Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 19.07.2010) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 19. Juli 2010 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der allgemeinen Sachrüge. Das Rechtsmittel ist hinsichtlich des Schuldspruchs unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Es führt jedoch zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Rz. 2
1. Die Strafzumessung hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand; denn die Urteilsgründe legen nahe, dass das Landgericht lediglich die im Rahmen der getroffenen Verfahrensabsprache unzulässig vereinbarte Punktstrafe festgesetzt hat und daher die mitgeteilten Erwägungen zur Strafbemessung nur vorgeschoben und nicht ernst gemeint sind (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 3 StR 359/10 unter Hinweis auf Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 257c Rn. 11). Hierzu im Einzelnen:
Rz. 3
a) Ausweislich der Urteilsgründe ist zwischen den Verfahrensbeteiligten folgende Verständigung zustande gekommen: „Die Kammer hält eine Gesamtstrafe von drei Jahren und neun Monaten bei geständiger Einlassung im Rahmen der Anklage für angemessen mit folgenden Maßgaben: Verbindung des hiesigen Verfahrens mit dem Verfahren 60 Js 4291/09, Staatsanwaltschaft Düsseldorf; Abgabe der Erklärung der Staatsanwaltschaft, dass der Angeklagte zum Halbstrafenzeitpunkt abgeschoben werden kann.”
Rz. 4
b) Gegen den Inhalt der Verständigung bestehen durchgreifende Rechtsbedenken. Nach § 257c Abs. 3 StPO „gibt das Gericht bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben.” Hieraus folgt, dass das Gericht nicht stets einen Verständigungsvorschlag unterbreiten muss, der eine Angabe zu einem Strafrahmen enthält. Denkbar sind auch andere, den Strafausspruch nicht umfassende gerichtliche Initiativen. Wenn das Gericht aber – wie in der Regel – von der Möglichkeit („kann … auch”) Gebrauch macht, den Verständigungsvorschlag auf den Strafausspruch zu beziehen, muss es sowohl eine Ober- als auch eine Untergrenze der Strafe, also einen Strafrahmen angeben. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und wird durch die Gesetzgebungsmaterialien bestätigt. Danach „ermöglicht diese Vorschrift die Mitteilung der gegenwärtigen Strafeinschätzung des Gerichtes, die für den Angeklagten in seiner Entscheidung, sich auf eine Verständigung einzulassen oder nicht, von großer Bedeutung ist. Außerdem legt die Vorschrift fest, dass das Gericht bei der Angabe des Strafrahmens die allgemeinen Strafzumessungserwägungen und die Umstände des Einzelfalles nicht verlassen darf.” (Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/12310 S. 14). Mit der Pflicht zur Benennung eines Strafrahmens kommt auch zum Ausdruck, dass das Verständigungsgesetz an dem von der Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195; Beschluss vom 3. März 2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40) entwickelten Verbot der Vereinbarung einer Punktstrafe festhält (BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2010 – 1 StR 345/10, NStZ 2010, 650; vom 28. September 2010 – 3 StR 359/10; vgl. auch Beschlüsse vom 8. Oktober 2010 – 1 StR 347/10, StRR 2010, 465 und vom 11. Oktober 2010 – 1 StR 359/10).
Rz. 5
c) Die unter Verstoß gegen § 257c Abs. 3 StPO vom Gericht vorgeschlagene und auf dieser Basis zustande gekommene Verständigung auf eine Punktstrafe sowie die Verhängung exakt dieser Strafe deuten darauf hin, dass das Landgericht in der Urteilsberatung nach durchgeführter Hauptverhandlung nicht eine schuldangemessene Strafe bestimmt, sondern allein die vorher gemachte Zusage eingehalten hat, weshalb der gesamte Strafausspruch auf einer solchen schon vor den Schlussvorträgen der Verfahrensbeteiligten (§ 258 StPO) und der nachfolgenden Urteilsberatung (§ 260 Abs. 1 StPO) vorgenommenen Selbstbindung des Gerichts beruht. Hierin besteht eine Verletzung von § 46 StGB, die auf die Sachrüge zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2006 – 1 StR 293/06, BGHSt 51, 84 mwN; Beschluss vom 11. April 2007 – 3 StR 108/07, NStZ-RR 2007, 245).
Rz. 6
2. Für ein Vorgehen nach § 354 Abs. 1a StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2006 – 1 StR 293/06, BGHSt 51, 84) sieht der Senat hier keinen Anlass. Die Strafe muss daher erneut zugemessen werden.
Rz. 7
3. Im Hinblick auf die vom Landgericht zum Inhalt der Verständigung gemachte Erklärung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich einer späteren Vollstreckungsentscheidung verweist der Senat auf die Beschränkung in § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO sowie auf den Beschluss des 2. Strafsenats vom 6. Oktober 2010 – 2 StR 354/10, StRR 2010, 466.
Unterschriften
Becker, Pfister, von Lienen, Hubert, Schäfer
Fundstellen
Haufe-Index 2657507 |
NStZ 2011, 648 |
NStZ 2011, 7 |
StRR 2011, 166 |
StRR 2011, 223 |
StV 2011, 338 |
StraFo 2011, 279 |