Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer gemäß § 17 Abs. 2 und/oder § 1 UWG unzulässigen Verwertung eines fremden Betriebsgeheimnisses.
Normenkette
UWG §§ 1, 17
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 26.02.1980) |
LG Berlin |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 26. Februar 1980 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin zu 1, deren Geschäftsführer der Kläger zu 2 ist, befaßt sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Stapelautomaten und -anlagen. Bei ihr und ihrer Rechtsvorgängerin war der Beklagte zu 2 vom 1. Juli 1974 bis zum 31. März 1977 als Vertriebsleiter tätig. Nach seinem Ausscheiden gründete er, ebenfalls zum Zweck der Herstellung und des Vertriebs von Stapelautomaten, die Beklagte zu 1. Den ersten Automaten, Prototyp für die beabsichtigte Produktion, lieferte diese an die Firma M. in G. aus. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten technische Kenntnisse verwerten dürfen, die der Beklagte als Angestellter der Klägerin erworben hat.
Die Kläger machen vertragliche Ansprüche und solche wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens geltend. Sie haben ausgeführt: Die Beklagten verwerteten widerrechtlich ein Betriebsgeheimnis der Klägerin zu 1. Die Konstruktion von Maschinen mit den im Klageantrag bezeichneten Merkmalen beruhe auf der Erfingung eines ehemaligen Konstrukteurs der Klägerin zu 1, die im eng begrenzten Kreis weniger leitender Angestellter, zu denen damals auch der Beklagte zu 2 gehört habe, seit November 1974 immer wieder diskutiert und vom Kläger zu 2 im Januar 1977 auch in einer Skizze festgehalten worden sei. Die an M. gelieferte Maschine sei für das noch zu errichtende Konkurrenzunternehmen der in Gründung befindlichen Beklagten zu 1 bereits während der Geltungsdauer des Dienstvertrags des Beklagten zu 2 konstruiert und gefertigt worden. Da letzterer wegen fehlender Fachkenntnisse selbst hierzu nicht fähig gewesen sei, habe er unbefugt das Betriebsgeheimnis an den Chefkonstrukteur der Klägerin zu 1, Rodewald, weitergegeben und diesen verleitet, unter Bruch seines Anstellungsvertrages und unter Mißbrauch seiner Vertrauensstellung die Maschine zu konstruieren. Für deren Fertigung – durch den gleichfalls hierzu verleiteten Maschinenschlossermeister Firmont habe der Beklagte zu 2 noch während seiner Tätigkeit als Vertriebsleiter der Klägerin zu 1 unter deren Namen über einen Mittelsmann Motoren, Bleche und andere Teile bestellt.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagten zu verurteilen,
es zu unterlassen, Stapelautomaten mit den nachfolgenden technischen Merkmalen herzustellen, anzubieten, zu vertreiben oder zu verkaufen:
Stapelautomaten für stab- oder brettförmiges Stückgut mit an Ständern vertikal verfahrbaren Stapelwagen mit horizontal verfahrbaren Tragarmen und mit Festanschläge aufweisenden, parallel geführt umlaufenden Mitnehmern, die das Stückgut auf der Rückseite der Ständer aufnehmen und auf eine auf der Oberseite der Ständer befindlichen Abladefläche ablegen, mit folgenden Merkmalen:
daß die Ablagefläche sich mindestens um die Breite einer zu bildenden Stapelreihe über die vom Festanschlag auf der Oberseite der Ständer durchlaufende Strecke hinaus erstreckt und daß die Stapelwagen mit eingefahrenen, über deren Oberkante hinausragenden Tragarmen zum Abheben der Stapelreihe unter die Ablagefläche vertikal verfahrbar und mit der Stapelreihe nach dem Ausfahren der Tragarme absenkbar sind, um die Stapelreihe durch Einziehen der Tragarme abzusetzen;
und/oder
- daß die Festanschläge am hinteren Ende der Mitnehmer angeordnet sind.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und vorgetragen: Da der Beklagte zu 2 für die Zeit nach seinem Ausscheiden keine Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerb übernommen habe, sei ihm sein Verhalten nicht vorwerfbar. Es sei unzutreffend, daß die Beklagten ein Betriebsgeheimnis der Klägerin zu 1 nutzten. Die an Maisch gelieferte Maschine habe der Beklagte zu 2 selbst – und nicht die Klägerin zu 1 – entwickelt. Von dieser sei ein solcher Automat auch weder hergestellt noch vertrieben worden. Zum Vertragsbruch habe der Beklagte zu 2 niemand verleitet. Rodewald habe nur gefälligkeitshalber bei eng begrenzten Problemstellungen geholfen; Kenntnis von irgendwelchen Neuentwicklungen der streitigen Art hätten weder er noch Firmont gehabt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter.
