Leitsatz (amtlich)
a) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG mit einem einzigen Kommanditisten führt zum Ausscheiden der Komplementär-GmbH aus der KG (§§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB) und zur liquidationslosen Vollbeendigung der KG unter Gesamtrechtsnachfolge des Kommanditisten; er haftet für Gesellschaftsverbindlichkeiten nur mit dem übergegangenen Vermögen.
b) Prozessual sind auf einen solchen Rechtsübergang während eines laufenden Rechtsstreits die §§ 239, 246 ZPO sinngemäß anzuwenden.
c) Zu den Voraussetzungen der Haftung eines Verfrachters gegenüber einer Akkreditivbank aus § 826 BGB wegen Falschangaben in einem Konnossement.
Normenkette
BGB § 826; HGB § 131 Abs. 3 Nr. 2, § 161 Abs. 2; ZPO §§ 239, 246
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 18.07.2001) |
LG Hamburg |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Hanseatischen OLG Hamburg v. 18.7.2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 6. Zivilsenat des Hanseatischen OLG Hamburg zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Bank mit Sitz in O. eröffnete am 12.1.1999 im Auftrag der in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässigen S. Ltd. ein unwiderrufliches Akkreditiv über 229.600 US-$ zu Gunsten der im Vereinigten Königreich domizilierten Si. Ltd., die ebenso wie die S. Ltd. zur Firmengruppe des inzwischen untergetauchten, unter Betrugsverdacht stehenden indischen Geschäftsmanns P. gehörte. Hintergrund des Akkreditivauftrags war ein Kaufvertrag zwischen der S. Ltd. und der Si. Ltd. über eine Metallieferung von 8.000 kg "Indium Tin Alloy", die von G. nach D. verschifft werden sollten. Nach den Akkreditivbedingungen war Voraussetzung für die Auszahlung des Akkreditivbetrages durch die L.er Korrespondenzbank der Klägerin u. a. die Vorlage eines Konnossements mit Angabe des Schiffsnamens und datierter Verladebestätigung ("shipped on board"-Vermerk) des Verfrachters. Ein entsprechendes Dokument über die Verfrachtung von 8.000 kg "Indium Tin Alloy" in einem Container mit der Kennung M. hatte die in H. ansässige Beklagte als Verfrachterin auf Drängen P. bereits am 11.1.1999 ausgestellt, obwohl der Container an diesem Tag noch auf dem Landweg unterwegs war und erst am 14.1.1999 auf das Frachtschiff "MS Sa. Ma." verladen wurde. Spätestens an diesem Tag übergab die Beklagte das Konnossement an P., der hiermit am selben Tag die Auszahlung der Akkreditivsumme an die Si. Ltd. bei der L.er Korrespondenzbank der Klägerin erwirkte. Von ihr erhielt daraufhin die Klägerin das Konnossement in dreifacher Ausfertigung und indossierte es an die S. Ltd. weiter. Diese erteilte daraufhin am 25.1.1999 der Reederei Ma. die Weisung, das inzwischen in R. eingetroffene Frachtgut nach Sin. zu verschiffen. Am 14.7.1999 erstattete die Klägerin ihrer L.er Korrespondenzbank die ausgezahlte Akkreditivsumme von 229.500 US-$. Ihr Rückgriff gegenüber der S. Ltd. scheiterte an deren Insolvenz.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz in Höhe der 229.500 US-$ aus § 826 BGB, weil die Beklagte durch ihr in mehrfacher Hinsicht vorsätzlich falsch ausgestelltes Konnossement die Auszahlung der Akkreditivsumme an die Si. Ltd. ermöglicht habe. Das LG hat der Klage mit Rücksicht auf den unstreitig falschen "shipped on board"-Vermerk stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Vor Erlass des zweitinstanzlichen Urteils war das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Komplementär-GmbH der Beklagten eröffnet und dessen Eröffnung über das Vermögen der Beklagten mangels Masse abgelehnt worden. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.
