Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinschaftswerbung durch eine Steuerberaterkammer für zur Lohnsteuerberatung zur Verfügung stehende Steuerberater und Steuerbevollmächtigte verboten
Leitsatz (redaktionell)
Eine Steuerberaterkammer, die in der Tagespresse die Namen, Berufsbezeichnungen, Anschriften und Telefonnummern von Kammermitgliedern veröffentlicht und darauf hinweist, daß diese besondere Vorkehrungen für die Lohnsteuerberatung getroffen hätten, verstößt gegen das Werbeverbot der §§ 8 Abs. 1 und 57 Abs. 1 StBerG.
Normenkette
StBerG §§ 8, 57, 76; UWG § 1
Tatbestand
Die Beklagte, die Steuerberaterkammer M., veröffentlichte in der Süddeutschen Zeitung vom 22./23. März 1980 eine Anzeige, die unter der Überschrift „Bekanntmachung für Lohnsteuerzahler” und der einleitenden Zeile „Folgende Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben besondere Vorkehrungen für die Lohnsteuerberatung getroffen” die Namen, Berufsbezeichnungen, Anschriften und Telefonnummern von 30 Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten und Steuerberatungsgesellschaften enthielt. Dem war der Hinweis angefügt, daß ein Verzeichnis weiterer Anschriften bei den Finanzämtern aufliege oder bei der Steuerberaterkammer M. angefordert werden könne. Solche Verzeichnisse hatte die Beklagte in verschiedenen Farben hergestellt und bei Finanzämtern ausgelegt. Der Kläger, ein Lohnsteuerhilfeverein, hat diese Anzeige als berufs- und standeswidrig und als Verstoß gegen § 1 UWG beanstandet. Mit ihr habe die Beklagte für die in der Anzeige aufgeführten Steuerberater, Steuerbevollmächtigten und Steuerberatungsgesellschaften geworben. Eine solche Werbung sei nach den §§ 8 Abs. 1 und 57 Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (SteuerberatungsG in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. November 1975, BGBl I S. 1301; geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 1976, BGBl I S. 3341, und durch Gesetz vom 18. August 1980, BGBl I S. 1537) weder dem einzelnen Berufsangehörigen noch der Berufskammer gestattet. Sie sei auch wettbewerbswidrig, weil sie den in der Anzeige Genannten einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern verschaffe.
Der Kläger hat beantragt, 1. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, insbesondere in Tageszeitungen, zu Zwecken des Wettbewerbs a) Bekanntmachungen für Lohnsteuerzahler zu veröffentlichen, in welchen Name, Berufsbezeichnung, Anschrift und Rufnummer von Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten und Steuerberatungsgesellschaften genannt werden, die besondere Vorkehrungen für die Lohnsteuerberatung getroffen haben, b) mit der Behauptung zu werben: „Ein Verzeichnis weiterer Anschriften liegt bei den Finanzämtern auf oder kann angefordert werden bei der Steuerberaterkammer M., sofern diese Verzeichnisse farbig sind und Name, Berufsbezeichnung, Anschrift, Rufnummer sowie Hinweise über Sprachenkenntnisse dieser Steuerberater, Steuerbevollmächtigten und Steuerberatungsgesellschaften sowie Sprechzeiten enthalten, 2. es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen gem. Ziff. 1 entstanden ist und noch entsteht, 3. die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin schriftlich in geordneter Form Auskunft zu erteilen über alle Handlungen gem. Ziff. 1, und zwar insbesondere Auskunft über die Anzahl der Inserate, die Tageszeitungen, in welchen Inserate erschienen sind, die Auflage dieser Tageszeitungen, die Zahl sowie die Namen und Anschriften der Mitglieder, für welche sie in diesen Inseraten geworben hat.
