Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Steuerberaters gegenüber Kreditgeber für falschen Jahresabschluß
Leitsatz (redaktionell)
1. Testate von Steuerberatern, auf deren genauen Wortlaut in den beteiligten Wirtschaftskreisen genau geachtet zu werden pflegt, haben den Zweck, dem Auftraggeber und Dritten den Inhalt, den Umfang und das Ergebnis der Prüfung von Jahresabschlüssen aufzuzeigen. Nur soweit der Steuerberater nach dem Wortlaut des Testats die Verantwortung für die Richtigkeit der testierten Aufstellung übernimmt, reicht seine Haftung. Aus einem Vermerk „Zusammengestellt anhand der vom Auftraggeber übergebenen Endzahlen und erteilter Auskünfte” ergibt sich, daß die Prüfung der Buchführung oder der übergebenen Endzahlen nicht zu seinem Auftrag gehörte.
2. Sollen vom Steuerberater unterzeichnete Jahresabschlüsse als Entscheidungsgrundlage für Dritte dienen, so liegt die Annahme nahe, daß der Dritte in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen werden soll (Bestätigung von BGH, 26.11.1986, IVa ZR 86/85, NJW 1987, 1758).
Normenkette
StBerG §§ 33, 68
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 05.12.1986; Aktenzeichen 25 U 9/86) |
LG Essen (Urteil vom 10.10.1985; Aktenzeichen 4 O 249/85) |
Tenor
Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 5. Dezember 1986 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerinnen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerinnen nahmen den – im Laufe des Rechtsstreits verstorbenen – Beklagten J B auf Schadensersatz für Verluste in Anspruch, die sie durch den Konkurs der Firma W erlitten haben. Der Beklagte war Steuerberater dieser Firma. Die Rechtsvorgänger der Klägerinnen haben nach Vorlage vom Beklagten unterschriebener und gesiegelter Jahresabschlüsse ein der Firma W gewährtes Darlehen in Höhe von 200.000 DM verlängert und weiteren Warenkredit im Wert von 200.000 DM eingeräumt.
Im Juni 1981 legte die Inhaberin der Firma W bei Vertragsverhandlungen über die Verlängerung des Darlehens Jahresabschlüsse des Unternehmens für 1979 und für 1980 vor. Anschließend wurde der Kredit über 200.000 DM auf unbestimmte Zeit verlängert. Im April 1982 wurde der Firma W nach der Vorlage des Jahresabschlusses für 1981 ein zusätzlicher Warenkredit in Höhe von 200.000 DM gewährt.
Als gegen Ende 1983 Zweifel an der Solvenz des Unternehmens auftraten, legte die Inhaberin der Firma W einen Jahresabschluß für 1982 vom 16. Mai 1983 vor. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2) begnügte sich daraufhin damit, daß die Firma W das Darlehen in Höhe eines Teilbetrages von 100.000 DM durch die Hingabe von Wechseln ablöste, die später aber nicht bezahlt wurden.
Die Jahresabschlüsse trugen jeweils den Stempel und die Unterschrift des Beklagten unter dem Vermerk:
„Zusammengestellt anhand der vom Auftraggeber übergebenen Endzahlen und erteilter Auskünfte.”
Die vom Beklagten für die Jahre 1980 und 1981 aufgestellten Jahresabschlüsse der Firma W wiesen bei niedrigeren Umsätzen wesentlich geringere Gewinne aus, als die den Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen vorgelegten Abschriften. Diese hatte die Inhaberin der Firma W verfälscht und dem Beklagten zusammen mit anderen Unterlagen zur Unterschrift vorgelegt. Bei der Unterschrift übersah der Beklagte, daß die Inhaberin der Firma W in einigen Exemplaren abweichende Angaben zum Aufwand oder zum Ertrag und erheblich überhöhte Gewinnzahlen eingesetzt hatte.
Am 24. April 1984 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Firma W eröffnet.
Die Klägerinnen haben behauptet, die weiteren Kredite seien nur im Hinblick auf die mit der Unterschrift und dem Siegel des Beklagten versehenen Jahresabschlüsse gewährt worden. Da der Beklagte gewußt habe, daß die von ihm unterzeichneten Abschlüsse zu Kreditverhandlungen verwendet werden sollten, hätte er ihre Übereinstimmung mit den Originalabschlüssen sorgfältig überprüfen müssen. Da er dies – wie er selbst eingeräumt habe – unterlassen habe, hafte er nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte und der Auskunftshaftung.
