Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch gegen Steuerberater wegen verspäteter Stellung eines Konkursantrags aufgrund falscher Bilanzerstellung
Leitsatz (redaktionell)
1. Einen Schadensersatzanspruch des Konkursverwalters gegen einen Steuerberater aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung (falsche Bilanzerstellung) ist nur dann möglich, wenn die Gemeinschuldnerin nicht nur am Bilanzstichtag (31. Juli 1981), sondern auch zur Zeit der Fertigstellung der Bilanz im Januar 1982 überschuldet gewesen ist.
2. Wenn das Berufungsgericht den Schadenersatzanspruch des Klägers daran scheitern läßt, daß er sich nicht im einzelnen zu der Frage geäußert hat, ob nicht einige oder sämtliche von ihm geltend gemachten Schäden in Gestalt der behaupteten Erhöhung der unterstellten Überschuldung auch dann eingetreten wären, wenn der Konkurs bereits früher eröffnet worden wäre, läßt es nicht erkennen, ob es sich der Beweiserleichterungen des § 287 ZPO bewußt gewesen ist.
3. Der den Bilanzen zugrundeliegende Vertrag zwischen der Gemeinschuldnerin und dem beklagten Steuerberater hat keine Schutzwirkung zugunsten der Konkursgläubiger. Der Steuerberater nimmt keine neutrale Stellung zwischen seinem Auftraggeber und dessen Gläubigern ein, sondern er steht auf der Seite seines Auftraggebers und hat aufgrund des mit diesem geschlossenen Vertrages dessen Interessen im Rahmen des gesetzlich Zulässigen wahrzunehmen.
Normenkette
KO §§ 213, 207; ZPO § 287; BGB §§ 675, 276; StBerG § 33
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 04.09.1985; Aktenzeichen 25 U 262/84) |
LG Münster (Urteil vom 06.09.1984; Aktenzeichen 15 O 212/84) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 4. September 1985 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter der Firma B Fördertechnik GmbH, über deren Vermögen am 17. September 1982 das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Der Beklagte war seit Gründung der Gemeinschuldnerin deren steuerlicher Berater.
Der Kläger behauptet, die Bilanz zum Stichtag 31. Juli 1981, die der Beklagte am 5. Januar 1982 erstellt hat, sei falsch. Das Eigenkapital habe am 31. Juli 1981 nicht, wie die vom Beklagten erstellte Bilanz ausweist, 22.544,01 DM betragen; vielmehr sei die Gemeinschuldnerin am Stichtag bereits mit 461.845,32 DM überschuldet gewesen. Deshalb sei der Konkurs nicht, wie es geboten gewesen sei, schon am 15. Januar 1982, sondern erst im September 1982 angemeldet worden. Infolgedessen sei die Verschuldung der Gemeinschuldnerin allein in der Zeit vom 31. Juli bis zum 17. September 1982 um weitere 404.466,11 DM angewachsen.
Mit der Klage nimmt der Kläger den Beklagten wegen dieses Schadens in Höhe eines Teilbetrages von 150.000 DM nebst Zinsen aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung auf Zahlung in Anspruch. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage für unbegründet gehalten. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
1. Das Berufungsgericht hält einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung zutreffend nur dann für möglich, wenn die Gemeinschuldnerin nicht nur am Bilanzstichtag (31. Juli 1981), sondern auch zur Zeit der Fertigstellung der Bilanz im Januar 1982 überschuldet gewesen ist. Nur dann wäre im Januar 1982 ein Konkursantrag wegen Überschuldung (noch) geboten gewesen (§§ 213, 207 Abs. 1 KO). Davon glaubt das Berufungsgericht nach dem Klägervortrag aber nicht ausgehen zu dürfen, weil der Kläger weder hinreichend dargetan noch unter Beweis gestellt habe, daß die Klägerin auch im Januar 1982 überschuldet war. Diese Erwägung ist jedoch nicht rechtsfehlerfrei.
Gewiß hätte eine Bilanz zum 31. Juli 1981, die die vom Kläger behauptete und vom Berufungsgericht unterstellte Überschuldung zutreffend ausgewiesen hätte, zunächst nur Anlaß zu einer zusätzlichen Prüfung der Vermögensverhältnisse für Januar 1982 gegeben. Indessen läßt sich dem Vortrag des Klägers entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durchaus entnehmen, daß die Gemeinschuldnerin nach den Behauptungen des Klägers auch zu dieser Zeit überschuldet gewesen sei. Gerade daraus soll sich nach dem Klägervorbringen vor dem Tatrichter die Pflicht der Gemeinschuldnerin ergeben haben, den Konkurs schon am 15. Januar 1982 anzumelden.