Die Beklagte hat dazu vorgetragen: Die angegriffene Anzeige sei weder berufs- noch wettbewerbswidrig. § 8 Abs. 1 SteuerberatungsG, der das unaufgeforderte Anbieten geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen untersage, gelte für einen Lohnsteuerhilfeverein wie den Kläger und die anderen in § 8 Abs. 2 SteuerberatungsG bezeichneten Körperschaften und Vereinigungen, aber nicht für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften. Diese unterfielen dem Verbot berufswidriger Werbung des § 57 Abs. 1 SteuerberatungsG, das aber vorliegend nicht verletzt sei. Bei dem beanstandeten Inserat handele es sich nicht um die Anzeige eines einzelnen Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten, sondern um eine Gemeinschaftswerbung der Berufskammer für alle an der Lohnsteuerberatung interessierten Kammermitglieder. Als solche enthalte sie eine notwendige und erlaubte Information der Bevölkerung darüber, daß und welche Mitglieder der Beklagten Hilfe beim Lohnsteuerjahresausgleich leisteten. Aus denselben Gründen könne auch der Hinweis, daß weitere Namens- und Anschriftenverzeichnisse bei den Finanzämtern auslägen oder bei der Beklagten angefordert werden könnten, nicht beanstandet werden.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat dieses Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung im Unterlassungsausspruch geändert und die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, insbesondere in Tageszeitungen, zu Zwecken des Wettbewerbs „Bekanntmachungen für Lohnsteuerzahler” zu veröffentlichen, die Namen, Berufsbezeichnung, Anschrift und Rufnummer von Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten und Steuerberatungsgesellschaften sowie die Hinweise enthalten, daß diese Steuerberater und Steuerbevollmächtigten besondere Vorkehrungen für die Lohnsteuerberatung getroffen haben und daß ein Verzeichnis weiterer Anschriften bei den Finanzämtern aufliegt.
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Zutreffend habe das Landgericht in dem angegriffenen Inserat einen Verstoß gegen § 1 UWG erblickt. Nicht zu beanstanden sei lediglich der Hinweis, daß ein Verzeichnis weiterer Anschriften bei der Beklagten angefordert werden könne. Insoweit bestehe ein sachliches Informationsbedürfnis des Lohnsteuerzahlers, der ein Interesse daran habe zu erfahren, welche weiteren, in der Zeitungsanzeige nicht aufgeführten Steuerberater und Steuerbevollmächtigten zur Lohnsteuerberatung bereit seien. Im übrigen stehe aber der Inhalt der Anzeige mit dem Verbot berufswidriger Werbung des § 8 Abs. 1 SteuerberatungsG, der auch für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte gelte, und des § 57 Abs. 1 SteuerberatungsG nicht in Einklang. Im Hinblick auf die Informationsaufgaben der Berufskammer aus § 76 Abs. 1 SteuerberatungsG sei zwar davon auszugehen, daß der Gemeinschaftswerbung einer Steuerberaterkammer wie hier nicht so enge Zulässigkeitsgrenzen gezogen seien wie der Werbung einzelner Steuerberater und Steuerbevollmächtigter, bei denen fraglich sei, ob sie in der Tagespresse auf die von ihnen angebotenen Lohnsteuerberatungsdienste hinweisen dürften. Aber auch eine Berufskammer dürfe bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit die Grenzen des sachlich Gebotenen nicht überschreiten. Insoweit sei zwar zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, daß in der Öffentlichkeit der – so nicht zutreffende – Eindruck verbreitet sei, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte stünden für die Lohnsteuerberatung von Arbeitnehmern im allgemeinen nicht zur Verfügung. Dem könne eine Berufskammer wie die Beklagte nicht mit einer nur allgemein gehaltenen Gegendarstellung begegnen, vielmehr sei es insoweit erforderlich und zulässig, in sachlich neutraler Form die zur Lohnsteuerberatung bereiten Kammermitglieder namhaft zu machen, um dem insoweit auf Rat angewiesenen Steuerzahler eine unzumutbare Suche nach einem zur Hilfeleistung in Lohnsteuersachen bereiten Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten zu ersparen. Darin allein liege noch keine unzulässige Förderung des Wettbewerbs der Kammermitglieder zu Lasten der Lohnsteuerhilfevereine. Zwar dürften nach § 8 Abs. 2 SteuerberatungsG i. V. mit § 3 WerbeVOStBerG nur Lohnsteuerhilfevereine in Zeitungsanzeigen auf ihre Befugnis zur Lohnsteuerberatung hinweisen. Mit diesen Regelungen habe den früher weithin unbekannt gewesenen Lohnsteuerhilfevereinen Gelegenheit gegeben werden sollen, auf ihre Existenz hinzuweisen. Inzwischen habe sich jedoch die Kenntnis über die Tätigkeit der Lohnsteuerhilfevereine verbreitet, während über die der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten weithin Unkenntnis anzutreffen sei. Im Hinblick darauf sei eine Anzeige wie hier ein geeignetes Mittel, einen vom Gesetzgeber nicht gewollten Wettbewerbsnachteil der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten auf dem Gebiet der Lohnsteuerberatung auszugleichen.
