Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen GmbH-Gesellschafter bei Vermischung des Gesellschafts- mit dem Privatvermögen persönlich haften.
2. Zum Schutzzweck des OWiG § 130.
3. Zum Schutzzweck des GmbHG § 41.
4. Zur Auslegung der Begriffe „Einlagengeschäft” und „Effektengeschäft” im Sinne des KredWesG § 1 (juris: KredWG).
Orientierungssatz
Zitierungen: Fortführung BGH, 1964-07-10, Ib ZR 208/62, BB 1964, 1273 und vergleiche BGH, 1984-11-12, II ZR 250/83, ZIP 1985, 29, 30
Tatbestand
Die Beklagte war Gesellschafterin und alleinige Geschäftsführerin der Vermögensverwaltung M. GmbH. Von deren Stammkapital von 50.000,– DM hielten die Beklagte 10.000,– DM und ihr Ehemann Ma. M. 40.000,– DM. Mit der Bestellung der Beklagten zur Geschäftsführerin sollte bewirkt werden, daß deren Ehemann im Falle von Rechtsstreitigkeiten mit der GmbH vor Gericht als Zeuge auftreten konnte. In Wirklichkeit war die Beklagte für die Gesellschaft nicht tätig; die Geschäfte schloß für diese der Ehemann, dem Einzelprokura erteilt war, der die Gesellschaft aber nur gemeinsam mit einem Geschäftsführer vertreten konnte.
Am 6. April 1989 schloß die Klägerin mit der GmbH einen „Vermögensverwaltungsvertrag”, in dem sie die GmbH beauftragte und bevollmächtigte, mit den ihr zur Verfügung gestellten Geldmitteln Anlagegeschäfte zu betreiben. Die Klägerin zahlte in der Zeit bis zum 6. Dezember 1989 insgesamt 453.000,– DM ein. Hiervon erhielt sie, nachdem sie das Vertragsverhältnis zunächst teilweise und zum 31. Juli 1990 insgesamt gekündigt hatte, 132.590,– DM zurück. Am 7. August 1990 wurde der Ehemann der Beklagten festgenommen. Auf den namens der Gesellschaft gestellten Antrag der Beklagten vom 17. August 1990 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet.
Die Klägerin nimmt wegen ihrer Restforderung von 320.410,– DM die Beklagte unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten in Anspruch. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin den Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Berufungsgericht hat eine persönliche Haftung der Beklagten als Gesellschafterin der M. GmbH für deren Verbindlichkeit gegenüber der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des „Durchgriffs” verneint, weil nicht bewiesen sei, daß sie unmittelbare Zuwendungen aus dem Vermögen der GmbH erhalten habe und daß sie, soweit sie als Ehefrau an unerlaubten Entnahmen ihres Ehemannes partizipiert habe, nicht davon ausgegangen sei, daß es sich um dessen redlich erworbene Einkünfte handele. Diese Beurteilung ist im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine persönliche Haftung von GmbH-Gesellschaftern in Betracht, wenn die Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen durch eine undurchsichtige Buchführung oder auf andere Weise verschleiert worden ist; denn dann können die Kapitalerhaltungsvorschriften, deren Einhaltung ein unverzichtbarer Ausgleich für die Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG) ist, nicht funktionieren (BGHZ 95, 330, 333 f.; Sen.Urt. v. 12. November 1984 – II ZR 250/83, ZIP 1985, 29, 30). Dies kann es rechtfertigen, ausnahmsweise den Gläubigern außer dem nicht mehr wirksam geschützten Haftungsfonds der Gesellschaft das Privatvermögen der Gesellschafter zur Verfügung zu stellen. Die genannten Voraussetzungen liegen hier vom Ansatz her vor. Wie das Berufungsgericht aufgrund des insoweit unstreitigen Sachverhalts festgestellt hat, fand „eine ordnungsgemäße Buchführung … bei der GmbH nicht statt”; das ist, wie sich aus dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin ergibt, so zu verstehen, daß es überhaupt keine Buchführung gab. Die Klägerin hat ferner behauptet, „die Beklagte und ihr Ehemann” hätten aus den Anlagegeldern mindestens 2 Mio. DM in ihr Privatvermögen überführt.
2. Gleichwohl hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht die Beklagte als für die Vermögensvermischung nicht verantwortlich angesehen.
