Entscheidungsstichwort (Thema)
Irreführende Werbung eines Rechenzentrums für den steuerberatenden Berufen vorbehaltene Buchführungsdienstleistungen
Leitsatz (amtlich)
Personen, die nur im Rahmen von § 6 Nr. 3 und 4 StBerG zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind, werben irreführend, wenn sie ihre Dienstleistungen mit den Begriffen „Finanzbuchführung”, „Finanzbuchhaltung”, „Lohnabrechnung” und „Einrichtung der Buchführung” anbieten.
Leitsatz (redaktionell)
1. Abgrenzung der Begriffe „laufende Buchführung” zu „buchen laufender Geschäftsvorfälle” und „Lohnabrechnung” zu „laufende Lohnabrechnung”.
2. Das Verbot bestimmter Buchführungstätigkeiten für bestimmte Personen verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht bzw. das Grundrecht auf Berufsfreiheit.
3. Zur Befugnis der Verwendung der Bezeichnung „EDV-Buchungsservice” und „laufende EDV-Buchführung”.
Normenkette
UWG § 3 S. 1; StBerG § 6 Nrn. 3-4, § 8 Abs. 4; EG Art. 49, 81-82, 86; GG Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 1. September 1998 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Beklagten nach dem Hauptteil des Unterlassungsantrags verurteilt hat (Verurteilung, es zu unterlassen, „im geschäftlichen Verkehr Tätigkeiten auf dem Gebiet der Steuerrechtshilfe im Sinne des § 1 StBerG anzubieten, ausgenommen die erlaubnisfreien Tätigkeiten gemäß § 6 Nr. 3 und Nr. 4 StBerG”) und es ihnen („insbesondere”) untersagt hat, auf Geschäftspapieren und in Werbeblättern die Bezeichnungen „laufende EDV-Buchführung” und „EDV-Buchungsservice” zu verwenden.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, übernimmt als Rechenzentrum gewerbsmäßig für Dritte laufende Buchungen. Die Beklagten sind nicht gemäß §§ 3, 4 StBerG zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugt.
Im Briefkopf von Werbeschreiben führte die Beklagte zu 1 bei der schlagwortartigen Benennung ihrer Tätigkeitsgebiete die Angaben „Finanzbuchführung” und „Lohnabrechnung” auf und verwendete für sich unter ihrem Logo „a.” die Kurzbezeichnung „EDV-Buchungsservice”. In diesen Schreiben bezeichnete sie ihre Dienstleistungen als „Finanzbuchhaltung” und „laufende EDV-Buchführung” und warb für ihre „steuerlich relevante Hilfeleistung bei der Einrichtung der Buchführung sowie mechanische Verarbeitung Ihrer Belege, auf Wunsch auch mit Vorkontierung durch erfahrene Fachkräfte (Bilanzbuchhalter)”. Unter dem als Überschrift fettgedruckten Betreff „Ihre Lohn- und Finanzbuchführung bei a.” erklärte sich die Beklagte zu 1 zudem in Schreiben gegenüber gewerblichen Unternehmen bereit, die „komplette, monatliche Lohn- und Gehaltsabrechnung” zu erstellen. Sie verteilte weiter Werbeblätter mit Testschecks, die das Angebot enthielten, einen Monat lang kostenlos ihre Dienstleistung „laufende EDV-Buchführung” („mechanische Einrichtung mit Datenerfassung, Abstimmung und Auswertung, auf Wunsch auch mit Kontierung”) in Anspruch zu nehmen.
Die klagende Steuerberaterkammer hat diese Werbung als wettbewerbswidrig beanstandet. Die – als Anlagen K 1 bis K 5 vorgelegten – Werbeschreiben erweckten den irreführenden Eindruck, die Beklagten dürften alle mit der Buchführung zusammenhängenden Leistungen erbringen, obwohl es ihnen untersagt sei, geschäftsmäßig eine Hilfe in Steuersachen zu leisten, die den Rahmen der nach § 6 Abs. 3 und 4 StBerG erlaubnisfreien Tätigkeiten überschreite.
Die Klägerin hat vor dem Landgericht zuletzt beantragt,
Die Beklagten haben die beanstandete Werbung als zulässig verteidigt. Der angesprochene Kundenkreis verstehe diese als Werbung für Leistungen der Buchführung, die sich in einer EDV-Auswertung erschöpfe, nicht als Angebot einer verbotenen Steuerberatung. Ein Verbot der angebotenen Tätigkeiten, die in keinem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erlaubnispflichtig seien, wäre zudem mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht unvereinbar.