Um eine danach zulässige Gemeinschaftswerbung handele es sich vorliegend aber nicht. Bereits die Überschrift des Inserats „Bekanntmachung für Lohnsteuerzahler” gehe deutlich über das zur sachlichen Information des Lohnsteuerzahlers Notwendige hinaus, weil sie den irreführenden Eindruck hervorrufe, daß sie sich auf eine besonders bedeutsame amtliche Veröffentlichung beziehe. Des weiteren bestünden durchgreifende Bedenken gegen die Erklärung, daß die aufgeführten Steuerberater und Steuerbevollmächtigten besondere Vorkehrungen für die Lohnsteuerberatung getroffen hätten. Auch diese Erklärung sei zur sachlichen Unterrichtung der Öffentlichkeit nicht erforderlich gewesen. Soweit Vorkehrungen für die Lohnsteuerberatung geboten seien, handele es sich bei den Hinweisen darauf um Hinweise auf Selbstverständlichkeiten. Wenn insoweit gleichwohl besondere Vorkehrungen herausgestellt würden, fasse der Verkehr das als die werbende Anpreisung einer in besonderem Maße empfehlenswerten Lohnsteuerberatungstätigkeit auf. Schließlich überschreite auch der Hinweis auf das Ausliegen weiterer Verzeichnisse bei Finanzämtern die Grenzen einer zulässigen Gemeinschaftswerbung. Ein solcher Hinweis rufe den unzutreffenden Anschein einer Zusammenarbeit zwischen der Berufskammer und den Finanzämtern hervor und verstärke beim Leser im Zusammenhang mit der Überschrift „Bekanntmachung für Lohnsteuerzahler” den Eindruck einer amtlichen Anzeige.
Die beanstandete Werbung müsse danach als berufswidrig im Sinne der §§ 8 Abs. 1 und 57 Abs. 1 SteuerberatungsG beurteilt werden. Der Verstoß gegen diese Vorschriften sei zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG, der die Beklagte zur Unterlassung verpflichte. Da die Beklagte schuldhaft gehandelt habe, sei sie auch zum Schadensersatz und zur Erfüllung des vom Kläger insoweit geltend gemachten Auskunftsanspruchs verpflichtet.
II.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht für die auf § 1 UWG gestützte Unterlassung- und Schadensersatzklage den ordentlichen Rechtsweg trotz der Rechtsstellung der Beklagten als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. § 73 Abs. 2 SteuerberatungsG) und ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben aus § 76 SteuerberatungsG für gegeben erachtet (BGH, Urteil vom 16. Januar 1981, BGHZ 79, 390; BGHZ 82, 375, 381-384; BGH, Urteil vom 1. März 1984, BGHZ 90, 232).
2. Die Revision beanstandet, daß das Berufungsgericht entgegen § 308 Abs. 1 ZPO dem Kläger mehr als beantragt zugesprochen habe. Der Kläger habe nicht beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Anzeigen zu veröffentlichen, die Hinweise darauf enthielten, daß die in der Anzeige angegebenen Kammermitglieder besondere Vorkehrungen für die Lohnsteuerberatung getroffen hätten. Auch habe der Kläger nicht begehrt, der Beklagten zu untersagen, für Mitteilungen der Steuerberaterkammer an Lohnsteuerzahler die Überschrift „Bekanntmachung für Lohnsteuerzahler” zu verwenden. Damit kann die Revision keinen Erfolg haben. Der Unterlassungsausspruch des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen des Antrags des Klägers. Dieser hat das generelle Verbot der Veröffentlichung von Bekanntmachungen für Lohnsteuerzahler begehrt, in welchen die Namen, Berufsbezeichnungen, Anschriften und Rufnummern von Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten und Steuerberatungsgesellschaften genannt werden, die besondere Vorkehrungen für die Lohnsteuerberatung getroffen haben. Hinter diesem Klageantrag bleibt es zurück, enthält also weniger, nicht mehr, wenn das Berufungsgericht solche Veröffentlichungen nicht generell, sondern einschränkend nur für den Fall untersagt hat, daß sie als „Bekanntmachung für Lohnsteuerzahler” auch bezeichnet werden und zugleich Hinweise auf besondere Vorkehrungen der Steuerberater, Steuerbevollmächtigten und Steuerberatungsgesellschaften für die Lohnsteuerberatung enthalten. Veröffentlichungen dieses Inhalts waren von dem Antrag des Klägers mitumfaßt. Eine andere Beurteilung wäre nur dann am Platze gewesen, wenn das Berufungsgericht die Überschrift „Bekanntmachung für Lohnsteuerzahler” oder den Hinweis, daß Kammermitglieder besondere Vorkehrungen für die Lohnsteuerberatung getroffen hätten, für sich allein verboten hätte. Das ist aber nicht der Fall.