Während des Revisionsverfahrens ist über das Vermögen der Beklagten zu 1 das Konkursverfahren eröffnet worden. Der Konkursverwalter hat mit Schreiben vom 27. Oktober 1982, das den Parteien zugeleitet wurde, angezeigt, er nehme den Rechtsstreit nicht auf und habe sämtliche Rechte, die Gegenstand des Prozesses seien, „aus der Masse entlassen”. Darauf hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten durch Schriftsatz vom 2. November 1982 erklärt, er nehme für die Beklagte zu 1 den Rechtsstreit auf.
Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Der bezüglich der Beklagten zu 1 durch die Eröffnung des Konkursverfahrens unterbrochene Rechtsstreit ist wirksam aufgenommen worden. Dem steht nicht entgegen, daß die Beklagte zu 1 durch die Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen nach § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG aufgelöst worden ist. Denn auch die aufgelöste Gesellschaft bleibt als Liquidationsgesellschaft bestehen und ist zur eigenen Aufnahme des Rechtsstreits berechtigt (Mentzel-Kuhn-Uhlenbruck, Konkursordnung, 9. Aufl., 1979, § 10 Rdn. 12).
Die Befugnis der Beklagten zu 1, den vorliegenden Rechtsstreit aufzunehmen, ergibt sich aus § 10 Abs. 2 KO. Nach dieser Vorschrift kann der Gemeinschuldner Rechtsstreitigkeiten über das zur Konkursmasse gehörige Vermögen, welche zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens für ihn anhängig waren, aufnehmen, wenn der Verwalter die Aufnahme des Rechtsstreits ablehnt. Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts, der sich der Bundesgerichtshof angeschlossen hat (vgl. RGZ 134, 377, 379 m.w.N.; BGH NJW 1966, 51) ist der gegen den nachmaligen Gemeinschuldner anhängig gemachte Rechtsstreit auf Unterlassung als ein Aktivprozeß im Sinne von § 10 KO anzusehen. Im Streitfall liegt die Ablehnung der Aufnahme des Rechtsstreits in der Erklärung des Konkursverwalters vom 27. Oktober 1982.
II. Das Berufungsgericht hat unterstellt, daß der Beklagte zu 2 unter Verwendung eines Betriebsgeheimnisses und unter Mitwirkung der hierzu von ihm verleiteten Angestellten R. und F. – teilweise noch während der Geltungsdauer seines Dienstverhältnisses – für die in Gründung befindliche Beklagte zu 1 die Maschine konstruiert und gefertigt habe. Auf dieser Grundlage hat es das Bestehen von Unterlassungsansprüchen gegen die Beklagten verneint und ausgeführt: Es dürfe nicht verhindert werden, daß Arbeitnehmer ihre bei einem Arbeitgeber redlich erworbenen Kenntnisse nach Lösung des Vertragsverhältnisses zu ihrem Vorteil verwerteten. Nichts anderes sei vorliegend geschehen. Die Ansicht der Klägerin zu 1, ihr Betriebsgeheimnis werde rechtswidrig verwertet, sei nicht zutreffend. Da sie keinen der streitigen Stapelautomaten selbst gebaut, angeboten oder verkauft habe, sei anzunehmen, daß die Klägerin zu 1 die betriebliche Verwertung ihrer Idee zurückgestellt habe. Es habe deshalb keine der Parteien erwarten können, daß eine das Ende des Arbeitsverhältnisses überdauernde Unterlassungspflicht den Beklagten zu 2 an der Verwertung redlich erworbener betrieblicher Kenntnisse hindern würde. Das gelte sogar für Kenntnisse, an deren Geheimhaltung der Betriebsinhaber größtes Interesse habe, demnach erst recht für solche von Jahrelang nicht ausgeführten Konstruktionsgedanken. Für einen nicht redlichen Erwerb der Kenntnisse der Beklagten ergebe der Klagevortrag nichts.
