Leitsatz (amtlich)
a) Der Anspruch des Gesellschafters einer GmbH auf Auszahlung des Gewinns entsteht erst mit dem nach Ablauf des Geschäftsjahres gefaßten Beschluß der Gesellschafterversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Gewinns.
b) Im Falle der vor diesem Zeitpunkt wirksam werdenden Einziehung des Geschäftsanteils nimmt der betroffene Gesellschafter an der Gewinnverteilung auch für ein vorher abgeschlossenes Geschäftsjahr nicht teil, vielmehr läßt die Vernichtung des Geschäftsanteils sämtliche nicht verselbständigten, mit demselben verbundenen Mitgliedschaftsrechte untergehen.
Normenkette
GmbHG §§ 29, 34, 46 Nr. 1
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Aktenzeichen 6 U 115/96) |
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 31 O 170/98) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Mai 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als dieses zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.
Unter Abänderung des Schlußurteils der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Dezember 1995 wird auf die Berufung der Beklagten die Zahlungsklage insgesamt abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 99 % und die Beklagte 1 % zu tragen; soweit nicht bereits durch Beschluß des Oberlandesgerichts vom 14. Juli 1992 über die Kostentragungspflicht befunden worden ist, fallen die Kosten der Rechtsmittelverfahren dem Kläger zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
An der im Mai 1986 von dem Kläger und der K. Corporation/Japan (K.) gegründeten, mit einem Stammkapital von 600.000,– DM ausgestatteten beklagten GmbH hielten der Kläger und die K. Stammeinlagen von 120.000,– DM bzw. 480.000,– DM. Den Gesellschaftsvertrag hatte der Kläger für sich selbst und in Vollmacht der K. handelnd beurkunden lassen, war dabei aber in mehrfacher Hinsicht zu seinem eigenen Vorteil von den ihm seitens der K. erteilten Weisungen abgewichen. Unter der Leitung des zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellten Klägers nahm die Beklagte ihre Geschäfte als deutsche Vertriebsgesellschaft der K. auf.
Durch Beschluß der Gesellschafterversammlung der Beklagten wurde der Kläger am 27. Juli 1987 als Geschäftsführer abberufen, gleichzeitig wurde sein Dienstvertrag fristlos gekündigt. Beide Maßnahmen sind, wie rechtskräftig festgestellt ist, wirksam. Am 21. September 1987 ist der Geschäftsanteil des Klägers aus wichtigem Grund eingezogen worden; dies hat der Kläger hingenommen. Nach der Satzung der Beklagten erhält der von der Einziehung betroffene Gesellschafter eine nach den „Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen” des Instituts der Wirtschaftsprüfer zu berechnende Abfindung, welche sofort fällig ist. In einem von der Beklagten angestrengten Schadenersatzprozeß hat der Kläger im Jahre 1988 im Wege der Widerklage einen mit 10 Mio. DM bezifferten Teilanspruch seiner Abfindung für die Einziehung seines Geschäftsanteils geltend gemacht und durch rechtskräftig gewordenes Urteil einen Betrag von insgesamt 8.160.000,– DM zugesprochen erhalten.
In dem vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger die Ansicht vertreten, er nehme ungeachtet des von ihm nicht angefochtenen Einziehungsbeschlusses an den Gewinnen der Beklagten so lange teil, bis ihm die satzungsmäßig zustehende Abfindung für den Geschäftsanteil ausgezahlt sei. Er hat deswegen zunächst im Wege der Stufenklage Auskunft über die von der Beklagten in den Geschäftsjahren 1986 bis 1990 erzielten Ergebnisse durch Vorlage der Jahresabschlüsse verlangt, während die Beklagte mit ihrer Widerklage die Feststellung begehrt hat, daß der Kläger für die Zeit nach Einziehung des Geschäftsanteils nicht mehr gewinnberechtigt sei. Durch rechtskräftig gewordenes Teilurteil hat das Landgericht der Widerklage entsprochen und dem Auskunftsbegehren für die Zeit bis zum 21. September 1987, dem Tag, an welchem die Einziehung beschlossen worden war, stattgegeben.