I. Das Berufungsgericht geht in prozessualer Hinsicht allerdings zutreffend davon aus, dass der Rechtsstreit weder durch die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten (Beschluss des Insolvenzgerichts v. 12.6.2001) noch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihrer Komplementär-GmbH am 31.5.2001 unterbrochen worden ist. § 240 ZPO greift mangels Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten nicht ein. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komplementär-GmbH der Beklagten führte zwar - entgegen der Ansicht der Parteien in der Revisionsinstanz - nicht nur zur Auflösung der Beklagten, sondern gem. §§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB zum Ausscheiden der Komplementär-GmbH aus der Beklagten mit der Folge ihrer liquidationslosen Vollbeendigung unter Gesamtrechtsnachfolge ihres - nach übereinstimmendem Parteivortrag in der Revisionsinstanz - einzig verbliebenen Kommanditisten (vgl. BGH BGHZ 45, 206; v. 10.12.1990 - II ZR 256/89, BGHZ 113, 132 [133 f.] = MDR 1991, 507; Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 131 Rz. 35, Anh. § 177a Rz. 45 zu b; a. A. bei "Simultaninsolvenz" von KG und Komplementär-GmbH K. Schmidt, GmbHR 2002, 1209, 1213 f.; K. Schmidt in Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 60 Rz. 114, vor § 64 Nr. 120 ff.). Prozessual sind auf diesen Rechtsübergang während des Rechtsstreits die §§ 239, 246 ZPO sinngemäß anzuwenden (vgl. BGH, Beschl. v. 18.2.2002 - II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = BGHReport 2001, 237 = AG 2001, 307 = ZIP 2002, 614 f.). Da die Beklagte zur Zeit des Rechtsübergangs durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war (vgl. BGH BGHZ 2, 227 [229]; mit RGZ 71, 155) und ein Aussetzungsantrag gem. § 246 ZPO nicht gestellt worden ist, konnte der Rechtsstreit unter der bisherigen Parteibezeichnung (vgl. BGH, Urt. v. 19.2.2002 - VI ZR 394/00, BGHReport 2002, 518 = MDR 2002, 713 = NJW 2002, 1430 f.) mit Wirkung für den verbliebenen Kommanditisten als Rechtsnachfolger der Beklagten fortgesetzt werden (vgl. BGH v. 8.2.1993 - II ZR 62/92, BGHZ 121, 263 [265] = AG 1993, 338 = GmbHR 1993, 508 = MDR 1993, 1238; Urt. v. 1.12.2003 - II ZR 161/02, MDR 2004, 589 = GmbHR 2004, 182 = AG 2004, 142 = BGHReport 2004, 315, Umdr. S. 5 f.). Das gilt auch für die Revisionsinstanz mit Rücksicht auf den Fortbestand der Prozessvollmacht der vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten (§ 86 ZPO) und deren Befugnis zur Bestellung eines Revisionsanwalts (§ 81 ZPO).
Klarzustellen ist, dass der verbliebene Kommanditist nach den in BGH v. 10.12.1990 (BGH v. 10.12.1990 - II ZR 256/89, BGHZ 113, 132 [134 ff.] = MDR 1991, 507) vorgezeichneten Grundsätzen für die Verbindlichkeiten der KG nur mit dem ihm zugefallenen Gesellschaftsvermögen haftet (vgl. BGH v. 10.12.1990 - II ZR 256/89, BGHZ 113, 132 [134 ff.] = MDR 1991, 507), also - nach Wegfall des § 419 a. F. BGB - nur zur Duldung der Zwangsvollstreckung in jenes Vermögen zu verurteilen ist (vgl. BGH v. 10.12.1990 - II ZR 256/89, BGHZ 113, 132 [138 f.] = MDR 1991, 507). Eine weiter gehende Haftung gem. § 171 f. HGB oder aus § 25 HGB, wenn der Kommanditist das Handelsgeschäft der KG fortführt, bleibt davon ebenso unberührt wie die Nachhaftung der ausgeschiedenen Komplementär-GmbH (§ 128 HGB).
II. In der Sache meint das Berufungsgericht, ein Schaden sei der Klägerin nicht schon durch die Auszahlung der Akkreditivsumme seitens ihrer Korrespondenzbank entstanden, weil sie dafür als Gegenleistung den dreifachen Satz des Konnossements erhalten habe, das trotz des falsch datierten Verladevermerks "werthaltig" gewesen sei; denn die zu Grunde liegende Ware sei tatsächlich verladen worden. Ein Schaden der Klägerin sei erst dadurch eingetreten, dass sie den dreifachen Satz des Konnossements ohne Absicherung an die S. Ltd. übergeben und ihr damit eine anderweitige Verfügung über die zugrundeliegende Ware ermöglicht habe.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Entgegen dem verfehlten Ausgangspunkt des Berufungsgerichts ist der Klägerin ein Schaden, dessen rechts- oder sittenwidrige Verursachung durch die Beklagte hier infrage steht, bereits auf Grund der die Klägerin zur Erstattung verpflichtenden Auszahlung der Akkreditivsumme durch ihre L.er Korrespondenzbank entstanden. Ohne das - von der Beklagten ausgestellte - Konnossement hätte die Auszahlung nach den Akkreditivbedingungen nicht erfolgen können. Dass die Auszahlung Zug um Zug gegen Übergabe des Konnossements zu erfolgen hatte (vgl. Rabe, Seehandelsrecht, 4. Aufl., vor § 556 Nr. 80), betrifft nicht die der Klägerin von ihrem Auftraggeber (S. Ltd.) geschuldete Gegenleistung in Gestalt der Erstattung des verauslagten Betrages, die an der Insolvenz der S. Ltd. scheiterte. Dieser Schaden ist der Beklagten jedenfalls objektiv dann zuzurechnen, wenn sie die Auszahlung der Akkreditivsumme durch Falschangaben in dem Konnossement herbeigeführt hat. Dass die Klägerin im Vertrauen auf die Seriosität des Geschäftsmanns P. den Dreifachsatz des Konnossements an die S. Ltd. weiter indossiert und ihr damit die Umdestination des Frachtguts ermöglicht hat, könnte allenfalls zu einem Mitverschulden der Klägerin führen, das aber ggü. einer vorsätzlich fraudulösen Mitwirkung der Beklagten in den Hintergrund träte.
