Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme von beschlgnahmtem Bargeld nach Verfahrensende. unklare Eigentumslage an Bargeld
Leitsatz (amtlich)
Bargeld, das in einem Strafverfahren als Beweismittel beschlagnahmt wird, ist nach Verfahrensende im Grundsatz an den letzten Gewahrsamsinhaber auszuhändigen; bestand bei der Beschlagnahme Mitgewahrsam mehrerer Personen, hat die Rückgabe - bzw. die Leistung von Wertersatz - an diese gemeinschaftlich zu erfolgen.
Normenkette
BGB § 432
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 25.02.2013; Aktenzeichen 4 U 2040/12) |
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 24.09.2012; Aktenzeichen 4 O 1659/12) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des OLG Nürnberg - 4. Zivilsenat - vom 25.2.2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin und ihr Ehemann sind bosnische Staatsangehörige, die in Deutschland leben. Im Januar 2007 ließ die Staatsanwaltschaft in einem gegen den Ehemann gerichteten Ermittlungsverfahren wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln die Wohnung der Eheleute durchsuchen. Dabei wurden in der Küche - versteckt in einer Kunststoffdose - 42.300 EUR in bar gefunden. Die Dose samt Geldscheinen wurde sichergestellt und anschließend durch das AG beschlagnahmt; das Geld wurde auf ein Konto der Landesjustizkasse eingezahlt. Der Ehemann wurde zu einer Freiheitsstrafe von dreizehn Jahren verurteilt. Zugleich wurde der Wertersatzverfall i.H.v. 30.500 EUR angeordnet (§ 73a StGB). Die Staatsanwaltschaft erklärte hinsichtlich des sichergestellten Betrags die Aufrechnung mit den auf dem Wertersatzverfall und den Verfahrenskosten des Strafverfahrens beruhenden Ansprüchen des beklagten Freistaats Bayern.
Rz. 2
Mit der Behauptung, sie sei Eigentümerin des Geldes gewesen, erstritt die Klägerin im Wege der Teilklage einen Zahlungstitel über 5.000 EUR gegen den Beklagten. Die verbleibenden 37.300 EUR waren zunächst Gegenstand der vorliegenden Klage. Über einen Anspruch i.H.v. 16.150 EUR ist in erster Instanz ein Anerkenntnisurteil ergangen. Im Übrigen hat die Klage in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren auf Zahlung der restlichen 21.150 EUR gerichteten Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Das Berufungsgericht sieht das behauptete Alleineigentum der Klägerin an den Geldscheinen nicht als bewiesen an. Es sei offen geblieben, ob das Geld von ihr oder ihrem Ehemann stamme. Andererseits werde nicht das Eigentum des Ehemannes gem. § 1362 BGB zugunsten des Beklagten vermutet, weil das anzuwendende bosnische Recht eine solche Vermutung nicht kenne.
Rz. 4
Im Zeitpunkt der Beschlagnahme habe jedenfalls Mitbesitz der Eheleute an den Geldscheinen bestanden. Deshalb werde deren Miteigentum vermutet (§§ 1006, 1008 BGB), und zwar gem. § 742 BGB zu gleichen Anteilen. Infolgedessen habe der Klägerin ursprünglich ein Anspruch auf Übergabe von 21.150 EUR in bar zugestanden. Die Geldschuld sei das typische Beispiel einer teilbaren Leistung; auch aus Rechtsgründen handele es sich nicht um eine unteilbare Leistung, weil weder eine entsprechende Parteiabrede noch eine gemeinsame Empfangszuständigkeit bestehe. Da die sichergestellten Geldscheine nicht mehr konkret vorhanden seien, habe die Klägerin gem. § 285 BGB nunmehr einen Zahlungsanspruch i.H.v. 21.150 EUR erworben, der durch das Urteil in dem Vorprozess und das Anerkenntnisurteil bereits zuerkannt worden sei. Den Anspruch ihres Ehemannes auf Zahlung von 21.150 EUR könne sie nicht geltend machen, weil dieser durch Aufrechnung erloschen sei.
II.
Rz. 5
Die Revision ist begründet. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht an, die (verbleibende) Hälfte des sichergestellten Betrags - bzw. der Anspruch auf Ersatz des Wertes - stehe gem. § 742 BGB im Zweifel dem Ehemann der Klägerin zu, während der Klägerin selbst der ihr gebührende Anteil bereits zuerkannt worden sei.
Rz. 6
1. Bei seiner Begründung lässt das Berufungsgericht schon im Ausgangspunkt außer Acht, dass es sich um die Rückabwicklung einer strafprozessualen Beschlagnahme handelt.