Aufgrund der daraufhin von der Beklagten erteilten Auskunft steht fest, daß die Gesellschafterversammlung der Beklagten am 21. März und 30. November 1988 die jeweiligen Jahresabschlüsse für die am 31. März 1987 bzw. 31. März 1988 endenden Geschäftsjahre festgestellt und von den Überschüssen 2.240.032,– DM für das erste und 2.989.759,– DM für das zweite Jahr ausgeschüttet hat. Mit dem Leistungsantrag hat der Kläger entsprechend seiner Beteiligung an der Beklagten die Zahlung von 448.006,40 DM für das am 31. März 1987 endende Rumpfgeschäftsjahr und – anteilig bis zum 21. September 1987 – 284.027,10 DM gefordert. Das Landgericht hat diesem Begehren mit seinem Schlußurteil entsprochen; die Berufung der Beklagten hatte nur hinsichtlich der auf das zweite Geschäftsjahr entfallenden Dividende Erfolg. Beide Parteien haben gegen dieses Urteil, soweit sie beschwert waren, Revision eingelegt. Der Senat hat lediglich das Rechtsmittel der Beklagten zur Entscheidung angenommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt zur vollständigen Abweisung des von dem Kläger in zweiter Stufe erhobenen Zahlungsbegehrens. Entgegen der dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Auffassung nimmt der Kläger nicht einmal für das im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Einziehungsbeschlusses abgeschlossene Rumpfgeschäftsjahr am Gewinn der Beklagten teil.
I.
Mit Recht ist das Berufungsgericht in seiner Entscheidung nicht auf die von dem Kläger während des Auskunftsverfahrens aufgeworfene Frage eingegangen, ob der Einziehungsbeschluß schon mit seiner Bekanntgabe an den Kläger zur Vernichtung des Geschäftsanteils geführt hat oder ob diese Wirkung, wie der Kläger unter Hinweis auf die zur Ausschließungsklage ohne satzungsrechtliche Grundlage ergangene Entscheidung des Senats vom 1. April 1953 (BGHZ 9, 157 ff.) gemeint hat, erst mit der Zahlung der Abfindung eingetreten ist, so daß er bis zu diesem weit nach der Beschlußfassung liegenden Zeitpunkt seine Mitgliedschaftsrechte behalten hätte und seinem ursprünglichen Begehren entsprechend an den bis dahin von der Beklagten erwirtschafteten Gewinnen zu beteiligen wäre. Diese im Schrifttum (vgl. z.B. einerseits Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. § 34 Rdnr. 24 f.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. § 34 Rdnr. 12; Scholz/Westermann, GmbHG, 8. Aufl. § 34 Rdnr. 58; Rowedder, GmbHG, 3. Aufl. § 34 Rdnr. 27; andererseits Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl. § 34 Rdnr. 60 f.; ders. FS Rittner S. 735 ff.; schließlich Roth/Altmeppen, GmbHG, 3. Aufl. § 34 Rdnr. 19 ff.) nicht einheitlich beantwortete Frage ist nämlich im jetzigen Stand des Verfahrens nicht mehr entscheidungserheblich, weil aufgrund des rechtskräftig gewordenen Teilurteils des Landgerichts feststeht, daß der Kläger jedenfalls über den 21. September 1987 hinaus nicht gewinnberechtigt ist, die Einziehung also an diesem Tag wirksam geworden ist.
II.
