Leitsatz (amtlich)
a) Der Ausschluss der Eigenkapitalersatzregeln für nicht geschäftsführende Gesellschafter mit einer Beteiligung von bis zu 10 % gem. § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG gilt erst für nach In-Kraft-Treten dieser Vorschrift am 24.4.1998 (Art. 5 KapAEG v. 20.4.1998, BGBl. I, 707) verwirklichte Tatbestände des Eigenkapitalersatzes (Bestätigung von BGH, Urt. v. 27.11.2000 - II ZR 179/99, MDR 2001, 340 = BGHReport 2001, 170 = GmbHR 2001, 106 = WM 2001, 202 [203] = ZIP 2001, 115).
b) Bei einer Ausfallhaftung entsprechend § 31 Abs. 3 GmbHG kommt es auf den Zeitpunkt der eigenkapitalersetzenden Leistung - oder den der Umqualifizierung einer Leistung in funktionales Eigenkapital - und nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem feststeht, dass der an sich zur Rückgewähr verpflichtete Gesellschafter dazu nicht in der Lage ist und daher die Ausfallhaftung der übrigen Gesellschafter eingreift.
Normenkette
GmbHG § 31 Abs. 3, § 32a Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 01.08.2003; Aktenzeichen 10 U 171/02) |
LG Limburg a.d. Lahn |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des OLG Frankfurt v. 1.8.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die beklagten Brüder sind zusammen mit ihren Eltern Gesellschafter der E. M. GmbH. Geschäftsführer ist der Vater. Die Beklagten sind mit je 5.000 DM, die Eltern mit 30.000 bzw. 10.000 DM beteiligt. Am 23.12.1997 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Konkursverwalter bestellt.
Mit rechtskräftigem Urteil v. 15.4.1999 wurden die Eltern der Beklagten zur Rückzahlung von 522.019,16 DM gemäß den Eigenkapitalersatzregeln verurteilt. Nach im Wesentlichen erfolgloser Zwangsvollstreckung macht der Kläger ggü. den Beklagten - neben Ansprüchen aus Kaduzierung, die im Revisionsverfahren keine Rolle mehr spielen - eine Ausfallhaftung i.H.v. je 25.000 DM = 12.782,29 EUR geltend. Die Klage ist insoweit in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich der Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat gemeint, eine Ausfallhaftung gem. § 31 Abs. 3 GmbHG sei nach § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG ausgeschlossen. Danach wären die Beklagten nicht zur Rückzahlung verpflichtet, wenn an sie eigenkapitalersetzende Leistungen erstattet worden wären. Dann komme aber auch eine Ausfallhaftung für Ansprüche auf Rückzahlung eigenkapitalersetzender Leistungen an Mitgesellschafter nicht in Betracht.
II. Diese Begründung trägt die Klageabweisung nicht.
Erbringt die GmbH an einen ihrer Gesellschafter eine Leistung, die gegen die Eigenkapitalersatzregeln verstößt, haftet nicht nur dieser Gesellschafter, sondern es haften in entsprechender Anwendung des § 31 Abs. 3 GmbHG auch die übrigen Gesellschafter auf Rückzahlung, wenn der Gesellschafter, an den die Leistung geflossen ist, zur Rückgewähr nicht in der Lage ist (BGH, Urt. v. 5.2.1990 - II ZR 114/89, GmbHR 1990, 249 = MDR 1990, 802 = NJW 1990, 1730). Von den Eigenkapitalersatzregeln werden die nicht geschäftsführenden Gesellschafter mit einer Beteiligung von bis zu 10 % gem. § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG nicht erfasst. Das gilt für die unmittelbare Haftung und - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - für die Ausfallhaftung nach § 31 Abs. 3 GmbHG.
Das Berufungsgericht hat aber übersehen, dass diese Ausnahme, wie der Senat mit Urteil v. 27.11.2000 (BGH, Urt. v. 27.11.2000 - II ZR 179/99, MDR 2001, 340 = BGHReport 2001, 170 = GmbHR 2001, 106 = WM 2001, 202 [203]) entschieden hat, nur für die nach In-Kraft-Treten des § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG am 24.4.1998 (Art. 5 KapAEG v. 20.4.1998, BGBl. I, 707) verwirklichten Tatbestände des Eigenkapitalersatzes gilt. Der hier zu beurteilende Sachverhalt war dagegen schon vor dem 23.12.1997 - dem Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens - verwirklicht und fällt damit noch nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift.