2. Richtig ist allerdings, dass die unstreitig falsche Angabe des Verschiffungsdatums in dem Konnossement für sich allein als Schadensursache dann keine Rolle spielte, wenn das Frachtgut sich bei Vorlage des Konnossements gegenüber der Korrespondenzbank der Klägerin (am 14.1.1999) tatsächlich an Bord des in dem Konnossement bezeichneten Schiffs "Sa. Ma." befand, weil die Auszahlung der Akkreditivsumme dann auch bei Angabe des tatsächlichen Verladedatums (14.1.1999) zu erreichen gewesen wäre. Ob dies der Fall war, oder das Konnossement darüber hinaus weitere - möglicherweise bewusst falsche - Angaben der Beklagten insbesondere hinsichtlich der angeblichen Art und Menge der verschifften Ware enthielt, lässt sich wegen insoweit in sich widersprüchlicher Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beurteilen. Das angefochtene Urteil nimmt gem. § 543 Abs. 2 S. 2 ZPO a. F. in vollem Umfang auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug, aus dem hervorgeht, dass zwischen den Parteien umstritten ist, ob sich in dem an Bord des Schiffs verbrachten Container mit der Kennung M. die in dem Konnossement bezeichnete Ware befand. Demgegenüber geht das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils ohne weiteres davon aus, dass "die Ware" tatsächlich auf das Schiff verladen und verschifft worden sei. Damit liegt ein Widerspruch zwischen Tatbestand und Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils vor, der dessen rechtlicher Überprüfung entgegensteht und daher von Amts wegen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache führen muss (vgl. BGH, Urt. v. 13.5.1996 - II ZR 275/94, GmbHR 1996, 601 = MDR 1996, 1135 = WM 1996, 1314; Urt. v. 17.4.1996 - VIII ZR 95/95, MDR 1996, 1063 = NJW 1996, 2235; Urt. v. 17.5.2000 - VIII ZR 216/99, MDR 2000, 1026 = WM 2000, 1871 f.). Der Senat macht dabei von der Möglichkeit der Zurückverweisung an einen anderen Senat des Berufungsgerichts Gebrauch (§ 565 Abs. 1 S. 2 ZPO a. F.).
III. 1. Für die weitere Verhandlung und Entscheidung ist darauf hinzuweisen, dass eine etwaige Falschangabe hinsichtlich der verschifften Ware für die Auszahlung der Akkreditivsumme und damit für den Schaden der Klägerin insofern ursächlich wäre, als die Akkreditivbank die Auszahlung nur vornehmen darf, wenn sie zuvor die Übereinstimmung zwischen den Akkreditivbedingungen und den vorgelegten Dokumenten genau geprüft hat (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., VI Bankgeschäfte (11), ERA Art. 13 Rz. 1; vgl. auch zum Grundsatz der Dokumentenstrenge, BGH, Urt. v. 2.7.1984 - II ZR 160/83, MDR 1985, 297 = WM 1984, 1214; Urt. v. 10.12.1970 - II ZR 132/68, WM 1971, 158 f.). Die Auszahlung hätte daher nicht erfolgen dürfen, wenn sich aus dem Konnossement die Verschiffung einer anderen als der nach der Handelsrechnung zu liefernden Ware ergeben hätte. Entgegen der Auffassung der Beklagten scheitert ihre Haftung nicht zwangsläufig daran, dass das von ihr ausgestellte Konnossement hinsichtlich der Warenbezeichnung formularmäßig die Einschränkung "said to contain" enthält. Hat der Aussteller des Konnossements - wie hier von der Klägerin behauptet - Grund zu der Annahme, dass die Warenangaben falsch sind, muss er seine Zweifel durch Anbringung eines entsprechenden Vermerks zum Ausdruck bringen, was dazu geführt hätte, dass das Konnossement "unrein" geworden wäre und eine Auszahlung nicht hätte stattfinden dürfen (vgl. Rabe, Seehandelsrecht, 4. Aufl., vor § 645 Rz. 3). In dem bewussten Unterlassen eines entsprechenden Vermerks durch die Beklagte kann ein unter § 826 BGB fallendes Verhalten gegenüber der Klägerin zu sehen sein (vgl. Herber, Seehandelsrecht, S. 430). Das gilt - entgegen der bisherigen Ansicht des Berufungsgerichts - erst recht dann, wenn sich die Beklagte bewusst in betrügerische Machenschaften P. ggü. der Klägerin hat einbinden lassen.
2. Soweit es auf die Falschangabe hinsichtlich des Verladedatums in dem Konnossement der Beklagten ankommen sollte, entfällt deren Kausalität für den Schaden der Klägerin nur dann, wenn die Ware auch tageszeitlich vor der Auszahlung der Akkreditivsumme vollständig auf das Schiff verladen war.
Fundstellen