Die persönliche Haftung kann unter dem genannten Gesichtspunkt nur diejenigen Gesellschafter treffen, die aufgrund des ihnen in dieser Stellung gegebenen Einflusses in der Gesellschaft für den Vermögensvermischungstatbestand verantwortlich sind; wer wegen geringer Beteiligung und fehlender interner Mitspracherechte einen solchen Einfluß nicht ausüben kann, kann für den Tatbestand, der die Voraussetzungen für die Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen entfallen läßt, nicht verantwortlich gemacht werden (Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 411; Stimpel, in: Bilanz- und Konzernrecht FS Goerdeler, 1987, S. 601, 612; vgl. auch Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. Anh § 30 Rdn. 60). Über derartige Einflußmöglichkeiten verfügen in der Regel nur solche Gesellschafter, die auf die Gesellschaft einen beherrschenden Einfluß ausüben können. Dazu gehören Minderheitsgesellschafter nur dann, wenn sie aufgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Umstände die Geschicke des Unternehmens bestimmen können. Dies ist etwa der Fall, wenn einem Gesellschafter zwar nicht rechtlich, wohl aber wirtschaftlich die Mehrheit der Anteile gehört, weil andere Gesellschafter ihre Anteile als Treuhänder für ihn halten, oder wenn er, wie die ständige Übung gezeigt hat, in der Gesellschafterversammlung immer mit der Unterstützung bestimmter anderer Gesellschafter rechnen kann, mit denen zusammen er über die Mehrheit verfügt (vgl. BGHZ 77, 94, 105 f.; BGHZ 80, 69, 73; Sen.Urt. v. 16. Dezember 1991 – II ZR 294/90, ZIP 1992, 242, 244 und v. 29. März 1993 – II ZR 265/91, ZIP 1993, 589, 591, zum Abdruck in BGHZ 122, 123 vorgesehen).
Dies alles war bei der Beklagten nicht der Fall. Sie war mit ihrer 20 %-igen Beteiligung nicht nur Minderheitsgesellschafterin, sondern sollte in ihrer Hausfrauenrolle, auf die sie sich unstreitig beschränkt hat, von vornherein in der Gesellschaft nichts zu sagen haben. Die Tatsache, daß sie als Ehefrau des wirtschaftlichen Alleingesellschafters von den durch diesen der Gesellschaft entzogenen Geldern durch einen auch ihr zugute kommenden mehr oder weniger aufwendigen Lebensstil profitiert haben mag, reicht nicht aus, um eine Verantwortlichkeit der Beklagten im oben genannten Sinne zu begründen. Daß sie unmittelbare Zuwendungen aus dem Gesellschaftsvermögen erhalten hätte, hat das Berufungsgericht zu Recht als nicht substantiiert vorgetragen angesehen. Der Vortrag der Klägerin, es seien 2 Mio. DM aus den der GmbH anvertrauten Anlagegeldern in das Privatvermögen der Gesellschafter überführt worden, läßt nicht erkennen, in welcher Weise die Beklagte daran beteiligt gewesen sein soll. Die Revision meint zwar, es sei Sache der Beklagten gewesen, die Vorgänge im einzelnen darzulegen, weil sie als Geschäftsführerin der GmbH im Gegensatz zur Klägerin Einblick in diese Vorgänge gehabt habe. Dem steht jedoch entgegen, daß die Beklagte in Wirklichkeit diesen Einblick nicht hatte, weil sie mit der faktisch allein von ihrem Ehemann besorgten Führung der Geschäfte nichts zu tun hatte.
Die Stellung der Beklagten als Geschäftsführerin und die damit verbundene rechtliche Möglichkeit und Verpflichtung, für einen gesetzmäßigen Zustand in der Gesellschaft zu sorgen, kann ihre Verantwortlichkeit als Gesellschafterin und damit ihre persönliche Haftung nicht begründen. Die Befugnis, die Geschäfte der GmbH zu führen, gibt einem Minderheitsgesellschafter keine beherrschende Stellung in der Gesellschaft; denn er ist von den Weisungen der Gesellschaftermehrheit abhängig (vgl. auch Rowedder/Koppensteiner, GmbHG 2. Aufl. Anh § 52 Rdn. 10). Die Verletzung der Geschäftsführerpflichten kann unter bestimmten Voraussetzungen zu einer persönlichen Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern führen; so ist es beispielsweise bei schuldhaft verspäteter Konkursanmeldung (§ 64 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB). Die Haftung als Gesellschafter trotz Fehlens einer die Gesellschaft beherrschenden Stellung wird durch eine solche Pflichtverletzung aber nicht begründet. Sonst würde ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der weder in seiner Eigenschaft als Gesellschafter noch wegen Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten von einem Außenstehenden in Anspruch genommen werden kann, allein wegen seiner Doppelrolle haften. Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage.