Ohne Bedeutung ist dabei, dass die Beklagten nicht selbst eigenkapitalersetzende Leistungen zurückerhalten haben, sondern nur wegen der Leistungsunfähigkeit ihrer Eltern auf den Ausfall haften, und diese Leistungsunfähigkeit erst nach dem In-Kraft-Treten des § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG festgestellt worden ist. Auch die Ausfallhaftung entsteht dem Grunde nach schon mit der verbotenen Auszahlung an den Mitgesellschafter. Ob daraus zu folgern ist, dass ein Gesellschafter, der seinen Geschäftsanteil nach der Auszahlung, aber vor Fälligkeit des Anspruchs aus § 31 Abs. 3 GmbHG veräußert hat, neben dem Erwerber haftet (BGH, Urt. v. 20.2.1991 - 2 StR 421/90, GmbHR 1991, 195; Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl., § 31 Rz. 35; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG 17. Aufl., § 31 Rz. 15; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG 4. Aufl., § 31 Rz. 18; a.A. Hachenburg/Goerdeler/Müller, GmbHG 8. Aufl., § 31 Rz. 43; Scholz/Westermann, GmbHG, 9. Aufl., § 31 Rz. 25), braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls spricht nichts dafür, einen Gesellschafter nur deshalb nach § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG von der Haftung freizustellen, weil der Mitgesellschafter erst nach dem In-Kraft-Treten der Vorschrift ausgefallen ist. Insbesondere bedarf es entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung insoweit keines Vertrauensschutzes. Da vor In-Kraft-Treten des § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG nach h.M. auch Kleinbeteiligte unter die Eigenkapitalersatzregeln fielen (Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl., §§ 32a, b Rz. 37), mussten sie, sobald ein Mitgesellschafter gegen diese Regeln verstieß, mit einer eigenen (Ausfall-) Haftung rechnen. Mit In-Kraft-Treten des § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG hatten sie keinen Anlass zu der Annahme, dass sich daran etwas in Bezug auf die schon erfolgten Regelverstöße ändern würde.
Der Höhe nach ist die Haftung aus § 31 Abs. 3 GmbHG auf den Betrag der Stammkapitalziffer beschränkt, wie der Senat in seinem Urteil v. 22.9.2003 (BGH v. 22.9.2003 - II ZR 229/02, GmbHR 2003, 1420 m. Anm. Blöse = MDR 2004, 103 = WM 2003, 2238 = ZIP 2003, 2068, unter II. 2. a ; Urt. v. 5.2.1990 - II ZR 114/89, GmbHR 1990, 249 = MDR 1990, 802 = NJW 1990, 1730 [1732]; Urt. v. 25.2.2002 - II ZR 19600, BGHZ 150, 61 [65 f.]) ausgeführt hat. Mehr verlangt der Kläger nicht.
Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil sich die Beklagten gegen den Grund des Anspruchs gewehrt und dabei entsprechend der Entscheidung des Senats v. 8.11.2004 (BGH v. 8.11.2004 - II ZR 362/02, MDR 2005, 344 = BGHReport 2005, 536 = GmbHR 2005, 229 = WM 2005, 132) geltend gemacht haben, dass die Rechtskraft des Urteils in dem Rechtsstreit des Klägers gegen ihre Eltern nicht auch gegen sie wirke. Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das die erforderlichen Feststellungen zu treffen hat.
Fundstellen
BB 2005, 2094 |
DB 2005, 2071 |
DStR 2005, 1705 |
DStZ 2005, 723 |
WPg 2005, 1130 |
Inf 2005, 734 |
NWB 2005, 3511 |
BGHR 2005, 1544 |
GmbH-StB 2005, 295 |
NJW-RR 2005, 1485 |
NZG 2005, 845 |
StuB 2005, 1030 |
WM 2005, 1751 |
WuB 2005, 855 |
ZIP 2005, 1638 |
MDR 2006, 36 |
NZI 2005, 694 |
BKR 2006, 65 |
GmbHR 2005, 1351 |
NJW-Spezial 2005, 461 |
ZBB 2006, 148 |
SJ 2005, 36 |