3. Auch sachlich-rechtlich hält das Berufungsurteil den Revisionsangriffen stand. Zutreffend hat das Berufungsgericht die beanstandete Anzeige für unvereinbar mit dem Werbeverbot der §§ 8 Abs. 1 und 57 Abs. 1 SteuerberatungsG erachtet.
a) Gegen die Aktivlegitimation eines Lohnsteuerhilfevereins wie hier des Klägers bestehen keine Bedenken (BGH, Urteil vom 23. Januar 1976, WM 1976, 458; Urteil vom 11. November 1977, GRUR 1978, 180; Urteil vom 1. März 1984, BGHZ 90, 232).
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, daß den Vorschriften des § 8 Abs. 1 SteuerberatungsG auch Steuerberater und Steuerbevollmächtigte unterfielen. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. § 8 Abs. 1 SteuerberatungsG, der das unaufgeforderte Anbieten der eigenen Dienste oder der Dienste Dritter zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen untersagt, gilt – wie der Senat erst kürzlich in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil „Lohnsteuerberatung” ausgesprochen hat (Urteil vom 1. März 1984, BGHZ 90, 232) – nicht nur für die nach § 4 Nr. 3-11 SteuerberatungsG zur beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen zugelassenen Personen und Vereinigungen, sondern für alle steuerberatenden Berufe, also auch für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften, weil mit einer Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf die in § 4 Nr. 3-11 SteuerberatungsG genannten Personen und Vereinigungen der Wortlaut der Bestimmung, ihre Stellung im Gesetz und die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 7/2852 S. 33, zu § 9) nicht zu vereinbaren sind.
Während § 8 Abs. 1 SteuerberatungsG danach für alle zur unbeschränkten und beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugten Personen und Vereinigungen (§§ 3 und 4 SteuerberatungsG) das Verbot des unaufgeforderten Anbietens von Steuerberatungsdiensten enthält, zählt es nach § 57 Abs. 1 SteuerberatungsG zu den Berufspflichten speziell der Steuerberater, Steuerbevollmächtigten und Steuerberatungsgesellschaften (§ 72 Abs. 1 SteuerberatungsG), auf eine berufswidrige Werbung zu verzichten. Was in diesem Sinne berufswidrig ist, ist im Gesetz nicht näher geregelt und muß im Einzelfall dem gesetzgeberischen Zweck des Werbeverbots (§§ 8 Abs. 1 und 57 Abs. 1 SteuerberatungsG) und den gemäß § 86 Abs. 2 Nr. 2 SteuerberatungsG festgestellten Richtlinien für die Berufsausübung der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Standesrichtlinien – Richtlinien der Bundessteuerberaterkammer vom 24./25. Januar 1977 in d. F. vom 24./25. März 1980 und 20./21. Oktober 1980, abgedruckt bei Kolbeck-Peter-Rawald, aaO Gruppe 631 S. 15 ff) entnommen werden. Diese Richtlinien haben zwar als solche keine normative Bedeutung; sie können aber bei der Beurteilung der Berufspflichten eines freien Berufs nach ständiger Rechtssprechung als eine wesentliche Erkenntnisquelle und Auslegungshilfe Berücksichtigung finden (BVerfGE 36, 212, 217, 218; BVerfGE 57, 121, 132, 133; BVerfGE 60, 215, 232; BGH, Urteil vom 1. März 1984, BGHZ 90, 232). Mit der danach maßgebenden Rechtslage ist die beanstandete Anzeige nicht zu vereinbaren.
aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, daß der Verkehr in der angegriffenen Anzeige eine Werbeaktion der Berufskammer zugunsten ihrer in der Anzeige namentlich aufgeführten Mitglieder erblickt. Eine Veröffentlichung in der Tagespresse, die wie hier die Namen, Berufsbezeichnungen, Anschriften und Telefonnummern von Kammermitgliedern herausstellt und zugleich darauf hinweist, daß diese besondere Vorkehrungen für die Lohnsteuerberatung getroffen hätten, fordert zur Inanspruchnahme der Steuerberatungsdienste dieser Personen auf und wird, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, in diesem werbend-anpreisenden Sinne auch von den angesprochenen Verkehrkreisen verstanden.