Das Landgericht hat beide Beklagten im Umfang des vor ihm zuletzt gestellten Klageantrags verurteilt.
Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die Klägerin zu Recht und von der Revision nicht angegriffen gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG als klagebefugt angesehen. Die öffentlich-rechtlich organisierten Kammern freier Berufe sind Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne der genannten Bestimmung, da sie ungeachtet ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgabenstellung auch die beruflichen Belange ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern haben (vgl. BGH, Urt. v. 3.12.1998 – I ZR 112/96, GRUR 1999, 748, 749 = WRP 1999, 824 – Steuerberaterwerbung auf Fachmessen; Urt. v. 8.6.2000 – I ZR 269/97, GRUR 2001, 181, 182 = WRP 2001, 28 – dentalästhetika; Urt. v. 9.11.2000 – I ZR 185/98, WRP 2001, 397, 398 – Beratungsstelle im Nahbereich; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 18.3.1992 – 1 BvR 1503/88). Der Gesetzgeber hat mit Wirkung vom 1. Juli 2000 die Aufgaben der Steuerberaterkammern neu geregelt (§ 76 StBerG i.d.F. des Art. 1 Nr. 65 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Steuerberater vom 24. Juni 2000 [7. StBÄndG], BGBl. I S. 874), ohne in die ihm bekannte ständige Rechtsprechung der Zivilgerichte einzugreifen.
II. Die Vorinstanzen haben beide Beklagten zur Unterlassung verurteilt, obwohl der vor dem Landgericht zuletzt gestellte Klageantrag seinem Wortlaut nach nur gegen die Beklagte zu 1 gerichtet war. Darin liegt kein – von Amts wegen – zu berücksichtigender Verstoß gegen § 308 ZPO, da die alleinige Nennung der Beklagten zu 1 im erstinstanzlichen Klageantrag ausweislich der Klagebegründung und des zur Kostenentscheidung gestellten Antrags ein offensichtliches Versehen war. Die Klägerin hat den Gegenstand ihres Klageantrags in zweiter Instanz zudem dadurch klargestellt, daß sie vor dem Berufungsgericht beantragt hat, die Berufung beider Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen.
III. Mit dem Hauptteil ihres Unterlassungsantrags hat die Klägerin begehrt, den Beklagten zu untersagen, Tätigkeiten auf dem Gebiet der Steuerrechtshilfe im Sinne des § 1 StBerG anzubieten, ausgenommen die erlaubnisfreien Tätigkeiten gemäß § 6 Nr. 3 und Nr. 4 StBerG. Dieser Teil des Klageantrags ist – abweichend von der Ansicht des Berufungsgerichts – unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt ist (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Ein derartiger Mangel ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten (vgl. BGHZ 135, 1, 6 – Betreibervergütung; 144, 255, 263 – Abgasemissionen; BGH, Urt. v. 24.11.1999 – I ZR 189/97, GRUR 2000, 438, 440 = WRP 2000, 389 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge).
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag nicht derart undeutlich gefaßt sein, daß der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 26.10.2000 – I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 454 = WRP 2001, 400 – TCM-Zentrum, m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt der Hauptteil des Unterlassungsantrags nicht, weil er lediglich auf die maßgeblichen Vorschriften der §§ 1 und 6 StBerG verweist (vgl. BGH GRUR 2000, 438, 440 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; OLG Karlsruhe OLG-Rep 1998, 359; vgl. weiter – zur Unbestimmtheit einer entsprechenden Untersagungsverfügung – BFHE 140, 347, 349).
Die ihrem Wortlaut nach unmißverständliche Fassung des Klageantrags kann auch nicht als ein bloßes Versehen gewertet werden. Die Klägerin hat den späteren Hauptteil ihres zuletzt gestellten Unterlassungsantrags in der Klageschrift als eigenen Unterpunkt ihres Antrags (Antrag zu 1 a) formuliert und diesen lediglich später – im Zusammenhang mit ihrer teilweisen Klagerücknahme – mit dem ursprünglichen Klageantrag zu 1 b, der nunmehr zum „Insbesondere”-Teil des Klageantrags wurde, zusammengefaßt. Mit dem Hauptteil des Unterlassungsantrags sollten, wie sich dem Klagevorbringen entnehmen läßt, die von der Klägerin im einzelnen beanstandeten, aber nicht in den „Insbesondere”-Teil des Unterlassungsantrags aufgenommenen Werbeangaben erfaßt werden.