1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, dem Kläger den anteiligen Gewinn für das im Zeitpunkt der Einziehung bereits abgeschlossene Rumpfgeschäftsjahr zuzuerkennen, im wesentlichen mit der Erwägung begründet, der Gewinnanspruch sei dem Grunde nach bereits mit Ablauf des Geschäftsjahres entstanden, die spätere Feststellung des Jahresabschlusses und die Entscheidung über die Gewinnverwendung führten lediglich die Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs herbei (vgl. dazu schon OLG Hamm GmbHR 1989, 126 mit ablehnender Anmerkung von Ebenroth EWiR 1989, 267 f.). Hiergegen wendet sich die Revision des Beklagten mit Recht.
2. Die Einziehung vernichtet den Geschäftsanteil des betroffenen Gesellschafters und läßt sämtliche mit dem Geschäftsanteil verbundenen Mitgliedschaftsrechte und -pflichten untergehen. Eine Ausnahme gilt allein für solche auf dem Mitgliedschaftsverhältnis beruhenden Rechte und Pflichten, die sich gegenüber dem Geschäftsanteil bereits vor dem Wirksamwerden des Einziehungsbeschlusses verselbständigt haben (vgl. Hachenburg/Ulmer aaO § 34 Rdnr. 60; Baumbach/Hueck aaO § 34 Rdnr. 15; Lutter/Hommelhoff aaO § 34 Rdnr. 2 und 5; Scholz/Westermann aaO § 34 Rdnr. 60; Roth/Altmeppen aaO § 34 Rdnr. 50). Von einer Verselbständigung des Gewinnanspruchs in diesem Sinne kann erst dann die Rede sein, wenn der Ausschüttungsanspruch entstanden ist. Dazu reicht der Ablauf des Geschäftsjahres nicht aus, vielmehr bedarf es nach der erst jüngst bestätigten Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 8. Dezember 1997 - II ZR 203/96, ZIP 1998, 384; Urt. v. 12. Januar 1998 - II ZR 82/93, ZIP 1998, 467) zusätzlich der Feststellung des Jahresabschlusses und der Beschlußfassung über die Verwendung des ausgewiesenen Jahresgewinns. Erst von da an gehört der Gewinnanspruch zum Vermögen des Gesellschafters (vgl. Sen.Urt. v. 12. Januar 1998 aaO m.w.N), er kann erst ab diesem Zeitpunkt von ihm aktiviert und in der Bilanz der Gesellschaft als Aufwand abgesetzt werden (Scholz/Emmerich aaO § 29 Rdnr. 148).
Wenn das Berufungsgericht demgegenüber im Anschluß an OLG Hamm (GmbHR 1989, 126; ihm ohne eigene Begründung folgend Hachenburg/Welf Müller aaO § 21 Rdnr. 53) meint, bereits mit Ablauf des Geschäftsjahres sei der Gewinnanspruch „dem Grunde nach enstanden”, trennt es nicht in der gebotenen Weise zwischen Gewinnstammrecht und Gewinnauszahlungsanspruch (vgl. schon Ebenroth aaO). Es setzt sich darüber hinweg, daß nach ganz h.M. mit dem Ablauf des Geschäftsjahres lediglich ein mitgliedschaftlicher Anspruch auf Feststellung des Jahresabschlusses und Fassung eines Gewinnverwendungsbeschlusses, der Auszahlungsanspruch auf die ausgeschüttete Dividende aber erst mit dem Gewinnverwendungsbeschluß und durch denselben entsteht (vgl. KK/Lutter § 58 Rdnr. 97 m.w.N.; Hachenburg/Goerdeler/Welf Müller aaO § 29 Rdnr. 6; Lutter/Hommelhoff aaO § 29 Rdnr. 3).