Diesem Verständnis des Publikums stehen die Überschrift der Anzeige -”Bekanntmachung für Lohnsteuerzahler” – und der Hinweis, daß weitere Verzeichnisse bei den Finanzämtern auslägen, nicht entgegen. Diese Erklärungen, die das Berufungsgericht überdies für irreführend angesehen hat, weil sie den unzutreffenden Eindruck besonders bedeutsamer amtlicher Hinweise in Lohnsteuerangelegenheiten hervorriefen, lassen, die werbende Wirkung, die von den vorerörterten Angaben und Hinweisen auf die angesprochenen Lohnsteuerzahler ausgeht, nicht entfallen oder zurücktreten.
bb) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß eine solche Werbung mit dem Werbeverbot der §§ 8 Abs. 1 und 57 Abs. 1 SteuerberatungsG nicht in Einklang steht und daß sie auch in dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit, über die für die Lohnsteuerberatung zur Verfügung stehenden Steuerberater, Steuerbevollmächtigten und Steuerberatungsgesellschaften unterrichtet zu werden, keine Rechtfertigung findet.
Wie im Bereich der Rechtsanwälte, Ärzte und anderer freier Berufe will das Verbot berufswidriger Werbung auch auf dem Gebiet der Steuerberatung den Berufsangehörigen möglichst nur durch Leistung werben lassen, um so einer Verfälschung des Berufsbildes durch eine reklamehafte Werbung entgegenzuwirken (BVerfGE 33, 125, 170; BVerfGE 60, 215, 232; BGH, Urteil vom 1. März 1984, BGHZ 90, 232). Dem entspricht eine werbende Herausstellung von Kammermitgliedern durch eine Steuerberaterkammer nicht. Nach Nr. 33 der Standesrichtlinien gilt als berufswidrige Werbung jeder unmittelbare oder mittelbare Hinweis in einer Veröffentlichung, der bei verständiger Würdigung als direkte oder indirekte Anregung zur Auftragsanbahnung verstanden werden kann. Darunter fällt auch eine Zeitungsanzeige, durch die ein Steuerberater oder für ihn die Berufskammer Lohnsteuerberatungsdienste anbietet. Um einen Fall, der solche Hinweise ausnahmsweise gestattete (vgl. Nr. 34, 35 und 36 der Standesrichtlinien), handelt es sich vorliegend nicht. Für die Lohnsteuerberatung erlaubt zwar Nr. 37 Abs. 2 der Richtlinien bestimmte Hinweise auf dem Praxisschild. Entsprechende Hinweise in der Tagespresse sind aber nicht gestattet (vgl. Nr. 34). Das steht in Übereinstimmung mit § 8 Abs. 2 SteuerberatungsG und den Vorschriften der WerbeVOStBerG, die es unter bestimmten Voraussetzungen den Lohnsteuerhilfevereinen, nicht aber den Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten oder Steuerberatungsgesellschaften erlauben, durch Anzeigen in der Tagespresse auf die Befugnis zur Hilfeleistung in Lohnsteuersachen hinzuweisen.