II. Der Klageanspruch läßt sich auch nicht aus einer unerlaubten Handlung der Beklagten herleiten.
1. Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten sowohl nach § 826 BGB als auch wegen Verletzung der Konkursantragspflicht (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 GmbHG) verneint, letzteres vor allem mit der Begründung, es sei nichts dazu vorgetragen worden, wann bei der GmbH Konkursreife eingetreten sei. Die Revision hat hiergegen in der mündlichen Verhandlung eingewandt, die Klägerin habe als Außenstehende über die maßgeblichen Einzelheiten nichts wissen können; es sei vielmehr Sache der Beklagten als der zur rechtzeitigen Konkursantragstellung Verpflichteten gewesen, die zeitliche Entwicklung der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft darzulegen. Dieser Revisionsangriff ist unbegründet. Es ist hier nicht im einzelnen zu erörtern, unter welchen Voraussetzungen in derartigen Fällen Beweiserleichterungen in Betracht kommen können. Die Beklagte hatte nach dem Sachverhalt, von dem hier auszugehen ist, vor der Klägerin keinen Informationsvorsprung, weil sie an den Geschehnissen in der Gesellschaft nicht beteiligt war. Außerdem hat die Klägerin in der Berufungsinstanz – im Gegensatz zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen – ausdrücklich vorgetragen, bis April 1989, also bis zum Vertragsschluß mit der GmbH, habe der Ehemann der Beklagten „noch keine Gelegenheit gehabt, die Gelder beiseite zu schaffen, so daß sie (die Klägerin) noch hätte bedient werden können”. Wenn es sich dabei auch nur um im Hinblick auf die Schadensberechnung angestellte Vermutungen der Klägerin gehandelt haben mag, so muß sie sich daran doch festhalten lassen. Es ist jedenfalls angesichts dieses Vorbringens nicht möglich, aus dem Fehlen näherer Angaben im Vortrag der Beklagten den Schluß zu ziehen, die Gesellschaft sei, als die Klägerin die Gelder einzahlte, bereits konkursreif gewesen. Das Berufungsgericht hat im übrigen in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, daß die Klägerin ab Ende 1989 bis Juli 1990 noch insgesamt 132.590,– DM von dem der GmbH überlassenen Geld zurückerhalten hat.
2. Das Berufungsgericht hat die Klage auch nicht auf der Grundlage des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 130 OWiG für begründet gehalten. Auch insoweit ist das Berufungsurteil im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
a) Nach § 130 OWiG stellt es eine Ordnungswidrigkeit dar, wenn der Inhaber eines Betriebs oder eines Unternehmens die Aufsichtsmaßnahmen unterläßt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber als solchen treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist; Voraussetzung für die Verfolgung als Ordnungswidrigkeit ist, daß eine solche Zuwiderhandlung, die durch gehörige Aufsicht hätte verhindert werden können, tatsächlich begangen wird. Nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 OWiG stehen die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person dem Inhaber gleich.
aa) Das Berufungsgericht hat in erster Linie gemeint, § 130 OWiG sei auf das Verhältnis des Geschäftsführers einer GmbH zu deren Mehrheitsgesellschafter nicht anwendbar, weil jener diesem gegenüber keine Entscheidungsbefugnis habe und der Gesellschafter den Geschäftsführer jederzeit abberufen könne; die Beklagte habe keine Handhabe gehabt, auf die Tätigkeit ihres Ehemannes Einfluß zu nehmen.
Diese rechtliche Beurteilung ist, wie die Revision zu Recht rügt, unzutreffend. Die Beklagte war als Geschäftsführerin nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, ihren als Prokurist in der Gesellschaft tätigen Ehemann zu einer gesetzmäßigen Ausführung der Geschäfte anzuhalten und ihm notfalls die Prokura zu entziehen. Eine ihr von ihrem Ehemann als Mehrheitsgesellschafter erteilte gegenteilige Weisung wäre rechtswidrig gewesen; die Beklagte wäre an sie nicht gebunden gewesen (vgl. Scholz/U. H. Schneider, GmbHG 8. Aufl. § 37 Rdn. 51, 51 a und § 43 Rdn. 98). Ob sie einen in einer solchen Weisung liegenden Gesellschafterbeschluß zunächst hätte anfechten müssen, ist hier nicht zu erörtern. Als letztes Mittel blieb der Beklagten die Möglichkeit, die Geschäftsführung niederzulegen. Jedenfalls läßt sich die vom Geschäftsführer wahrzunehmende öffentlich-rechtliche Pflicht des Unternehmensträgers, im Unternehmen für gesetzmäßige Zustände zu sorgen, nicht durch die Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschaft außer Kraft setzen. Anderenfalls könnte ein Fremdgeschäftsführer seine durch § 130 OWiG sanktionierten Pflichten in vielen Fällen von vornherein nicht wahrnehmen.
bb) Auch im übrigen war der Tatbestand des § 130 Abs. 1 OWiG nach dem von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalt gegeben. Nach ihrer Behauptung hat der Ehemann der Beklagten Gelder, die die Anleger der GmbH zur Verwaltung anvertraut hatten, in erheblichem Umfang in sein Privatvermögen überführt. Das erfüllte den Tatbestand des § 266 StGB, wenn nicht gar – falls dieses Vorgehen von Anfang an geplant war – denjenigen des § 263 StGB. Es handelt sich dabei nicht nur um für die Anwendung des § 130 OWiG nicht ausreichende Allgemeindelikte, sondern um Verstöße gegen betriebsbezogene Pflichten; denn bei der Übernahme einer Vermögensbetreuung gehört die Pflicht, das zu verwaltende Vermögen nicht zu veruntreuen und die Kunden nicht um dieses Vermögen zu betrügen, zu den „den Inhaber als solchen” treffenden Pflichten (Cramer, in: Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 1989, § 130 Rdn. 89, 93).