Der Beklagte hat geltend gemacht, daß er für die Vorlage der von der Inhaberin der Firma W verfälschten Abschlüsse nicht verantwortlich sei. Im übrigen sei den Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen die finanzielle Lage der Firma W bekannt gewesen. Die Kredite seien wegen der guten persönlichen Kontakte zwischen dem Geschäftsführer der Klägerinnen und der Inhaberin der Firma W gewährt worden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerinnen wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Anträge weiter.
Der Beklagte ist am 8. Januar 1987 verstorben. Er ist von seiner Ehefrau I B beerbt worden. Auf Antrag der Erbin wurde vom Amtsgericht E am 11. September 1987 die Verwaltung des Nachlasses angeordnet. Als Nachlaßverwalterin wurde Frau Steuerberater I B bestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Der Tod des Beklagten steht der Entscheidung im Revisionsverfahren nicht entgegen. Denn das Verfahren ist dadurch nicht unterbrochen worden, weil der Verstorbene durch Prozeßbevollmächtigte vertreten war (§ 246 Abs. 1 ZPO). Die Prozeßvollmacht der Rechtsanwälte, die den Beklagten im Berufungsverfahren vertreten hatten, war weder durch seinen Tod (vgl. § 86 ZPO) noch durch den Erlaß des Berufungsurteils beendet worden. Im Zeitpunkt seines Todes war zwar das Berufungsurteil bereits verkündet, Revision aber noch nicht eingelegt. In einem solchen Fall wird die verstorbene Partei nach einhelliger Meinung noch als durch ihren Prozeßbevollmächtigten der Vorinstanz vertreten angesehen (BGH, Beschl. v. 12. November 1980 – IVb ZB 601/80, NJW 1981, 686/ 687 m.w.Nachw.).
Mit dem Tode des Beklagten wurde zunächst seine Erbin Partei des Rechtsstreits. Mit der auf Antrag der Erbin angeordneten Nachlaßverwaltung ging die Parteistellung auf die am 11. September 1987 bestellte Nachlaßverwalterin über. Nach herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, ist der Nachlaßverwalter wie der Konkursverwalter Partei kraft Amtes und nicht gesetzlicher Vertreter der Erben (vgl. Baumbach/Hartmann, ZPO 47. Aufl. Grundzüge § 50 2 C; Zöller, ZPO 15. Aufl. § 51 Rdn. 7; vgl. auch BGHZ 38, 281, 284).
II.
1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, den Klägerinnen stünden keine Schadensersatzansprüche wegen schuldhafter Verletzung des zwischen dem Beklagten und der Firma W geschlossenen Steuerberatervertrages zu. Durch diesen Vertrag seien keine Schutzpflichten begründet worden, die der Beklagte auch im Verhältnis zu den Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen zu beachten gehabt habe. Die Firma W sei zwar aufgrund der Geschäfts- und Vertragsbeziehungen zu den Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen verpflichtet gewesen, eine Verletzung ihrer Rechtsgüter zu vermeiden. Diese Pflichten begründeten aber noch kein Interesse der Firma W, ihre Gläubiger in den Schutz aller Vertragsverhältnisse mit Dritten einzubeziehen, die Auswirkungen auf die Gläubiger haben könnten. Ein solches Interesse ergäbe sich grundsätzlich nur aus weit stärkeren Fürsorgepflichten personenrechtlichen Einschlags. Auch gleichlaufende Interessen einer Gruppe, als deren Repräsentant der Auftraggeber dem Auftragnehmer erkennbar gegenübertrete, rechtfertigten es, die Gruppenmitglieder in den Schutzbereich des Auftragsverhältnisses einzubeziehen. Die Interessen der Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen als Kreditgeber und der Firma W als Kreditnehmerin hinsichtlich der richtigen Darstellung der Kreditwürdigkeit des Unternehmens seien aber so gegenläufig, daß sich die Einbeziehung der Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen in den Steuerberatervertrag zwischen dem Beklagten und der Firma W verbiete.
2. Diese Ansicht läßt sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte nicht vereinbaren (BGH, Urteile vom 28. April 1982 – IVa ZR 312/80 – und vom 2. November 1983 – IVa ZR 20/82, LM BGB § 328 Nr. 71 und 75 = NJW 1982, 2431 und 1984, 355; BGH Urt. v. 23. Januar 1985 – IVa ZR 66/83, WM 1985, 450; BGH, Urt. v. 19. März 1986 – IVa ZR 127/84, WM 1986, 711; BGH, Urt. v. 26. November 1986 – IVa ZR 86/85, NJW 1987, 1758).
