Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistung eines zugewendeten Gegenstandes durch Erteilung einer unwiderruflichen Verfügungsvollmacht
Leitsatz (amtlich)
- Durch die Erteilung einer unwiderruflichen Verfügungsvollmacht hat der Schenker den zugewendeten Gegenstand (hier: Bankguthaben) noch nicht geleistet und die Schenkung daher noch nicht im Sinne von § 2301 Abs. 2 BGB vollzogen.
- Bei einem gemeinschaftlichen Testament kommt ein Anspruch aus § 2287 BGB nicht in Betracht, wenn der Ehegatte des Schenkers zur Zeit der Schenkung noch lebt und die wechselbezügliche Verfügung des Erblassers daher noch nicht bindend geworden ist.
Normenkette
BGB § 2301 Abs. 2, §§ 2287, 2271
Tenor
Auf die Revision des Klägers und die Berufung des Beklagten werden - unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel - das Urteil des 13. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 18. September 1981 teilweise aufgehoben und das Urteil der Zivilkammer 3 des Landgerichts Berlin vom 16. Januar 1981 teilweise abgeändert wie folgt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 27.840,- Schweizer Franken nebst 4 % Zinsen seit dem 11. November 1980 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/4 und der Beklagte 3/4 zu zahlen.
Tatbestand
Der am 6. März 1976 verstorbene Bruder des Klägers (Erblasser), deutscher Staatsangehöriger, und seine am 13. Februar 1976 vorverstorbene Ehefrau hatten 1955 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, durch das sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und in dem sie weiter anordneten: "Erst nach dem Tode des zuletzt Verstorbenen sollen unsere Erben in den Besitz des dann noch vorhandenen Nachlasses kommen." Dementsprechend wurde der Erblasser von seinem Bruder (Kläger) und von drei Verwandten seiner Ehefrau beerbt. 1978 vereinbarten die Erben, daß der Kläger gegen Zahlung einer Abfindung Alleineigentümer des gesamten Nachlasses werden sollte.
Der Erblasser hatte je ein Guthaben bei der Sch. Bankgesellschaft, Z., und bei der Sch.-Volksbank, Filiale B. Hinsichtlich des Kontos bei der Sch. Bankgesellschaft hatte Dr. Br., Z., (Dr. B.) seit 1974 Vollmacht über den Tod hinaus.
Am 29. Januar 1976 bevollmächtigte der Erblasser außerdem den Beklagten, der Sch. Bürger ist und mit dem Erblasser als Mitgesellschafter in einer Kommanditgesellschaft in F. verbunden war, "unwiderruflich über die (genannten) Guthaben" zu verfügen.
Dr. B. hob am 5. April 1976 10.000 sfr. von dem Konto bei der Sch. Bankgesellschaft ab und händigte sie dem Beklagten "nach seinen Weisungen" aus. Den Restbetrag von 22.840 sfr. ließ sich Dr. B. am 17. Mai 1976 auszahlen; er übertrug diesen Betrag auf ein Konto des Beklagten. Ferner zahlte die Sch. Volksbank von dem Konto des Erblassers am 5. April 1976 5.000 sfr. an den Beklagten aus.
Der Kläger läßt die genannten Zahlungen an den Beklagten nicht gelten und beansprucht von diesem mit der Klage 37.840 sfr. nebst Zinsen. Der Beklagte hat sich darauf berufen, der Erblasser habe ihm die Konten schenkweise überlassen. Außerdem seien etwaige Ansprüche der Erbengemeinschaft aufgrund der Vereinbarung der Miterben von 1978 nicht auf den Kläger übergegangen.
Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt; auf die Berufung hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Zurückweisung der Berufung.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat nur teilweise Erfolg.