Dafür, daß die Pflichtverletzung der Beklagten, nämlich das Unterlassen jeglicher Aufsichtsmaßnahmen, für den Schadenseintritt ursächlich war, spricht der Beweis des ersten Anscheins (vgl. BGH, Urt. v. 5. Mai 1964 – VI ZR 72/63, LM BGB § 823 Ef Nr. 11 b und v. 22. April 1986 – VI ZR 77/85, DB 1986, 1815).
b) Das Berufungsgericht hat aber zutreffend erkannt, daß die verletzten Vermögensinteressen der Klägerin vom Schutzzweck des § 130 OWiG nicht erfaßt werden.
Schutzgut dieser Vorschrift ist in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit an der Schaffung und Aufrechterhaltung einer innerbetrieblichen Organisationsform, mit der den von einem Unternehmen als der Zusammenfassung von Personen und Produktionsmitteln ausgehenden Gefahren begegnet wird. Es handelt sich dabei nicht nur um Sachgefahren, sondern auch um die Gefahr kriminellen Verhaltens der im Unternehmen tätigen Menschen; der Mensch wird unter den Bedingungen des arbeitsteiligen Zusammenwirkens im Betrieb zu einem Risikofaktor (Rogall, ZStW 98 1986, 573, 578; Cramer aaO § 130 Rdn. 17). Es läßt sich indessen schwerlich in Zweifel ziehen, daß in diesen auf einem allgemeinen Ordnungsgedanken beruhenden Zweck der Vorschrift auch der Schutz der individuellen Rechtsgüter einbezogen ist, deren Verletzung durch die einzelnen in § 130 Abs. 1 OWiG angesprochenen Vorschriften des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts verhindert werden soll. Diese Beurteilung dürfte auch nicht von der Frage abhängen, ob es sich bei dem durch § 130 OWiG sanktionierten Verhalten um ein konkretes (so Rogall aaO S. 599) oder, wie die wohl herrschende Meinung (vgl. Cramer aaO § 130 Rdn. 17 m.w.N.) annimmt, um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt.
Mit der Annahme eines jedenfalls auch bezweckten Individualschutzes ist zwar eine Grundvoraussetzung für die Anerkennung der Vorschrift als Schutzgesetz erfüllt. Das allein reicht aber nicht aus. Es muß sich vielmehr aus dem Gesamtzusammenhang des Normengefüges ergeben, daß die Schaffung eines – unter Umständen zusätzlichen – Schadensersatzanspruchs tatsächlich vom Gesetz erstrebt wird, das heißt, daß ein solcher besonderer Schadensersatzanspruch sinnvoll und im Licht des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheint (BGHZ 66, 388, 390). In diesem Zusammenhang kann es auch eine Rolle spielen, ob der Geschädigte in ausreichender Weise anderweitig abgesichert ist (BGH, Urt. v. 5. Februar 1980 – VI ZR 169/79, NJW 1980, 1792). Schließlich ist auch darauf zu achten, ob ein durch ein Schutzgesetz geschaffener Schadensersatzanspruch im Widerspruch zu allgemeinen Rechtsprinzipien stünde, und zu fragen, ob dieser Widerspruch wirklich gewollt ist (Steffen, in: RGRK 12. Aufl. § 823 Rdn. 546).
Das Hauptanliegen des § 130 OWiG besteht darin, die Lücke auszufüllen, die sich daraus ergibt, daß betriebsbezogene Pflichten infolge von Delegation und Arbeitsteilung oftmals von Personen zu erfüllen sind, für die der Unternehmensträger nicht ohne weiteres einzustehen hat, obwohl er der eigentliche Normadressat und derjenige ist, dem die Vorteile zufallen, die sich aus der Erweiterung der Betätigungsmöglichkeiten durch den arbeitsteiligen Einsatz seiner „Leute” ergeben; § 130 OWiG beseitigt diese „Strafbarkeitslücke”, indem der Durchgriff auf das „Unternehmen”, also den Unternehmensträger zugelassen wird (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucks. V/1269, S. 68 f.; Rogall aaO S. 577 f.). Soweit dieser eine juristische Person oder eine Personenvereinigung ist, wird das gesetzestechnisch dadurch erreicht, daß § 130 Abs. 2 OWiG die für sie handelnden Organmitglieder oder gesetzlichen Vertreter dem „Inhaber” gleichstellt. Das hat zur Folge, daß nach § 30 OWiG gegen die juristische Person oder die Personenvereinigung selbst eine Geldbuße verhängt werden kann.
