Leitsatz (amtlich)
Beauftragt der spätere Gemeinschuldner einen Rechtsanwalt mit Sanierungsbemühungen, so ist die Zahlung des Honorars anfechtbar, wenn sie erst fast zwei Monate nach Fälligkeit und nach Zahlungseinstellung erfolgt.
Normenkette
KO § 30 Nr. 1 Fall 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 30. November 2000 und das Teilurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 4. April 2000 aufgehoben.
Der Beklagte zu 3 wird verurteilt, an den Kläger 32.339,21 EUR (= 63.250,00 DM) nebst 4 % Zinsen seit 7. Dezember 1998 zu zahlen.
Die Kosten der Rechtsmittelzüge fallen dem Beklagten zu 3 zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter im Konkurs über das Vermögen der P. GmbH (im folgenden: Gemeinschuldnerin). Am 1. Oktober 1996 beauftragte die Gemeinschuldnerin den Beklagten zu 3) (im folgenden: Beklagten), einen Rechtsanwalt, ihr bei der Sanierung behilflich zu sein. Sie sagte ihm hierfür ein Pauschalhonorar in Höhe von 55.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer (insgesamt 63.250 DM) zu, das am 30. Juli 1997 fällig sein sollte. Die von dem Beklagten bis zum 20. September 1997 entfalteten Sanierungsbemühungen scheiterten an diesem Tage. Am 22. September 1997 zahlte die Gemeinschuldnerin an den Beklagten das vereinbarte Honorar. Am darauffolgenden Tag stellte sie wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung Konkursantrag, der zur Eröffnung des Verfahrens führte.
Der Kläger nimmt den Beklagten, gestützt auf die Vorschriften der Konkursanfechtung, auf Rückzahlung des erhaltenen Honorars in Anspruch. Landgericht (durch Teilurteil) und Oberlandesgericht (dessen Urteil ist in ZIP 2001, 251 veröffentlicht und von Undritz in EWiR 2001, 489 besprochen) haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur antragsgemäßen Verurteilung des Beklagten.
I.
Das Berufungsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:
Für den Anfechtungstatbestand des § 30 Nr. 1 Fall 2 KO fehle es an dem Merkmal der Gläubigerbenachteiligung. Beauftrage der nachmalige Gemeinschuldner einen Dritten mit ernsthaften und nicht von vornherein aussichtslos erscheinenden Sanierungsbemühungen, unterliege die – angemessene – Honorierung des vorleistungspflichtigen Sanierers einer Konkursanfechtung ebensowenig wie im Falle eines Bargeschäfts. Andernfalls würde sich niemand finden lassen, der einen derartigen Auftrag annehme.
Auch eine Anfechtung gemäß § 30 Nr. 2 KO scheide aus. Der Beklagte habe keine inkongruente Deckung erhalten. Die Honorarforderung sei am 30. Juli 1997 fällig gewesen. Daß die Zahlung erst am 22. September 1997 erfolgt und bis dahin nicht eingefordert worden sei, rechtfertige nicht den Schluß, die Gemeinschuldnerin und der Beklagte hätten eine Stundungsvereinbarung getroffen.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Mit der in erster Linie geäußerten Ansicht, die Klage müsse schon aufgrund der ebenfalls geltend gemachten sogenannten Absichtsanfechtung gemäß § 31 Nr. 1 KO Erfolg haben, dringt die Revision allerdings nicht durch.
Zu einer Benachteiligungsabsicht der Gemeinschuldnerin hat das Berufungsgericht zwar keine Feststellungen getroffen. Für die Annahme einer derartigen „Absicht” reicht das Vorbringen des Klägers jedoch nicht aus. Insofern ist erforderlich, daß die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg der Rechtshandlung gewollt ist (BGH, Urt. v. 18. April 1991 – IX ZR 149/90, WM 1991, 1273, 1275; v. 4. Dezember 1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561, 1563). Hat der Gemeinschuldner indes dem Anfechtungsgegner nur das gewährt, was dieser nach den getroffenen Vereinbarungen zu beanspruchen hatte, so sind erhöhte Anforderungen an den Nachweis der Benachteiligungsabsicht zu stellen. Im Fall der kongruenten Deckung erschöpft sich der Wille des Gemeinschuldners in der Regel darin, seiner Verbindlichkeit gerecht zu werden. Das Bewußtsein, infolge der Erfüllung dieser Verpflichtung nicht alle Gläubiger befriedigen zu können, genügt deshalb regelmäßig nicht, um die Annahme einer Benachteiligungsabsicht zu rechtfertigen (BGH, Urt. v. 18. April 1991 – IX ZR 149/90, aaO). Anders ist dies zwar dann, wenn es dem Gemeinschuldner weniger auf die Erfüllung seiner Vertragspflichten als auf die Schädigung der übrigen Gläubiger ankommt. Daß es sich im vorliegenden Fall bei der Gemeinschuldnerin so verhielt, hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen. Ein Beweisanzeichen für eine Benachteiligungsabsicht wäre die Gewährung einer inkongruenten Deckung (BGH, Urt. v. 12. November 1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 276, 279). Eine solche hat das Berufungsgericht aber zu Recht ausgeschlossen, und dagegen wendet sich die Revision nicht.