Das Berufungsgericht entnimmt der Vereinbarung der Miterben von 1978 eine Abtretung aller zum Nachlaß gehörenden Forderungen an den Kläger. Diese Auslegung ist rechtlich möglich und wird in der Revisionsinstanz nicht angegriffen. Sie unterliegt - ebenso wie die Abtretung selbst - dem Recht der Bundesrepublik; davon geht - unausgesprochen - auch das Berufungsgericht aus. Dabei kann offen bleiben, ob insoweit das Erbstatut unmittelbar (Art. 24 Abs. 1 EGBGB) maßgebend und demgemäß an die deutsche Staatsangehörigkeit des Erblassers anzuknüpfen ist, weil es sich um die Auseinandersetzung seiner Erben handelt (vgl. Kegel, IPR 4. Aufl. § 21 II S. 458), oder ob die sonst für die Abtretung maßgebende Rechtsordnung, also das die abgetretene Forderung beherrschende Recht (BGH Urteil vom 28. Oktober 1957 - II ZR 99/56 = WM 1957, 1574) heranzuziehen ist. Denn da es sich um einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung oder aus Geschäftsbesorgung handelt und der Beklagte sich auf Schenkung (unter Lebenden oder von Todes wegen) beruft, wäre auch bei der zuletzt genannten Anknüpfung nach deutschem Recht zu entscheiden (BGH Urteil vom 15. April 1959 - V ZR 5/58 = LM EGBGB Art. 7 ff. - Dt. int. Privatrecht - Nr. 7), und zwar auch dann, wenn man für die Qualifikation als Schenkung unter Lebenden oder als Schenkung von Todes wegen auf das Erbstatut abstellt.
Das Berufungsgericht beurteilt die Frage, ob der Erblasser dem Beklagten die Beträge, deren Herausgabe der Kläger verlangt, wirksam geschenkt hat, ebenfalls nach deutschem Recht. Dabei stellt es darauf ab, welchem Recht der Erblasser und der Beklagte ihre Erklärungen unterstellt haben würden, wenn sie eine solche Bestimmung getroffen hätten. Das ist, sofern die behauptete Schenkung dem Schuldstatut (und nicht dem Erbstatut) zu unterstellen ist, ebenfalls nicht zu beanstanden, und wird auch von der Revision hingenommen. Aber auch, wenn insoweit nach dem Erbstatut zu entscheiden wäre, was offen bleibt, würde hier nichts anderes gelten.
1.
Das Berufungsgericht stellt fest, der Erblasser habe dem Beklagten im Mai 1974 erklärt, er wolle ihm (dem Beklagten) von den Konten in der Schweiz 10.000 sfr. als Patengeschenk für den Sohn D. des Beklagten zuwenden und ihm eine Vollmacht erteilen, damit er den Betrag abheben könne. Das Berufungsgericht entnimmt dem ein unbedingtes Schenkungsversprechen des Erblassers an den Beklagten im Sinne einer Schenkung unter Lebenden, das der Beklagte zumindest stillschweigend angenommen habe. Diese Auslegung ist möglich und rechtsfehlerfrei.
Zutreffend bezeichnet das Berufungsgericht den Vertrag mangels Einhaltung der für das Schenkungsversprechen vorgeschriebenen Form (§ 518 Abs. 1 Satz 1 BGB) als zunächst formnichtig. Es hält den Formmangel aber gemäß § 518 Abs. 2 BGB für geheilt, weil den Umständen nach bei der Erteilung der Vollmacht am 29. Januar 1976 der Erblasser seine Forderung gegen die Sch. Bankgesellschaft in Höhe von 10.000 sfr. an den Beklagten abgetreten habe; dieser habe die Abtretung zumindest stillschweigend angenommen (§ 151 BGB).
Bei dieser Würdigung der Vorgänge vom 29. Januar 1976 setzt das Berufungsgericht - unausgesprochen - voraus, daß auch insoweit deutsches Recht anzuwenden ist. Diese Auffassung stößt auf Bedenken.
Nach deutschem internationalem Privatrecht ist für die in der Bundesrepublik vorgenommene Abtretung der Forderung eines deutschen Bankkunden gegen seine Bank in Zürich grundsätzlich nicht das deutsche materielle Recht, sondern das schweizerische Recht maßgebend (vgl. für den umgekehrten Fall BGH WM 1957, 1574). Das ist insofern von Bedeutung, als die Abtretung nach Art. 165 Abs. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts (SOR) zu ihrer Gültigkeit der Schriftform bedarf, die hier nicht erfüllt ist. Jedoch läßt Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts die Ortsform (hier F.) genügen. Formnichtigkeit liegt daher nicht vor.