Sinn des § 130 OWiG ist demnach die Erstreckung der Sanktionsmöglichkeit auf den Unternehmensträger. Bei der Prüfung der Frage, ob dies auch zu entsprechenden zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen – einschließlich solcher gegen die Organmitglieder bei juristischen Personen – führt, ist die Haftungslage zu betrachten, die unabhängig von derartigen Ansprüchen besteht. Dabei zeigt sich, daß das, was § 130 OWiG auf dem Gebiet des Ordnungswidrigkeitenrechts bewirken soll, im zivilen Deliktsrecht bereits durch § 831 BGB – und, soweit es um nicht dem Vertretungsorgan angehörende „verfassungsmäßig berufene Vertreter” geht, durch § 31 BGB – erreicht wird. Die danach eintretende Überleitung der Haftung auf den Geschäftsherrn erstreckt sich indessen, soweit es sich um eine juristische Person handelt, nicht auf die Mitglieder des für sie handelnden Vertretungsorgans. Die Organstellung läßt diese nicht in die Pflichtenstellung des § 831 Abs. 1 BGB einrücken; § 831 Abs. 2 BGB gilt für sie nicht (BGHZ 109, 297, 304). Daß der Geschäftsführer – wie auch ein Vorstandsmitglied – nicht Adressat der Haftungsüberleitungsvorschrift des § 831 BGB ist, hängt damit zusammen, daß seine gesellschaftsinterne Organisationspflicht jedenfalls grundsätzlich nur der Gesellschaft gegenüber und nicht auch im Verhältnis zu Außenstehenden (und den Gesellschaftern) besteht. Deshalb ist, wie der Senat entschieden hat, § 93 Abs. 1 AktG und dementsprechend auch § 43 Abs. 1 GmbHG kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (Sen.Urt. v. 9. Juli 1979 – II ZR 211/76, WM 1979, 853, 854). Nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs kann freilich eine innergesellschaftliche Organisationspflicht des Geschäftsführers eine Verhaltenspflicht im Sinne des § 823 Abs. 1 darstellen, soweit es um den Schutz der dort genannten Rechtsgüter geht (BGHZ 109, 297, 302 ff.). Zu ähnlichen Ergebnissen mag die Ansicht führen, der Geschäftsführer einer GmbH müsse bei einem Verstoß gegen eine über die interne Organisation des Unternehmens hinausgehende Verkehrspflicht – etwa im Bereich der Verkehrssicherung oder der Produkthaftung – für den dadurch verursachten Schaden einstehen (Mertens, MüKo z. BGB 2. Aufl. § 831 Rdn. 39; Grunewald, ZHR 157 1993, 451, 456 f.; dagegen Lutter, ZHR 157 1993, 464, 478: nur bei – vorsätzlicher – Mittäterschaft). Dazu ist hier nicht weiter Stellung zu nehmen. Würde jedenfalls die Verletzung der von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern zu erfüllenden Aufsichtspflichten allgemein dazu führen, daß jeder Außenstehende, der dadurch mittelbar zu Schaden kommt, gegen die Organmitglieder selbst Ersatzansprüche geltend machen könnte, dann wäre der oben erwähnte Grundsatz, wonach die Organisationspflichten der Organmitglieder nur der Gesellschaft gegenüber bestehen, praktisch aus den Angeln gehoben (so auch Mertens, AcP 178 1978, 227, 241; Hachenburg/Mertens, GmbHG 7. Aufl. § 43 Rdn. 103; vgl. dagegen Scholz/U. H. Schneider aaO § 43 Rdn. 236, wo § 130 OWiG ohne Begründung und ohne Einschränkung als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB bezeichnet wird). Es bestehen keine genügenden Anhaltspunkte dafür, daß dies mit der Schaffung jener Vorschrift des Ordnungswidrigkeitenrechts bewirkt werden sollte.