Auch die von dem Berufungsgericht angeführten Zitate aus dem Schrifttum stützen – ungeachtet der nicht immer völlig präzisen Ausführungen im Einzelfall – seine Auffassung nicht: Westermann (in Scholz aaO § 34 Rdnr. 60) verlangt ausdrücklich einen vor der Einziehung gefaßten Gewinnfeststellungs- und -verwendungsbeschluß. Auf diese Ausführungen nehmen nicht nur Hueck (aaO § 34 Rdnr. 15) und Altmeppen (aaO § 34 Rdnr. 50), sondern auch Ulmer (aaO § 34 Rdnr. 57) Bezug, der von der Verselbständigung des Gewinnanspruchs vergangener Geschäftsjahre allein dann ausgeht, wenn er nach Maßgabe des § 29 GmbHG – also aufgrund Beschlusses der Gesellschafterversammlung – entstanden ist. Lutter/Hommelhoff (aaO § 29 Rdnr. 4) schließlich fordern für das Entstehen eines Gewinnauszahlungsanspruchs – wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat – jedenfalls die vorherige Feststellung des Jahresabschlusses und begnügen sich nicht wie das Oberlandesgericht mit dem schlichten Ablauf des Geschäftsjahres.
Soweit das Oberlandesgericht Hamm (GmbHR 1989, 126) gegenteilig entschieden hat, ist dies einerseits schon deswegen mit der hier zu beurteilenden Fallgestaltung nicht zu vergleichen, weil in dem damaligen Fall noch das Vollausschüttungsgebot des § 29 GmbHG a.F. galt und das Oberlandesgericht Hamm deswegen möglicherweise gemeint hat, den den Auszahlungsanspruch auslösenden Beschlüssen der Gesellschafterversammlung eine nur formale Bedeutung beimessen zu können, während es sich bei der Beklagten um eine nach neuem Recht errichtete Gesellschaft handelt. Die gegen diese Außerachtlassung der grundlegenden Bedeutung der Entscheidungen über Jahresabschluß und Gewinnverwendung bestehenden Einwände gelten jedoch erst recht, wenn es in der Entscheidungskompetenz der Gesellschafterversammlung liegt, ob überhaupt und in welcher Höhe ein festgestellter Gewinn an die Gesellschafter ausgeschüttet werden soll. Daß der Gesellschafter mit der rechtswirksam beschlossenen Einziehung das Recht verliert, an der Beschlußfassung über die Feststellung des Jahreabschlusses und die Verwendung des ausgewiesenen Gewinns teilzunehmen, ist eine Folge der mit der Einziehung eintretenden Vernichtung des Geschäftsanteils und des Untergangs der Mitgliedschaftsrechte. Sie kann nicht dadurch außer Kraft gesetzt werden, daß aus Gründen vermeintlicher Billigkeit ein Gewinnauszahlungsanspruch als bereits mit Ablauf des Geschäftsjahres entstanden fingiert wird.
Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von einer pflichtwidrigen Verzögerung der Beschlußfassung über Gewinnfeststellung und -verwendung nicht ausgegangen werden kann, braucht der Senat nicht zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und unter welchen näheren Voraussetzungen sich die Gesellschaft u.U. auf das Fehlen eines derartigen Beschlusses nicht berufen darf, wenn der von der Einziehung betroffene Gesellschafter Gewinnansprüche für ein vor der Einziehung liegendes abgeschlossenes Geschäftsjahr erhebt (vgl. dazu Ebenroth aaO; ähnlich wohl auch die Motivation bei Lutter/Hommelhoff aaO § 29 Rdnr. 4 und 21).
Unterschriften
Röhricht, Henze, Goette, Kapsa, Richter am BGH Dr. Kurzwelly kann wegen Urlaubs nicht unterschreiben Röhricht
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.09.1998 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539765 |
BGHZ |
BGHZ, 299 |
BB 1998, 2279 |
DB 1998, 2212 |
DStR 1998, 1688 |
HFR 1999, 493 |
WPg 1998, 1056 |
NJW 1998, 3646 |
BBK 1998, 1164 |
NZG 1998, 985 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1998, 2198 |
WuB 1999, 65 |
WuB 1999, 73 |
ZAP 1998, 1136 |
ZIP 1998, 1836 |
AG 1999, 79 |
DNotZ 1999, 434 |
MDR 1998, 1421 |
GmbHR 1998, 1177 |
ZNotP 1998, 464 |