Die Klage ist aber wegen der Unbestimmtheit der Klageanträge nicht bereits teilweise als unzulässig abzuweisen. Die Frage der Bestimmtheit des Antrags ist in den Vorinstanzen nicht angesprochen worden. Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht der Klägerin nach § 139 ZPO Gelegenheit geben müssen, ihren Klageantrag zu prüfen und gegebenenfalls neu zu fassen sowie sachdienlichen Vortrag dazu zu halten. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Anspruch der Parteien auf ein faires Gerichtsverfahren gebieten es in einem solchen Fall, von der Möglichkeit der Abweisung der Klage als unzulässig abzusehen (vgl. BGH GRUR 2000, 438, 441 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge, m.w.N.).
IV. Die Revision der Beklagten gegen ihre Verurteilung nach dem „Insbesondere”-Teil des Unterlassungsantrags hat nur teilweise Erfolg.
1. Bedenken gegen die Bestimmtheit dieses Teils des Unterlassungsantrags bestehen nicht, auch wenn das begehrte Verbot nach der Antragsfassung nur gelten soll, wenn in der näher umschriebenen Form geworben wird, „ohne die Klarstellung anzuführen, daß es sich hierbei ausschließlich um erlaubnisfreie Tätigkeiten im Sinne des § 6 Nr. 3, 4 StBerG handelt”. Dieser Nebensatz schränkt das beantragte Verbot im vorliegenden Fall nicht ein. Er soll lediglich klarstellen, daß eine vom Antrag erfaßte Werbung nicht als solche – als in jedem Fall wettbewerbswidrig – verboten werden soll, sondern nur dann, wenn sie auch unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände, insbesondere der jeweiligen Werbung in ihrer Gesamtheit, als irreführend anzusehen ist (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 20.10.1999 – I ZR 167/97, GRUR 2000, 619, 620 = WRP 2000, 517 – Orient-Teppichmuster). Es ist deshalb unschädlich, daß der mit „ohne” eingeleitete Antragsteil lediglich auf die gesetzlichen Ausnahmebestimmungen verweist.
2. Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, daß die Beklagte zu 1 und der als Geschäftsführer für sie handelnde Beklagte zu 2 dadurch irreführend im Sinne des § 3 UWG geworben haben, daß sie im Briefkopf von Werbeschreiben und in Werbeblättern die im „Insbesondere”-Teil des Unterlassungsantrags angeführten Begriffe „Finanzbuchführung”, „Finanzbuchhaltung”, „Lohnabrechnung”, „laufende EDV-Buchführung” und „EDV-Buchungsservice” verwendet und die „Einrichtung der Buchführung sowie die Vorkontierung durch erfahrene Fachkräfte (Bilanzbuchhalter)” angeboten haben.
Die Beklagten seien nicht gemäß den §§ 3 und 4 StBerG zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen einschließlich der Hilfeleistung bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 StBerG) befugt. Die Ausnahmen vom Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen, auf die sich die Beklagten berufen könnten, umfaßten nicht buchhalterische Aufgaben wie die Einrichtung der Buchführung, die Erstellung des betrieblichen Kontenplans und die Aufstellung von Jahresabschlüssen einschließlich der diese vorbereitenden Abschlußbuchungen. Die Beklagten hätten in ihrer Werbung jedoch nicht nur Dienstleistungen, die sie erbringen dürften, insbesondere die laufende Lohnabrechnung und das Kontieren, angeboten.
Die werbende Verwendung der Begriffe „Finanzbuchführung” und „Finanzbuchhaltung” sei geeignet, bei den angesprochenen Verkehrskreisen (Betrieben und Organisationen, Existenzgründern und Kleinunternehmern) den Eindruck zu erwecken, die Beklagten seien befugt, über die Kontierung von Buchungsbelegen hinaus sämtliche mit der Buchhaltung verbundenen Tätigkeiten auszuüben. Der Begriff „Buchführung” werde vom Verkehr als Oberbegriff für alle mit der Buchführung zusammenhängenden Tätigkeiten, zu der auch die Einrichtung der Buchhaltung gehöre, verstanden. In diesem Verständnis werde der Verkehr durch die Verwendung der Begriffe „laufende EDV-Buchführung” und „EDV-Buchungsservice” bestärkt. Der Hinweis auf die „Einrichtung der Buchführung” lasse die angesprochenen Gewerbetreibenden um so mehr annehmen, daß unter der angebotenen Buchführung nicht nur die Verbuchung des laufend anfallenden Buchungsstoffs, sondern die ständige Betreuung der (gesamten) Buchführung zu verstehen sei.
