Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenz. Anfechtungsanspruch. Verjährung. Verjährungsfrist. Frist. Fristbeginn. Eröffnungsbeschluss. Eröffnung. Eröffnungszeitpunkt
Leitsatz (amtlich)
Die Verjährungsfrist des § 146 Abs. 1 InsO berechnet sich nach § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB auch dann, wenn das Insolvenzverfahren um 0.00 Uhr eines bestimmten Tages eröffnet worden ist.
Normenkette
InsO § 146 Abs. 1; BGB §§ 187-188
Verfahrensgang
LG Siegen (Urteil vom 20.12.2002; Aktenzeichen 2 O 393/01) |
Tenor
Auf die Sprungrevision des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Siegen v. 20.12.2002 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das LG Siegen zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des B. . Er macht gegen den Beklagten einen Anspruch aus Insolvenzanfechtung i.H.v. 34.168,39 EUR geltend. Das Insolvenzverfahren war mit Beschluss des AG v. 17.12.1999 zum 18.12.1999 0.00 Uhr eröffnet worden. Die Klage ist am 18.12.2001 bei Gericht eingereicht und am 7.1.2002 zugestellt worden. Das LG hat die Klage abgewiesen, weil der Anspruch gem. § 146 Abs. 1 InsO verjährt sei. Mit seiner Sprungrevision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Das LG hat gemeint, der Anfechtungsanspruch sei gem. § 146 Abs. 1 InsO verjährt, weil die Klage nicht binnen zwei Jahren seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhoben worden sei. Die Frist berechne sich nach § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 BGB, weshalb sie am 17.12.2001 abgelaufen sei.
2. Diese Auffassung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Berechnung der Frist des § 146 Abs. 1 InsO erfolgt auch im vorliegenden Fall nach § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB. Das hat zur Folge, dass die Frist erst am 18.12.2001 ablief. Da die Klage dem Beklagten am 7.1.2002 und damit alsbald zugestellt worden ist, ist die Verjährungsfrist rechtzeitig gem. § 209 Abs. 1 BGB a.F. i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB unterbrochen worden, weil die Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage am 18.12.2001 zurückwirkte (§ 270 Abs. 3 ZPO a.F.; nunmehr § 167 ZPO). Mit Ablauf des 31.12.2001 war die Unterbrechung beendigt und die neue Verjährung mit Beginn des 1.1.2002 gehemmt, Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
a) Beginn der Frist ist gem. § 146 Abs. 1 InsO die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Damit ist der im Eröffnungsbeschluss angegebene Zeitpunkt gemeint (BGH, Urt. v. 17.2.2004 - IX ZR 135/03, MDR 2004, 902 = BGHReport 2004, 917 = ZIP 2004, 766 [768]; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 146 Rz. 8). Allerdings war dieser Zeitpunkt vom Insolvenzgericht rechtswidrig festgesetzt worden. Es ist nicht zulässig, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf einen späteren Zeitpunkt als den der Unterzeichnung des Eröffnungsbeschlusses durch den Richter zu datieren (BGH, Urt. v. 17.2.2004 - IX ZR 135/03, MDR 2004, 902 = BGHReport 2004, 917 = ZIP 2004, 766 [768]). Hiergegen wurde in dem am 17.12.1999 erlassenen Eröffnungsbeschluss verstoßen. Der Beschluss ist gleichwohl auch mit dem angegebenen Eröffnungszeitpunkt wirksam, weil er vor Bekanntwerden des Urteils des Senats v. 17.2.2004 erlassen worden ist (BGH, Urt. v. 17.2.2004 - IX ZR 135/03, MDR 2004, 902 = BGHReport 2004, 917 = ZIP 2004, 766 [767]).
b) Die Frist des § 146 Abs. 1 InsO wird gem. § 4 InsO, § 222 Abs. 1 ZPO nach § 187 Abs. 1 i.V.m. § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB berechnet (Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 146 Rz. 8; HK-InsO/Kreft, 3. Aufl., § 146 Rz. 11; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 12. Aufl., § 146 Rz. 4; Breutigam in Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht, § 146 InsO Rz. 3; Nerlich in Römermann/Nerlich, InsO, § 146 Rz. 4; Paulus in Kübler/Prütting, InsO, § 146 Rz. 3).