Aus diesem Grunde ist der Ansicht, § 130 OWiG sei insoweit als Schutzgesetz anzuerkennen, als die Unterlassung von Aufsichtsmaßnahmen zur Verletzung von Pflichten führt, denen ihrerseits Schutzgesetzcharakter zuzusprechen ist (Mertens, MüKo z. BGB aaO § 823 Rdn. 165 Fn. 258 und § 831 Rdn. 41; tendenziell auch Lutter aaO S. 464, 478), in dieser Allgemeinheit nicht zuzustimmen. Derartige betriebsbezogene Schutzgesetzverletzungen, die ein Betriebsangehöriger begeht und mit denen der Geschäftsführer an sich nichts zu tun hat, die er aber bei gehöriger Aufsicht hätte verhindern können, verpflichten diesen nicht allein deswegen persönlich zum Ausgleich allgemeiner Vermögensbeeinträchtigungen des Geschädigten. Dafür besteht auch grundsätzlich kein Bedürfnis, soweit nach § 831 BGB oder § 31 BGB die Gesellschaft für den Schaden einzustehen hat; soweit dies nicht der Fall ist, gibt es keinen Grund, über § 130 OWiG die Haftung auf die Organmitglieder im Hinblick auf deren Aufsichtspflicht zu erstrecken. Der Geschädigte hat lediglich ein unter bestimmten Voraussetzungen anerkennenswertes Interesse daran, neben der Gesellschaft – und dem unmittelbaren Schädiger – auf die Geschäftsführer (oder sogar die Gesellschafter) als Schadensersatzpflichtige zugreifen zu können, wenn die Gesellschaft insolvent geworden ist. Dies ist der Grund, warum der Geschäftsführer bei Verletzung der Konkursantragspflicht persönlich haftet. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich unter derartigen Gesichtspunkten eine Haftung des Geschäftsführers auch aus § 130 OWiG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB ergeben kann, wenn im Unternehmen Schutzgesetze verletzt werden, die das Insolvenzrisiko der Gesellschaftsgläubiger betreffen. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin indessen nach ihrem Vortrag durch Untreue- oder Betrugshandlungen des Ehemannes der Beklagten geschädigt worden. Hierfür läßt sich eine Haftung der Beklagten auf der Grundlage des § 130 OWiG als Schutzgesetz nicht begründen.
3. Die Klage ist auch darauf gestützt worden, daß die Beklagte wegen Verletzung der Buchführungspflicht persönlich für die Forderung der Klägerin einstehen müsse. Das Berufungsgericht ist dem nicht gefolgt, weil § 41 GmbHG – ebenfalls – kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB sei. Die Revision greift das Berufungsurteil auch in diesem Punkt zu Unrecht an.
Der Bundesgerichtshof hat – im Fall einer Kommanditgesellschaft – den Schutzgesetzcharakter der Vorschriften über die Buchführungs- und Bilanzierungspflichten vor längerer Zeit verneint (Urt. v. 10. Juli 1964 – Ib ZR 208/62, BB 1964, 1273). Das entsprach damals wohl einhelliger und entspricht auch heute noch überwiegender Meinung. Demgegenüber wird in neuerer Zeit die Ansicht vertreten, angesichts des gewandelten Verständnisses von Sinn und Bedeutung der Buchführungspflichten und der richtigen und vollständigen Dokumentation der Vermögenslage des Unternehmens seien die in Betracht kommenden Normen heute als Schutzgesetze anzuerkennen (Stapelfeld, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Fehlverhalten in der Gesellschaftskrise, 1990, S. 193 ff.; Scholz/U. H. Schneider aaO § 43 Rdn. 236; ohne Begründung Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtliniengesetz, 1986, § 41 GmbHG Rdn. 4; tendenziell auch Scholz/Crezelius, GmbHG 8. Aufl. § 41 Rdn. 8).
Es ist nicht zu leugnen, daß die jedenfalls von der geschichtlichen Entstehung her in erster Linie der Selbstinformation des Unternehmers dienende öffentlich-rechtliche Pflicht zur Buchführung und Bilanzierung mittelbar auch gläubigerschützende Wirkung hat. Diese ergibt sich bereits daraus, daß erst eine ständige und zutreffende Buchdokumentation den Unternehmensinhaber in den Stand setzt, für geordnete finanzielle Verhältnisse und notfalls für eine rechtzeitige Liquidierung eines nicht mehr rentablen Unternehmens zu sorgen. Darüber hinaus dienen die Bilanzen der Kapitalgesellschaften schon wegen der insoweit bestehenden Publizitätspflichten (§§ 325 ff. HGB) der Information des Rechtsverkehrs und insbesondere kreditgewährender Gläubiger; gleiches gilt häufig infolge von gesetzlichen oder vertraglich eingeräumten Einsichtsrechten auch für das sonstige Buchwerk der kaufmännischen Unternehmen. Bei der Frage nach dem Schutzgesetzcharakter der Vorschriften über die Buchführungspflichten ist, soweit es um juristische Personen geht, auch zu berücksichtigen, daß – anders als im Fall des § 130 OWiG – ihre ordnungsgemäße Erfüllung geeignet ist, das Insolvenzrisiko der Gläubiger zu vermindern. Bricht die Gesellschaft zusammen und war dies vorher infolge mangelhafter Buchführung für die Gläubiger nicht rechtzeitig erkennbar, so ist ein Anspruch gegen die Gesellschaft selbst wertlos. Bei dieser qualifizierten Fallgestaltung ist die Verletzung der Buchführungspflicht nach den §§ 283 Abs. 1 Nr. 5-7, 283 b StGB strafbar. Die Ansicht, die jedenfalls diese Strafvorschriften für Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB hält (Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 73; Stapelfeld aaO S. 267), ist deshalb nicht von vornherein von der Hand zu weisen; so hat der Senat in dem oben erwähnten Urteil vom 12. November 1984 die Frage aufgeworfen – aber nicht beantwortet –, ob in Vermögensvermischungsfällen nicht die §§ 823 Abs. 2 BGB, 283 b StGB eine befriedigende Lösung erlauben (ZIP 1985, 29, 30; vgl. auch – die Frage bejahend – Scholz/Emmerich, GmbHG 8. Aufl. § 13 Rdn. 92).