Die Einbeziehung der Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen in den Schutzbereich des zwischen der Firma W und dem Beklagten abgeschlossenen Steuerberatungsvertrages kann nicht deshalb verneint werden, weil die Interessen der Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen und die der Firma W hinsichtlich der zutreffenden Darlegung der Kreditwürdigkeit dieses Unternehmens gegenläufig wären. Personen, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen (z.B. öffentlich bestellte Sachverständige, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater), können in die Lage kommen, daß sie bei der Begutachtung Sorgfaltspflichten gegenüber mehreren Personen mit unterschiedlicher Interessenrichtung zu beachten haben. Wie der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden hat, spricht die Gegenläufigkeit der Interessen des Auftraggebers und des Dritten nicht gegen seine Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages (BGH WM 1985, 450, 452; WM 1986, 711; NJW 1987, 1758, 1759).
Im vorliegenden Fall liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß die Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen in den Schutzbereich des Vertrages zwischen der Firma W und dem Beklagten einbezogen werden sollten. Die von dem Beklagten unterzeichneten verfälschten Jahresabschlüsse für 1980 und 1981 waren nicht nur für interne Zwecke der Firma W bestimmt. Sie sollten vielmehr als Entscheidungsgrundlage für Dritte, die Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen, dienen. In einem solchen Fall liegt die Annahme nahe, daß der Dritte in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen werden soll (BGH NJW 1987, 1758, 1759).
3. Im Ergebnis ist jedoch die Klage mit Recht abgewiesen worden. Denn selbst wenn man von der Einbeziehung der Klägerinnen in den Schutzbereich des zwischen der Firma W und dem Beklagten abgeschlossenen Steuerberatungsvertrages ausgeht, scheidet seine Haftung jedenfalls wegen des Inhalts des von ihm unterschriebenen Vermerkes auf den Jahresabschlüssen aus.
a) Das Berufungsgericht führt hierzu aus, der Beklagte habe nach dem Inhalt dieses Vermerks ohne jede eigene Kontrolle des Inhalts, auf die die Klägerinnen hätten vertrauen können, lediglich Angaben der Firma W in eine bestimmte Form gebracht. Soweit die Klägerinnen darauf abstellten, daß der Beklagte nicht die Übereinstimmung der vorgeblichen Kopien mit dem Original überprüft habe, sei schon zweifelhaft, ob dies überhaupt eine sich aus dem Vermerk ergebende Auskunft darstelle, für deren Richtigkeit der Beklagte die vertragliche Gewähr habe übernehmen wollen. Das Vertrauen auf die Richtigkeit der Beglaubigung sei zudem nicht auf die besondere Sachkunde des Steuerberaters gestützt. Es mache keinen Unterschied, ob die Firma W dem Beklagten für die Erstellung der Abschlüsse falsche Zahlen an die Hand gebe oder ihm die gefälschte Abschrift einer Bilanz zur Beglaubigung unterschiebe. Dem selbst getäuschten Beklagten sei der Betrug seiner Auftraggeberin nicht anzulasten.
b) Diese hilfsweise angestellten Überlegungen des Berufungsgerichts halten im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.
Wie weit die Haftung aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte persönlich und gegenständlich reichen soll, muß jeweils im Einzelfall aus den Umständen geschlossen werden. Bei Steuerberatern wird vielfach der Inhalt eines von ihnen gegebenen Testats, auf dessen genauen Wortlaut in den beteiligten Wirtschaftskreisen genau geachtet zu werden pflegt, Aufschluß geben (vgl. Lang, WM 1988, 1001 f., 1007). Diese Testate haben den Zweck, dem Auftraggeber und Dritten den Inhalt, den Umfang und das Ergebnis der Prüfung durch den Steuerberater aufzuzeigen. Nur soweit der Steuerberater nach dem Wortlaut des Testats die Verantwortung für die Richtigkeit der testierten Aufstellung übernimmt, reicht seine Haftung.
Aus dem vom Beklagten angebrachten Vermerk geht hervor, daß ihm nicht einmal die Buchführung, sondern nur vom Auftraggeber übergebene Endzahlen und erteilte Auskünfte zur Verfügung standen. Daraus ergibt sich deutlich, daß die Prüfung der Buchführung oder der übergebenen Endzahlen von vornherein nicht zu seinem Auftrag gehörte. Da die in den Jahresabschlüssen enthaltenen Zahlen ausschließlich auf den Auftraggeber zurückgingen, ohne daß der Beklagte ihre Richtigkeit zu prüfen hatte, kam auch eine Haftung für ihre Richtigkeit von vornherein überhaupt nicht in Frage. Die Rechtsvorgängerinnen der Klägerinnen konnten nach dem Text des Testats aber nicht davon ausgehen, daß der Beklagte für die Richtigkeit der verwendeten Zahlungen einstehen wollte. Damit scheidet auch eine Haftung für die ihm bei der Testierung der Kopien unterschobenen falschen Endzahlen aus.
Fundstellen