2. Die Klage ist jedoch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 30 Nr. 1 Fall 2 KO begründet.
a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist eine objektive Gläubigerbenachteiligung gegeben.
aa) Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung, die für eine Anfechtung gemäß § 30 Nr. 1 Fall 2 KO genügt (BGHZ 123, 320, 323), liegt vor, weil die Masse um das Honorar verkürzt ist (vgl. Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 30 Rn. 116; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 129 Rn. 163 a.E.).
bb) Das Berufungsgericht hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, daß die Zahlung eines der Höhe nach angemessenen Honorars für ernsthafte und nicht von vornherein als aussichtslos erscheinende Sanierungsbemühungen selbst dann, wenn diese letztlich gescheitert sind, entsprechend den Grundsätzen über das Bargeschäft einer Deckungsanfechtung entzogen sein kann (vgl. RGZ 162, 292, 296; BGHZ 28, 344, 347 f; 77, 250, 252 f; BGH, Urt. v. 28. Januar 1988 – IX ZR 102/87, ZIP 1988, 324, 326; OLG Hamm NJW 1998, 1871). Insbesondere ist dem Erfordernis eines unmittelbaren Leistungsaustauschs, mit dem das Bargeschäft zum – grundsätzlich als gläubigerschädigend angesehenen – Kreditgeschäft abgegrenzt werden soll (Kübler/Prütting/Paulus, InsO § 142 Rn. 5; HK-Kreft, InsO 2. Aufl. § 142 Rn. 6), unter Umständen auch dann noch gedient, wenn der Anfechtungsgegner – wie hier – als Geschäftsbesorger gemäß § 675 i.V.m. § 614 BGB vorleistungspflichtig war und die Zahlung unmittelbar nach Abschluß der Geschäftsbesorgung oder, falls die Fälligkeit vertraglich festgelegt war, zu dem festgelegten Zeitpunkt erfolgt (Jaeger/Henckel, § 30 KO Rn. 116; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 142 Rn. 19). Ob eine Vereinbarung, derzufolge die Vergütung erst ein dreiviertel Jahr nach Beginn der Tätigkeit fällig wird, noch als verkehrsüblich angesehen werden kann, kann dahinstehen.
Denn im vorliegenden Fall ist der unmittelbare zeitliche Zusammenhang bereits deshalb nicht mehr gegeben, weil die Zahlung, obwohl sie am 30. Juli 1997 fällig war, erst am 22. September 1997 erfolgt ist. Das Berufungsgericht hat diesen Umstand lediglich daraufhin überprüft, ob er auf eine stillschweigend vereinbarte Stundung schließen läßt, was eine inkongruente Deckung hätte bedeuten können. Daß das Nichtzahlen einer fälligen Forderung – auch ohne Stundung – sich sogar im Rahmen einer kongruenten Deckung gläubigerschädlich auswirken kann, hat es nicht bedacht. Auf die Frage, ob der Beklagte nach dem 30. Juli 1997 die ausstehende Zahlung angemahnt hat, kommt es nicht an. In jedem Fall ist der Zusammenhang zwischen den durch den Geschäftsbesorgungsvertrag begründeten Leistungspflichten in einer Weise gelockert, welche die schließlich erfolgte Zahlung nicht mehr als „unmittelbare Gegenleistung” im Sinne eines Bargeschäfts erscheinen läßt (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 142 Rn. 15).