Die Irreführung über den Umfang der den Beklagten erlaubten Tätigkeiten sei auch relevant. Darauf, ob die Beklagten die angebotenen erlaubnispflichtigen Tätigkeiten tatsächlich ausübten, komme es nicht an.
Der Wettbewerbsverstoß sei auch geeignet, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen, da die Beklagten für Tätigkeiten geworben hätten, die ihnen durch § 5 StBerG ausdrücklich verboten seien. Darüber hinaus bestehe die Gefahr der Nachahmung durch Mitbewerber, denen eine unbeschränkte Hilfeleistung in Steuersachen ebenfalls nicht gestattet sei.
3. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zu Recht untersagt, mit den Begriffen „Finanzbuchführung”, „Finanzbuchhaltung”, „Lohnabrechnung” und „Einrichtung der Buchführung” zu werben (§ 3 UWG).
a) Die Werbung mit den genannten Begriffen ist geeignet, die angesprochenen Gewerbetreibenden über den Umfang der Tätigkeiten, die von den Beklagten in zulässiger Weise erbracht werden können, irrezuführen. Die Beklagten, die Hilfe in Steuersachen nur im Ausnahmebereich des § 6 StBerG leisten dürfen, haben mit den genannten Angaben im geschäftlichen Verkehr uneingeschränkt die Übernahme von Buchhaltungsaufgaben angeboten, obwohl sie nur zur Durchführung mechanischer Arbeitsgänge bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, zum Buchen laufender Geschäftsvorfälle und zur laufenden Lohnabrechnung zugelassen sind (§ 6 Nr. 3 und 4 StBerG) und deshalb Tätigkeiten wie die Einrichtung der Buchführung (vgl. dazu BVerfGE 54, 301, 315 f.; Gehre, Steuerberatungsgesetz, 4. Aufl., § 6 Rdn. 7) einschließlich der Einrichtung der Finanzbuchhaltung und der Lohnbuchhaltung (vgl. dazu BFHE 152, 393, 395 ff.; 161, 423, 425) nicht geschäftsmäßig übernehmen dürfen.
Die Feststellungen des Berufungsgerichts, daß die beanstandete Werbung mit den Begriffen „Finanzbuchführung”, „Finanzbuchhaltung”, „Lohnabrechnung” und „Einrichtung der Buchführung” zur Irreführung geeignet ist, werden von der Revision ohne Erfolg angegriffen. Die Eignung dieser Begriffe zur Irreführung konnten die Richter des Berufungsgerichts – entgegen der Ansicht der Revision – aus eigener Sachkunde beurteilen, obwohl sie nicht selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören. Dies gilt nicht nur für die Werbung mit dem Begriff „Einrichtung der Buchführung”, die nicht anders als ein Angebot der entsprechenden – den Beklagten nicht erlaubten – Tätigkeit verstanden werden kann, sondern auch für die Werbung mit den Begriffen „Finanzbuchführung”, „Finanzbuchhaltung” und „Lohnabrechnung”. Die Richter des Berufungsgerichts durften sich insoweit ausnahmsweise (vgl. dazu auch nachstehend unter 5.) auf die allgemeine Lebenserfahrung stützen, daß die Verwendung der genannten Begriffe entsprechend deren Sprachsinn als Angebot einer umfassenden Übernahme solcher Tätigkeiten (zur Lohnabrechnung vgl. Maxl in Kuhls/Meurers/Maxl/Schäfer/Goez, Steuerberatungsgesetz, § 6 Rdn. 26) verstanden wird, nicht nur als Angebot, das Buchen der laufenden Geschäftsvorfälle und die laufenden Lohnabrechnungen (im Sinne des § 6 Nr. 4 StBerG) zu erledigen (vgl. dazu auch OLG München WRP 1986, 431, 432 und StB 1992, 56, 57; Kammergericht DStR 1995, 1810 mit Anmerkung Freiberg; Weyand, INF 1997, 244, 246 f.; Frehland, BG 2000, 161, 162 f.). Die Beklagten haben nicht geltend gemacht, daß die Gewerbetreibenden, die sie mit ihrer Werbung angesprochen haben, regelmäßig über besondere Kenntnisse und Erfahrungen verfügten, die eine von der Werbung mit den Begriffen „Finanzbuchführung”, „Finanzbuchhaltung” und „Lohnabrechnung” nach deren Sprachsinn ausgehende Irreführungsgefahr ausschließen könnten. Zu einer Beurteilung aus eigener Sachkunde war das Berufungsgericht um so mehr in der Lage, als zu dem angesprochenen Verkehrskreis in nicht unerheblichem Umfang Personen gehören, bei denen keine nähere Sachkunde erwartet werden kann, wie insbesondere Kleingewerbetreibende und Existenzgründer (und damit auch Handwerker, Gastwirte und Inhaber kleinerer Geschäfte ohne eigene Buchhaltungskräfte).