Auch Ansprüche aus § 17 Abs. 1 und Abs. 2 UWG jeweils in Verbindung mit §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB bestünden nicht. Zwar habe es sich bei den dem Beklagten zu 2 zugänglichen Tatsachen möglicherweise um ein Betriebsgeheimnis gehandelt. Doch sei dieses vom Beklagten zu 2 lediglich der Beklagten zu 1, und dies erst nach Ablauf des Anstellungsvertrags, mitgeteilt worden. Keiner der Beklagten habe von dem Geheimnis durch eine gegen Gesetz oder gute Sitten verstoßende eigene Handlung Kenntnis erlangt.
Schließlich verstoße die Verwertung eines redlich erfahrenen Betriebsgeheimnisses durch einen früheren Beschäftigten auch grundsätzlich nicht gegen § 1 UWG. Besondere Umstände, die ausnahmsweise solche Ausnutzungshandlungen als unlauter erscheinen lassen könnten, lägen nicht vor. Zwar habe der Beklagte zu 2, als er für die Maschine Teile bestellt sowie Rodewald und Firmont zur Konstruktion und Montage bewogen habe, gegen Pflichten aus seinem noch bestehenden Vertrag mit der Klägerin verstoßen. Da diese jedoch nach Ablauf des Arbeitsvertrages schon nicht durch vertragliche Ansprüche geschützt sei, könne sie sich auf § 1 UWG auch nicht berufen. Zu ihren Ungunsten falle dabei ins Gewicht, daß der Beklagte die Grenze zwischen zulässiger Vorbereitungshandlung und unzulässigen Fertigungsmaßnahmen im Vergleich zu der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses nur für relativ kurze Zeit überschritten habe; in keinem Fall sei er das Dienstverhältnis zur Ausspähung von Betriebsgeheimnissen eingegangen.
III. Die gegen diese Ausführungen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.
1. Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings Ansprüche gegen den Beklagten zu 2 wegen Verletzung nachvertraglicher Pflichten und gegen beide Beklagten aus §§ 17 Abs. 1 UWG, 823 Abs. 2, 1004 BGB verneint.
a) Ein Anspruch wegen Verletzung des Anstellungsvertrags besteht nicht. Dabei kann mit dem Berufungsgericht unterstellt werden, daß der Konstruktionsgedanke der Klägerin ihr Betriebsgeheimnis war. Ein vertragliches Wettbewerbsverbot oder eine Verpflichtung, Betriebsgeheimnisse zu wahren, ist dem Beklagten zu 2 nicht auferlegt worden; insoweit besteht auch keine Nachwirkung des Dienstverhältnisses über dessen Ende hinaus. Da die Fassung des § 17 UWG auf der Erwägung beruht, daß die Arbeitnehmer nach Ablauf des Arbeitsvertrages ihre beruflichen Kenntnisse sollen frei verwerten dürfen, kann eine Nachwirkung vertraglicher Pflichten, soll dieses Recht nicht verkümmern, nur in eng begrenztem Umfange angenommen werden. Wie der erkennende Senat bereits in der Entscheidung „Industrieböden” (GRUR 1963, 367, 369, 370 = WRP 1963, 138) ausgeführt hat, reicht hierfür das allgemeine, schon im Wesen des Dienstverhältnisses begründete Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Angestellten nicht aus. Erforderlich ist, daß ein besonderes, in der Vergütung berücksichtigtes Vertrauensverhältnis zur Wahrung des Geheimnisses nötigt (BGH a.a.O.). Diese Voraussetzungen haben die Kläger nicht ausreichend vorgetragen. Die Position des Beklagten als Vertriebsleiter ohne Prokura und Handlungsvollmacht genügt für sich allein dazu nicht.