Daß die Sanierungsbemühungen des Beklagten am 30. Juli 1997 noch nicht abgeschlossen waren, rechtfertigt – entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung – nicht die Annahme, die Gemeinschuldnerin und der Beklagte hätten die Fälligkeit des Honoraranspruchs nachträglich bis zum Abschluß dieser Bemühungen hinausgeschoben. Zwar mögen die Gemeinschuldnerin und der Beklagte bei Auftragserteilung am 1. Oktober 1996 davon ausgegangen sein, die Sanierungsbemühungen würden bis zum 30. Juli 1997 abgeschlossen sein, und dementsprechend die Fälligkeit des Honorars auf diesen Tag festgelegt haben. Der Beklagte hat jedoch in den Tatsacheninstanzen nicht behauptet, daß man wegen der fortdauernden Sanierungsbemühungen die Fälligkeit des Honorars hinausgeschoben habe. Er hat vielmehr vorgetragen, er habe die Gemeinschuldnerin im August 1997 mehrfach telefonisch an die ausstehende Honorarzahlung erinnert.
b) Im Zeitpunkt der Befriedigung des Beklagten hatte die Gemeinschuldnerin die Zahlungen eingestellt; das war dem Beklagten bekannt.
Das Berufungsgericht hat dazu keine abschließenden Feststellungen getroffen und von seinem Standpunkt aus brauchte es dies auch nicht. Es hat gleichwohl bemerkt, die Zahlungseinstellung und die Kenntnis des Beklagten hiervon seien „kaum zweifelhaft”. Dagegen hat die Revisionserwiderung nichts erinnert.
Die Zahlungseinstellung und die Kenntnis des Beklagten kann der Senat selbst feststellen, weil insofern nichts mehr aufzuklären ist. Zwar hat der Beklagte in der Berufungsinstanz geltend gemacht, die Zahlungseinstellung sei erst am 23. September 1997 eingetreten, und bekannt geworden sei sie ihm noch später. Die Gemeinschuldnerin habe die Überweisung des Honorars bereits am 17. September 1997 in Auftrag gegeben, auf diesen Zeitpunkt sei abzustellen. Damit dringt der Beklagte jedoch nicht durch. Für die Anfechtbarkeit einer bargeldlosen Überweisung kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem der girovertragliche Anspruch des Empfängers auf die Gutschrift entsteht (BGH, Urt. v. 20. Juni 2002 – IX ZR 177/99, z.V.b.; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 140 Rn. 9). Das ist der Fall, wenn die Deckung bei der Bank des Empfängers eingegangen ist (Schimansky, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 49 Rn. 41). Legt man den Vortrag des Beklagten zugrunde, wonach die Gutschrift am 23. September 1997 erfolgt ist, kann der „22. September 1997”, für den das Berufungsgericht die erfolgte Zahlung festgestellt hat, nur den Zeitpunkt bezeichnen, in dem der Anspruch auf die Gutschrift entstanden ist. Da stand aber bereits fest, daß die Sanierung gescheitert war. Spätestens jetzt war die Gemeinschuldnerin zahlungsunfähig. Der Beklagte wußte als erster davon. Schon am 23. September 1997 stellte die Gemeinschuldnerin (auch) wegen Zahlungsunfähigkeit Konkursantrag. Dafür, daß die Zahlungsunfähigkeit in den Stunden zwischen dem Eingang der Deckung bei seiner Bank und dem Gang der Gemeinschuldnerin zum Konkursgericht eingetreten ist, ist nichts ersichtlich.
III.
Das Berufungsurteil ist deshalb mitsamt dem erstinstanzlichen Teilurteil aufzuheben (§§ 564 Abs. 1, 536 ZPO a.F.), und der Beklagte ist antragsgemäß zu verurteilen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.).
Unterschriften
Kreft, Kirchhof, Fischer, Ganter, Kayser
Fundstellen
Haufe-Index 781760 |
BB 2002, 1774 |
DB 2003, 501 |
NJW 2002, 3252 |
NWB 2002, 3112 |
BGHR 2002, 1063 |
BGHR |
EBE/BGH 2002, 274 |
KTS 2003, 134 |
Nachschlagewerk BGH |
StuB 2003, 191 |
WM 2002, 1808 |
WuB 2003, 97 |
ZIP 2002, 1540 |
DZWir 2003, 31 |
MDR 2002, 1454 |
NZI 2002, 602 |
ZInsO 2002, 876 |
BRAGOreport 2003, 19 |
ZVI 2002, 280 |
KammerForum 2002, 381 |