cc) Das Verhalten der Beklagten ist nicht dadurch gerechtfertigt, daß sie bei der Veröffentlichung des Inserats in ihrer Eigenschaft als Berufskammer gehandelt und die Anzeige in die Form einer Gemeinschaftsanzeige gekleidet hat. Eine solche Werbeaktion zugunsten einzelner oder mehrerer Steuerberater, Steuerbevollmächtigter und Steuerberatungsgesellschaften ist auch einer Berufskammer nicht gestattet. Das folgt aus dem Sinn und Zweck des für die einzelnen Kammermitglieder geltenden gesetzlichen Werbeverbots und der Aufgabe der Steuerberaterkammern, die Erfüllung der Berufspflichten ihrer Mitglieder zu überwachen (§ 76 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, 4 SteuerberatungsG). Werbemaßnahmen, die dem einzelnen Steuerberater und Steuerbevollmächtigten gesetzlich untersagt sind, sind zur Förderung des Wettbewerbs dieser Berufsangehörigen auch der Berufskammer oder sonst einem Dritten nicht gestattet. Erblickt der Verkehr, wie im Streitfall, in der Anzeigenaktion einer Berufskammer eine Werbemaßnahme zugunsten ihr angehörender Kammermitglieder, steht es entgegen den Ausführungen der Revision in der mündlichen Verhandlung mit den Standesrichtlinien nicht in Einklang, wenn die Berufskammer, die die Einhaltung der Berufspflichten ihrer Mitglieder und damit auch die Einhaltung der Standesrichtlinien zu überwachen hat, Maßnahmen zur Förderung des Wettbewerbs von Kammermitgliedern durchführt, die sie diesen untersagen müßte, wenn sie von ihnen selber ergriffen würden. Die Ausdehnung des Werbeverbots des § 8 Abs. 1 SteuerberatungsG auf Werbemaßnahmen Dritter war eines der mit der Einführung des § 8 Abs. 1 SteuerberatungsG i. d. F. des 3. Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes verfolgten gesetzgeberischen Ziele (s. die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 7/2852 S. 33, zu § 9). Hinsichtlich eines privatrechtlich organisierten Dachverbandes von Lohnsteuerhilfevereinen hat der Senat deshalb auch ausgesprochen, daß ein solcher Verband dem Werbeverbot der §§ 8 Abs. 1 und 26 Abs. 1 SteuerberatungsG genauso unterworfen ist wie jedes einzelne seiner Mitglieder (BGH, Urteil vom 11. November 1982, GRUR 1983, 130, 132). Für Werbemaßnahmen einer öffentlich-rechtlichen Berufskammer zugunsten der ihr angeschlossenen Mitglieder gilt nichts anderes (s. Senatsurteil „Lohnsteuerberatung” vom 1. März 1984, BGHZ 90, 232. Wie ausgeführt ist es der Zweck des für Steuerberater und andere freie Berufe geltenden Werbeverbots, die Tätigkeit des Berufsangehörigen, der kein Gewerbe betreibt (vgl. für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte § 32 Abs. 2 Satz 2 SteuerberatungsG), von Werbung weitgehend freizuhalten.
Aus der Aufgabe der Beklagten, die beruflichen Belange der Gesamtheit ihrer Mitglieder zu wahren (§ 76 Abs. 1 SteuerberatungsG), können entgegenstehende Schlüsse nicht gezogen werden. Soweit die Berufskammer im Rahmen dieser Aufgabe zur Öffentlichkeitsarbeit für ihre Mitglieder berechtigt und verpflichtet ist, muß sie dabei das gesetzliche Werbeverbot in Rechnung stellen, wie es – konkretisiert durch die Standesrichtlinien – für jedes einzelne ihrer Mitglieder gilt. Zwar kann im Einzelfall die werbliche Wirkung einer Presseerklärung oder einer sonstigen in der Öffentlichkeit abgegebenen Äußerung verschieden ausfallen, je nachdem, ob es sich um die Stellungnahme eines einzelnen Berufsangehörigen oder des Berufsverbandes handelt. Es kann daher das Verhalten einer Berufskammer als einer am Wettbewerb jedenfalls nicht unmittelbar teilnehmenden Körperschaft wettbewerbsneutral sein, während dasselbe Verhalten eines einzelnen Berufsangehörigen vom Verkehr als Werbung verstanden wird. Insoweit ist jedoch vorliegend nicht zu erkennen, daß der von der beanstandeten Anzeige ausgehende Werbeeffekt hinter den Informationsgehalt des Inserats zurücktritt oder sonst unerheblich ist und daß die Anzeige deshalb vom Werbeverbot der §§ 8 Abs. 1 und 57 Abs. 1 SteuerberatungsG nicht erfaßt wird. Wenn – wie die Beklagte behauptet hat – in der Öffentlichkeit tatsächlich der Eindruck verbreitet wäre, daß Steuerberater und Steuerbevollmächtigte zur Lohnsteuerberatung nicht bereit seien, hätte es genügt, dem durch eine allgemein gehaltene Aufklärung ohne namentliche Hinweise auf bestimmte Berufsangehörige zu begegnen. Die Tatsache, daß möglicherweise nur verhältnismäßig wenige Steuerberater und Steuerbevollmächtigte Lohnsteuerberatung betreiben, rechtfertigte es nicht, Berufsangehörige nach Namen, Berufsbezeichnung, Anschrift und Telefonnummer im einzelnen zu benennen.