Es mag offenbleiben, ob sich hieraus eine Haftung des Geschäftsführers herleiten läßt, wenn ein Außenstehender im Vertrauen auf das ihm zugänglich gemachte, in vom Geschäftsführer zu vertretender Weise unzulängliche Buchwerk zu Vermögensdispositionen – insbesondere zur Gewährung eines Kredits an die Gesellschaft – veranlaßt wird und gerade deswegen bei der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen kann, weil diese entgegen dem buchmäßig dargestellten Bild nicht kreditwürdig war (vgl. dazu Stapelfeld aaO S. 194 f.; ferner K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1503 und GesR, 2. Aufl. § 36 II 5 c, der in Solvenzfragen den Geschäftsführer einer GmbH als deren Repräsentanten immer als „Vertrauensträger” und deshalb als Adressaten einer Vertrauenshaftung ansieht). Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht. Die Klägerin hat nicht im Hinblick auf einen bestimmten Vermögensstand der Gesellschaft Dispositionen getroffen. Es mag allenfalls sein, daß bei ordnungsmäßiger Buchführung die Vermögensverschiebungen vom Gesellschafts- in das Privatvermögen nicht vorgenommen worden wären oder daß die Gesellschaft zu einem früheren Zeitpunkt liquidiert worden wäre. Auf einen solchen allgemeinen Tatbestand lassen sich aber keine Schadensersatzansprüche der Gläubiger gründen. Ein gesetzliches Gebot oder Verbot ist als Schutzgesetz nur geeignet, soweit „das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen hinreichend klargestellt und bestimmt ist” (BGHZ 40, 306, 307). Eine solche Konkretisierung läßt sich, soweit es um die allgemeinen Auswirkungen der Verletzung der Buchführungspflicht auf die Gläubigerinteressen geht, in den Fällen der §§ 283 Abs. 1 Nr. 5-7, 283 b StGB nicht bejahen. Denn es ist – im Gegensatz zu einem Verstoß gegen die Konkursantragspflicht – unmöglich festzustellen, von welchem Augenblick an die mangelhafte Buchführung zu einem – allgemeinen – Gläubigerschaden geführt hat. Daran ändert sich auch nichts, wenn man auf den Charakter jener Strafvorschriften als Bankrottdelikte verweist und daraus schließt, daß nur der sog. Quotenschaden zu ersetzen sei (so Canaris aaO S. 73). Um die Verminderung der Konkursmasse berechnen zu können, muß man feststellen, welche Masse im Zeitpunkt der Begehung des Delikts vorhanden war. Ein solcher Zeitpunkt läßt sich aber bei einer – zwangsläufig fortlaufenden – Verletzung der Buchführungspflicht nicht ermitteln.
4. Das Berufungsgericht hat auch eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 32, 54 KredWesG (vgl. dazu BGH, Urt. v. 8. Mai 1973 – VI ZR 164/71, NJW 1973, 1547, 1549) mit der Begründung verneint, die Klägerin habe nicht vorgetragen, ob und inwieweit die GmbH Bankgeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 KredWesG betrieben habe und ob und in welchem Umfang eine Antragstellung beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Verluste hätte verhindern können. Auch dies greift die Revision ohne Erfolg an.
Die Klägerin hat sich in den Tatsacheninstanzen mit dieser Anspruchsgrundlage nicht befaßt. Das gilt auch für die Berufungsinstanz, obwohl das Landgericht, das in seinem Urteil hierauf eingegangen ist, die Klage unter diesem Gesichtspunkt unter anderem wegen nicht ausreichenden – tatsächlichen – Vortrags der Klägerin für unbegründet gehalten hat. Die Revision meint, daß sich die Voraussetzungen einer Haftung wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Erlaubniseinholung nach § 32 Abs. 1 KredWesG aus dem unstreitigen Sachverhalt ergäben. Dies trifft jedoch nicht zu, weil sich daraus nicht mit der nötigen Sicherheit entnehmen läßt, daß die GmbH Bankgeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 KredWesG betrieben hat.