Die Werbung mit den genannten Begriffen ist den Beklagten im übrigen auch nach der Änderung des Steuerberatungsgesetzes durch das 7. StBÄndG nicht gestattet. Dies ergibt sich aus der Regelung des § 8 Abs. 4 StBerG in der Fassung des Art. 1 Nr. 7 dieses Änderungsgesetzes, nach der sich Personen, die zu Dienstleistungen nach § 6 Nr. 4 StBerG (i.d.F. des Art. 1 Nr. 5 des 7. StBÄndG) befugt sind, als Buchhalter bezeichnen dürfen, dabei aber in der Werbung die von ihnen angebotenen Tätigkeiten nach § 6 Nr. 3 und 4 StBerG im einzelnen aufführen müssen. Gemäß § 8 Abs. 4 i.V. mit § 6 Nr. 4 StBerG dürfen deshalb diese Personen nicht mit „laufender Buchführung”, sondern nur mit „Buchen laufender Geschäftsvorfälle”, nicht mit „Lohnabrechnung”, sondern nur mit „laufender Lohnabrechnung” werben.
b) Die irreführende Werbung verstößt mit ihren unrichtigen Angaben über die eigenen geschäftlichen Verhältnisse gegen § 3 UWG, auch wenn die Beklagte zu 1 und der für sie handelnde Beklagte zu 2 die nach der Werbung erwartete unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen tatsächlich nicht erbringen sollten (vgl. BGH, Urt. v. 12.2.1987 – I ZR 54/85, GRUR 1987, 444, 445 = WRP 1987, 463 – Laufende Buchführung).
Die Werbung ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch geeignet, den Wettbewerb auf dem einschlägigen Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Dies ergibt sich bereits daraus, daß die verletzten Vorschriften über das Verbot unbefugter Hilfeleistung in Steuersachen unmittelbar den Zutritt zum Markt der entsprechenden Dienstleistungen regeln und eine Werbung, die den irreführenden Eindruck erweckt, es könne eine umfassendere Beratung und Betreuung geboten werden, als nach der Rechtslage zulässig ist, geeignet ist, einen Vorsprung im Wettbewerb zu verschaffen.
c) Das vom Berufungsgericht ausgesprochene Verbot der Werbung mit den Begriffen „Finanzbuchführung”, „Finanzbuchhaltung”, „Lohnabrechnung” und „Einrichtung der Buchführung” verstößt auch nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht.
(1) Die Revision stützt sich bei ihrer gegenteiligen Ansicht zu Unrecht auf die Vorschriften der Art. 81, 82 und 86 EG (früher Art. 85, 86 u. 90 EGV). Das ausgesprochene Verbot beruht auf der Anwendung der zum Schutz des lauteren Wettbewerbs erlassenen Vorschrift des § 3 UWG. Es beschränkt die Beklagten zwar in ihren wettbewerblichen Möglichkeiten und begünstigt damit zugleich mittelbar diejenigen Gewerbetreibenden, die unbeschränkt zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind; die dadurch bewirkte Wettbewerbsbeschränkung fällt aber weder in den Anwendungsbereich des Art. 81 EG, der wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen oder Beschlüsse von Unternehmen als nichtig erklärt, noch in den des Art. 82 EG, der den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen verbietet.
Entgegen der Ansicht der Revision ist ebensowenig Art. 86 EG (früher Art. 90 EGV) einschlägig. Die Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes über die Hilfeleistung in Steuersachen gewähren nicht bestimmten Unternehmen besondere oder ausschließliche Rechte, sondern regeln lediglich die subjektiven Voraussetzungen für die Zulassung zu diesen Dienstleistungen.