Rz. 7
a) Die durch das AG gem. § 98 Abs. 2 StPO angeordnete Beschlagnahme endete mit dem Abschluss des Strafverfahrens (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 98 Rz. 29 m.w.N.). Das Geld muss zurückgegeben bzw. Wertersatz geleistet werden, weil es (nur) als mögliches Beweismittel (§§ 94, 98 Abs. 2 StPO) vorläufig sichergestellt und sodann beschlagnahmt wurde; der Verfall (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB) wurde in dem Strafurteil nicht angeordnet, sondern nur der Wertersatzverfall (§ 73a StGB). Durch letzteren entsteht zwar ein staatlicher Zahlungsanspruch, der auf einer Schätzung der aus den Straftaten erlangten Vorteile beruht und wie eine Geldstrafe beigetrieben wird (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 73a Rz. 8); mit dem beschlagnahmten Geld steht dies aber nicht in Zusammenhang. Eine Pfändung des Geldes aufgrund eines dinglichen Arrests gem. §§ 111b Abs. 2, 111d StPO ist nicht erfolgt.
Rz. 8
b) Die Rückgabe nach dem Ende einer förmlichen Beschlagnahme zu Beweiszwecken stellt eine dem deutschen Recht unterliegende öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden dar. Da sie dem Restitutionsgedanken folgt, muss der Gegenstand - sofern nicht § 111k StPO eingreift - regelmäßig an den letzten Gewahrsamsinhaber zurückgegeben werden; es ist der Zustand wiederherzustellen, der vor der Beschlagnahme bestand (Nr. 75 Abs. 2 RiStBV; BGH, Urt. v. 9.11.1978 - III ZR 116/77, BGHZ 72, 302, 304 f.; v. 13.7.2000 - IX ZR 131/99, NJW 2000, 3218; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 94 Rz. 22; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 98 Rz. 8; Ernst, JZ 2014, 28, 30, jeweils m.w.N.). Im Grundsatz ist es nicht die Aufgabe des Strafverfahrens, die Eigentums- und Besitzverhältnisse an Sachen, die für die Zwecke des Verfahrens vorübergehend in amtlichen Gewahrsam gebracht worden sind, unter den Beteiligten zu regeln (Ernst, JZ 2014, 28, 31; Malitz, NStZ 2003, 61, 63).
Rz. 9
c) Danach wäre den Eheleuten der Mitgewahrsam - der im Zeitpunkt der Beschlagnahme bestand - wieder einzuräumen, wenn die in deren Wohnung beschlagnahmten Geldscheine noch vorhanden wären; für das Eigentum anderer Personen gibt es keine Anhaltspunkte. Weil allein die Gewahrsamsverhältnisse im Zeitpunkt der Beschlagnahme entscheidend sind, kommt es in diesem Zusammenhang weder auf die Eigentumsvermutung gem. § 1006 BGB noch auf das eheliche Güterrecht und die von der Revision in diesem Zusammenhang aufgeworfenen internationalprivatrechtlichen Fragen an. Unanwendbar ist auch die in § 1362 Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltene Vermutung. Danach wird bei Eheleuten zugunsten der Gläubiger vermutet, dass die im Besitz eines Ehegatten oder beider Ehegatten befindlichen beweglichen Sachen dem Schuldner gehören, und zwar unter den Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 2 EGBGB auch bei ausländischem Ehewirkungsstatut. § 1362 BGB bezieht sich aber auf die Zwangsvollstreckung; die Norm dient dem Schutz der Gläubiger und soll im Zusammenwirken mit § 739 ZPO verhindern, dass diese bei der Vollstreckung in Beweisnot geraten (vgl. MünchKomm/BGB/Weber-Monecke, 6. Aufl., § 1362 Rz. 2). Die Bestimmung kann deshalb anwendbar sein, wenn ein im Ermittlungsverfahren angeordneter dinglicher Arrest durch Pfändung vollzogen wird (§ 111d Abs. 2 StPO, § 930 Abs. 1 und 2 ZPO). Eine strafprozessuale Beschlagnahme zu Beweiszwecken - bzw. deren Rückabwicklung - regelt die Norm jedoch nicht; insoweit bedarf es weder einer Eigentums- noch einer Gewahrsamsvermutung, wie sie § 739 ZPO enthält. Denn für die Rechtmäßigkeit einer Beschlagnahme ist es ohne Belang, ob die Sache im Eigentum oder Gewahrsam des Beschuldigten oder eines Dritten steht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 94 Rz. 1; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 94 Rz. 1).
Rz. 10
d) Weil das beschlagnahmte Bargeld auf ein Konto eingezahlt worden ist, trat an die Stelle des ursprünglichen öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruchs ein entsprechender Zahlungsanspruch zugunsten der Eheleute als den letzten Gewahrsamsinhabern (§ 285 BGB analog).
Rz. 11
2. Die Aufrechnung mit den gegen den Ehemann gerichteten Ansprüchen des Beklagten aus dem Strafverfahren hat nicht zum Erlöschen des Zahlungsanspruchs geführt, weil die Eheleute Mitgläubiger gem. § 432 BGB waren und es demzufolge an der gem. § 387 BGB erforderlichen Gegenseitigkeit fehlt.