a) Die Revision macht geltend, die Gesellschaft habe das Einlagengeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KredWesG betrieben. Der in dieser Vorschrift geregelte Tatbestand ist gegeben, wenn von einer Vielzahl von Geldgebern auf der Grundlage typisierter Verträge in Form von Darlehen oder in ähnlicher Weise laufend Gelder entgegengenommen werden, die nicht banküblich besichert sind (Bähre/Schneider, KredWesG 3. Aufl. § 1 Anm. 7 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen insofern vor, als nach dem unstreitigen Parteivorbringen bis August 1990 eine große Anzahl von Interessenten insgesamt rund 11 Mio. DM bei der GmbH einzahlte. Diese scheint die hereingenommenen Gelder jedoch ihrerseits auf ein für den jeweiligen Anleger eingerichtetes Konto bei einer Bank weitergeleitet zu haben, um es anschließend im Namen des Anlegers zum Kauf von Wertpapieren zu verwenden (Nr. 2 des mit der Klägerin unter Verwendung eines Vertragsmusters geschlossenen „Vermögensverwaltungsvertrages” vom 6. April 1989). Ob eine derartige Betätigung als Einlagengeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KredWesG anzusehen ist, ist zumindest fraglich (vgl. OVG Berlin, WM 1984, 865, 867; Bähre/Schneider aaO § 1 Anm. 7 S. 79 f.; Szagunn/Wohlschieß, KredWesG 5. Aufl. § 1 Rdn. 18, jew. m.w.N.). Diese Frage kann im Revisionsverfahren nicht geklärt werden, weil es sich dabei nicht in erster Linie um eine Rechts-, sondern um eine Tatsachenfrage handelt. „Einlage” und „Einlagengeschäft” sind in diesem Zusammenhang nicht in erster Linie rechtliche, sondern wirtschaftliche Begriffe, deren Verständnis sich nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung der Praxis des Bankgeschäfts richtet (OVG Berlin aaO; Canaris, BB 1978, 227, 228). Hierzu hätte die Klägerin in den Tatsacheninstanzen vortragen müssen. An einem solchen Vortrag fehlt es, wie gesagt, völlig.
b) Die Revision meint weiter, die GmbH habe das Effektengeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KredWesG betrieben. Dieses besteht, wie es im Gesetz heißt, in der Anschaffung und Veräußerung von Wertpapieren „für andere”. Die GmbH war nach Nr. 1 des mit der Klägerin geschlossenen Vertrages vom 6. April 1989 als „Auftragnehmer” „bevollmächtigt”, für den „Auftraggeber” in- und ausländische „Wertpapiere aller Art” zu kaufen oder zu verkaufen; dem Kunden sollten die entsprechenden Wertpapierabrechnungen „direkt von der Bank” zugesandt werden (Nr. 2 des vorformulierten Vertragstextes). Nach diesen Formulierungen dürfte die Gesellschaft nach außen hin nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der Anleger tätig geworden sein; es ist davon auszugehen, daß die Verträge mit den übrigen Anlegern in gleicher Weise ausgestaltet waren. Ob die Gesellschaft damit das Effektengeschäft im Sinne jener Gesetzesbestimmung betrieb, ist wiederum zweifelhaft. An sich kann mit dem Kauf und Verkauf „für andere” auch das Handeln im fremden Namen gemeint sein (vgl. Canaris, Bankvertragsrecht 2. Aufl. Rdn. 1821). In der Bankpraxis sollen solche Geschäfte aber nicht vorkommen; der Regelfall des Effektengeschäfts soll vielmehr das Kommissionsgeschäft mit Selbsteintritt der Bank sein (Canaris, Bankvertragsrecht aaO Rdn. 1822). Deshalb wird die Vermittlung von Wertpapieren im fremden Namen für fremde Rechnung nicht als erlaubnispflichtiges Bankgeschäft angesehen (Szagunn/Wohlschieß aaO § 1 Rdn. 46 f.; Bähre/Schneider aaO § 1 Anm. 10). Freilich kann der Wertpapiervermittler die Funktion einer Annahmestelle für den Wertpapierhändler haben; dann soll er selbst Betreiber des Effektengeschäfts sein (Bähre/Schneider aaO § 1 Anm. 10 m.w.N.).
Es handelt sich auch hierbei – wie hinsichtlich des Einlagengeschäfts – um einen wirtschaftlichen Tatbestand, dessen nähere Bestimmung von den Vorstellungen des bankwirtschaftlichen Verkehrs geprägt ist. Ohne jeden Sachvortrag der Klägerin kann nicht beurteilt werden, ob die Betätigungsweise der M. GmbH als Betreiben des Effektengeschäfts im Sinne des Kreditwesengesetzes einzuordnen ist.
c) Eine Zurückverweisung der Sache wegen der vorstehend erörterten Fragen kommt nicht in Betracht. Das Berufungsgericht war im Hinblick auf die Behandlung dieses Komplexes im Urteil des Landgerichts und das Fehlen jeglichen Vortrags der Klägerin hierzu in der Berufungsinstanz nicht gehalten, diese auf die Notwendigkeit eines Sachvortrags zu bestimmten Punkten hinzuweisen.
Fundstellen
BGHZ, 366 |
BB 1994, 1095 |
NJW 1994, 1801 |
ZIP 1994, 867 |
DNotZ 1994, 638 |
GmbHR 1994, 390 |
ZBB 1994, 269 |