Der Anregung der Revision, diese Rechtsfragen dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung nach Art. 234 EG vorzulegen, war nicht zu folgen, weil insoweit kein Auslegungszweifel besteht (vgl. auch BFHE 175, 192, 198).
(2) Die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung einer Werbung mit den vorstehend genannten Begriffen verstößt auch nicht gegen die Gewährleistung des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EG, früher Art. 59 EGV).
Auf die Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr kann sich ein Unternehmen auch gegenüber dem Staat, in dem es seinen Sitz hat, berufen, sofern die Leistungen an Leistungsempfänger erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind (vgl. EuGH, Urt. v. 29.4.1999 – Rs. C-224/97, Slg. 1999, I-2517 = WRP 1999, 640, 641 Tz. 11 – Ciola; Urt. v. 8.3.2001 – Rs. C-405/98, GRUR Int. 2001, 553, 555 Tz. 37 – Gourmet International Products, jeweils m.w.N.). Voraussetzung ist allerdings, daß es sich um eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft handelt. Das Vorliegen einer solchen Beschränkung hat das Berufungsgericht hier – von der Revision nicht angegriffen – deshalb verneint, weil es sich bei der Tätigkeit der Beklagten zu 1 nach Angebot und Abwicklung um eine reine Inlandstätigkeit handele, da sowohl die Beklagten als auch die Leistungsempfänger in Deutschland ansässig seien.
d) Das vom Berufungsgericht ausgesprochene Unterlassungsgebot verstößt, soweit es um die Werbung mit den Begriffen „Finanzbuchführung”, „Finanzbuchhaltung”, „Lohnabrechnung” und „Einrichtung der Buchführung” geht, auch nicht gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist das sog. Buchführungsprivileg der steuerberatenden Berufe in dem jetzt durch das Steuerberatungsgesetz geregelten Umfang im Allgemeininteresse geboten und nicht unverhältnismäßig (vgl. BVerfGE 54, 301, 315 = NJW 1981, 33; 59, 302, 316 f. = NJW 1982, 1687; BFHE 152, 393, 395; 161, 423, 425; vgl. auch BFHE 175, 192, 194 f.). Die Revision macht nicht mit Verfahrensrügen geltend, daß sich die tatsächlichen Verhältnisse seit den genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in einer Weise verändert haben, daß bei einzelnen Tätigkeiten, auf die sich das im angefochtenen Urteil ausgesprochene Unterlassungsgebot bezieht, nunmehr eine andere Beurteilung geboten wäre.
4. Das Vorkontieren von Belegen ist den Beklagten – entgegen der Ansicht der Revision – durch das Berufungsurteil nicht untersagt worden. Nach dem Urteilsausspruch des Landgerichts, den das Berufungsgericht bestätigt hat, ist den Beklagten allerdings als irreführend verboten worden ein „Hinweis auf die Einrichtung der Buchführung sowie die Vorkontierung durch erfahrene Fachkräfte (Bilanzbuchhalter)”. Dies könnte dafür sprechen, daß auch die Werbung für das Vorkontieren als solches untersagt werden sollte. Eine Auslegung des Berufungsurteils unter Heranziehung der Entscheidungsgründe ergibt jedoch mit hinreichender Deutlichkeit, daß dies nicht gewollt ist. Das Berufungsurteil hat ausdrücklich dargelegt, daß das Kontieren von Belegen nicht den Personen und Vereinigungen vorbehalten ist, die zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind. Auch die Klägerin hat nach der Begründung der Klageanträge kein Verbot der Werbung für das Kontieren von Belegen verlangt. Der Klageantrag und ihm entsprechend die Urteilsaussprüche der Vorinstanzen nehmen lediglich – in mißglückter Fassung – auf das konkret beanstandete Werbeschreiben der Beklagten Bezug, in dem angeboten wurde „eine steuerlich relevante Hilfeleistung bei der Einrichtung der Buchführung sowie mechanische Verarbeitung Ihrer Belege, auf Wunsch auch mit Vorkontierung durch erfahrene Fachkräfte (Bilanzbuchhalter)”.
5. Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung insoweit nicht stand, als den Beklagten – gestützt auf § 3 UWG – untersagt worden ist, mit den Bezeichnungen „laufende EDV-Buchführung” und „EDV-Buchungsservice” zu werben.
a) Der Begriff „laufende EDV-Buchführung” ist nicht eindeutig. Es erscheint möglich, daß er von den angesprochenen Verkehrskreisen – gerade auch wegen des Hinweises auf den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung – nur als Angebot des Buchens laufender Geschäftsvorfälle verstanden wird. Eine Entscheidung aus eigener Sachkunde war dem Berufungsgericht insoweit nicht möglich (vgl. dazu BGH GRUR 1987, 444, 446 – Laufende Buchführung; vgl. weiter Weyand, INF 1997, 244, 246).
b) Das Berufungsgericht hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen es das Verbot, die Bezeichnung „EDV-Buchungsservice” zu verwenden, ausgesprochen hat. Es fehlen insbesondere Ausführungen darüber, inwiefern die Bezeichnung „EDV-Buchungsservice” aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise irreführend sein soll. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Bemerkung, der Verkehr werde in seinem Verständnis des Begriffs „Buchführung” als eines Oberbegriffs für alle mit der Buchführung zusammenhängenden Tätigkeiten durch die Verwendung der Begriffe „laufende EDV-Buchführung” und „EDV-Buchungsservice” bestärkt. Das Berufungsurteil enthält damit, soweit es um die Verurteilung zur Unterlassung der Bezeichnung „EDV-Buchungsservice” geht, eine Lücke, die bewirkt, daß die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung unklar bleiben, und die dem Revisionsgericht nach § 549 Abs. 1 ZPO obliegende rechtliche Nachprüfung unmöglich ist. Wegen dieses von Amts wegen zu berücksichtigenden Mangels ist das Berufungsurteil in diesem Punkt aufzuheben (vgl. BGHZ 40, 84, 86 f.; BGH, Urt. v. 18.9.1986 – I ZR 179/84, GRUR 1987, 65 f. = WRP 1987, 105 – Aussageprotokollierung; Urt. v. 13.7.1994 – VIII ZR 256/93, NJW-RR 1994, 1340, 1341 m.w.N.).
Eine Irreführung läßt sich auch nicht aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung annehmen, zumal sich die Beklagte zu 1 mit der Bezeichnung „EDV-Buchungsservice” nur an Gewerbetreibende wendet (vgl. dazu BGH GRUR 1987, 444, 446 – Laufende Buchführung; Urt. v. 25.1.1990 – I ZR 182/88, NJW-RR 1990, 678 – Buchführungshelfer). Die Bezeichnung „EDV-Buchungsservice” ist als solche mehrdeutig und kann ohne nähere Erläuterung auch auf andere Dienstleistungen als das Buchen von Geschäftsvorfällen, wie z.B. die Vermittlung von Hotelzimmern oder von Karten für Veranstaltungen, bezogen werden. Auch bei einer Verwendung – dem Klageantrag entsprechend – auf Geschäftspapieren und in Werbeblättern und damit mit Bezug auf Buchungen für steuerliche Zwecke beinhaltet die Bezeichnung „EDV-Buchungsservice” nicht bereits nach ihrem Sprachsinn, daß sämtliche mit der Buchführung zusammenhängenden Tätigkeiten angeboten werden. Die Bezeichnung ist vielmehr als solche unscharf. Es werden deshalb weitere Feststellungen dazu zu treffen sein, ob ein für die Verurteilung nach § 3 UWG hinreichend großer Teil der angesprochenen Verkehrskreise mit der Bezeichnung „EDV-Buchungsservice” das Angebot einer unbeschränkten Hilfeleistung bei der Buchführung verbindet.
V. Auf die Revision der Beklagten war danach unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Berufungsurteil im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als es die Beklagten gemäß dem Hauptteil des Unterlassungsantrags verurteilt hat und es ihnen weiter untersagt hat, auf Geschäftspapieren und in Werbeblättern die Bezeichnungen „laufende EDV-Buchführung” und „EDV-Buchungsservice” zu verwenden. Im Umfang der Aufhebung war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant, Schaffert
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.07.2001 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 634749 |
DStR 2001, 1669 |
DStZ 2001, 872 |
HFR 2002, 151 |
WPg 2002, 468 |
NJW 2002, 964 |
NWB 2001, 3148 |
BGHR 2001, 969 |
BGHR |
NJW-RR 2002, 108 |
GRUR 2002, 77 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1875 |
MDR 2002, 405 |
WRP 2002, 85 |
WPK-Mitt. 2001, 339 |