Aber auch im übrigen ist die Annahme einer Abtretung durch das Berufungsgericht im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar hat die Auslegung, soweit es um die Abtretung geht, nach schweizerischem Recht zu erfolgen. Daß das Berufungsgericht das nicht gesehen hat, ist aber unschädlich. Denn auch nach Art. 18 Abs. 1 SOR ist bei der Auslegung eines Vertrages ebenso wie im deutschen Recht auf den übereinstimmenden wirklichen Willen der Vertragsparteien abzustellen. Diesen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei im Sinne einer unbedingten Abtretung festgestellt und auch ausreichend begründet. Die Bedenken, die die Revision insoweit erhebt, weil die Vollmacht ihrem Inhalt nach eindeutig sei, sind nicht begründet. Schon das Reichsgericht hat es in seiner LZ 1919, 692 ff. abgedruckten Entscheidung vom 9. Dezember 1918 zutreffend als möglich bezeichnet, einen vergleichbaren Sachverhalt dahin aufzufassen, daß der Erblasser und der Beschenkte sich formlos über eine wirkliche Abtretung des Bankguthabens an den Beschenkten geeinigt hätten und daß die Vollmacht nur dazu hätte dienen sollen, dem Beschenkten die Verfügung über das Guthaben zu ermöglichen (vgl. z.B. MK-Musielak, § 2301 BGB Rdn. 27). Auch nach schweizerischem Recht ist daher ebenfalls eine Abtretung anzunehmen. Damit ist zugleich der schuldrechtliche Schenkungsvertrag durch die Bewirkung der Leistung gemäß § 518 Abs. 2 BGB geheilt worden.
Ein Anspruch des Klägers aus § 2287 BGB kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die Ehefrau des Erblassers zur Zeit der Schenkung (Abtretung) am 29. Januar 1976 noch lebte und weil deshalb die wechselbezüglichen Verfügungen des Erblassers in dem gemeinschaftlichen Testament von 1955 noch nicht bindend geworden waren (RG LZ 1920, 698; BGHZ 82, 274, 276 f.).
2.
Für die schweizerischen Guthaben des Erblassers im übrigen hält das Berufungsgericht aufgrund der Aussage des Zeugen Ba. für bewiesen, der Erblasser habe im Herbst 1975 erklärt, wenn ihm, dem Erblasser, etwas passiere, solle der Beklagte über die Konten verfügen, denn das Geld stamme schließlich aus der gemeinsamen Arbeit. Diese Erklärung hat das Berufungsgericht dahin ausgelegt, daß der Erblasser die beiden Bankguthaben dem Kläger habe schenken wollen für den Fall, daß der Beklagte ihn überlebe. Die hierin liegende Schenkung von Todes wegen habe der Erblasser durch die Erteilung der unwiderruflichen und über seinen Tod hinaus geltenden Vollmacht vom 29. Januar 1976 im Sinne von § 2301 Abs. 2 BGB vollzogen. Diese Auffassung vermag der Senat nicht zu billigen.
Die Abgrenzung der Schenkung von Todes wegen (§ 2301 BGB) und der Verfügung von Todes wegen ist nicht einfach. Das Gesetz unterscheidet im Schenkungsrecht zwischen dem Vertrag, durch den eine Leistung schenkweise versprochen und bei dem die versprochene Leistung (möglicherweise) später bewirkt wird (§ 518 BGB), einerseits, und der sogleich, d.h. ohne vorangegangenes Schenkungsversprechen vollzogenen Handschenkung (§ 516 BGB). An diese Unterscheidung knüpft es die Formbedürftigkeit der Erklärung des Schenkers und demgemäß die Formnichtigkeit der formlosen Versprechensschenkung, sofern die versprochene Leistung nicht bewirkt ist. Eine ähnliche Grenze zieht das Gesetz zwischen dem Erbrecht und dem Schenkungsrecht. Hier unterstellt es das Schenkungsversprechen, das unter der Bedingung erteilt wird, daß der Beschenkte den Schenker überlebt (Schenkung von Todes wegen), sofern der Schenker die Schenkung nicht noch vollzieht, den Vorschriften über die Verfügungen von Todes wegen (§ 2301 Abs. 1 BGB). Dagegen sollen die Vorschriften über die Schenkungen unter Lebenden Anwendung finden, wenn der Schenker die Schenkung durch Leistung des zugewendeten Gegenstandes vollzieht (§ 2301 Abs. 2 BGB), Demgemäß verläuft die Grenze in § 518 Abs. 2 BGB da, wo die versprochene Leistung bewirkt oder nicht bewirkt ist, und in § 2301 BGB da, wo der zugewendete Gegenstand geleistet oder nicht geleistet ist.
Die Frage, ob der zugewendete Gegenstand in diesem Sinne geleistet ist, wenn der Erblasser dem Beschenkten - wie hier - eine unwiderrufliche Vollmacht zur Verfügung über die versprochenen Bankguthaben erteilt, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten; der Bundesgerichtshof hat sie noch nicht entschieden.
