Entscheidungsstichwort (Thema)
StBerG § 90 verfassungsgemäß
Leitsatz (amtlich)
Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, daß § 90 StBerG kein beschränktes Berufsverbot zuläßt.
Leitsatz (redaktionell)
1. Für ein zeitlich und sachlich beschränktes Berufsverbot ist angesichts der Besonderheit des beruflichen Aufgabenbereichs der Steuerberater, wie er in § 33 StBerG umschrieben wird, kein Raum.
2. Das gilt nicht für die geschäftsmäßige Hilfeleistung bei der Verbuchung laufender Geschäftsvorfälle. Sie ist kein abhängiger Teil der Hilfe in Steuersachen, sondern eine standardisierte, praktische Tätigkeit eigener Art, so daß hier eine Trennbarkeit gegeben wäre. Vor allem aber gehört diese Buchführung nicht zu den Tätigkeiten, die zulässigerweise den in den §§ 33 und 4 StBerG bezeichneten Personen und Vereinigungen vorbehalten sind. Daher stellt sich bei ihr ebensowenig wie bei nicht erlaubnisgebundenen, von Steuerberatern aber ausgeübten Tätigkeiten das Problem der Verhältnismäßigkeit des Mittels.
Normenkette
StBerG § 90
Tenor
Die Revision des Steuerberaters gegen das Urteil des Senats für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 2. Mai 1983 wird verworfen.
Tatbestand
I. Der Betroffene wurde – nach vorhergehender Tätigkeit als Steuerbevollmächtigter – im Jahre 1973 zum Steuerberater bestellt. In demselben Jahr erkrankte er schwer. Während wesentlicher Teile der nachfolgenden Jahre war er 100%ig arbeitsunfähig. Dies sowie das Ausscheiden eines Mitarbeiters unter „Mitnahme eines Großteils der Klientel” führten dazu, daß sich im Laufe der Zeit der Praxisumsatz um mindestens 40 % verringerte. Ein vom Steuerberater nicht zu vertretendes Scheitern eines Bauvorhabens hatte schließlich seinen endgültigen finanziellen Zusammenbruch zur Folge. 1981 versicherte er eidesstattlich (§ 807 ZPO) seine Vermögenslosigkeit. Die Höhe seiner gesamten Verbindlichkeiten betragen ungefähr 760.000 DM. Im Jahr 1982 wurde gegen ihn in dem anhängigen Verfahren ein Berufsverbot (§ 134 StBerG) verhängt und für ihn ein Vertreter bestellt. Er selbst verrichtete aber noch „mechanische” Arbeiten im Büro. Außer seiner Tochter waren keine Angestellten mehr in der Praxis tätig. Sie schied Mitte 1982 infolge eines schweren Unfalls für einige Monate aus.
Gegen den Steuerberater erging 1978 wegen Gefährdung von Abzugssteuern ein Bußgeldbescheid. Ein wegen Steuerhinterziehung eingeleitetes Steuerstrafverfahren wurde 1979 nach einer Geldzahlung gemäß § 153 a Abs. 1 StPO eingestellt.
Entscheidungsgründe
II. Am 14. Dezember 1981 erkannte das Schöffengericht Wetzlar gegen ihn wegen fortgesetzter Untreue auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Eine Mandantin hatte ihn zum Testamentsvollstrecker bestimmt. Nach ihrem Tod im Jahre 1976 unternahm er nichts, um den Nachlaß unter den Erben aufzuteilen, obwohl diese ihn immer wieder hierzu aufforderten. Schließlich wurde er 1980 durch gerichtlichen Beschluß als Testamentsvollstrecker entlassen. Sein Nachfolger stellte fest, daß der Steuerberater dem Nachlaß (Rohvermögen ca. 660.000 DM ohne Berücksichtigung von Nachlaßverbindlichkeiten) mehr als 258.000 DM für eigene Zwecke entzogen hatte. Ein weiterer erheblicher Schaden war dadurch eingetreten, daß er trotz zahlreicher Mahnungen seitens des Finanzamtes keine Erbschaftssteuererklärung abgegeben hatte und deshalb Zinsen sowie Säumniszuschläge in Höhe von nahezu 22.000 DM gezahlt werden mußten. Ferner hatte er zur Begleichung von Nachlaßverbindlichkeiten ein Darlehen aufgenommen, das nicht erforderlich gewesen wäre, wenn er dem Nachlaß nicht jenes Geld für sich entzogen hätte. Bis zur Ablösung des Darlehens waren fast 26.000 DM Zinsen zu Lasten des Nachlasses zu zahlen. Dieser wurde durch das Verhalten des Steuerberaters somit um über 306.000 DM verkürzt.