Schwierigkeiten, die sich für den Steuerpflichtigen daraus ergeben können, daß er bei Bedarf nicht sogleich eine Liste der zur Lohnsteuerberatung bereiten Berufsangehörigen zur Hand hat, sind weitgehend dadurch gemildert, daß es den die Lohnsteuerberatung betreibenden Berufsangehörigen nach Maßgabe der Standesrichtlinien (Nr. 37 Abs. 2) gestattet ist, einen entsprechenden Hinweis auf dem Praxisschild anzubringen. Zutreffend hat die Revision in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß es bei allen rechts- und wirtschaftsberatenden Berufen und bei den Ärzten Fachgebiete gibt, die nur von einem geringen Teil der Berufsangehörigen betreut werden, daß es aber gleichwohl – auch unter Berücksichtigung eines gewissen, insoweit bestehenden Informationsinteresses der Allgemeinheit – dem einzelnen Berufsangehörigen oder seiner Standesorganisation nirgendwo gestattet ist, in einer Presseerklärung durch namentliche Herausstellung der eigenen Person oder der Kammerangehörigen und damit in einer als berufswidrig zu bezeichnenden Weise Individualwerbung zu treiben.
Schließlich kann der Beklagten auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie meint, daß Anzeigen wie hier zum Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten gegenüber Lohnsteuerhilfevereinen im Bereich der Lohnsteuerberatung erforderlich und gerechtfertigt seien. Die Beklagte verkennt dabei die Bedeutung des § 8 Abs. 2 SteuerberatungsG, durch den allein den Lohnsteuerhilfevereinen und den in § 4 Nr. 3 und 7 SteuerberatungsG bezeichneten Körperschaften und Vereinigungen unter bestimmten Voraussetzungen das Recht eingeräumt worden ist, auf ihre Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen hinzuweisen. Wie der Senat in dem vorerwähnten Urteil „Lohnsteuerberatung” vom 1. März 1984 ausgeführt hat, ist es der Sinn der Regelung des § 8 Abs. 2 SteuerberatungsG, den durch sie begünstigten Vereinen und Verbänden in bestimmtem Umfang Existenzhinweise zu gestatten, weil diese Vereinigungen und Körperschaften hinsichtlich ihrer Existenz und Tätigkeit nicht so bekannt sind, wie Steuerberater und Steuerbevollmächtigte. An dieser bereits früher bestehenden Rechtslage (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1969, GRUR 1970, 179, 181) hat der Gesetzgeber mit Einfügung des § 8 SteuerberatungsG i. d. F. des 3. Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes festgehalten (s. die amtl. Begründung in BT-Drucks. 7/2852 S. 33 zu § 9). Daraus folgt, daß es – unter den Voraussetzungen des § 3 WerbeVOStBerG – ausschließlich Lohnsteuerhilfevereinen vorbehalten ist, in Anzeigen auf ihre Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen hinzuweisen, nicht aber Steuerberatern oder deren Berufskammern.
4. Der Verstoß gegen das Werbeverbot des Steuerberatungsgesetzes ist zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG (BGH, Urteil vom 26. November 1969, GRUR 1970, 179, 181, 182; Urteil vom 11. November 1982, WM 1983, 423; Urteil vom 1. März 1984, BGHZ 90, 232). Dieser begründet den Unterlassungsanspruch, da die Beklagte nach den getroffenen Feststellungen in Wettbewerbsförderungsabsicht zugunsten der in der Anzeige genannten Mitglieder gehandelt hat. Da nach den Feststellungen des weiteren davon auszugehen ist, daß der Wettbewerbsverstoß der Beklagten zumindest fahrlässig und damit schuldhaft begangen worden ist und ein aus diesem Verstoß resultierender Schaden des Klägers in hinreichendem Maße wahrscheinlich ist, sind auch der Feststellungsantrag und die den Schadensersatzanspruch vorbereitende Auskunftsklage gerechtfertigt. Ob sich das Klagebegehren im Hinblick auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zum irreführenden Charakter der Überschrift des Inserats und des Hinweises auf das Ausliegen weiterer Namensverzeichnisse bei den Finanzämtern auch noch auf § 3 UWG stützen läßt, konnte danach dahinstehen.
Fundstellen