b) Mit einer Verletzung des § 17 Abs. 1 UWG kann die auf Unterlassung der Verwertung gerichtete Klage deshalb nicht begründet werden, weil Gegenstand dieser Bestimmung, worauf das Landgericht mit Recht hingewiesen hat, nur das Verbot unbefugter Mitteilung während der Dauer des Dienstverhältnisses, nicht aber das der Verwertung eines Betriebsgeheimnisses ist. Die von der Revision vertretene Auffassung, wer als Angestellter Geheimnisbruch begehe, dürfe das Betriebsgeheimnis auch später nicht verwerten, findet im Gesetz keine Stütze. Sie führt zu einer unzulässigen Ausdehnung der einer Strafvorschrift zugrundeliegenden Verbotsnorm über deren Regelungsgegenstand hinaus.
2. Schon nicht frei von Rechtsirrtum erscheinen jedoch die Überlegungen des Berufungsgerichts, mit denen es einen Unterlassungsanspruch auch aus § 17 Abs. 2 UWG (mit §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB) für nicht begründet erachtet hat.
Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der Beklagte zu 2 seine Kenntnis des Geheimnisses als leitender Angestellter der Klägerin auf lautere Weise erworben hat. Dies begegnet rechtlichen Bedenken. In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt (RG GRUR 1936, 573, 577 – Albertus Stehfix; BGH GRUR 1963, 367, 369 = WRP 1963, 138 – Industrieböden; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 13. Aufl., § 17 UWG, Rdn. 25 m.w.N.; Nastelski, Der Schutz des Betriebsgeheimnisses, GRUR 1957, 1, 5), daß der Erwerb der Kenntnis eines Betriebsgeheimnisses auch dann unredlich ist, wenn sie durch eine nicht im Rahmen der dienstvertraglichen Tätigkeit liegende nähere Beschäftigung mit den Konstruktionsunterlagen, sei es durch Zuhilfenahme technischer Mittel, sei es auch durch Anfertigung von Zeichnungen oder bloßes Sicheinprägen derart gefestigt wird, daß der Beschäftigte imstande ist, nach seinem Ausscheiden aus dem Betrieb davon Gebrauch zu machen. Dabei dürfen die Anforderungen an den Nachweis des unredlichen Erwerbs im Zivilprozeß nicht überspannt werden (BGH GRUR 1963, 367, 369 = WRP 1963, 138 – Industrieböden). Nach dem vom Berufungsgericht unterstellten Sachvortrag der Klägerin vergingen zwischen den ersten Diskussionen der Konstruktion im November 1974 und dem Bau des Prototyps im Frühjahr 1977 mehrere Jahre. Dann erscheint es möglich, nach der Lebenserfahrung sogar naheliegend, daß der Beklagte zu 2 die Idee zur späteren Verwertung durch die Beklagte zu 1 unerlaubt in Zeichnungen planmäßig festhielt. Bereits in der Klageschrift (S. 4; GA I, 4) wird ausgeführt, er habe Firmont zur Fertigung des Automaten Zeichnungen zur Verfügung gestellt. Ob es sich dabei um eigene oder von Rodewald hergestellte handelte, wäre unerheblich, wenn Rodewald für den Beklagten zu 2 gehandelt hätte, um die Konstruktionsidee für eine spätere Fertigung festzuhalten. Auch der heimliche Bau der Maschine noch während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses – als eine der Aufzeichnung vergleichbare Verkörperung des Gedankens – wäre rechtlich von Bedeutung, wenn es notwendig war, um die Kenntnis für eine zukünftige Nutzung zu bewahren.
