaft das Geschäft unfreiwillig eingegangen und völlig offen ist, ob und wieweit sie die ihr praktisch aufgedrängte Gegenleistung sinnvoll nutzen kann. Infolgedessen muß der Schädiger den Nachweis erbringen, daß die Gesellschaft die Gegenleistung bzw. Teile von ihr ohnehin beansprucht hätte, oder daß sie aus der verbotenen Maßnahme andere Vermögenswerte Vorteile erlangt hat, die ihr sonst vorenthalten geblieben wären (vgl. auch Robert Fischer aaO § 115 Anm. 14). Diesen Beweis ist der Beklagte bisher schuldig geblieben. Denn auch wenn Rechtsanwalt L. entgegen der Behauptung des Klägers stets für die Gesellschaft tätig und ausgelastet war, so ist hiermit nur bewiesen, daß dem gezahlten Gehalt eine wertmäßig adäquate Gegenleistung gegenüberstand. Eine andere Beurteilung käme nur dann in Betracht, wenn Rechtsanwalt L. in dem hier interessierenden Zeitraum (1984) auch solche Leistungen für die Gesellschaft erbracht hätte, die sonst von ihr anderweitig in Auftrag gegeben worden wären; in Höhe der ersparten Honorarzahlungen wäre der Gesellschaft dann kein Schaden erwachsen. Zwar ist für eine derartige Vorteilsanrechnung nichts dargetan. Da der Beklagte in beiden Tatsacheninstanzen aber nicht auf die ihm insoweit obliegende Darlegungs- und Beweislast hingewiesen worden ist, muß ihm noch Gelegenheit gegeben werden, hierzu vorzutragen und gegebenenfalls Beweis anzutreten.
5. Die der Gesellschaft zustehende Schadensersatzforderung ist auch weder verwirkt, noch steht ihrer Geltendmachung die gesellschaftliche Treuepflicht entgegen.
Ein Verhalten des Klägers, aus dem auf die Voraussetzungen einer Verwirkung des streitbefangenen Anspruchs auf Schadensersatz geschlossen werden könnte, ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht ersichtlich. Hiergegen spricht, daß die an Rechtsanwalt L. gezahlten Gehälter von Anfang an einem Sonderkonto des Beklagten belastet worden sind. Dieses Verfahren haben der Kläger und sein Mitgesellschafter Joachim S. erst im Laufe des Jahres 1984 aus steuerlichen Gründen aufgegeben, dabei aber ihren Widerspruch gegen die Anstellung von Rechtsanwalt L. ausdrücklich aufrechterhalten. Angesichts dieser Umstände kann dem Kläger – anders, als vom Landgericht angenommen – auch kein Verstoß gegen die gesellschaftliche Treuepflicht unter dem Gesichtspunkt eines zu langen Zuwartens mit der Geltendmachung von Schadensersatzforderungen entgegengehalten werden.
Aus alldem folgt, daß das angefochtene Urteil nicht bestehenbleiben kann. Damit der Beklagte zur Frage des Schadensumfanges unter Berücksichtigung der dargelegten Rechtslage vortragen kann, muß der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Unterschriften
Dr. Kellermann, Dr. Bauer, Dr. Hesselberger, Richter am Bundesgerichtshof Röhricht und Dr. Henze befinden sich in Urlaub und können deshalb nicht unterschreiben. Dr. Kellermann
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.01.1988 durch Spengler Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 648038 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1988, 843 |