Eine Abrechnung in der Nachlaßsache führte der Steuerberater zu keinem Zeitpunkt durch. Die Unterlagen wurden von ihm trotz der Bemühungen der Erben und des neuen Testamentsvollstreckers freiwillig nicht herausgegeben. Erst nach Erlaß eines gerichtlichen Beschlagnahmebeschlusses händigte er sie bei der Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume aus.
Irgendwelche Wiedergutmachungsleistungen an die Erben hat er bisher nicht erbracht.
Ursächlich für das Fehlverhalten des Steuerberaters waren die erwähnten schlechten finanziellen Verhältnisse und seine Erkrankung.
Die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen bei dem Landgericht Frankfurt/Main hat ihn aus dem Beruf ausgeschlossen. Seine gegen dieses Urteil eingelegte Berufung richtete sich nur gegen den Maßnahmenausspruch. Der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat sie verworfen. Vom Oberlandesgericht ist die Ansicht vertreten worden, es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der fortgesetzten Untreue um ein berufliches oder ein außerberufliches Verhalten handele; die Straftat sei wegen der Höhe des Schadens und der erkannten Strafe von erheblichem Gewicht; außerdem habe sie großes Aufsehen erregt, wie die in einem Schreiben der Industrie- und Handelskammer Wetzlar erwähnten Zeitungsartikel sowie tägliche Telefonanrufe bei ihr beweisen würden; die Straftat sei deshalb in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für die Ausübung der Berufstätigkeit oder für das Ansehen des Berufes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 89 Abs. 2 StBerG). Weiter heißt es in der Begründung, eine geringere berufsgerichtliche Maßnahme als die Ausschließung aus dem Beruf komme nicht in Betracht; zwar sei der Steuerberater berufsgerichtlich noch nicht in Erscheinung getreten, auch seien ihm die Umstände zugute zu halten, die seine Straftat mitausgelöst hätten, ferner die erlittenen persönlichen Schicksalsschläge (u. a. Tod seines Sohnes im Jahr 1973) sowie die Umstände, daß er sein Fehlverhalten zutiefst bereut habe, daß dieses einen Einzelfall darstellen dürfte, dessen Wiederholung unwahrscheinlich erscheine; ebenso werde nicht übersehen, daß er seit seiner strafgerichtlichen Verurteilung eine positive Einstellung zu seinen Berufspflichten gewonnen und die ihm übertragenen Arbeiten stets mit größter Sorgfalt und im Einklang mit den Standesrichtlinien ausgeführt habe; dennoch sei er in seinem Beruf nicht länger tragbar; durch seine Tat habe er nicht nur das eigene Ansehen, sondern auch das des Berufsstandes in besonders bedeutsamer Weise geschädigt; als sehr abträglich für dessen Ansehen erweise sich auch die desolate finanzielle Gesamtsituation des Steuerberaters, der zu wirtschaftlich unabhängiger Ausübung seines Berufes im Sinne des § 57 Abs. 1 StBerG nicht mehr in der Lage sei. Weiter hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Ziele und Wirkungen der berufsgerichtlichen Maßnahme der Ausschließung aus dem Beruf ließen „mangels einer Regelungslücke” nicht zu, entsprechend dem strafrechtlichen Berufsverbot ein zeitlich befristetes Verbot der Berufsausübung oder eine zeitlich befristete Berufsausschließung auszusprechen; das Fehlen einer solchen Möglichkeit sei verfassungsrechtlich unbedenklich, auch unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes; denn eine rechtskräftige Ausschließung aus dem Beruf könne im Gnadenweg wieder aufgehoben werden.