Das Berufungsgericht hat die für eine abschließende Beurteilung insoweit erforderlichen Feststellungen nicht getroffen, so daß seine Entscheidung schon deshalb aufzuheben ist. Sollte es nach erneuter Prüfung zur Bejahung eines Anspruchs gem. §§ 17 Abs. 1 UWG, 823 Abs. 2, 1004 BGB gelangen, so würde dieser sich, da der Beklagte zu 2 Vertreter der Vorgesellschaft und später Geschäftsführer der Beklagten zu 1 war, entsprechend § 31 BGB auch unmittelbar gegen diese richten (vgl. Ulmer in Hachenburg GmbHG, 7. Aufl., 1975, § 11 Rdn. 64, 65).
3. Auch die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Unterstellungen einen Anspruch gegen die Beklagten aus § 1 UWG verneint hat, begegnen rechtlichen Bedenken.
a) Zwar geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, daß die wettbewerbsrechtliche Verpflichtung eines Angestellten, Betriebsgeheimnisse zu wahren und sie nicht zu verwerten, grundsätzlich nur für die Dauer des Dienstverhältnisses besteht. Mit dessen Beendigung entfällt für ihn nicht nur das allgemeine Wettbewerbsverbot des § 60 HGB, sondern – wie sich aus § 17 UWG ergibt – auch die Verpflichtung zur Geheimhaltung des ihm vermöge seines Dienstverhältnisses auf redliche Weise bekannt gewordenen Betriebsgeheimnisses. Sein Wissen kann er nach Ablauf des Vertrages zu Zwecken des Wettbewerbs auch gegenüber dem ehemaligen Dienstherrn grundsätzlich frei verwerten (RGZ 65, 333, 337 – Pomril –; RGZ 166, 193, 198; BGH GRUR 1955, 402, 403 – Anreißgerät – m.w.N.).
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs (RG GRUR 1936, 573, 578 – Albertus Stehfix –; BGH GRUR 1955, 402, 404 – Anreißgerät –; 1963, 367, 369 = WRP 1963, 138, 139 – Industrieböden –), der das Schrifttum gefolgt ist (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 17 Rdn. 36; Nastelski, a.a.O., S. 4, 5), kann jedoch die Verwertung auch eines auf redliche Weise erfahrenen Betriebsgeheimnisses, unabhängig davon, ob gewerbliche Schutzrechte bestehen, und unabhängig von der Regelung des § 17 Abs. 2 UWG, unter ganz besonderen Umständen als Verstoß gegen die guten Sitten aufgefaßt werden und dann nach § 1 UWG auch einen Unterlassungsanspruch auslösen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist ein solcher gesetzlicher Anspruch, da seine Voraussetzungen andere sind, nicht abhängig davon, ob auch ein Anspruch wegen Verletzung nachvertraglicher Pflichten besteht.
Im Streitfall ergibt die Gesamtwürdigung der vom Berufungsgericht unterstellten Tatsachen, daß die Nutzung des Betriebsgeheimnisses durch die Beklagten wettbewerbswidrig nach § 1 UWG war. Denn das zur Verwertung des Betriebsgeheimnisses führende Vorgehen des Beklagten zu 2, das der Beklagten zu 1 nach § 31 BGB zuzurechnen ist, kann nicht mehr als lauteres Wettbewerbsverhalten beurteilt werden.
Allerdings verbietet es im allgemeinen, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, die Treuepflicht, die in einem Anstellungsverhältnis begründet ist, dem Angestellten nicht, schon während der Dauer des Vertragsverhältnisses ein Wettbewerbsunternehmen vorzubereiten, das er nach Beendigung seines Dienstverhältnisses betreiben will (BGH GRUR 1955, 402, 405 – Anreißgerät –; RGSt 75, 75, 80, 82, RG GRUR 1938, 906, 910).