Rz. 12
a) Die Gegenseitigkeit wäre nur dann gegeben, wenn entweder eine Teilgläubigerschaft bestanden hätte, bei der der Schuldner gegenüber jedem Teilhaber den diesem zustehenden Anteil schuldet, oder aber eine Gesamtgläubigerschaft (§ 428 BGB), bei der der Schuldner nach seinem Belieben an einen der Gläubiger leisten kann. Dagegen fehlte sie, wenn eine Mitgläubigerschaft der Eheleute (§ 432 BGB) bestand. In diesem Fall kann eine wirksame Aufrechnung nur mit einer Forderung erfolgen, für deren Erfüllung sämtliche Mitgläubiger - hier also beide Ehegatten - dem Schuldner haften (vgl. BGH, Urt. v. 16.7.2010 - V ZR 215/09, NJW 2011, 451 Rz. 13). Eine Mitgläubigerschaft besteht auch dann, wenn die Forderung zwar auf eine im natürlichen Sinne teilbare Leistung gerichtet, aber rechtlich unteilbar ist. Voraussetzung hierfür ist die gemeinsame Empfangszuständigkeit der Gläubiger, die sich kraft Abrede oder kraft Gesetzes aus dem Innenverhältnis der Gläubiger ergeben kann (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.1998 - V ZR 272/96, NJW 1998, 1482, 1483 unter 3.; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., vor § 420 Rz. 1, § 432 Rz. 3; Staudinger/Looschelders, BGB [2012], § 420 Rz. 16, § 432 Rz. 4).
Rz. 13
b) Daran gemessen sind beide Eheleute Mitgläubiger i.S.v. § 432 BGB. Bestünde - wie es das Berufungsgericht annimmt - zwischen den Ehegatten eine Bruchteilsgemeinschaft nach deutschem Recht, hätte dies ohne Weiteres eine gemeinsame Empfangszuständigkeit zur Folge (vgl. nur BGH, Urt. v. 23.1.1998 - V ZR 272/96, NJW 1998, 1482, 1483 unter 3.; BGH, Urt. v. 19.10.2000 - IX ZR 255/99, NJW 2001, 231, 233 unter III. [insoweit in BGHZ 145, 352 nicht abgedruckt], st.Rspr.; Staudinger/Looschelders, BGB [2012], § 432 Rz. 24 m.w.N.). Dies kann jedoch dahinstehen. Eine gemeinsame Empfangszuständigkeit besteht schon aufgrund der erforderlichen Restitution. Weil der im Zeitpunkt der Beschlagnahme bestehende Zustand wiederherzustellen ist, kann der Schuldner nicht nach seinem Belieben an einen der Gläubiger leisten oder die Leistung aufteilen. Vielmehr setzt sich der (wiederherzustellende) Mitgewahrsam an den Geldscheinen bei dem Sekundäranspruch als gemeinsame Empfangszuständigkeit fort (vgl. für vertragliche Sekundäransprüche BGH, Urt. v. 5.3.2009 - III ZR 302/07, NJW-RR 2009, 687 Rz. 8 f. m.w.N.; für die Erlösverteilung nach Zwangsversteigerung BGH, Urt. v. 20.2.2008 - XII ZR 58/04, BGHZ 175, 297 Rz. 23). Die Aufteilung im Innenverhältnis ist allein Sache der vormaligen Gewahrsamsinhaber.
Rz. 14
3. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Selbst wenn ein Auseinandersetzungsanspruch des Ehemannes im Hinblick auf die Forderung bestehen sollte, fehlte es an der Gegenseitigkeit, solange dieser nicht durchgesetzt worden ist.
III.
Rz. 15
Das Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden, weil die Klägerin bislang Zahlung an sich verlangt hat und das Berufungsgericht - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - auf eine Änderung des Klageantrags nicht hingewirkt hat. Die Klägerin muss daher Gelegenheit erhalten, ihren Klageantrag umzustellen. Zwar hat ihre Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf eine Erklärung des Ehemannes in dem Vorprozess verwiesen, wonach dieser keine Ansprüche an dem Geld erhebt. In diesem Fall könnte die Klägerin Zahlung an sich allein verlangen. Benennt der letzte Gewahrsamsinhaber einen Dritten als Empfangsberechtigten, ist an diesen herauszugeben (vgl. Nr. 75 Abs. 2 RiStBV; SK/Wohlers, StPO [2009], § 98 Rz. 57); folglich ist an den Mitgewahrsamsinhaber herauszugeben, den die früheren Gewahrsamsinhaber übereinstimmend benennen. Diesbezüglicher Tatsachenvortrag der Klägerin - der nach dem bisherigen Rechtsstandpunkt der Vorinstanzen nicht erheblich war - fehlt bislang jedoch. Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt grundsätzlich nur das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtliche Parteivorbringen (§ 559 Abs. 1 ZPO). Beide verhalten sich zu dem hier in Rede stehenden Punkt nicht. Wird eine Akte beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht, wird dadurch nicht ohne Weiteres der gesamte Akteninhalt zum Bestandteil des Parteivorbringens (BGH, Urteil vom 4.4.2014 - V ZR 110/13, NJW-RR 2014, 903 Rz. 14 f.).
Rz. 16
Darüber hinaus hat sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht mit der Frage befasst, ob nach dem bosnischen Recht als dem Ehewirkungsstatut (Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB) eine Haftung der Klägerin für die Schulden ihres Ehemannes besteht; nach dem Gerichtsgutachten aus dem vorangegangenen Verfahren dürfte dies allerdings zu verneinen sein.
Fundstellen