Der Steuerberater wendet sich mit seiner Revision dagegen, daß auf seinen Ausschluß aus dem Beruf und nicht auf ein zeitlich oder sachlich beschränktes Berufs- bzw. Vertretungsverbot erkannt worden ist. Er vertritt die Auffassung, die endgültige Ausschließung aus dem Beruf stelle einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl dar und sei deshalb nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes statthaft; diesem Gebot genüge § 90 StBerG nicht; der das Steuerberatungsgesetz leitende vordringliche Schutzzweck, die Ordnung und Integrität innerhalb des Berufsstandes zu gewährleisten und die Berufsangehörigen zu einer gewissenhaften Erfüllung ihrer Berufspflichten anzuhalten, rechtfertige es nicht, einem so nachhaltigen Eingriff in die Freiheitsrechte des Art. 12 Abs. 1 GG als weniger einschneidende Maßnahme allein die Zahlung einer Geldbuße vorzuordnen und nicht eine anderweitige Beschränkung der Berufsausübung, mit der die Zielsetzungen des Berufsrechts genauso erreicht werden könnten; dies zeige die in § 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO getroffene Regelung; § 90 StBerG enthalte eine Regelungslücke für alle diejenigen Fälle, in denen das Berufsgericht der Ansicht sei, daß eine Geldbuße nicht ausreiche, andererseits aber auch noch nicht der endgültige Ausschluß aus dem Beruf erforderlich erscheine; es könne nicht eingesehen werden, weshalb das Steuerberatungsgesetz die Möglichkeit verschließe, die berufliche Tätigkeit des Berufsangehörigen auf einzelne Aufgabengebiete, etwa auf die in § 1 Abs. 2 Nr. 2 StBerG genannten Tätigkeiten, zu beschränken oder umgekehrt ihm bestimmte Hilfeleistungen in Steuersachen für eine gewisse Zeit zu verbieten; dies gelte vor allem im Hinblick für Fälle wie dem seinen, wo eine materielle Berufsbezogenheit des Fehlverhaltens nicht bestehe; aus den Gründen des angefochtenen Urteils sei ersichtlich, daß das Oberlandesgericht sich nur durch die gesetzliche Regelung daran gehindert gesehen habe, auf eine mildere Maßnahme zu erkennen; im übrigen habe das Berufungsgericht nicht die gebotene umfassende Würdigung und Abwägung aller Umstände vorgenommen; von ihm sei verkannt worden, daß die Verhängung der schwersten berufsgerichtlichen Maßnahme eine bewußte, vor allem böswillige Mißachtung der Berufspflichten voraussetze; da nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts eine Wiederholung des Fehlverhaltens bei ihm unwahrscheinlich sei, hätte es schon aus diesem Grund nicht auf den Berufsausschluß erkennen dürfen; denn dieser verlange nach der ständigen Rechtsprechung neben der Beeinträchtigung des Ansehens in der Öffentlichkeit eine negative Prognose bezüglich des zukünftigen standesrechtlichen Verhaltens, insoweit verfolge das Steuerberatungsgesetz den Zweck, die Allgemeinheit vor zukünftigem Schaden zu bewahren; schließlich sei zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Brief der Steuerberaterkammer und die in ihm erwähnten Zeitungsartikel zur Begründung der Voraussetzungen des § 89 Abs. 2 StBerG verwertet habe.
Fundstellen