Der Streitfall weist jedoch auf der Grundlage der Unterstellung des Berufungsgerichts Besonderheiten auf, die das Verhalten des Beklagten zu 2 als unredlich kennzeichnen:
Wenn der Beklagte zu 2 schon während seines Beschäftigungsverhältnisses bei der Klägerin zu 1 damit begonnen hat, einen schon für einen konkreten Abnehmer bestimmten Prototyp der Maschine konstruieren und herstellen zu lassen, so geht dies über die bloße – organisatorische o.ä. – Vorbereitung eines Konkurrenzunternehmens hinaus, da die Herstellung eines verkaufsfähigen Produkts regelmäßig bereits zum eigentlichen Geschäftsbetrieb eines solchen Unternehmens zu zählen sein wird. Schon dies allein erscheint rechtlich nicht unbedenklich. Entscheidend ist jedoch, daß der Beklagte zu 2 diesen Konstruktions- und Herstellungsprozeß schon während seines eigenen Vertragsverhältnisses mit der Klägerin zu 1 sowohl unter Verwendung eines dieser zustehenden Betriebsgeheimnisses als auch unter Verleitung zweier Angestellter der Klägerin zu 1 zum Vertragsbruch eingeleitet hat. Insbesondere die Verleitung Rodewalds dazu, sein Wissen und Können als Chefkonstrukteur der Klägerin zu 1 dem Beklagten zu 2 gegen Bezahlung zur Vorbereitung eines Konkurrenzunternehmens zur Verfügung zu stellen und seine gehobene Vertrauensstellung bei der Klägerin zu 1 dadurch zu mißbrauchen, wiegt hierbei schwer. Unredlich erscheint zusätzlich auch, daß der Beklagte zu 2 seine eigene Vertrauensstellung als Vertriebsleiter der Klägerin zu 1 weiter dadurch mißbraucht hat, daß er unter dem Namen seiner Arbeitgeberin – und unter täuschender Einschaltung von Mittelsleuten – Motoren, Bleche und andere Teile bestellt hat, die er für die Anfertigung des eigenen Konkurrenzproduktes benötigte.
Gegenüber diesen gewichtigen Umständen kann es keine entscheidende Rolle spielen, daß die Klägerin die wirtschaftliche Verwertung des Konstruktionsgedankens zurückgestellt hatte. Zu welcher Zeit ein Unternehmer sein Betriebsgeheimnis verwerten will, muß ihm überlassen bleiben. Daß sein Interesse an einer gegenwärtigen Nutzung geringer erscheint, besagt nichts über den Wettbewerbswert des Betriebsgeheimnisses bei dessen Gebrauch in der Zukunft. Gibt allerdings der Unternehmer den Konstruktionsgedanken vollständig und für immer auf, so entfallen die Voraussetzungen für die Annahme eines Betriebsgeheimnisses; dazu hat das Berufungsgericht jedoch keine Feststellungen getroffen.
IV. Nach alledem war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Ergibt sich, daß der verwertete Konstruktionsgedanke Betriebsgeheimnis der Klägerin zu 1 war, so wird das Berufungsgericht weiterhin Feststellungen darüber treffen müssen, ob und in welchem Umfange sich der Beklagte zu 2 technischer Hilfsmittel bedient hat, um seine Kenntnis des Betriebsgeheimnisses für die spätere Verwertung zu bewahren. Ebenfalls wird zu klären sein, ob der den Schwerpunkt des Vorwurfs der Sittenwidrigkeit bildende Vortrag zutrifft, R. und F. seien vom Beklagten zu 2 zur Konstruktion und Herstellung der Maschine für das Konkurrenzunternehmen der Beklagten zu 1 unter Bruch ihres Vertrags mit der Klägerin zu 1 verleitet worden.
Sollte sich der Klageanspruch nur aus § 1 UWG herleiten lassen, wird das Berufungsgericht bei der erneuten Prüfung auch zu erwägen haben, ob eine zeitliche Befristung des Unterlassungsgebots in Betracht kommt oder ob – was näher liegen könnte – ein späterer Wegfall der Sittenwidrigkeit nur im Wege der Zwangsvollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden müßte.
Unterschriften
Alff, Merkel, Piper, Erdmann, Teplitzky
Fundstellen
Haufe-Index 1237597 |
GRUR 1983, 179 |
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