Dagegen hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 10. Mai 1978 (IV ZR 51/77 - WM 1978, 895, 896) ausgesprochen, in der Erteilung einer jederzeit widerruflichen (aber nicht widerrufenen) Vollmacht zur Verfügung über ein Sparguthaben habe der Tatrichter, obwohl das Sparbuch an den zu Beschenkenden übergeben war, noch keinen Schenkungsvollzug im Sinne von § 2301 Abs. 2 BGB zu erblicken brauchen. Diese Auffassung steht mit derjenigen des Reichsgerichts im Einklang (LZ 1919, 692 ff.). Aber auch durch eine unwiderrufliche und unbeschränkte Verfügungsvollmacht hat der Schenker den zugewendeten Gegenstand (hier: Guthaben) noch nicht geleistet und die Schenkung daher noch nicht im Sinne von § 2301 Abs. 2 BGB vollzogen. Das gilt auch dann, wenn der zu Beschenken de aufgrund seiner Vollmacht nach dem Tode des Schenkers das Guthaben ganz oder teilweise erlangt.
Die bloße Vollmacht, die der Schenker dem zu Beschenkenden erteilt, bewirkte, auch wenn sie unwiderruflich war, keinerlei Änderung in der rechtlichen Zuordnung der beiden Bankguthaben; sie standen nach wie vor dem Erblasser zu und gingen mit dem Erbfall auf dessen Erben über (§ 1922 Abs. 1 BGB). Die Vollmacht des Erblassers mag zwar als unwiderrufliche über den Tod hinaus bestehen geblieben sein. Indessen konnte der Beklagte kraft der Vollmacht danach nicht mehr den Erblasser, sondern nur noch die Erben vertreten (a.M. Endemann, Bürgerliches Recht 8./9. Aufl. Bd. III 1 S. 219). Gelangte er aufgrund der Vollmacht in den Genuß der Guthaben, dann konnte es sich insoweit daher rechtlich nicht mehr um eine "Leistung des Schenkers", d.h. des Erblassers, sondern allenfalls um eine solche der Erben (vertreten durch den Beklagten) handeln. Die von § 2301 Abs. 2 BGB vorausgesetzte Vollziehung durch den Schenker liegt daher nicht vor (im Ergebnis ebenso RGRK-Kregel, 12. Aufl. § 2301 BGB Rdn. 10; Soergel/Wolf, 11. Aufl. § 2301 BGB Rdn. 11; MK-Musielak, § 2301 BGB Rdn. 27; Planck/Greiff, 4. Aufl. § 2301 BGB Anm. 4; Staudinger/Dittmann, 10./11. Aufl. § 2301 BGB Rdn. 21, 30, 35; Jauernig/Stürner, 2. Aufl. § 2301 BGB Anm. 2 a; Kipp/Coing, Erbrecht, 13. Bearbeitung § 81 III 1 c S. 461; Leipold, Erbrecht 3. Aufl. § 17 I 4 b; Brox, Erbrecht 7. Aufl. Rdn. 714; Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag § 2301 BGB Rdn. 40; a.M. Kegel, Zur Schenkung von Todes wegen S. 56; Staudinger/Boehmer, 11. Aufl. Erbrecht Einleitung § 26 Rdn. 13; Wieacker, Festschrift für Heinrich Lehmann S. 271, 279; Rötelmann, NJW 1959, 661, 662; vgl. auch OLG München DB 1973, 1693). Das gilt auch dann, wenn in der Vollmacht zugleich auch die Ermächtigung, das Recht des Erblassers im eigenen Namen auszuüben, sowie die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens lag, wie es das Berufungsgericht hier annimmt. Ein irgendwie geartetes Vermögensopfer auf seiten des Erblassers ist auch dann nicht festzustellen. Der Erblasser hatte mit der Vollmacht gerade noch nicht alles getan, was von seiner Seite zur rechtlichen Zuordnung der Guthaben an den Beklagten erforderlich (vgl. BGH Urteil vom 14. Juli 1971 - III ZR 91/70 = WM 1971, 1338 f.) war. Unter diesen Umständen erweist sich das Urteil des Landgerichts hinsichtlich des Betrages von 27.840 sfr. nebst Zinsen als zutreffend, so daß die Berufung insoweit zurückzuweisen ist.
Unterschriften
Dr. Hoegen
Dehner
Dr. Schmidt-Kessel
Rassow
Dr. Zopfs
Fundstellen
Haufe-Index 1456457 |
BGHZ, 19 |
NJW 1983, 1487 |
ZEV 2010, 361 |
IPRspr. 1983, 36 |