Nach den vom Beklagten gefertigten Bilanzen belief sich das Eigenkapital der Gemeinschuldnerin am 31. Juli 1980 nach erheblichen Verlusten noch auf 115.846,89 DM und schrumpfte nach weiteren Verlusten auf 22.547,01 DM am 31. Juli 1981 zusammen. Nach der vom Kläger eingeholten und vom Berufungsgericht als zutreffend unterstellten Bilanz der F zum 31. Juli 1981 war die Gemeinschuldnerin an diesem Tage sogar schon mit 461.845,32 DM überschuldet. Für einen Abbau dieser Verschuldung, die der Senat revisionsrechtlich als zutreffend zugrunde zu legen hat, in der Zeit bis Januar 1982 gibt es im Parteivortrag keinerlei Anhaltspunkt. Kapitalzuführungen oder Gläubigerverzichtserklärungen, ordentliche oder außerordentliche Erträge in dieser Größenordnung sind der vorgelegten Bilanz zum 31. Juli 1982 und dem Zwischenabschluß zum 17. September 1982 nicht zu entnehmen und auch sonst nicht behauptet. Vielmehr sind für das Geschäftsjahr 1981/82 und die anschließende Zeit bis zur Eröffnung des Konkurses weitere Fehlbeträge in Höhe von 247.739,56 DM und 404.466,11 DM ausgewiesen. Unter diesen Umständen hat die Revision recht, wenn sie hervorhebt, alle Erfahrung spreche dafür, daß die unterstellte Überschuldung bis Januar 1982 nicht abgebaut war. Das hat das Berufungsgericht, wie die Revision zutreffend rügt, nicht hinreichend beachtet. Die Behauptung des Beklagten, das Unternehmen habe sich seinerzeit in einer „positiven Entwicklung” befunden, ist zu vage, um demgegenüber ins Gewicht zu fallen. Auch wenn Banken damals noch Geduld mit der Gemeinschuldnerin gehabt haben sollten, besagt das nicht mehr, als daß die betreffenden Kreditinstitute den Konkurs in ihrem Interesse damals (noch) nicht für geboten hielten.
2. Nicht rechtsfehlerfrei ist das angefochtene Urteil aber auch insofern, als das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, daß es sich bei der Prüfung der Frage, ob die Gemeinschuldnerin infolge der – unterstelltermaßen – fehlerhaften Bilanz des Beklagten einen Schaden erlitten hat, im Rahmen von § 287 Abs. 1 ZPO bewegt. Diese Vorschrift ist dazu geschaffen, dem Kläger eines Schadensersatzprozesses die Einzelbegründung seines Schadens abzunehmen (BGHZ 54, 45, 55; 84, 244, 253), und vermindert damit in ihrem Anwendungsbereich auch die sonst strengeren Anforderungen an die Darlegung. Das gilt auch für die vom Berufungsgericht angeschnittene Frage, ob nicht einige oder sämtliche vom Kläger geltend gemachten Schäden in Gestalt der behaupteten Erhöhung der unterstellten Überschuldung auch dann eingetreten wären, wenn der Konkurs bereits am 15. Januar 1982 eröffnet worden wäre. Wenn das Berufungsgericht den Schadensersatzanspruch des Klägers ohne weiteres daran scheitern läßt, daß sich der Kläger hierzu nicht im einzelnen geäußert habe, so läßt es nicht erkennen, daß es sich der Erleichterungen des § 287 ZPO bewußt gewesen wäre.
3. Einen zu strengen Maßstab legt das Berufungsgericht ferner auch dadurch an, daß es nicht gelten läßt, daß der Kläger eine Erhöhung von Verbindlichkeiten gegenüber bestimmten Gläubigern in der Zeit vom 31. Januar 1982 bis zur Konkurseröffnung dargelegt hat, sondern stattdessen exakt schon auf die Zeit vom 15. Januar 1982 an, also auf den Tag abstellen will, an dem die Gemeinschuldnerin nach dem Vortrag des Klägers spätestens Konkursantrag hätte stellen sollen. Wenn es auf eine Vermehrung der Schulden der Gemeinschuldnerin seit diesem Tage ankommt, dann vermag die Schuldenentwicklung seit dem 31. Januar 1982 dafür im Rahmen des § 287 ZPO gewichtige Anzeichen zu bieten.
II.
Keinen Erfolg hat die Revision dagegen, soweit die Klage hilfsweise auf Schadensersatzansprüche gestützt ist, die einzelne Konkursgläubiger an den Kläger abgetreten haben und die daraus abgeleitet werden, daß die vom Beklagten erstellte Bilanz unzutreffend gewesen sei.
Der den Bilanzen zugrundeliegende Vertrag zwischen der Gemeinschuldnerin und dem beklagten Steuerberater hatte, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, keine Schutzwirkung zugunsten der Konkursgläubiger. Der Steuerberater nimmt keine neutrale Stellung zwischen seinem Auftraggeber und dessen Gläubigern ein, sondern er steht auf der Seite seines Auftraggebers und hat aufgrund des mit diesem geschlossenen Vertrages dessen Interessen im Rahmen des gesetzlich Zulässigen wahrzunehmen. Ihn allgemein (auch) den gegenläufigen Interessen der Gläubiger seines Auftraggebers zu verpflichten, liegt nicht im Sinne des Auftraggebers (für einen Ausnahmefall vgl. Senatsurteil vom 26. 11.1986 – IVa ZR 86/85 – zur Veröffentlichung bestimmt).
III.
Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung wird näher zu prüfen sein, ob die bislang nur unterstellte Überschuldung der Gemeinschuldnerin am 31. Juli 1981 tatsächlich und in dem behaupteten oder in einem solchen Ausmaß bestanden hat, daß sie – allein oder in Verbindung mit anderen Umständen – hinreichend sichere Schlüsse für die Zeit der Fertigstellung der Bilanz im Januar 1982 zuläßt. In diesem Zusammenhang werden die in der berichtigten Bilanz im einzelnen angeführten Positionen zu berücksichtigen und insbesondere zu prüfen sein, ob die Verbindlichkeit der Gemeinschuldnerin gegenüber Herrn U B aufgrund des vor dem Beklagten als Notarvertreter beurkundeten Vertrages vom 11. Mai 1981 in der Bilanz verschwiegen werden durfte. Bei der Prüfung der Höhe des etwaigen Schadensersatzanspruchs der Gemeinschuldnerin wird das Berufungsgericht die Erleichterungen des § 287 ZPO auszuschöpfen haben.
Fundstellen