Wird das Insolvenzverfahren nicht gerade um 0 Uhr, sondern zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt im Laufe eines Tages eröffnet, greift § 187 Abs. 1 BGB problemlos ein. Nichts anderes kann aber gelten, wenn der Eröffnungszeitpunkt auf 0.00 Uhr festgesetzt wird. Auch dann kommt eine Anwendung von § 187 Abs. 2 S. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB nicht in Betracht.
§ 187 Abs. 1 und 2 BGB unterscheiden sich wie folgt: Knüpft der Fristbeginn an einen im Verlauf eines Tages liegenden Anfangszeitpunkt oder an ein während des Tages eintretendes Ereignis an, findet Abs. 1 Anwendung. Unter Abs. 2 sind dagegen die Fälle zu subsumieren, in denen es an einem solchen Ereignis oder einem in den Lauf des Tages fallenden Zeitpunkt fehlt (GmS-OGB BGHZ 59, 396 [397 f.]). Dementsprechend hat der BGH die Übergabe eines Grundstücks selbst dann als ein Ereignis i.S.d. § 187 Abs. 1 BGB angesehen, wenn auf die Übertragung lediglich des mittelbaren Besitzes durch Abtretung des Herausgabeanspruchs abzustellen war, und dieses Ereignis zufällig auf den Beginn des Tages fiel (BGH, Urt. v. 3.2.1989 - V ZR 278/87, MDR 1989, 622 = CR 1989, 701 = WM 1989, 826 [827]).
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschieht danach auch dann im Lauf eines Tages, wenn der Eröffnungsbeschluss gerade um 0.00 Uhr unterzeichnet wird und demgemäß diesen Eröffnungszeitpunkt zutreffend angibt (RGRK/Johannsen, 12. Aufl., § 187 Rz. 1; Soergel/Walter, BGB, 12. Aufl., § 187 Rz. 6; Grothe in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 187 Rz. 1). Es ist kein sachlich einleuchtender Grund dafür erkennbar, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausnahmsweise nach § 187 Abs. 2 BGB zu behandeln mit der Folge, dass sich die Frist des § 146 Abs. 1 InsO um einen Tag verkürzt, wenn der Eröffnungszeitpunkt im Eröffnungsbeschluss auf 0.00 Uhr eines Folgetages vordatiert wird. Auch dann geschieht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu diesem Zeitpunkt, nicht anders, als wenn der Beschluss gerade um 0.00 Uhr unterzeichnet worden wäre.
Die aus Gründen der Rechtssicherheit notwendige Einheitlichkeit der Fristberechnung in den Fällen des § 146 Abs. 1 InsO verbietet eine solche Ausnahme. Dies gilt zumal deshalb, weil eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens um Mitternacht regelmäßig nicht in Betracht kommt und die hier vorliegende rechtswidrige Vordatierung des Eröffnungszeitpunktes nicht Anlass geben kann, gerade für diesen Fall die Art der Fristberechnung zu ändern.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass dieser Zeitpunkt inhaltsidentisch mit dem Vortag 24.00 Uhr bezeichnet werden könnte. Dann wäre dieses Datum maßgebend. Aus Gründen der Rechtsklarheit ist der im Beschluss angegebene Tag entscheidend.
3. Der Rechtsstreit ist deshalb an das LG zurückzuverweisen (§ 566 Abs. 8 S. 1 und 2, § 563 Abs. 1 ZPO). Dieses wird nunmehr die Voraussetzungen des Anfechtungsanspruchs zu prüfen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1316413 |
DB 2005, 1271 |
NJW 2005, 2159 |
BGHR 2005, 675 |
EBE/BGH 2005, 1 |
StuB 2005, 652 |
WM 2005, 381 |
WuB 2005, 379 |
WuB 2005, 393 |
ZIP 2005, 310 |
DZWir 2005, 153 |
NZI 2005, 225 |
ZInsO 2005, 204 |